Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2 impl;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 1892/76Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer , Senatspräsident Dr. Knoll und die Hofräte Dr. Leibrecht, Dr. Hoffmannund DDr. Hauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungsoberkommissär Dr. 0swald, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in Wien gegen, den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 12. April 1976, Zl. 19 H 83/1-76, betreffend ErteilungeinerRodungsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: Peter und Josefa H, beide in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Am 26. März 1976 beantragte Peter H, der Erstmitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, im eigenen sowie im Namen seiner Frau, der Zweitmitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, bei der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag, ihnen die Bewilligung zur Rodung des Waldgrundstückes Nr. nnn, KG. L, auf einem ca. 1000 m2 großen Teil derselben und Verwendung dieses Teiles als Baugrund zu bewilligen. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass der Sohn der Antragsteller auf dieser Teilfläche für sich und seine Familie ein Einfamilienhaus errichten wolle. Dem Antrag waren Grundbuchsauszug, Lageplan und eine Bescheinigung des Bürgermeisters der Marktgemeinde L vom 23. März 1976 angeschlossen, die folgenden Wortlaut aufwies: "Seitens der Marktgemeinde L wird bescheinigt, dass gegen eine Rodungsbewilligung für das Teilwaldgrundstück Nr. nnn/1, EZ. 11 der KG. L im Ausmaße von.ca. 1000 m2 der Besitzer Peter und Josefa H, Landwirte in L, keine Bedenken bestehen. Das Grundstück soll für Bauzwecke gewidmet werden." Die Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag holte hiezu, nachdem kein Anrainer dem Verfahren beizuziehen war, da die gesamte zu rodende Fläche sich innerhalb des Grundstückes Nr. nnn/1, KG. L, befindet, das Gutachten ihres forsttechnischen Amtssachverständigen ein. Dieser führte in seinem Befund aus, dass die Fläche einen Osthang und eine Schlagblöße aufweise, der Boden frisch und fast eben sei. Im Norden der zu rodenden Fläche befinde sich ein Fichtenbestand der III. A. Klasse, im Süden ein Parkplatz für den Skilift L. Die Rodungswerber besäßen insgesamt 52,8278 ha an Grundbesitz, davon 40,2023 ha Wald. In seinem Gutachten führte der Amtssachverständige aus, dass keinerlei Grund, auf die Forstkultur Rücksicht zu nehmen, bestünde, hingegen die Umwandlung in Bauland von höherem Wirtschaftswert sei. Auch bleibe der Haus- und Gutsbedarf der Rodungswerber an Holz weiterhin gedeckt. Das öffentliche Interesse für die Errichtung eines Einfamilienhauses sei mit Rücksicht. auf die Nähe eines Siedlungsgebietes gegeben.
Mit Bescheid vom 12. April 1976, Z1. 19 H 83/1-76, gab die Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag dem Antrag der Mitbeteiligten gemäß § 19 Abs. 1 lit. b Forstgesetz 1975 statt und bewilligte, den südlichen Teil des Grundstückes Nr. nnn/1, KG. L, im Ausmaß von 1000 m2 entsprechend dem Lageplan der Holzzucht zu entziehen und in Bauland umzuwandeln. Hinsichtlich der Begründung wurde in diesem Bescheid darauf verwiesen, dass eine solche nach § 58 Abs. 2 AVG 1950 entfallen könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Zur Begründung der Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, dass zufolge § 17 Forstgesetz 1975 eine Rodungsbewilligung nur erteilt werden dürfe, wenn ein für ein bestimmtes Rodungsvorhaben bestehendes öffentliches Interesse festgestellt worden sei, welches das gesetzlich festgelegte öffentliche Interesse an der Erhaltung der Waldfläche überwiege. Darnach habe die Forstbehörde in jedem einzelnen Falle zu prüfen, ob öffentliche, für ein Rodungsvorhaben sprechende Interessen geltend gemacht worden seien und ob solche Interessen bestünden. Treffe dies zu, dann habe sie diese Interessen gegen einander abzuwägen und ihre Entscheidung entsprechend zu begründen. Dies sei jedoch bei dem angefochtenen Bescheid nicht geschehen. Darüber hinaus würde den dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde vorgelegten Entscheidungsunterlagen nicht zu entnehmen sein, welche Auswirkungen die Rodung auf den umliegenden Waldbestand haben werde, ob der Bauplatz nicht an anderer Stelle gefunden hätte werden können, was die Erteilung einer Rodungsbewilligung entbehrlich gemacht hätte, wie groß die Waldausstattung der Gemeinde bzw. des Bezirkes sei usw. Die tatsächlich von der belangten Behörde vorgenommenen Sachverhaltsfeststellungen würden es - gemeint kann hier nur sein dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft als oberste Forstbehörde - unmöglich machen, zu beurteilen, ob die erteilte Rodungsbewilligung mit dem Forstgesetz 1975 im Einklang stehe.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die Mitbeteiligten, eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975 ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Ungeachtet dessen kann aber zufolge § 17 Abs. 2 leg. cit. die gemäß § 19 Abs. 1 zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiegt. Nach Abs. 3 des § 17 können öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2, sohin solche, die dem öffentlichen Interesse der grundsätzlichen Walderhaltung vorgehen können, insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet sein. Gemäß § 17 Abs. 4 ist bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 die Behörde insbesondere auf eine, die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen; ferner sind unter dieser Voraussetzung die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.
