Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs3;Beachte
Siehe:1280/76 E 18. Oktober 1976 Fortgesetztes Verfahren:2663/76 E 28. Februar 1977;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Leibrecht, Dr. Schima, Dr. Hoffmann und DDr. Hauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungsoberkommissär Dr. Oswald, über die Beschwerde des SS in I, vertreten durch Dr. Hans Knitel, Rechtsanwalt in Innsbruck, Fallmerayerstraße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 15. Juli 1976, Zl. 210.780/01-I 2/76, betreffend Abweisung eines Rodungsansuchens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte die Rodung einer Fläche von 5 m x 4 m der Grundparzelle n1, KG X, zum Zwecke der Errichtung eines Bienenhauses. Der Vater des Beschwerdeführers ist Eigentümer dieser Grundparzelle und erklärte sich mit der Errichtung des Bienenhauses durch seinen Sohn einverstanden. Der Stadtmagistrat Innsbruck hat nach einer mündlichen Verhandlung, verbunden mit einem Lokalaugenschein, nach Einholung eines forsttechnischen Gutachtens mit Bescheid vom 4. Juli 1975 diesem Ansuchen keine Folge gegeben. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, die Grundparzelle n1, KG X liege am Paschberg zwischen dem Tummelplatz und der Trasse der Igler Bahn. Ein Drittel der Parzelle sei mit rund 25-jährigen Fichten sowie einzelnen Kiefern und verschiedenen Laubhölzern bestockt. Auf den übrigen zwei Dritteln stocke Altholz, wobei der Fichten- gegenüber dem Kieferbestand überwiege. Das Grundstück sei ringsum von Wald umgeben. Sowohl der Flächenwidmungs- als auch der Bebauungsplan der Landeshauptstadt Innsbruck wiesen für die Grundparzelle n1, KG X, "forstwirtschaftliche Grünfläche" bzw. "Wald" aus. Eine Umänderung dieser Widmung sei laut eingeholter Stellungnahme der Stadtplanung auch in Zukunft nicht zu erwarten, da dieses Areal im unmittelbaren südlichen Naherholungsgebiet der Landeshauptstadt Innsbruck gelegen sei und unbedingt als solches erhalten werden müsse. Vor allem die dort angelegten Spazierwege bräuchten den Wald als Lärmabschirmung gegenüber der unweit nördlich vorbeiführenden Autobahn. Die Wohlfahrtswirkungen des Waldes könnten für die Allgemeinheit nur dann voll zur Auswirkung kommen, wenn derartige Gebiete von einzelnen nicht für ihre selbstsüchtigen Zwecke - im gegenständlichen Falle liefere ganz offensichtlich die angegebene Bienenzucht den Vorwand zum Bau eines wohnbar gemachten Wochenendhauses - verwendet werden. Einer Zersiedelung im Paschbergraum müsse jedenfalls mit Nachdruck schon in den Anfängen entgegengetreten werden. Der Bezirksforsttechniker habe ausgeführt, dass die gegenständliche Grundparzelle n1, KG X, als Waldgrund zu qualifizieren sei. Diese Parzelle sei im Kataster als Waldgrund eingestuft und weise eine für einen Waldgrund durchschnittliche Bestockung auf. Selbst wenn auf Teilflächen dieser Grundparzelle seinerzeit eine Stein- oder Schotterentnahme erfolgt sein sollte, so ändere dies nichts an der Qualifikation "Waldgrund". Die vom Beschwerdeführer widerrechtlich errichtete Wochenendhütte sei auf Grund ihrer Anlage und Ausstattung nicht als landwirtschaftlicher Betriebsbau (Bienenhaus) einzustufen. Die Erstbehörde gelangte schließlich zur Ansicht, dass bei Abwägung aller öffentlichen Interessen im gegenständlichen Falle dem öffentlichen Interesse der Walderhaltung und einer Verhinderung der Zersiedelung dieses einzigartigen Naherholungsgebietes von Innsbruck unbedingt der Vorrang einzuräumen sei.
