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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §243;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kadecka und die Hofräte Dr. Raschauer, Dr. Schima, Dr. Reichel, Dr. Simon, Dr. Iro, Dr. Seiler, Dr. Schubert und Dr. Drexler, als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Dr. Rosenmayr, in der Beschwerdesache des S in Wien, vertreten durch Dr. Fritz S, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Einheitswertsache über die Zuerkennung von Aufwandersatz, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.124,-- binnen zwei Wachen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erhob vor dem Verwaltungsgerichtshof mit Schriftsatz vom 24. Mai 1976 gemäß Art. 132 B-VG Beschwerde, weil die belangte Behörde über seine am 9. August 1975 erhobene Berufung gegen den Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheid des Finanzamtes Gmunden auf den 1. Jänner 1973, betreffend das Grundstück 254/9, inneliegend der EZ. 242 des Grundbuches über die KG E., bis zum Tage der Beschwerdeerhebung nicht entschieden habe. Noch vor Einleitung des Vorverfahrens über diese Beschwerde hat das Finanzamt Gmunden eine Berufungsvorentscheidung erlassen, die dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 9. Juni 1976 zugestellt worden ist. Auf Grund der dadurch bewirkten Klaglosstellung (vgl. die hg. Beschlüsse vom 22. November 1968, Slg. Nr. 3815/F, vom 25. Februar 1971, Zl. 2245/70 und Zl. 2246/70) ist das hg. Verfahren über die Säumnisbeschwerde mit Beschluß vom B. September 1976 gemäß § 33 Abs. 1 VwGG 1965 eingestellt, die Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz in der Höhe von S 1.124,-- gemäß § 59 Abs. 3 leg. cit. jedoch einem abgesonderten Beschluß vorbehalten worden.
Gemäß § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG 1965 in der Fassung, die diese Gesetzesstelle durch Art. I Z. 22 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1976, BGBl. Nr. 316, mit Wirksamkeit ab 1. Juli 1976 erhalten' hat, ist im Fall einer Säumnisbeschwerde, in dem das Verfahren wegen Nachholung des versäumten Bescheides eingestellt wurde, der Pauschbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes in der Verordnung gemäß § 49 Abs. 1 um die Hälfte niedriger festzusetzen als der sonst auf Grund dieser Bestimmung für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes festzustellende Pauschbetrag. Mit Beschluß vom 7. September 1976, Zl. 1466/76, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gleichgelagerten Fall -die belangte Behörde hatte den Bescheid nach Erhebung der Säumnisbeschwerde, jedoch vor Einleitung des Vorverfahrens, erlassen - den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Aufwandersatz bei gleichzeitiger Einstellung des Verfahrens abgewiesen; dies mit der Begründung, daß der Fall eines nachgeholten Bescheides nicht vorliege, wenn die im § 36 Abs. 2 VwGG 1965 vorgesehene Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes an die belangte Behörde zur Erlassung des Bescheides der tatsächlichen Erlassung desselben zeitlich nachfolge.
Dieser Auffassung vermag der gemäß § 13 Z. 1 VwGG 1965 verstärkte Senat nicht zu folgen. Hängt doch nach § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 der Kostenersatzanspruch des Beschwerdeführers allein davon ab, daß das verwaltungsgerichtliche Verfahren wegen Nachholung des versäumten Bescheides eingestellt wird. Eine "Nachholung des versäumten Bescheides" liegt aber nicht erst dann vor, wenn der Bescheid nach Einleitung des Vorverfahrens über die Säumnisbeschwerde erlassen wird, sondern schon dann., wenn die Behörde die vom Gesetz festgelegte Frist, innerhalb welcher der Entscheidungspflicht entsprochen werden muß, nicht eingehalten hat. Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: Nach Art. 130 B-VG (sowohl in der Fassung vor wie nach der Novelle BGBl. Nr. 302/1975) erkennt der Verwaltungsgerichtshof u.a. über Beschwerden, womit eine Verletzung der Entscheidungspflicht der Verwaltungsbehörden behauptet wird. Diese im Bundes-Verfassungsgesetz erwähne Entscheidungspflicht wird im § 27 VwGG 1965 dahin konkretisiert, daß die Säumnisbeschwerde erst erhoben werden kann, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von der Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung beider Stelle eingelangt ist, wo er einzubringen war. Wird diese sechsmonatige Frist überschritten, so hat die Behörde ihrer Entscheidungspflicht nicht zeitgerecht entsprochen und ,jeder später erlassene Bescheid ist somit ein nachgeholter Bescheid.
Daran ändert auch der Umstand nichts, daß es der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG 1965 freizustellen hat (von einer "Aufforderung" ist im Gesetz nicht die Rede), anstelle der Erstattung der Gegenschrift innerhalb der dafür bestimmten Frist den Bescheid zu erlassen. Diese richterliche Frist ist nicht dafür entscheidend, ob der Bescheid als rechtzeitig, nämlich im Rahmen der gesetzlichen Entscheidungspflicht erlassen oder als nachgeholt anzusehen ist; sie setzt vielmehr nur einen zeitlichen Schlußpunkt für die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Bescheiderlassung. Nach Ablauf dieser richterlichen Frist geht nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zuständigkeit auf den Gerichtshof über.
Es ist somit für den Anspruch des Beschwerdeführers auf Kostenersatz nach § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1975 rechtlich ohne Bedeutung, ob der ausständige Bescheid vor oder nach Zustellung der Verfügung betreffend die Einleitung des Vorverfahrens über die Säumnisbeschwerde an die belangte Behörde erlassen wurrde,. Er ist in beiden Fällen ein nachgeholter Bescheid im Sinne dieser Gesetzesstelle. Da diese schlechthin darauf abstellt, daß das Verfahren wegen Nachholung des versäumten Bescheides eingestellt wird, macht es - anders als nach der früheren Fassung des § 55 Abs. 1 VwGG 1965 - keinen Unterschied, ob der Bescheid nach Einbringung der Säumnisbeschwerde, aber vor Einleitung des Vorverfahrens oder aber nach Einleitung des Vorverfahrens innerhalb der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG 1965 gesetzten Frist erlassen worden ist. In beiden Fällen gebührt dem Beschwerdeführer nach der neuen Fassung des § 55 Abs. 1 VwGG 1965 im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975, die Hälfte des normalen Schriftsatzaufwandes. Dem rechtzeitig gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz von Aufwendungen im Betrag von S 1.124,-- war daher Folge zu geben. W i e n , am 30. März 1977
Schlagworte
SäumnisbeschwerdeSäumnisbeschwerde Einstellung des Verfahrens wegen Klaglosstellung gemäß VwGG §33 Abs1Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1977:1976001186.X00Im RIS seit
14.08.2001Zuletzt aktualisiert am
19.09.2011