TE Vwgh Erkenntnis 1977/6/28 0127/77

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Veröffentlicht am 28.06.1977
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Index

27/04 Sonstige Rechtspflege;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §136 Abs1 impl;
GEG §9 Abs2;

Beachte

Vorgeschichte: 1221/74 E 21. November 1974;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Dr. Kadecka und die Hofräte Dr. Schima, Dr. Reichel, Dr. Seiler und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Rosenmayr, über die Beschwerde des R D, Inhaber der protokollierten Firma D & S in W, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt Dr. Alfred Haindl in Wien III, Weißgerberlände 40, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 21. Dezember 1976, Jv 51.034- 33a/76.und Jv 51.167-33a/76, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund eines Rechtsstreites mit der Gemeinde Wien, in dem die Firma D & S eine Schadenersatzforderung von mehr als S 300.000,-- geltend gemacht hatte - nach den Klagebehauptungen waren durch eine von der beklagten Partei zu vertretende Überschwemmung eines von der klagenden Partei als Magazin für Därme verwendeten Kellerraumes größere Warenvorräte vernichtet worden und darüber hinaus ein beträchtlicher Gewinnentgang eingetreten - schrieb der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien dem Beschwerdeführer mit Zahlungsauftrag vom 1. August 1973 Entscheidungsgebühren und Einhebungsgebühren im Gesamtbetrag von S 13.043,-- zur Entrichtung vor. Einem Berichtigungsantrag des Beschwerdeführers war kein Erfolg beschieden, doch hob der Verwaltungsgerichtshof den diesbezüglichen Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Juni 1974 mit Erkenntnis vom 21. November 1974, Zl. 1221/74, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Der Bescheid, mit dem die damalige belangte Behörde dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes im fortgesetzten Verwaltungsverfahren Rechnung trug, führte zu einer Gebührenfestsetzung von S 11.850,-- (Bescheid vom 7. März 1975). Auf Grund bewilligter Raten verminderte sich dieser Betrag bis November 1976 bis auf S 9.850,--.

Am 5. November 1976 richtete der Beschwerdeführer an das Präsidium des Oberlandesgerichtes Wien ein Ansuchern, die ihm vorerst bis 10. Oktober 1976 bewilligten Monatsraten von S 100,-- zunächst bis Ende Mai 1977 weiter zu gewähren. Er wies darauf hin, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse im internationalen Export- Importhandel - auch gegenüber den Oststaaten - verschlechtert hätten. Das Ratenansuchen vom 5. November 1976 ist im Zusammenhang mit früheren Ratenansuchen des Beschwerdeführers zu sehen, in denen er die Zahlungserleichterung im wesentlichen mit der Begründung beantragt hatte, er hoffe auf die Realisierung eines größeren Exportgeschäftes mit einem Oststaat, aus dessen Erlös die aushaftende Gebührenschuld zumindest teilweise abgedeckt werden könnte.

Unter Bezugnahme auf das Ratenansuchen vom 5. November ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Verfügung vom 12. November 1976, innerhalb von 14 Tagen einen Fragebogen über seine wirtschaftlicher Verhältnisse auszufüllen und den letzten Einkommen-, Vermögen- und Gewerbesteuerbescheid vorzulegen. Unter Bezugnahme auf die Verfügung vom 12. November 1976 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit Schreiben vom 10. Dezember 1976 folgendes mit:

Laut Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. Februar 1960, das sowohl das Landesgericht für Zivilrechtssachen als auch der Oberste Gerichtshof bestätigt hätten, habe seine Firma zur Jahreswende 1955/56 durch grobe Fahrlässigkeit von Organen der Stadt Wien einen Schaden in der Höhe von S 302.280,-- erlitten. Im anschließenden Zivilprozessverfahren zur Feststellung der Schadenshöhe, welches zufolge wiederholtem Instanzenwechsel erst 1973 sein Ende gefunden habe, habe das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien am 26. März 1973 entschieden, dass "es sich bei diesem Anspruch um einen solchen nach dem Amtshaftungsgesetz handelt", welcher Ansicht sich der Oberste Gerichtshof in letzter Instanz angeschlossen habe; und dies erst nach 17 Jahren Prozessdauer durch mehrere Instanzen und angesichts des Tatbestandes, dass eine solche Feststellung schon 1956 die Erstinstanz treffen und die Schadenersatzklage sofort hätte zurückweisen müssen, da die Amtshaftungsansprüche bekanntlich, wie alle anderen, innerhalb von drei Jahren verjähren. Diesem Tatbestand nach sei der Beschwerdeführer bzw. seine Firma aus Verschulden der Justiz trotz oberstgerichtlich bestätigtem Rechtsanspruch hinterher um die Schadensgutmachung gebracht worden, da diese ihn durch schuldhaftes Versäumnis zeitgerechter Feststellung des Amtshaftungstatbestandes gehindert hätte, fristgerecht die Amtshaftungsklage einzubringen. Die belangte Behörde wolle nun die gegenständlichen Gerichtsgebühren mit entsprechendem Nachdruck und unter Demütigung des Beschwerdeführers eintreiben, und dies trotz der bisher nachweisbar redlichen Bemühungen des Beschwerdeführers, den "formalrechtlichen" Zahlungsverpflichtungen vorerst durch Kleinraten in der Hoffnung nachzukommen, dass es ihm gelingen werde, noch vor seiner Gewerbezurücklegung ein anhängiges größeres Exportgeschäft durchzuführen, um so seine wirtschaftliche Lage zu verbessern und zugleich damit auch die vorliegende, im Grunde rechtswidrige Verpflichtung loszuwerden. Unter Hinweis auf den ihm inzwischen mit Hilfe der Justiz am 19. März 1975 unter der Zl. 6 E 5111/74 das Exekutionsberichtes Wien aufgenötigten Offenbarungseid könne sich der Beschwerdeführer, wie er im Schreiben vom 10. Dezember 1976 in weiterer Folge ausführt, wohl die Ausfertigung des Fragebogens der belangten Behörde unter Bezugnahme auf die beigelegten Fotokopien des Einkommen- und Gewerbesteuerbescheides 1975 ersparen. Abschließend stellte der Beschwerdeführer in der Eingabe vom 10. Dezember 1976 unter Berufung auf zwei Erlässe des Bundesministers für Justiz den Antrag auf Nachlass der gegenständlichen, noch offenen Gebühren wegen Alters (Geburtsjahrgang 1907) und Uneinbringlichkeit.

Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid dem Antrag des Beschwerdeführers, die Gerichtsgebühren im Betrage von restlichen S 9.850,-- gemäß § 9 Abs. 2 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962, BGBl. Nr. 288 (GEG), zu erlassen, nicht statt. Dagegen wurde dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 9 Abs. 1 GEG die Abstattung des genannten Betrages in monatlichen Teilbeträgen von S 100,-- bewilligt, und zwar bis einschließlich 20. Mai 1977.

Gegen den angefochtenen Bescheid brachte der Beschwerdeführer zunächst selbst beim Verwaltungsgerichtshof am 24. Jänner 1977 eine Beschwerde ein. Diese Beschwerde wurde in der Folge durch einen Schriftsatz des zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwaltes vom 4. April 1977 ergänzt, wobei ausgeführt werde, dass der Inhalt des ursprünglichen Beschwerdeschriftsatzes einen Bestandteil der Beschwerdeergänzung bilden solle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, die sowohl eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, erwogen:

Nach dem ersten Satz des § 9 Abs. 1 GEG kann die vorgeschriebene Zahlungsfrist auf Antrag verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit einer besonderen Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Dem ersten Satz des § 9 Abs. 2 GEG zufolge können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Dass der vom Beschwerdeführer angestrebte Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen wäre, wird im Beschwerdefall nicht behauptet. In Streit steht aber, ob die Einbringung der gegenständlichen Gerichtsgebühren mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre.

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid unter Berufung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im wesentlichen den Standpunkt, das Vorbringen des Beschwerdeführers über den Prozessverlauf in der fraglichen Schadenersatzangelegenheit könne den angestrebten Gerichtsgebührennachlass nicht rechtfertigen, denn im Nachlassverfahren, das ein Justizverwaltungsverfahren sei, hätten solche Einwände und auch Einwände gegen die Richtigkeit der Festsetzung und Einhebung der Gerichtsgebühren außer Betracht zu bleiben. Eine mit der Einbringung des Gerichtsgebührenbetrages verbundene, die Behörde zum Nachlass berechtigende besondere Härte könne auch nicht allein aus Umständen abgeleitet werden, die die Entstehung der Gebührenpflicht möglicherweise als unbillig erscheinen lassen. Es hänge der Nachlass lediglich vom Vorliegen individueller Gründe ab, welche die Einziehung des Forderungsbetrages für die zahlungspflichtige Partei als mit einer dauernden besonderen Härte verbunden darstellen würde.

Der Beschwerdeführer hingegen hält in dem von ihm selbst ausgeführten Beschwerdeschriftsatz den schon im Verwaltungsverfahren vertretenen Standpunkt aufrecht, dass ihn die Justiz durch schuldhaftes Versäumnis zeitgerechter Feststellung des Amtshaftungstatbestandes gehindert habe, fristgerecht die Amtshaftungsklage einzubringen, woraus der Beschwerdeführer ableitet, die Einbringung des aushaftenden Gerichtsgebührenbetrages (samt Nebenkosten) wäre für ihn im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG mit besonderer Härte verbunden.

Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob Einwände, die sich auf den Prozessverlauf gründen, die Annahme einer besonderen Härte der Einbringung im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG keinesfalls rechtfertigen können. Den Ausführungen des Beschwerdeführers über das angebliche "Verschulden der Justiz" ist nämlich entgegenzuhalten., dass er seinerzeit als Kläger im fraglichen Rechtsstreit mit der Stadt Wien anwaltlich vertreten war und daher das Anbringen der Klage und die Durchführung des Prozesses, in dem die gegenständliche Gebührenschuld entstanden ist, beim unzuständigen Gericht in erster Linie ihm selbst zur Last fiele, sodass sich diese Ausführungen als ungeeignet erweisen, eine besondere Härte der Einbringung aufzuzeigen.

Zum Hinweis des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren auf sein Lebensalter und die Uneinbringlichkeit der Forderung (seiner Schuld) hält die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Angaben des Beschwerdeführers im Nachlassansuchen über ein noch anhängiges größeres Exportgeschäft fest. Beim gegebenen Sachverhalt liege eine den Gerichtsgebührennachlass rechtfertigende - dauernde - besondere Härte der Einbringung nicht vor, vielmehr könne den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers durch Bewilligung der von ihm beantragten Monatsraten Rechnung getragen werden.

Diese Auffassung der belangten Behörde lässt keine Rechtswidrigkeit erkennen. Sehen doch sowohl der Abs. 1 erster Satz als auch der Abs. 2 erster Satz des § 9 GEG für die Bewilligung einer Stundung (von Raten) bzw. eines Nachlasses eine mit der Einbringung verbundene besondere Härte als Tatbestandsmerkmal vor. Es wird nun durchaus dem Sinn der eben zitierten Vorschriften gerecht, wenn die für einen Nachlass maßgebliche besondere Härte nicht schon in wirtschaftlichen Schwierigkeiten erblickt wird, die (nach den eigenen Angaben des Zahlungspflichtigen) vorübergehender Art sein können; denn eine besondere Härte der Einbringung lässt sich bei überbrückbaren Schwierigkeiten nach dem Gesetz eben durch Stundung (Ratengewährung) berücksichtigen. Von überbrückbaren Schwierigkeiten durfte die belangte Behörde aber sowohl im Hinblick auf das Ratenansuchen des Beschwerdeführers vom 5. November 1976 als auch auf das Nachlassansuchen vom 10. Dezember 1976 ausgehen, weil in beiden Ansuchen von einem anhängigen größeren Exportgeschäft die Rede ist, von dem sich der Beschwerdeführer laut Nachlassansuchen eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage erwartete. Solange nicht einmal der Beschwerdeführer behauptet, dass diese Erwartung nicht mehr realisierbar ist, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie den geltend gemachten Schwierigkeiten nur mit einer Zahlungserleichterung und nicht gleich mit einem Nachlass Rechnung trägt.

Bei der eben aufgezeigten Sach- und Rechtslage geht die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte nähere Feststellungen über die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers treffen und insbesondere den Akt des Exekutionsgerichtes Wien 6 E 5111/74 über die Leistung des Offenbarungseides durch den Beschwerdeführer beischaffen müssen, ins Leere; denn die belangte Behörde stellte ja die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid nicht in Abrede, ging aber auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers davon aus, dass der dadurch bewirkten besonderen Härte der Einbringung nur durch Bewilligung der vom Beschwerdeführer beantragten Raten, nicht aber durch Nachlass Rechnung zu tragen wäre.

Ein hohes Alter kann nicht für sich allein, allenfalls jedoch in Verbindung mit anderen Umständen (z.B. notwendigen Pflegekosten) zu einer besonderen Härte der Einbringung führen. In dieser Richtung hat der Beschwerdeführer aber im Verwaltungsverfahren konkret nichts vorgebracht. Die Angabe in der Beschwerde über die zufolge hohen Alters nötige Gewerbeaufgabe erweist sich als eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 unbeachtliche Neuerung.

Unbeachtlich sind auch die vom Beschwerdeführer zitierten Erlässe des Bundesministers für Justiz, da sie mangels gehöriger Kundmachung keine für den Verwaltungsgerichtshof beachtliche Rechtsquelle darstellen.

Zusammenfassend ergibt sich, dass dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswidrigkeit anhaftet. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war nicht stattzugeben, da dieser Antrag nicht fristgerecht gestellt wurde (siehe § 39 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 wie auch den Beschluss eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1969, Zl. 1103/68).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 sowie auf Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am 28. Juni 1977

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1977:1977000127.X00

Im RIS seit

28.06.1977

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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