Angesichts des dem Forstgesetz 1975 innewohnenden Grundsatzes der Walderhaltung war es daher Pflicht der belangten Behörde, über den Antrag der Mitbeteiligten ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und in diesem zu prüfen, ob das Begehren, das darauf abzielte, das fragliche Grundstück in Hinkunft als Bauland zu verwenden, vom Standpunkt des öffentlichen Interesses aus gesehen höher zu bewerten ist als das der Walderhaltung. Die Beantwortung dieser Frage setzt nicht nur ein besonderes Fachwissen voraus, das in der Regel die Beiziehung eines forsttechnischen Amtssachverständigen erforderlich macht, sondern verpflichtet auch die entscheidende Behörde, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, selbst wenn ihr bekannt wäre, dass von keinem, in einem solchen Verfahren neben dem Antragsteller Beteiligten bzw. beizuziehenden Organ einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gegen die Erteilung der Rodungsbewilligung ein Einwand erhoben werde (§ 19 Abs. 6 letzter Satz des Forstgesetzes 1975). Sie hat dabei auch ihre eigene Sachkenntnis über die örtlichen Gegebenheiten, ob der zu rodende Grund sich für eine Verwendung als Bauland eignet, ob diese Maßnahme mit dem Interesse der Allgemeinheit an einer Siedlungstätigkeit im Sinne des Begriffes "Siedlungswesen" im § 17 Abs. 3 Forstgesetz 1975 zu vereinbaren ist, sowie das Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen aktenmäßig festzuhalten und all das bei der von ihr vorgenommenen Interessenabwägung zu berücksichtigen.
Was nun das Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen anlangt, so ist dem lediglich zu entnehmen, dass der Verfasser keinen Anhaltspunkt dafür finden konnte, dass ein öffentliches Interesse daran bestünde, die zur Rodung beantragte Fläche weiterhin der Holzzucht zu erhalten. Dies allein reicht jedoch, da eine Walderhaltung schon kraft Gesetzes im öffentlichen Interesse liegt (§ 17 Abs. 1), nicht aus, die beantragte Rodung und anschließende Umwidmung des Grundstückes in Bauland zu bewilligen. Die belangte Behörde musste deshalb Überlegungen bzw. Ermittlungen in der Richtung anstellen, ob das von den Mitbeteiligten geltend gemachte Interesse an der Baulandschaffung als öffentliches Interesse im Sinne des Siedlungswesens gemäß § 17 Abs. 3 Forstgesetz 1975 gewertet werden kann, das das der Walderhaltung überwiegt. Dass grundsätzlich auch ein Privater rechtlich in der Lage ist, im Sinne des § 17 Abs. 3 leg. cit. geltend zu machen, es läge ein öffentliches Interesse im Sinne von "Siedlungswesen" vor, das höher zu bewerten ist als das Interesse an der Walderhaltung, wenn er ein bisher als "Wald" gewidmetes Grundstück in einen Bauplatz umwandeln will, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 1389/76, dargelegt, auf dessen Begründung unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965,verwiesen wird. Die belangte Behörde hatte mithin zu klären, ob sich die fragliche Parzelle überhaupt für eine Besiedelung eignet bzw. ob die Schaffung eben dieses Bauplatzes auf Kosten der Waldfläche dem Raumplanungsinteresse der Gemeinde L entspricht. Dieses Interesse an der örtlichen Raumplanung, also die planmäßige vorausschauende Gestaltung eines Gebietes, um die nachhaltige bestmögliche Nutzung und Sicherung des Lebensraumes im Interesse des Gemeinwesens innerhalb einer Gemeinde zu sichern, fällt zufolge Art. 118 Abs. 3 Z. 9 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Dabei dürfen als Bauland nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung1968, LGBl. Nr. 149, nur Grundflächen herangezogen werden, die sich auf Grund der natürlichen Voraussetzungen für die Bebauung eignen, dem voraussichtlichen Baulandbedarf für die zu erwartende Siedlungsentwicklung in der Gemeinde entsprechen und für die eine Aufschließung einschließlich Kanalisation mit zentraler Abwasserbereinigung vorhanden