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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §33 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann, Dr. Draxler und Onder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde des PE in D, vertreten durch Dr. Günter Philipp, Rechtsanwalt in Mattersburg, Brunnenplatz 5, gegen den Gemeinderat der Gemeinde D wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Kanalangelegenheit, wird als gegenstandslos erklärt. Das Verfahren wird eingestellt.
Die Gemeinde D hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 3.280,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
In seiner, auf Art. 132 B-VG gestützten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, er habe zwecks Einleitung der Abwässer seiner Liegenschaft in den Hauptkanal einen Kanalanschluss errichtet. Da J. B., obwohl dieser über einen eigenen Kanalanschluss verfüge, zur Ableitung von Dachwässern eine in den Kontrollschacht der Hausanschlussleitung des Beschwerdeführers führende Abwasserleitung hergestellt habe, habe er bei der Gemeinde D am 7. März 1974 beantragt, J. B. die Einleitung der Dachwässer in die öffentliche Kanalanlage auf diesem Weg zu verbieten und ihm den Auftrag zu erteilen, die eigenmächtig vorgenommene Einleitung zu beseitigen. Dieser Antrag sei mit dem Bescheid des "Vizebürgermeisters" der Gemeinde D vom 14. August 1974 abgewiesen worden.
Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben, die "der belangten Behörde spätestens am 7. September 1974 zugestellt" worden sei. Die belangte Behörde habe über die Berufung seither keine Entscheidung gefällt. Der Beschwerdeführer stellt in der Beschwerde den Antrag, den Bescheid des "Vizebürgermeisters" der Gemeinde D vom 14. August 1974 dahin gehend abzuändern, dass seinem Antrag vom 7. März 1974 stattgegeben werde, in eventu: den Bescheid vom 14. August 1974 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 aufzuheben und die Rechtssache an die Behörde erster Instanz rückzuverweisen.
Anzumerken ist vorerst, dass die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde nicht davon abhängt, dass der Beschwerdeführer behauptet, es habe die belangte Behörde ihre Pflicht zu einer meritorischen Entscheidung verletzt (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934 und 1223/73; auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, wird hingewiesen). Es ist daher im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, wie die belangte Behörde über die - mehr als sechs Monate anhängige - Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Gemeindebehörde (erster Instanz) vom 14. August 1974 zu entscheiden hatte.
Der Verwaltungsgerichtshof leitete gemäß § 36 Abs. 2 VwGG 1965 das Vorverfahren ein. Innerhalb der der belangten Behörde zur Einbringung einer Gegenschrift oder Nachholung des versäumten Bescheides gesetzten Frist legte die Gemeinde D eine Abschrift des Bescheides des Bürgermeisters vom 29. November 1977 - dem Beschwerdeführer zugestellt am 5. Dezember 1977 - vor, welcher wie folgt lautet:
"PE ...... hat am 4. September 1974 fristgerecht gegen den im obigen Bezug angeführten Bescheid des Bürgermeisters Berufung eingebracht und wieder beantragt, .... Über diese Eingabe ergeht daher vorliegender Bescheid in Form einer Berufungsvorentscheidung des Bürgermeisters der Gemeinde D.
Spruch: Dem Antrage des Berufungswerbers wird nunmehr stattgegeben und der Bescheid vom 14. August 1974 vollinhaltlich aufgehoben ......
Begründung: .....
Rechtsmittelbelehrung: Dieser Bescheid wirkt wie eine Entscheidung über die Berufung, es sei denn, dass innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung bei der Gemeinde die Vorlage der Berufung an die Berufungsbehörde zweiter Instanz (Gemeinderat) beantragt wird. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, verliert die Berufungsvorentscheidung ihre Wirkung."
Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, zur Frage der Klaglosstellung Stellung zu nehmen. In seiner Äußerung vom 28. Dezember 1977 vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, dass eine Klaglosstellung nicht vorliege. Eine solche könne im Fall einer Säumnisbeschwerde nur durch die Erlassung eines Bescheides der belangten Behörde, hier des Gemeinderates, erfolgen. Der Bürgermeister habe den Bescheid vom 29. November 1977 gesetzwidrigerweise und unzuständigerweise erlassen, weil den Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 und der burgenländischen Gemeindeordnung der Rechtsbehelf der Berufungsvorentscheidung völlig fremd sei. Der Beschwerdeführer habe gegen diesen Bescheid Berufung erhoben und zugleich auch den Antrag gestellt, die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 14. August 1974 an die Berufungsbehörde vorzulegen. Der Bescheid vom 29. November 1977 sei daher - im Sinne seiner Rechtsmittelbelehrung - außer Kraft getreten.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag der Auffassung des Beschwerdeführers im Ergebnis nicht beizupflichten.
