TE Vwgh Erkenntnis 1978/5/31 1681/77

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Veröffentlicht am 31.05.1978
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §68 Abs1;
ForstG 1975 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Schima, Dr. Salcher, Dr. Hoffmann und DDr. Hauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Aigner, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in Wien I, Stubenring 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 2. Juni 1977, Zl. VI/4-29/20-1977, betreffend die Erteilung einer Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: F T und H T, beide in W, beide vertreten durch Dr. Heinz Giger und Dr. Stephan Ruggenthaler, Rechtsanwälte in Wien I, Kupferschmiedgasse 2,) zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 3. März 1975 war ein Ansuchen des F T um Erteilung einer Rodungsbewilligung für das Grundstück n/2 der KG P zum Zweck der Errichtung eines Eigenheimes gemäß § 2 des Reichsforstgesetzes 1852, RGBl. Nr. 250, abgewiesen worden.

Mit Anbringen vom 29. November 1976 ersuchten die Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der Bezirkshauptmannschaft Zwettl um die Erteilung einer nachträglichen Bewilligung zur Rodung einer Fläche von 120 m2 des oben genannten Grundstückes an. Im wesentlichen führten sie aus, sie hätten in Unkenntnis der Rechtslage auf Grund der rechtskräftigen Baubewilligung der Gemeinde R vom 25. Mai 1973 mit dem Bau eines Holzblockhauses begonnen. Im Zusammenhang mit den erfolgten Baumaßnahmen sowie den Leistungen für Wasser- und Stromzuleitung und den Beiträgen zur Herstellung eines Güterweges seien Kosten in der Höhe von zirka S 350.000,-- erwachsen. Der Bürgermeister der Marktgemeinde R habe anlässlich der Bauverhandlung ein öffentliches Interesse an dem Bauvorhaben im Zusammenhang mit der Errichtung des Güterweges zum Ausdruck gebracht. Ein öffentliches Interesse an der Ansiedlung habe der Bürgermeister auch darin gesehen, dass von den ursprünglich 20 Häusern der Gemeinde P rund 1/3 verlassen worden seien, wodurch dieses Gebiet einer gewissen Verödungsgefahr ausgesetzt sei. Eine Ersatzaufforstung einer zirka 200 m2 großen Ackerlandfläche wurde angeboten.

Der Amtssachverständige für Forsttechnik der Forstbehörde erster Instanz führte zu diesem Ansuchen in seinem Gutachten unter Hinweis auf das im früheren Verfahren erstellte Gutachten aus, die Ablehnung der Rodung sei nicht so sehr im Hinblick auf die Gefährdung einer nachhaltigen Holzproduktion erfolgt, sondern vielmehr im Interesse der Erhaltung geschlossener, im Grünland liegender Waldflächen. Der Auffassung der Mitbeteiligten könne sich der Sachverständige nicht anschließen, solange eine Umwidmung in Bauland nicht erfolgt sei. Im Hinblick auf die rege Aufforstungstätigkeit im Waldviertel und die dadurch bedingte starke Flächenzunahme in den letzten 20 Jahren erscheine die angebotene Ersatzaufforstung eher von geringer Bedeutung. Ob insbesondere unter Berücksichtigung der im Falle der Ablehnung sich für die Mitbeteiligten ergebenden Härte eine Genehmigung des neuerlichen Ansuchens möglich sei, wolle auf Grund einer nochmaligen Überprüfung der Rechtslage entschieden werden. Im übrigen verwies der Amtssachverständige auf sein Gutachten vom 12. Juli 1973. In diesem Gutachten hatte der Sachverständige im wesentlichen ausgeführt, dass die Waldparzelle n/2 überwiegend von landwirtschaftlichen Grundstücken umgeben sei, im Hinblick auf die gegebenen Bodenverhältnisse eine andere Kulturgattung als Wald ungeeignet sei und die Flächenwidmung Grünland vorliege. Im Interesse der Erhaltung der im Grünland liegenden Waldflächen erscheine eine Rodung nicht zweckmäßig, darüber hinaus sei es angezeigt, den auf einer exponierten Bergkuppe liegenden Wald im Interesse des Landschaftsschutzes zu erhalten. Was die Landeskultur betreffe, so sei festzustellen, dass für die Erteilung der Rodungsgenehmigung kein öffentliches Interesse gegeben sei. Die Erteilung einer Rodungsgenehmigung würde vielmehr gegen die öffentlichen Interessen verstoßen. Die Katastralgemeinde P sei nach dem von der Landesregierung genehmigten vereinfachten Flächenwidmungsplan zur Gänze als Grünland gewidmet und eine Verbauung dieser noch gänzlich unberührten Landschaft stehe im krassen Widerspruch zu den Zielen des weiteren Ausbaues des Fremdenverkehrs der Marktgemeinde R. Der Sachverständige wies auch noch auf einen Erlass des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung hin, wonach Wochenendhäuser und Zweitwohnsitze nur noch im Bauland errichtet werden dürften.

In ihrer Stellungnahme zu dem Gutachten des Amtssachverständigen verwiesen die Mitbeteiligten vor allem darauf, die Rodung einer Fläche von nur 120 m2 könne dem Interesse der Erhaltung im Grünland liegender geschlossener Waldflächen nicht sosehr zuwiderlaufen, wenn anderseits die rege Aufforstungstätigkeit und die dadurch bedingte starke Waldflächenzunahme berücksichtigt werde.

