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L00014 Landesverfassung Oberösterreich;Norm
AdLRegOrgG 1925 §3 Abs1;Beachte
Siehe:2000/74 E VS 20. Mai 1975 VwSlg 8827 A/1975 RS 1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Leibrecht, Dr. Liska und Dr. Salcher als Richter, im Beisein des Schriftführers provisorischer Landesregierungskommissär Dr. Funovits, über die Beschwerde des J W in A, vertreten durch Dipl.-Ing. Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 14. September 1973, Zl. BauR-2712/2-1973 Wö/Sta, betreffend Abweisung von Anrainereinwendungen gegen die Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) Marktgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister, 2) F sen. und F jun. in A, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.490,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Altmünster vom 11. Jänner 1973 war dem F sen. und dem F jun., den Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstücke Nr. nnn/5, KG. E, erteilt und gleichzeitig das zur Verbauung vorgesehene Grundstück als Bauplatz genehmigt worden. Die gegen das Bauvorhaben vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen waren als im Gesetz nicht begründet abgewiesen worden. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, der jedoch mit dem im Instanzenzug ergangenen und nunmehr mit Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 14. September 1973 keine Folge gegeben worden ist. Dieser Bescheid ist "Für die Oberösterreichische Landesregierung" von einem Beamten des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, nämlich von Regierungsrat des Landes Oberösterreich Dr. W der Abteilung Baurechtsangelegenheiten, erlassen worden und beruht nicht, wie dem Bericht des Landesamtsdirektors des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. Juni 1975, Zl. Präs I- 7065/2-Stg/H/Ra, zu entnehmen ist, auf einer kollegialen Beratung und Beschlussfassung durch die Oberösterreichische Landesregierung.
Gegen diesen Bescheid ist die vorliegende Beschwerde gerichtet, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Im vorliegenden Beschwerdefall handelt es sich um eine Angelegenheit des Baurechtes (Bauordnung für Oberösterreich bzw. Linzer Bauordnung), die gemäß Art. 15 B-VG 1929 in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache ist. Gemäß Art. 101 Abs. 1 B-VG übt die oberste Vollziehung des Landes die Landesregierung aus, sei es als oberste Berufungsbehörde, sei es als oberste staatliche Aufsichtsbehörde, sofern es sich um Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde im Rahmen des Art. 15 B-VG handelt.
Wenngleich sich nun aus Art. 101 B-VG ergibt, dass alle Akte der Verwaltung des Landes in oberster Instanz von der Landesregierung in kollegialer Beratung und Beschlussfassung ergehen müssen, so ist es demgegenüber in § 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes, betreffend Grundsätze für die Errichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, BGBl. Nr. 25, ausdrücklich für zulässig erklärt worden, dass auch die einzelnen Mitglieder einer Landesregierung im Sinne des Ministerialsystems zur selbständigen Leitung von Agenden der obersten Landesverwaltung berufen werden können. Die Entscheidung hierüber ist dem Landesverfassungsgesetzgeber vorbehalten. Im Falle der Einführung des Ministerialsystems ist die Aufteilung der Agenden nach monokratischer und kollegialer Erledigung in der Geschäftsordnung der Landesregierung (Art. 103 Abs. 2 B-VG) vorzunehmen. Von dieser Möglichkeit hat der Landesverfassungsgesetzgeber des Landes Oberösterreich im O.ö. Landes-Verfassungsgesetz 1971 - L-VG 1971 (Anlage zur Kundmachung der O.ö. Landesregierung vom 2. August 1971 über die Wiederverlautbarung des O.ö. Landes-Verfassungsgesetzes 1954, LGBl. für Oberösterreich Nr. 34) Gebrauch gemacht.
Art. 33 L-VG 1971 lautet:
" (1) Die Vollziehung des Landes übt die Landesregierung aus
. ....
(2) .............................................
(3) .............................................
(4) Zu einem Beschluss der Landesregierung ist die persönliche Anwesenheit von mindestens fünf Mitgliedern erforderlich. Die Landesregierung beschließt mit Stimmenmehrheit."
Art. 40 L-VG 1971 lautet:
"(1) Der Landeshauptmann vertritt das Land; er führt den Vorsitz in der Landesregierung.
(2) Die Vertreter des Landeshauptmannes führen die Bezeichnung Landeshauptmann-Stellvertreter (Art. 33 Abs.2).
Das Nähere über die Vertretung bestimmt die Landesregierung."
Art. 42 L-VG 1971 lautet:
"(1) Die Landesregierung gibt sich ihre Geschäftsordnung selbst.
