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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §227 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Härtel und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Iro, Öhler und Dr. Pichler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Korsche, über die Beschwerde des Dr. JF in L, vertreten durch Dr. Kurt Kunodi, Dr. Hugo Ebner und Dr. Karl Zerner, Rechtsanwälte in Wien II, Leopoldsgasse 51, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. August 1975, Zl. MA 14-F 88/75, betreffend Begünstigung gemäß § 502 Abs. 4 ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien V, Blechturmgasse 11), nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Hugo Ebner, und des Vertreters der belangten Behörde, Magistratsoberkommissär Dr. JC, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Laut der durch die Österreichische Botschaft in London am 2. Juli 1974 gemäß § 506 Abs. 3 ASVG ausgestellten Bescheinigung hat der am 10. April 1894 geborene Beschwerdeführer - der am 14./17. Juni 1974 bei der Mitbeteiligten den Antrag auf "begünstigte Anrechnung gemäß §§ 500 ff ASVG" und auf Gewährung einer Alterspension gestellt hat - glaubhaft dargetan, dass er aus Gründen der Abstammung "in der Zeit vom 31. Juli 1938 bis heute in England emigriert gewesen ist; außerdem war er in der Zeit vom 31. Juli 1938 bis 1. Juni 1940 arbeitslos im Ausland".
Die Österreichische Ärztekammer bestätigte am 3. Juni 1974, dass sich der Beschwerdeführer nach dem Hochschulstudium
a) von November 1922 bis Juni 1924 in der "Universitätszahnklinik Wien - Ausb. Arzt" und
b) von November 1926 bis Februar 1928 im "Zahnärztlichen Institut der Univ. Wien - Ausb. A."
einer vorgeschriebenen Ausbildung für den ärztlichen Beruf unterzogen hat.
Die Mitbeteiligte lehnte mit ihrem Bescheid vom 21. November 1974 die vom Beschwerdeführer gemäß §§ 500 ff ASVG beantragte Begünstigung für die Zeit vom 31. Juli 1938 bis 31. März 1959 ab. Der Beschwerdeführer, so wurde begründend ausgeführt, habe in der Zeit seit dem 1. Juli 1927 bis zur Emigration weder Beitragszeiten noch Ersatzzeiten aufzuweisen.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit seinem Bescheid vom 25. August 1975 den Einspruch des Beschwerdeführers ab. Begründend wurde unter Hinweis auf § 227 Z. 1 ASVG bemerkt, dass in der mit Februar 1928 abgeschlossenen Ausbildung des Beschwerdeführers dessen letztes volles Ausbildungsjahr mit Juni 1927 geendet habe; die Zeit vom 1. Juli 1927 bis Februar 1928 sei kein volles Ausbildungsjahr und eigne sich deshalb nicht zum Erwerb der angestrebten Ersatzzeit.
Der Beschwerdeführer behauptet in der gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. August 1975 erhobenen Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes geltend gemacht wird, es ergebe sich schon aus dem Wortlaut des letzten Satzteiles des § 227 Z. 1 ASVG, dass die besondere Anrechnungsvorschrift, wonach die acht Monate ab dem in das betreffende Schuljahr fallenden 1. November zu rechnen seien, ausschließlich für Schuljahre gelte. Postpromotionelle Ausbildungszeiten unterlägen nicht den starren Regeln der Schul- bzw. Studienjahre, die regelmäßig von September oder Oktober bis Ende Juni des nächstfolgenden Jahres dauerten. Ausbildungszeiten könnten, schon ihrer Natur nach gleich wie auch Beschäftigungszeiten als Angestellter oder Arbeiter jede mögliche zeitliche Lagerung aufweisen. Der letzte Satzteil des § 227 Z. 1 ASVG sei daher für Ausbildungszeiten hinsichtlich der besonderen Vorschrift über die Lagerung der anzurechnenden acht Monate nicht nur vom Wortlaut her, sondern auch sachlich nicht anwendbar. Die Lagerung des Beginnes der Ausbildungszeiten innerhalb eines Kalenderjahres sei ohne Belang. Es sei davon auszugehen, dass für je volle 12 Kalendermonate an Ausbildungszeit acht Monate an Ersatzzeit bis zur Höchstdauer von 48 Monaten anzurechnen seien.