In der dagegen eingebrachten Berufung wurde im wesentlichen vorgebracht, es fehle die Feststellung, dass die Fläche, auf der das Bauwerk errichtet worden sei, nicht einmal mit Sträuchern bewachsen gewesen sei, sodass kein Holz gefällt werden musste. Infolge des steinigen und steilen Geländes, auf dem kein Bewuchs möglich sei, habe das Bienenhaus auf Säulen erstellt werden müssen. Es handle sich bei diesem Gelände nicht um einen Wald, sondern um einen aufgelassenen Steinbruch. Das Bienenhaus, das von Innsbruck aus praktisch nicht zu sehen sei, störe nicht im geringsten das Naherholungsgebiet. Mangels eines Waldes habe keine Rodung stattfinden können. Bei Einordnung des Bauobjektes als landwirtschaftlicher Betriebsbau sei die Errichtung nach dem Bebauungsplan zulässig. Die forstwirtschaftliche Grünfläche werde durch das Bienenhaus nicht beeinträchtigt, zumal dieses auch der Waldbewirtschaftung diene.
Die Behörde zweiter Instanz holte im Zuge eines Lokalaugenscheines, zu dem der Beschwerdeführer nicht geladen war, ein Gutachten der Landesforstinspektion ein, das in der Folge dem Beschwerdeführer zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt und in der Begründung des Bescheides der zweiten Instanz in seinem wesentlichen Inhalte wiedergegeben wurde. Der Landeshauptmann von Tirol wies mit Bescheid vom 5. April 1976 die Berufung als unbegründet ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für die Landeshauptstadt Innsbruck sowie auch im Kataster sei die Grundparzelle n1, KG X, als Wald- bzw. forstwirtschaftliche Grünfläche ausgewiesen. Um das Bienenhaus seien Fichten neunter Bonität vorhanden; der übrige Teil der Waldparzelle sei mit Fichten und Kiefern gut bestockt. Die gesamte Umgebung des Geländes besitze eindeutig Waldcharakter. Das Haus habe ein Ausmaß von 4 m x 5 m, nordseitig sei ein 2 m x 5 m großer Balkon angebaut, sodass eine Gesamtfläche von 30 m2 der Holzzucht entzogen worden sei. Das Objekt, das an der Balkonseite noch ein weiteres Fenster erhalten habe, mache nicht den Eindruck eines Bienenhauses, sondern vielmehr den eines kleinen Wochenendhauses (Satteldach, Balkon, Fenster), dessen 20 m2 großer Innenraum sehr wohl für Aufenthaltszwecke eingerichtet werden könne. Dass derzeit darin keine Einrichtungsgegenstände vorhanden seien, sei belanglos. Ob für den Bau des Objektes Bäume geschlägert werden mussten, lasse sich nicht mehr feststellen. Maßgeblich sei nur der Umstand, dass durch den Bau des Bienenhauses Wald der Holzzucht entzogen und zu anderen Zwecken verwendet worden sei. Hiefür sei aber gemäß § 2 des Reichsforstgesetzes eine Bewilligung erforderlich, die nur dann erteilt werden dürfe, wenn die beantragte Rodung bzw. die anderweitige Verwendung von Waldgrund im öffentlichen Interesse gelegen sei. Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben seien, habe bereits die Erstinstanz richtig erkannt und sei den diesbezüglichen Ausführungen beizupflichten. Der Beschwerdeführer habe das Vorliegen öffentlicher Rücksichten für die Erteilung der Rodungsbewilligung nicht geltend gemacht. Nach dem Ergebnis des eingehend durchgeführten Ermittlungsverfahrens stünden im konkreten Falle der nachgesuchten Rodungsbewilligung öffentliche Rücksichten entgegen. Von den sachlich befassten Stellen sei einhellig dargelegt worden, dass in diesem Naherholungsgebiet von Innsbruck ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Waldes vorliege, demgegenüber rein private Interessen zurückzustehen hätten.