(2) Die Aufteilung der Geschäfte erfolgt nach Geschäftsgruppen, deren jede einem Mitglied der Landesregierung unterstellt wird.
(3) Die Landesregierung bezeichnet die Geschäfte, die der kollegialen Beratung und Beschlussfassung bedürfen.
(4) Die Landesregierung kann bei Aufstellung ihrer Geschäftsordnung beschließen, dass einzelne Gruppen von Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes im Namen des Landeshauptmannes von Mitgliedern der Landesregierung zu führen sind. In diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Mitglieder der Landesregierung an die Weisungen des Landeshauptmannes gebunden.
(5) ............................................."
Der Verwaltungsgerichtshof ist nun der Ansicht, dass damit, und zwar auf Grund des Art. 33 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 42 Abs. 2 und 3 L-VG 1971 die nach der Bundesverfassung (§ 3 Abs. 1 BVG BGBl. Nr. 289/1925 in Verbindung mit Art. 103 Abs. 2 B-VG) geforderten landesverfassungsgesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, durch die Geschäftsordnung der Landesregierung, die sich diese gemäß Art. 103 Abs. 2 B-VG und Art. 42 Abs. 1 L-VG 1971 selbst zu geben hat und die, wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis Slg. Nr. 4572/1963 ausgesprochen hat, eine unmittelbar auf der Bundesverfassung beruhende Rechtsverordnung ist, die im Landesgesetzblatt kundzumachen ist, anstelle des Kollegialsystems das monokratische bzw. Ministerialsystem einzuführen.
(Wenn der Landesamtsdirektor des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung in seiner Äußerung vom 20. Juni 1975 auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 3619/1959 verwiesen habe, wonach dieser damals die Rechtsansicht vertreten hätte, dass gegen eine Kundmachung der "Geschäftseinteilung in der XVIII. Gesetzgebungsperiode" in der Amtlichen Linzerzeitung, Folge 47/1955, keine Bedenken - offenbar hinsichtlich der gehörigen Kundmachung - bestünden, so muss der Verwaltungsgerichtshof demgegenüber darauf verweisen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinen späteren Erkenntnissen insbesondere Slg. Nr. 4572/1963, 5846 und 5866/1968 und 6096/1969 eine Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht hat, die mit der noch im Erkenntnis Slg. Nr. 3619/1959 vertretenen nicht mehr vereinbar ist. Dies würde nun an sich bedeuten, dass damit allein schon die von der Oberösterreichischen Landesregierung unter der Bezeichnung "Zusammensetzung und Geschäftsverteilung" für die jeweilige Gesetzgebungsperiode - vermutlich unter der stillschweigenden Berufung auf § 7 des Gesetzes vom 29. Mai 1957 über das Landesgesetzblatt und die Amtliche Linzer Zeitung, LGBl. für Oberösterreich Nr. 39 - lediglich in der Amtlichen Linzer Zeitung kundgemachten, einen Teilbereich der Geschäftsordnung der Landesregierung bildenden Beschlüsse als nicht gehörig und damit gesetzwidrig kundgemacht gewertet und beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 B-VG angefochten werden müssten, sofern ihr Inhalt für den vom Verwaltungsgerichtshof zu entscheidenden Beschwerdefall präjudiziell wäre. Dies ist jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, wie im folgenden näher dargelegt werden soll, nicht der Fall).
Geht man also davon aus, dass das Landes-Verfassungsgesetz 1971 auch die Einführung des Ministerialsystems bei Führung der der Landesregierung übertragenen Angelegenheiten zulässt, so besagt Art. 42 Abs. 2 L-VG 1971 noch nichts darüber, ob in der obersten Landesvollziehung das Kollegialsystem oder das Ministerialsystem zu gelten habe, sondern lediglich, dass die Geschäftsbereiche zu Geschäftsgruppen zusammenzufassen und einem Mitglied der Landesregierung zuzuweisen bzw. zu unterstellen sind. Wenn sodann unmittelbar anschließend Art. 42 Abs. 3 L-VG 1971 besagt, dass die Landesregierung die Geschäfte zu bezeichnen habe -
und zwar ebenfalls in der Geschäftsordnung der Landesregierung -, die der kollegialen Beratung und Beschlussfassung bedürfen, so können diese Bestimmungen, denen auch noch Art. 42 Abs. 4 L-VG 1971 zugerechnet werden muss, nur so ausgelegt werden, dass die Landesregierung in der Geschäftsordnung nicht nur die Geschäfte (in Gruppen zusammengefasst) den einzelnen Mitgliedern der Landesregierung unterstellen, also zuweisen muss, wobei diese - wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Slg. Nr. 5846/1968 gefordert hat - namentlich genannt und die ihnen unterstellten Geschäftsgruppen aufgezählt werden müssen, sondern auch klar und unmissverständlich bestimmen muss, welche Geschäfte der kollegialen Beratung und Beschlussfassung bedürfen bzw., dass alle, nicht in diesem Katalog aufgezählten Angelegenheiten bzw. Geschäfte, von einem, für die jeweilige Geschäftsgruppe verantwortlichen Mitglied der Landesregierung in deren Namen, also nach dem Ministerialsystem zu führen sind.