Der Beschwerdeführer habe insgesamt 36 Kalendermonate an
Ausbildungszeiten zurückgelegt und damit 3 x 8 = 24 Monate
Ersatzzeiten im Zeitraum zwischen November 1922 und Februar 1928
erworben. Zurückgerechnet vom letzten Monat der Ausbildungszeit -
Februar 1928 - habe der Beschwerdeführer folgende Ausbildungsjahre
aufzuweisen: Februar und Jänner 1928 sowie Dezember bis März 1927
= 12 Monate, Februar und Jänner 1927, Dezember und November 1926,
Juni bis Jänner 1924 sowie Dezember und November 1923 = 12 Monate,
Oktober bis Jänner 1923 sowie Dezember und November 1922 = 12
Monate. Das Prinzip der Rückrechnung, vom letzten Monat ausgehend, ergebe sich aus der Entwicklungsgeschichte des § 227 Z. 1 ASVG. Die bis zum 31. Dezember 1972 in dieser Bestimmung enthaltene Dreijahresfrist bis zur nächsten Versicherungszeit oder neutralen Zeit sei vom letzten Monat der Schul- bzw. Studienzeit an zu rechnen gewesen, auch wenn vorher mehr als drei Jahre Schule oder mehr als vier Jahre Hochschule gelegen gewesen seien. Für die Erfüllung der im § 502 Abs. 4 ASVG normierten Begünstigungsvoraussetzungen reiche es aus, wenn bei Vorhandensein von mindestens 12 Ausbildungsmonaten auch nur ein Ausbildungsmonat in den Zeitraum nach dem 1. Juli 1927 hineinreiche, gleichgültig in welchen "Ausbildungsmonaten" die acht im Leistungsverfahren anrechenbaren Monate an Ersatzzeiten gelagert seien. Es sei streng zu unterscheiden zwischen dem Problem des Vorliegens von Ersatzzeiten - hier 36 Monate - einerseits und der ausschließlich im Zusammenhang mit der Leistungsbemessung interessierenden Frage, wie viele Ersatzmonate für die Deckungen bzw. für die Berechnung der Pensionshöhe - hier 24 Monate - heranzuziehen seien, anderseits. Sollte man sich dieser Auffassung nicht anschließen, bleibe die Frage der Lagerung der vom Beschwerdeführer erworbenen 24 Versicherungsmonate zu prüfen, für die der Gesetzgeber keine Regelung treffe. Die Lagerung wäre entscheidend für die Frage, ob zumindest ein Monat in den Zeitraum nach dem 1. Juli 1927 hineinreiche. Zu lösen sei dieses Problem mittels Analogieschlusses aus der Regelung eines im ASVG enthaltenen ähnlichen Sachverhaltes, nämlich jenes über die Schulzeiten. Dem § 227 Z. 1 ASVG liege der Gedanke zu Grunde, die für je ein volles Schuljahr anzurechnenden acht Versicherungsmonate an Ersatzzeiten innerhalb der letzten acht Monate des Schulbesuches innerhalb des jeweiligen Betrachtungszeitraumes zu lagern. Infolge der Ähnlichkeit der Sachverhalte sei diese Regelung daher nach allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen auch auf den vorliegenden Fall im Wege der Analogie anwendbar. Dies bedeute, angewendet auf den Beschwerdeführer, dass dieser in den Monaten Februar bis Oktober 1923, März 1924 bis Juni 1924, November und Dezember 1926, Jänner und Februar 1927 sowie Juli 1927 bis Februar 1928 Versicherungszeiten erworben habe. Wenn man jedoch die acht Monate Ersatzzeiten jeweils an den Beginn des Betrachtungszeitraumes verlegen müsste, hätte der Beschwerdeführer zuletzt in der Zeit von März bis Oktober 1927 Ersatzzeiten gemäß § 227 Abs. 1 ASVG erworben. Daraus erhelle, dass in jedem Fall nach dem 1. Juli 1927 Ersatzzeiten im Sinne des § 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG in Verbindung mit § 227 Z. 1 leg. cit. gelegen seien; in dem für den Beschwerdeführer günstigsten Fall acht Monate, in dem für den Beschwerdeführer ungünstigsten Fall vier Monate.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach dem Vorliegen der Gegenschriften der belangten Behörde und der Mitbeteiligten erwogen:
Gemäß § 502 Abs. 4 ASVG, in der Fassung der 19. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 67/1967, und der 29. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 31/1973, können Personen, die in der im § 500 leg. cit. angeführten Zeit aus einem der dort angeführten Gründe ausgewandert sind und die vorher in der Zeit seit dem 1. Juli 1927 Beitragszeiten gemäß § 226 leg. cit. oder Ersatzzeiten gemäß §§ 228 oder 229 leg. cit. zurückgelegt haben, für die Zeiten der Auswanderung, längstens aber für die Zeit bis 31. März 1959, Beiträge nachentrichten.