In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen seinen Standpunkt, dass es sich bei der gegenständlichen Parzelle um keinen Wald handle. Da das Bauwerk der Bienenzucht diene und darüber hinaus als Arbeitsstätte für die Aufforstung der Steinhalde verwendet werde, sei ein öffentliches Interesse gegeben. Ein solches sei für die Rodungsbewilligung überhaupt nicht erforderlich, weil der Grund, auf welchem das Bienenhaus errichtet worden sei, nicht Waldboden, sondern eine unproduktive Halde sei.
Mit dem nunmehr mit Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft wurde die Berufung abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass die gegenständliche Fläche im Kataster als Wald ausgewiesen sei. Auch die gesamte Umgebung der Hütte besitze Waldcharakter. Wenn auch für die Errichtung der Hütte kein Baum geschlägert worden sei, handle es sich im vorliegenden Fall trotzdem um eine Rodung; denn eine Rodung (das sei die Entziehung von Waldgrund der Holzzucht) setze keinesfalls die Schlägerung von Bäumen voraus, sondern bedeute nach § 2 des Forstgesetzes 1852 die Inanspruchnahme von Waldgrund für forstfremde Zwecke, wobei es rechtlich bedeutungslos sei, dass das Bienenhaus auf Eisentraversen errichtet worden sei. Obwohl der Beschwerdeführer sich durch die Nichtbeiziehung zu dem vom Amt der Tiroler Landesregierung durchgeführten Lokalaugenschein beschwert erachte, könne darin kein Verfahrensmangel erblickt werden, es stehe fest, dass das gegenständliche Waldgrundstück durch Naturverjüngung bestockt sei. Aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, unterliege die Parzelle den Bestimmungen des § 2 des Forstgesetzes. Die Behauptung des Beschwerdeführers, es handle sich um eine unproduktive Fläche, werde durch ihn selbst widerlegt, wenn er als Begründung für den Zweck der Hütte unter anderem diese zur Verwendung als Arbeitsstätte für die Aufforstung der Steinhalde anführe. Auf die Frage der Art und Ausführung der Hütte sei nicht näher einzugehen gewesen. Dies habe auf den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keinen wesentlichen Einfluss. Öffentliche Rücksichten, die für eine Rodung sprechen könnten, seien nicht dargelegt worden.
Dagegen richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde. Hierüber sowie über die von der belangten Behörde eingebrachte Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Wahrung des Parteiengehörs verletzt, weil er nicht dem von der Zweitbehörde durchgeführten Lokalaugenschein beigezogen worden sei. Die belangte Behörde gehe von dem dabei festgestellten Sachverhalt aus, wobei deren Einwand, dass die Anwesenheit des Beschwerdeführers beim Lokalaugenschein an der Sachverhaltsdarstellung nichts hätte ändern können, als eine durch nichts bewiesene Behauptung anzusehen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 eine Beweisaufnahme in Gegenwart einer Partei nicht zwingend vorschreibt (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1967, Zl. 25/67). Wohl aber ist gemäß § 45 AVG 1950 das Ergebnis der Beweisaufnahme der Partei zur Kenntnis zu bringen und ihr Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen. Dies ist aber geschehen, und der Beschwerdeführer hat auch eine Stellungnahme zum Gutachten des forsttechnischen Sachverständigen der Behörde zweiter Instanz abgegeben. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt sohin nicht vor.
Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides führt der Beschwerdeführer aus, er sei der Ansicht, dass der verfahrensgegenständliche Teil der Liegenschaft Grundparzelle n1, KG X, kein Waldgrund sei. Das Ansuchen um Rodungsbewilligung sei lediglich vorsorglich eingebracht worden, da gegen den Beschwerdeführer ein Verfahren wegen unbefugter Rodung eingeleitet worden sei, das derzeit beim Verwaltungsgerichtshof unter Zl. 1280/76 anhängig und die Baubewilligung von der Rodungsbewilligung abhängig gemacht worden sei. Hinsichtlich der Gründe, warum diese Liegenschaft nicht als Waldgrund anzusehen sei, verweise er auf die Ausführungen in der diesbezüglichen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der angefochtene Bescheid sei, abgesehen davon, auch insoweit rechtswidrig, als er das Vorliegen öffentlicher Rücksichten für die Erteilung der Rodungsbewilligung verneine. Die Behauptung des bekämpften Bescheides, dass öffentliche Rücksichten, die für eine Rodung sprechen könnten, nicht dargelegt worden seien, sei aktenwidrig. Der Beschwerdeführer habe diese mehrfach ausgeführt, nämlich einerseits das öffentliche Interesse der Bienenzucht bzw. jenes an der Aufforstung des südlichen Teiles der Steinhalde.