oder zu erwarten ist. Letzteres zu beurteilen, auch wenn in einer Gemeinde noch kein Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplan erstellt ist - wie im Falle der Gemeinde L -, fällt ebenso in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde wie die Erstellung des Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplanes selbst. Daraus ergibt sich aber bereits, dass wesentlich für die Beantwortung der Frage, ob das von den Mitbeteiligten geltend gemachte Interesse an der Baulandschaffung als öffentliches Interesse im Sinne von "Siedlungswesen", darüber hinaus aber auch noch höher zu werten ist als das der Walderhaltung, die Stellungnahme der Marktgemeinde L (§ 19 Abs. 5 Forstgesetz 1975) war, die diese zum Vorhaben des Mitbeteiligten abgegeben hatte. In dieser Erklärung - sie ist in der Sachverhaltsdarstellung wörtlich wiedergegeben worden - brachte der Bürgermeister lediglich zum Ausdruck, dass seitens der Gemeinde gegen die Erteilung der Rodungsbewilligung keine Bedenken bestünden bzw. "dass das Grundstück für Bauzwecke gewidmet werden soll". Die Erklärung der Gemeinde war nicht geeignet, der belangten Behörde als Grundlage dafür zu dienen, die Baulandschaffung für den Mitbeteiligten als öffentliches Interesse im Sinne des Siedlungswesens zu werten, das das der Walderhaltung überwiege. Hier hätte die belangte Behörde entweder ihre eigene Sachkenntnis über die örtlichen Gegebenheiten, ob etwa diese sich für eine Besiedelung eignen, insbesondere aber, ob die Schaffung des Bauplatzes auf Kosten der Waldfläche auch dem Raumplanungsinteresse der Marktgemeinde L entspricht, verwerten und das Ergebnis dieser Kenntnis aktenmäßig festhalten müssen, oder aber, wenn ihr dieses Wissen fehlte, durch das Gutachten eines hiefür berufenen Sachverständigen diese Frage klären müssen. Nichts dergleichen ist aber den Entscheidungsunterlagen der Behörde zu entnehmen, sodass weder der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (als Beschwerdeführer) noch der Verwaltungsgerichtshof in der Lage waren zu prüfen, ob die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht oder zu Unrecht angenommen hat, das Interesse des Mitbeteiligten an der Rodung der fraglichen Waldparzelle und deren Umwandlung in Bauland sei als öffentliches Interesse im Sinne des Siedlungswesens zu beurteilen, das das der Walderhaltung überwiege. Der Grund hiefür liegt darin, dass die belangte Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides den Sachverhalt unzureichend ermittelt hat. Dieser Verfahrensmangel erscheint deshalb als wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde, hätte sie jene vorerwähnten Ermittlungen angestellt, zu einer anderen Beurteilung bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse der Walderhaltung und dem vom Mitbeteiligten geltend gemachten Interesse hätte kommen müssen. Der Versuch der belangten Behörde, in der Gegenschrift neue sachverhaltsmäßige Grundlagen für ihre Entscheidung nachzutragen, war nicht geeignet, den ihrem Ermittlungsverfahren anhaftenden Mangel zu beseitigen, um es als ausreichend und dem Forstgesetz 1975 entsprechend werten zu können.
Der angefochtene Bescheid erweist sich infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben ist, als rechtswidrig und war deshalb in Stattgebung der Beschwerde gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 aufzuheben.
Damit erübrigt sich auch ein gesonderter Abspruch über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser gemäß § 30 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 20. Jänner 1977
Schlagworte
Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Beweismittel Sachverständigenbeweis Technischer Sachverständiger Sachverständiger TechnikerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1977:1976001891.X00Im RIS seit
23.06.2003Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008