Gemäß § 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG, in der Fassung der 9. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 13/1962, in Verbindung mit § 227 Z. 1 ASVG, in der Fassung der 25. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 385/1970, und der 29. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 31/1973, gelten aus der Zeit vor dem 1. Jänner 1956 als Ersatzzeiten in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende Beitragszeit vorliegt, die Zeiten, in denen nach Vollendung des 15. Lebensjahres eine inländische öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete mittlere Schule mit mindestens zweijährigem Bildungsgang, eine höhere Schule, Akademie oder verwandte Lehranstalt oder eine inländische Hochschule bzw. Kunstakademie oder Kunsthochschule in dem für die betreffende Schul(Studien)art vorgeschriebenen normalen Ausbildungs(Studien)gang besucht wurde, oder nach dem Hochschulstudium eine vorgeschriebene Ausbildung für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf erfolgt ist, sofern nach dem Verlassen der Schule bzw. der Beendigung der Ausbildung eine sonstige Versicherungszeit vorliegt; hiebei werden höchstens zwei Jahre des Besuches einer mittleren Schule, höchstens drei Jahre des Besuches einer höheren Schule, Akademie oder verwandten Lehranstalt, höchstens sechs Jahre des Besuches einer Hochschule, einer Kunstakademie oder Kunsthochschule und höchstens sechs Jahre der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf berücksichtigt, und zwar jedes volle Schul(Studien- bzw. Ausbildungs)jahr, angefangen von demjenigen, das im Kalenderjahr der Vollendung des 15. Lebensjahres begonnen hat, mit acht Monaten, gerechnet ab dem in das betreffende Schuljahr fallenden 1. November.
Während die Schule, Akademie oder verwandte Lehranstalt und die Hochschule bzw. Kunstakademie oder Kunsthochschule in dem für die betreffende Schul(Studien)art vorgeschriebenen normalen Ausbildungsstudiengang besucht worden sein müssen und der Beginn sowie das Ende des Schul- und des Studienjahres gesetzlich festgelegt sind - vgl. § 2 Abs. 1 Schulzeitgesetz, BGBl. Nr. 193/1964, in der Fassung BGBl. Nr. 468/1974; § 19 Abs. 1 Allgemeines Hochschul-Studiengesetz, BGBl. Nr. 177/1966, -, fehlt es für die Ausbildung, die nach dem Hochschulstudium für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf vorgeschrieben ist, an einer derartigen generellen Bestimmung. Daraus folgt, dass der Zeitpunkt des Beginnes einer solchen Ausbildung ohne Bedeutung ist, dass sie das volle Ausbildungsjahr bildenden zwölf Monate nicht in einem zusammenhängenden Zeitraum liegen müssen, und - dies in Übereinstimmung mit der nur für das Schuljahr getroffenen Festlegung des 1. November für den Beginn der Ersatzzeit - dass die acht Monate Ersatzzeit, die für je volle 12 Monate Ausbildungszeit anzurechnen sind, auch auf andere Monate als November bis Juni fallen können. Da die für das Schul- und das Studienjahr anzurechnende Ersatzzeit etwa mit dem Unterrichtsjahr und dem Sommersemester endet - vgl. § 2 Abs. 2 Schulzeitgesetz, BGBl. Nr. 193/1964, in der Fassung BGBl. Nr. 468/1974; § 19 Abs. 1 Allgemeines Hochschul-Studiengesetz, BGBl. Nr. 177/1966 -, sie damit also vor den Hauptferien liegt, sind in Fortführung dieses Grundsatzes auch die acht Monate Ersatzzeit im Ausbildungsjahr so zu lagern, dass ihr Ende mit dessen Ende zusammenfällt.
Die belangte Behörde nimmt die Ausbildungszeit des Beschwerdeführers von November 1922 bis Juni 1924 und von November 1926 bis Februar 1928 an. Von diesen 36 Monaten Ausbildungszeit bilden die Monate November und Dezember 1922 sowie Jänner bis Oktober 1923 das erste Ausbildungsjahr, die Monate November 1923 bis Juni 1924 und November 1926 bis Februar 1927 das zweite Ausbildungsjahr und die Monate März 1927 bis Februar 1928 das dritte Ausbildungsjahr. Bei Lagerung der für die letzten 12 Monate Ausbildungszeit anzurechnenden acht Monate Ersatzzeit am Ende dieses Ausbildungsjahres hat der Beschwerdeführer seit dem 1. Juli 1927 die Monate Juli 1927 bis Februar 1928 als Ersatzzeit zurückgelegt.
Der angefochtene Bescheid, der eine seit dem 1. Juli 1927 zurückgelegte Ersatzzeit verneint, ist daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz an den Beschwerdeführer stützt sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975. Im übrigen gebührt neben dem Pauschbetrag für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand nicht gesondert einen Ersatz für die Umsatzsteuer, sodass das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen war.
Wien, am 20. Mai 1976
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1976:1975001690.X00Im RIS seit
26.02.2003Zuletzt aktualisiert am
19.02.2009