TE Vwgh Erkenntnis 1978/4/11 2628/76

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Veröffentlicht am 11.04.1978
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Index

L00027 Landesregierung Tirol;
L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/02 Ämter der Landesregierungen;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AdLRegOrgG 1925 §3 Abs1;
BauO Tir 1974 §53 Abs1 lita;
GO LReg Tir 1975 §12;
GO LReg Tir 1975 §6;
GO LReg Tir 1975 §9;
VStG §19 idF vor 1978/117;
VwGG §42 Abs2 litb impl;
VwGG §42 Abs2 Z2 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Straßmann, Dr. Griesmacher, DDr. Hauer und Dr. Würth als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberregierungsrat Dr. Antoniolli, über die Beschwerde des FK in S, vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 10/I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 13. September 1976, Zl. Ve-550- 217/39, betreffend eine Verwaltungsstrafe wegen Übertretung der Tiroler Bauordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Das Bundesland Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.088,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 14. Jänner 1976 wurde dem Beschwerdeführer angelastet, seit 8. Oktober 1975 bis 19. Dezember 1975 in Seefeld auf einem bestimmten Grundstück der KG. Seefeld ein Bauvorhaben ausgeführt zu haben, welchem mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. September 1975 die rechtliche Grundlage entzogen worden und für welches bis 19. Dezember 1975 keine Baubewilligung erteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a der Tiroler Bauordnung (TBO), LGB. Nr. 42/1974, begangen. Gemäß § 53 Abs. 2 TBO wurde gegen den Beschwerdeführer wegen dieser Übertretung eine Geldstrafe vor. S 15.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 15 Tagen, verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Seefeld vom 21. Mai 1975 sei dem Beschwerdeführer zwar eine baubehördliche Bewilligung erteilt worden, dieser Bescheid sei jedoch mit Zustellung des Bescheides der Tiroler Landesregierung am 29. September 1975 am 8. Oktober 1975 rechtswirksam aufgehoben worden. Dessen ungeachtet sei der Bau weitergeführt worden, obwohl erst mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes vom 19. Dezember 1975 wieder eine Bewilligung rechtskräftig erteilt worden sei. Mündliche Erklärungen des Bürgermeisters seien entgegen der Meinung des Beschwerdeführers rechtlich irrelevant, wenn sie auch als mildernde Umstände zu werten seien. Obwohl der Beschwerdeführer gewusst habe, dass er ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne aufrechte Baubewilligung ausführe, habe er dieses Bauvorhaben fast fertig gestellt. Bei der Strafbemessung sei erschwerend eine einschlägige Vorstrafe wegen eigenmächtiger Bauführung und der Vorsatz als verstärkte Schuldform bei dieser bereits fahrlässig begehbaren strafbaren Handlung zu werten gewesen. In der weiteren Begründung wurden sodann einige Umstände als mildernd beurteilt und festgestellt, dass auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten sowie seine Familienverhältnisse Bedacht genommen worden sei.

In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Beschwerdeführer vor allem aus, auf welche Art und Weise es zu der scheinbar bewilligungslosen Bauzeit gekommen sei. Er habe zu seiner Rechtfertigung die Einvernahme des bauleitenden Architekten als Zeugen beantragt, die unterblieben sei. In Wahrheit hätte das Strafverfahren eingestellt werden müssen und es dürfe auch die Strafbemessung nicht unwidersprochen bleiben, weil zu Unrecht eine Bestrafung vom Jahre 1974 als Vorstrafe gewertet worden sei. Eine weitere Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses sei darin gelegen, dass dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu Beweisaufnahmen und amtlichen Erhebungen gewährt worden sei. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die Tiroler Landesregierung der Berufung nicht Folge. Die Begründung dieses Bescheides lässt sich dahin zusammenfassen, dass der strafbare Tatbestand sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt sei. Es habe auch keine Veranlassung bestanden, die gestellten Beweisanträge zu berücksichtigen, da diese im Anlassfall nicht geeignet seien, über den Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens einen Beweis zu liefern. Bei der Strafbemessung sei es als erschwerender Umstand zu werten gewesen, dass der Beschwerdeführer einmal wegen eigenmächtiger Bauführung in Strafe hätte genommen werden müssen. Erschwerend sei aber auch der Vorsatz als verstärkte Schuldform bei dieser bereits fahrlässig begehbaren strafbaren Handlung zu beurteilen gewesen.