§ 33 Abs. 1 VwGG 1965 - darnach ist die Beschwerde als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde - ist auch auf Säumnisbeschwerden anzuwenden, sofern nicht die im § 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG 1965 bezeichnete Voraussetzung zur Einstellung des Verfahrens über eine Säumnisbeschwerde vorliegt. Der zuletzt angeführte Fall ist hier nicht gegeben, weil der Bescheid vom 29. November 1977 nicht von der belangten Behörde, sondern vom Bürgermeister der Gemeinde D erlassen worden ist. Unter dem "Bescheid" im Sinne des letzten Satzes des § 36 Abs. 2 VwGG 1965 ist aber, wie sich aus dem Zusammenhang dieser Bestimmung mit dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle klar ergibt, nur ein von der belangten Behörde erlassener Bescheid oder ein Bescheid zu verstehen, der nach dem Gesetz einem solchen Bescheid gleichzuhalten ist, wie etwa eine Berufungsvorentscheidung nach der Bundesabgabenordnung oder nach den Landesabgabenordnungen (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1963, Zlen.1979, 1980/62).
Mit der Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde D vom 29. November 1977 wurde nun insofern die Klaglosstellung des Beschwerdeführers bewirkt, als durch ihn jener Bescheid aufgehoben worden ist, gegen den sich die Berufung des Beschwerdeführers gerichtet hat, hinsichtlich derer die Säumnis der belangten Behörde geltend gemacht wird. Dem Umstand, dass der Bescheid vom 29. November 1977, wie der Beschwerdeführer zutreffend einwendet, von einer unzuständigen Behörde erlassen worden ist, kommt im gegebenen Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung zu. Auch ein von einer unzuständigen Behörde erlassener Bescheid ist nicht etwa ein "absolut nichtiger" Akt (vgl. Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Auflage, 1. Halbband, Seite 382 f);vielmehr ist er, solange er dem Rechtsbestand angehört, - im Umfang seines normativen Ausspruches -
rechtsverbindlich. Der Klaglosstellung steht im vorliegenden Fall auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer gegen den unzuständigerweise erlassenen Bescheid Berufung erhoben hat. Auch in einem solchen Fall ist - jedenfalls innerhalb des (hier gegebenen) Anwendungsbereiches des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 (vgl. Art. II Abs. 2 Z. 26 EGVG 1950) - allein die Berufungsbehörde zuständig, den Bescheid aus dem Grunde der Unzuständigkeit aufzuheben (vgl. Mannlicher-Quell, S. 360). Schließlich kann auch die in dem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde D vom 29. November 1977 enthaltene Rechtsmittelbelehrung diese, für die Beurteilung der Klaglosstellungsfrage maßgebende Zuständigkeitsordnung nicht verändern. Eine unrichtige, nämlich nicht das Gesetz beachtende Rechtsmittelbelehrung hat nur die nach dem Gesetz damit verbundenen Rechtsfolgen (vgl. § 71 Abs. 1 lit. b AVG 1950); sie lässt im übrigen die gesetzlich vorgesehenen Wirkungen des erhobenen Rechtsmittels unberührt.
Die mit der Beschwerde geltend gemachte Säumnis der belangten Behörde liegt somit nicht mehr vor. Das Verfahren war demzufolge gemäß § 33 Abs. 1 VwGG 1965 einzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976, in Verbindung mit der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 542/1977, insbesondere auf § 56 erster Satz VwGG 1965. Für die Äußerung des Beschwerdeführers vom 28. Dezember 1977 ist zwar gemäß § 48 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 der Ersatz der Stempelgebühren zuzuerkennen, jedoch nur - Parteien des Säumnisbeschwerdeverfahrens (im Sinne des § 21 Abs. 1 und § 24 VwGG 1965) sind der Beschwerdeführer und die belangte Behörde - für zwei Ausfertigungen dieses Schriftsatzes. Hingegen gebührt für die erwähnte Äußerung kein Schriftsatzaufwandersatz, weil ein solcher nach § 48 Abs. 1 lit. b VwGG 1965 nur für die Einbringung der Beschwerde vorgesehen ist. Das Kostenmehrbegehren hinsichtlich der Äußerung vom 28. Dezember 1977 war daher gleich dem Begehren auf Ersatz der Umsatzsteuer gemäß § 58 VwGG 1965 abzuweisen.
Wien, am 29. Mai 1978
Schlagworte
SäumnisbeschwerdeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1978:1977001953.X00Im RIS seit
04.07.2003Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008