Vergleicht man nun alle von der Oberösterreichischen Landesregierung für jede Gesetzgebungsperiode - zuletzt für die XXI. Gesetzgebungsperiode in der Folge 50/1974 - in der Amtlichen Linzer Zeitung kundgemachten, sich auf Art. 42 Abs. 2 und 4 L-VG 1971 und Art. 103 Abs. 2 B-VG berufenden Beschlüsse über die "Gechäftsverteilung", so ergibt sich eindeutig, dass diese lediglich die Zuweisung der Geschäftsbereiche an die einzelnen, namentlich genannten Landesregierungsmitglieder enthält - so ist z. B. dem Landeshauptmann Dr. E die "Aufgabengruppe Baurecht" zugewiesen -, dass jedoch nichts darüber ausgesagt wird, welche Angelegenheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 BVG BGBl. Nr. 289/1925 in Verbindung mit Art.103 Abs. 2 B-VG von dem nach der Geschäftsordnung der Landesregierung zuständigen Mitglied der Oberösterreichischen Landesregierung selbständig, im Namen der Landesregierung, also nach dem Ministerialsystem besorgt werden können. Enthält aber die Geschäftsordnung der Oberösterreichischen Landesregierung eine solche Bestimmung nicht - sie enthält auch keine, die jene Angelegenheiten aufzählen würde, die der kollegialen Beratung und Beschlussfassung bedürfen -, dann muss daraus auf Grund des § 3 Abs. 1 BVG BGBl. Nr. 289/1925 in Verbindung mit Art. 103 Abs. 2 B-VG - und hier folgt der Verwaltungsgerichtshof der vom Verfassungsgerichtshof in den bereits mehrfach zitierten Erkenntnissen geäußerten Rechtsansicht -
der Schluss gezogen werden, dass die gesamte oberste Vollziehung im selbständigen Wirkungsbereich des Landes Oberösterreich Art. 101 B-VG und Art. 33 Abs. 1 L-VG 1971 zufolge ausschließlich auf Grund kollegialer Beratung und Beschlussfassung der Landesregierung geführt werden darf. Diese Schlussfolgerung ergibt sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zwingend aus dem Schweigen der Geschäftsordnung der Oberösterreichischen Landesregierung.
Im vorliegenden Beschwerdefall ist, wie aus der Mitteilung des Landesamtsdirektors des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. Juni 1975, Zl. Präs I-7065/2-Stg/H/Ra, zu entnehmen ist, der angefochtene Bescheid nicht auf Grund eines Sitzungsbeschlusses der Oberösterreichischen Landesregierung ergangen, sondern von einem hiezu, wie behauptet wird, berechtigten Beamten ohne vorherige kollegiale Beschlussfassung "Für die Landesregierung" gefertigt worden. Gemäß § 4 der Geschäftsordnung des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung (Amtliche Linzer Zeitung, Folge 27/1950) wäre dies nur zulässig in Vertretung des fachlich vorgesetzten Mitgliedes der Landesregierung (im konkreten Beschwerdefall des Landeshauptmannes Dr. E), wenn also die oberste Landesvollziehung nach dem Ministerialsystem geführt wird. Damit ist dieser Bescheid als von einer hiefür unzuständigen Behörde erlassen anzusehen.
Da der Verwaltungsgerichtshof die Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 von Amts wegen wahrzunehmen hat, war der angefochtene Bescheid in Stattgebung der Beschwerde gemäß § 42 Abs. 2 lit. b VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Bei dieser Rechtslage war es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen. Gemäß § 39 Abs. 2 lit. b VwGG 1965 konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 sowie auf Art. I A Z. 1 und Art. IV Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 4/1975. Wien, am 1. Juli 1975
Schlagworte
Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4Zuständigkeit der Vorstellungsbehörde Verhältnis zwischen gemeindebehördlichem Verfahren und Vorstellungsverfahren Rechtsstellung der Gemeinde im VorstellungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1975:1973001651.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
17.07.2013