In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid dadurch in seinen Rechten verletzt, dass ihm (fälschlich) vorgeworfen worden sei, ein Bauvorhaben ohne rechtliche Grundlage ausgeführt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach der Tiroler Bauordnung begangen zu haben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst behauptet, der angefochtene Bescheid sei von einer unzuständigen Behörde erlassen worden. Nach § 9 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Amtes der Tiroler Landesregierung, LGBl. Nr. 56/1976, könnten sich der Landeshauptmann, die Landesregierung und ihre einzelnen Mitglieder bei allen von ihnen zu treffenden Entscheidungen, Verfügungen oder anderen Amtshandlungen durch die Vorstände der zuständigen Abteilungen des Amtes der Landesregierung vertreten lassen. Der angefochtene Bescheid mit der Fertigungsklausel "für die Landesregierung" sei demgegenüber nicht vom Abteilungsvorstand der zuständigen Abteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung, sondern von einem anderen Beamten unterfertigt worden. Dieser hätte die angefochtene Entscheidung nicht unterfertigen dürfen. Diese Rechtsansicht werde auch durch § 12 Abs. 6 der genannten Verordnung gestützt.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass auf Grund der Geschäftsordnung der Landesregierung, LGBl. Nr. 75/1975, davon auszugehen ist, dass die Zuständigkeiten zwischen Landesregierung und ihren einzelnen Mitgliedern in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise aufgeteilt wurden. Die Landesregierung und die zur Entscheidung für die Landesregierung berufenen Mitglieder der Landesregierung können sich, wie sich aus § 3 Abs. 3 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 289/1925, ergibt, durch Beamte des Amtes der Landesregierung (Landesamtsdirektor, Abteilungsvorstand usw.) vertreten lassen, wie dies auch § 9 der schon erwähnten Geschäftsordnung des Amtes der Tiroler Landesregierung, LGBl. Nr. 56/1976, vorsieht. Dem Beschwerdeführer ist nun zuzugeben, dass § 9 Abs. 1 dieser Geschäftsordnung diese Vertretungsbefugnis ausdrücklich auf den Vorstand der zuständigen Abteilung des Amtes der Landesregierung einschränkt und eine Delegation des Abteilungsvorstandes an weitere Beamte dieser Abteilung nicht vorgesehen ist. Dies folgt aus § 6 Abs. 1 dieser Geschäftsordnung, wonach der Abteilungsvorstand (nur) im Falle seiner Verhinderung von einem von ihm zu bestimmenden Stellvertreter vertreten wird. Dennoch kommt dem Beschwerdevorbringen in dieser Hinsicht deshalb keine Berechtigung zu, weil der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Auffassung ist, dass es sich bei einer Geschäftsordnung des Amtes der Landesregierung um eine Angelegenheit der inneren Organisation handelt, die die Zuständigkeit der Behörde nicht berührt (vgl. insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Dezember 1976, Zl. B 173/76, und die dort zitierte ältere Rechtsprechung). Demnach ist es aber für die Zuständigkeit der Landesregierung, der der angefochtene Bescheid zuzurechnen ist, rechtlich unerheblich, ob der diesen Bescheid unterfertigende Beamte nach der internen Organisationsvorschrift hiezu berechtigt war oder nicht; die Zuständigkeit der Behörde wird hiedurch entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht berührt (so auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 1976, Zl. B 211/75). Auch aus § 12 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Amtes der Landesregierung kann entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht der Schluss gezogen werden, das Fehlen der Unterschrift des Abteilungsvorstandes rechtfertige die Annahme, eine unzuständige Behörde habe entschieden.

