TE Vwgh Erkenntnis 1977/2/21 2795/76

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Veröffentlicht am 21.02.1977
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1 litb;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2796/76

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Dr. Schmelz, Dr. Großmann, Dr. Pichler und Dr. Drexler als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberregierungsrat Dr. Antoniolli, über die Beschwerde des PA in L, vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, Kaisergasse 17, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. Oktober 1976, VerkR- 4339/3-1976-II, betreffend Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen:

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Linz sprach mit Straferkenntnis vom 8. August 1975 aus, der Beschwerdeführer habe am 6. Dezember 1974 um zirka 17.20 Uhr in Linz, Pfeiffergasse 6, die Untersuchung der Atemluft verweigert, obwohl mit Grund hätte vermutet werden können, dass er den Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen L nn in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in Betrieb genommen und gelenkt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b leg. cit. werde gegen ihn eine Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzarreststrafe fünfzehn Tage) verhängt. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. Oktober 1975, Zl. VerkR-4339/3-1975-II, wurde die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung abgewiesen und das Straferkenntnis der ersten Instanz bestätigt. Dieser Bescheid wurde dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers am 4. November 1975 zugestellt.

Mit Eingabe vom 31. Jänner 1976 beantragte der Beschwerdeführer erstmals die Wiederaufnahme des gegenständlichen Verfahrens. Diesen Antrag hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 5. März 1976, Zl. VerkR-4339/3-1976-II, abgewiesen.

Am 21. April 1976 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf Wiederaufnahme des vorliegenden Verwaltungsstrafverfahrens. Dazu führte er aus, er habe am 8. April 1976 in einem Gespräch mit dem am Tattag ebenfalls bei der Firma K. arbeitenden Adolf P. und Johann M, erfahren, diese hätten gesehen, dass er am 6. Dezember 1974 seinen Arbeitsplatz erst um 17.00 Uhr verlassen habe, woraus zu schließen sei, dass er an diesem Tag nicht bereits um 16.50 Uhr seinen Personenkraftwagen durch die Pfarrgasse und an der Kreuzung Landgutstraße-Pfeiffergasse hätte lenken können. Überdies sei er in einem "anschließenden Gespräch" mit seinem nunmehrigen Rechtsanwalt über den Inhalt des § 46 AVG 1950 aufgeklärt worden. Da ihm bis zu diesem Zeitpunkt die Gesetzeslage unbekannt gewesen sei, habe er im gegenständlichen Verwaltungsverfahren auch den Zeugen Fritz M. nicht namhaft gemacht, welcher bezeugen könne, dass der Beschwerdeführer nach einem Unfall mit seinem Personenkraftwagen von Ende November 1974 bis Mitte Dezember 1974 mit diesem nicht mehr gefahren sei. Fritz M. hätte dem Beschwerdeführer daher damals mehrfach sein Fahrzeug geborgt bzw. ihn von der Arbeit nach Hause mitgenommen. Auch dies sei ein Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer am Tattag nicht seinen Personenkraftwagen benutzt habe.

Die belangte Behörde ließ hierauf die in dem gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag genannten drei Personen als Zeugen vernehmen; hiebei führte Johann M. aus, er wisse weder, wann der Beschwerdeführer am 6. Dezember 1974 seinen Arbeitsplatz verlassen habe, weil er selbst an diesem Tag von der Firma K. schon um

11.30 Uhr weggegangen sei, noch könne er das genaue Datum angeben, wann bei der genannten Firma die Rede auf die Anzeige gegen den Beschwerdeführer und seine Bestrafung gekommen sei. Auch der Zeuge Adolf P. gab an, dass er sich auf die Vorkommnisse am 6. Dezember 1974 beim besten Willen nicht mehr erinnern könne. Es sei ihm auch nicht erinnerlich, mit dem Beschwerdeführer, den er seit zirka einem Jahr nicht mehr gesehen habe, jemals gesprochen zu haben. Er sei als Kraftfahrer immer unterwegs und komme oft einige Tage nicht in die Firma.

Der Zeuge Friedrich M. führte schließlich aus, er wisse, dass der Beschwerdeführer Ende November 1974 einen Unfall gehabt und in der Folge behauptet habe, dass sein Kraftfahrzeug nicht fahrbereit sei, weshalb er ihn bis Mitte Dezember 1974, als sich der Beschwerdeführer einen neuen Personenkraftwagen gekauft habe, mit seinem Fahrzeug mehrmals mitgenommen habe. Er wisse jedoch nicht, ob das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers tatsächlich von Ende November 1974 bis Mitte Dezember 1974 nicht fahrbereit gewesen sei. Hinsichtlich des Tattages könne er keine Angaben machen, da der Beschwerdeführer an diesem Tag bei der Firma K. gearbeitet habe, mit welcher er keinen Kontakt gehabt hätte.

Gestützt auf diese Zeugenaussagen gab die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des gegenständlichen Strafverfahrens keine Folge und führte in der Begründung im wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer keinen Nachweis dafür habe erbringen können, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 im vorliegenden Fall gegeben seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, weil ihm keine Gelegenheit geboten worden sei, zu den Aussagen der Zeugen Johann M. und Adolf P. Stellung zu nehmen. Überdies wäre die belangte Behörde zu wenig auf die Zeugenaussagen des Friedrich M. eingegangen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach den Bestimmungen des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Demnach darf der Umstand, dass die neuen Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt werden konnten, bei der Wiederaufnahme auf Antrag einer Partei nicht auf deren Verschulden zurückzuführen sein, wobei es unbeachtlich ist, welchen Grad dieses Verschulden hat (vgl. hg. Erkenntnis vom 24. April 1974, Slg. N. F. Nr. 8605/A).

Wenn nun der Beschwerdeführer Verletzung des Parteiengehörs deshalb geltend macht, weil ihm die Aussagen der Zeugen Adolf P. und Johann M. nicht bekannt gegeben worden seien, so ist dem zunächst entgegenzuhalten, dass der Vertreter des Beschwerdeführers die Niederschrift vom 10. September 1976 unterfertigt hat, laut welcher ihm der Inhalt des Verwaltungsaktes zur Kenntnis gebracht worden sei. Aber selbst wenn die Angaben der genannten beiden Zeugen dem Vertreter des Beschwerdeführers nicht vorgehalten worden wären, würde dies zu keiner Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof führen, weil der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht dargelegt hat, welche Stellungnahme er zu diesen Aussagen genommen hätte und inwiefern die belangte Behörde bei Gewährung des Parteiengehörs zu einem anderen Bescheid hätte kommen können ( 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG 1965).

Hinsichtlich des Zeugen Friedrich M. vermochte der Beschwerdeführer nicht darzutun, es treffe ihn kein Verschulden daran, dass er dessen Vernehmung nicht bereits im Verwaltungsstrafverfahren begehrt hat; denn es mangelt an einem Verschulden der Partei im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 keinesfalls allein schon deshalb, weil die Partei - noch dazu, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, rechtsfreundlich vertreten ist - nicht wusste, was sie alles zur Wahrung ihrer Rechte unternehmen könne und welche Beweisanträge sie zweckmäßigerweise zu stellen habe.

Unter diesen Umständen und da, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. April 1962, Slg. N. F. Nr. 5786/A, ausgesprochen hat, eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht dazu dient um Versäumnisse des abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens nachzuholen, hat die belangte Behörde nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht Folge gegeben hat. Die gegenständliche Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Mit Rücksicht auf die Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich ein Abspruch über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die Vorschriften der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am 21. Februar 1977

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1977:1976002795.X00

Im RIS seit

12.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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