Die Beschwerdebehauptung, dass es sich bei der Grundparzelle n1 KG X um keinen Wald handle, ist unberechtigt. Der Beschwerdeführer selbst verweist zur Begründung seiner Ansicht auf seine Ausführungen in der unter hg. Zl. 1280/76 eingebrachten Beschwerde hin. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann daher auf das inzwischen ergangene hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1976, Zl. 1280/76, hingewiesen werden, in dem im einzelnen dargelegt wurde, weshalb die Annahme der zuständigen Behörde, es handle sich bei der gegenständlichen Parzelle um einen Wald, nicht rechtswidrig war. Auch im vorliegenden Verfahren haben die Sachverständigen der ersten und zweiten Rechtsstufe übereinstimmend und überzeugend dargelegt, dass es sich um einen Waldboden handelt. Die belangte Behörde konnte daher zu Recht von der Annahme eines Waldbodens bei der gegenständlichen Parzelle ausgehen.
Was nun die im § 2 Abs. 2 des Forstgesetzes vorgesehene Möglichkeit einer Rodungsbewilligung aus öffentlichen Rücksichten anlangt, so stellt sich diese als einen Ausspruch darüber dar, dass bei einer Waldparzelle jene Voraussetzungen nicht zutreffen, die ihre fortdauernde Bewirtschaftung als Wald unbedingt geboten erscheinen lassen. Diese Frage ist ausschließlich unter Zugrundelegung der Zielsetzung des Forstgesetzes, nämlich die grundsätzliche Erhaltung des Waldes, zu beurteilen und zu entscheiden (vgl. Erkenntnis des Verwaltugsgerichtshofes vom 2. Dezember 1954, 2909/53, Slg. N. F. Nr. 3587/A, vom 28. November 1975, Zl. 1801, 1802/75, u.a. m.). Tatsachen, die auf Grund anderer, mit dem Forstgesetz nicht in Zusammenhang stehender Rechtsvorschrift entstanden sind, wie etwa die Ausweisung eines mit Wald bestandenen Grundes als forstwirtschaftliche Grünfläche bzw. Wald in einem Flächenwidmungsplan, die die Errichtung eines landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Bauwerkes zulassen könnten, sind für die Frage, ob ein Grundstück als "Wald" anzusprechen ist oder nicht, unbeachtlich. Der Beschwerdeführer übersieht, dass eine Rodungsbewilligung nach § 2 RFG 1852 nur dann erteilt werden kann, wenn ein öffentliches Interesse an einer Rodung vorhanden ist, das das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiegt. Der Beschwerdeführer hat aber weder im Verwaltungsverfahren noch in seiner Beschwerde auch nur den Versuch unternommen, geschweige denn dargetan, dass für die von ihm ohne baubehördliche Bewilligung errichtete Holzhütte überhaupt ein öffentliches Interesse bestehe, geschweige denn ein solches, das das der Walderhaltung überwiegt. Die Behörden erster und zweiter Instanz sind, gestützt auf die eingeholten Sachverständigengutachten, daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Erhaltung des Waldes der Vorrang einzuräumen sei. Die belangte Behörde hat ihren Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit belastet, wenn sie ausführte, dass öffentliche Rücksichten, die für die Rodung sprechen könnten, nicht dargelegt worden seien und sie deshalb die Berufung des Beschwerdeführers und damit sein Rodungsansuchen abwies.
Da die Beschwerde sich als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 sowie Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975.
Wien, am 3. Februar 1977
Schlagworte
Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1977:1976002083.X00Im RIS seit
29.04.2003Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009