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit erachtet der Beschwerdeführer deswegen als gegeben, weil die belangte Behörde rechtsirrig die Bestimmungen der Tiroler Bauordnung vom 20. Mai 1974, LGBl. Nr. 42/1974 (TBO), herangezogen habe und nicht die Bestimmungen der Tiroler Landesbauordnung, LGBl. Nr. 1/1901. Der Beschwerdeführer, der diese Auffassung mit dem Hinweis auf die Übergangsbestimmung des § 56 Abs. 1 TBO zu begründen sucht, verkennt die Rechtslage. Nach § 56 Abs. 1 TBO bleiben Bewilligungen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits rechtskräftig sind, unberührt. Für das Erlöschen solcher Bewilligungen sind die Bestimmungen der Tiroler Bauordnung anzuwenden und bereits begonnene Bauvorhaben sind innerhalb der im § 41 Abs. 1 TBO angegebenen Frist zu vollenden. Diese gesetzliche Regelung enthält nur eine Aussage darüber, welche Rechtslage für vor Inkrafttreten der Tiroler Bauordnung erteilte baubehördliche Bewilligungen maßgeblich ist. Eine Aussage darüber, welche Rechtsnormen in einem Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden sind, kann dieser Gesetzesstelle nicht entnommen werden. Im Hinblick auf den dem Beschwerdeführer angelasteten Tatzeitraum und auf den Zeitpunkt des Ergehens des Straferkenntnisses in erster Instanz kann vielmehr nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes kein Zweifel darüber bestehen, dass die Bestimmungen der Tiroler Bauordnung anzuwenden waren.

Nach § 53 Abs. 1 lit. a TBO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne Bewilligung ausführt oder mit der Ausführung vor dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung beginnt. Dieser gesetzlichen Regelung ist zu entnehmen, dass hiemit zwei strafbare Tatbestände normiert wurden, nämlich einerseits die Ausführung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens, für welches überhaupt keine baubehördliche Bewilligung vorliegt, und andererseits die Ausführung eines bewilligten Bauvorhabens vor Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung. Die belangte Behörde durfte nun zwar hinsichtlich des dem Beschwerdeführer angelasteten Tatzeitraumes davon ausgehen, dass eine rechtskräftige baubehördliche Bewilligung nicht vorliege, doch hätte sie im Hinblick auf die Bestimmungen des § 53 Abs. 1 lit. a TBO beachten müssen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Seefeld am 21. Oktober 1975 eine baubehördliche Bewilligung erteilt hatte, die allerdings erst mit Erfliessen des Berufungsbescheides des Gemeindevorstandes der Gemeinde Seefeld vom 19. Dezember 1975 in Rechtskraft erwuchs. Im Verwaltungsstrafverfahren gilt nun aber zufolge § 22 VStG 1950 das so genannte Kumulationsprinzip. Dieses Prinzip ist nach der Rechtsprechung sowohl dann verletzt, wenn irrtümlich eine einheitliche Strafe verhängt wurde, als auch dann, wenn irrtümlich zwei Strafen verhängt wurden (vgl. etwa Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. April 1972, Slg. N.F. Nr. 8208/A, und vom 7. Oktober 1971, Zl. 1683/70). Im vorliegenden Fall hätte daher die Verwaltungsstrafbehörde erkennen müssen, dass durch das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten zwei Straftatbestände erfüllt wurden und daher zwei Strafen hätten verhängt werden müssen.

Soweit in der Beschwerde dargelegt wird, die Höhe der Geldstrafe sei exzessiv und auf unsachliche Motive zurückzuführen, vermag der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeausführungen nicht zu folgen, zumal weder der Beschwerdeführer selbst solche unsachliche Motive nannte noch der Inhalt der Akten solche erkennen lässt. Im Hinblick auf den nach § 53 Abs. 2 TBO gegebenen Strafrahmen (Geldstrafen bis zu S 60.000,--) kann die verhängte Geldstrafe von S 15.000,-auch nicht als exzessiv hoch beurteilt werden. Ob allerdings im Beschwerdefall das dem Beschwerdeführer angelastete vorsätzliche Verhalten auch als erschwerender Umstand hätte berücksichtigt werden dürfen, kann auf Grund der von der belangten Behörde gegebenen Begründung nicht erkannt werden, weil ja nicht übersehen werden darf, dass der Beschwerdeführer auf Grund einer rechtskräftig erteilten baubehördlichen Bewilligung mit dem Bau begonnen hatte und beginnen durfte und erst durch die Aufhebung des Baubewilligungsbescheides von Amts wegen durch die Aufsichtsbehörde die Anlastung des tatbestandsmäßigen Verhaltens überhaupt möglich wurde. Da sich hingegen aus den oben dargelegten Erwägungen der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet erweist, war er schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben und es erübrigte sich bei dieser Sach- und Rechtslage ein näheres Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am 11. April 1978

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1978:1976002628.X00

Im RIS seit

11.04.1978

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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