Mit Bescheid vom 28. Februar 1977 versagte die Bezirkshauptmannschaft Zwettl die angestrebte Rodungsbewilligung. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Gemeinde R habe eine Umwidmung des im Grünland gelegenen Grundstückes in Bauland erwirken wollen, doch sei diese Umwidmung von der Niederösterreichischen Landesregierung nicht genehmigt worden, sodass mit Rücksicht auf die Zielsetzung der Raumordnung das Rodungsansuchen abzuweisen gewesen sei. Der Erstmitbeteiligte habe schon auf Grund des forsttechnischen Gutachtens vom 16. März 1973 gewusst, dass ohne Bewilligung ein Waldgrundstück der Holzzucht nicht entzogen werden dürfe, also noch vor Erwirkung der baubehördlichen Bewilligung. Durch die Mitfinanzierung des Güterweges sei ein öffentliches Interesse nicht begründet worden, komme doch der Güterweg in erster Linie den einzelnen Grundeigentümern zugute.

In der dagegen erhobenen Berufung vertraten die Mitbeteiligten unter anderem den Standpunkt, nach Erteilung der Baubewilligung seien sie der Meinung gewesen, die Bewilligung des Rodungsansuchens sei nur mehr reine Formsache gewesen. Bei der beanspruchten Fläche handle es sich um einen äußerst felsigen Boden, der nur eine minimale Humusschicht aufweise und daher wirtschaftlich völlig unbedeutend sei. Das Holzblockhaus passe sich vollkommen dem Landschaftscharakter an. Im übrigen verwiesen sie erneut auf das öffentliche Interesse der ehemaligen selbstständigen Gemeinde P im Sinne des bisherigen Vorbringens.

Das im Zuge des Berufungsverfahrens eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen, welches in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegeben wurde, lautet in seinem wesentlichen Teil wie folgt:

"Die Rodungswerber wurden mit Schreiben der Bezirksforstinspektion Zwettl vom 16. März 1973 darauf hingewiesen, dass ihrem Grundverkehrsansuchen zu entnehmen ist, dass sie beabsichtigen, auf der erworbenen Waldparzelle ein Wohnhaus zu errichten. Gemäß § 2 des Reichsforstgesetzes 1852 darf kein Waldgrundstück ohne Bewilligung der Holzzucht entzogen werden. Wörtlich heißt es dann: 'Es wird Ihnen daher empfohlen, umgehend ein diesbezügliches Rodungsansuchen einzubringen, dem zwei Katasterskizzen sowie der Grundbesitzbogen beizuschließen sind ...... Mit den Bauarbeiten darf erst nach Vorliegen der behördlichen Bewilligung begonnen werden, widrigenfalls Sie ein Verwaltungsstrafverfahren zu gewärtigen hätten.' Mit Bescheid vom 25.5.1973 wurde laut Berufungsausführung die Baubewilligung mit der Begründung erteilt, dass 'das Vorhaben mit dem Flächenwidmungsplan und mit dem Bebauungsplan im Einklang steht'.

Die Gemeinde R hat laut Aktenlage auch tatsächlich beabsichtigt, diese nach dem derzeit gültigen Flächenwidmungsplan im Grünland gelegene Fläche in Bauland umzuwidmen. Dieser Umwidmung wurde jedoch die Genehmigung der NÖ Landesregierung versagt.

Der Bürgermeister der Marktgemeinde R erblickt ein öffentliches Interesse an der Rodung und Umwidmung dieser Parzelle darin, dass für das gegenständliche Gebiet eine gewisse Verödungsgefahr besteht. Eine Zusiedlung diene daher dem Landschaftsschutz. Überdies sei eine Aufschließung dieses Gebietes durch einen Güterweg vorgesehen, an dessen Errichtungs- und Erhaltungskosten sich die Berufungswerber beteiligen würden.

Die Berufungswerber waren also wohl von vornherein über die forstrechtliche Lage informiert. Ihren Einwendungen, dass sie nach der erteilten Baubewilligung und dem Hinweis auf die Übereinstimmung mit dem Flächenwidmungsplan die Rodungsbewilligung nur mehr als eine Formsache betrachtet haben, kann aber eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden. Die Rodung und Umwidmung entspricht offensichtlich auch den Intentionen des Bürgermeisters, was sowohl aus seinen Stellungnahmen als auch aus der erteilten Baubewilligung hervorgeht.

Die Berufungswerber haben schon hohe Beträge in das Grundstück bzw. in das Bauobjekt investiert. Diese Beträge sind ein vollkommen verlorener Aufwand, wenn der Rohbau demoliert wird, wobei durch die Demolierung selbst neuerlich nicht unbeträchtliche Kosten entstehen würden.

In rein forstfachlicher Hinsicht ist festzustellen, dass die gesamte verfahrensgegenständliche Parzelle von einem Waldbestand von geringer wirtschaftlicher Bedeutung bestockt ist. Das geringe Ausmaß der Rodefläche macht die Rodung für die Wirkungen des Waldes relativ unbedeutend. Die gebotene Ersatzaufforstung ist nicht als solche anzusehen, da es sich um Teile eines Waldgrundstückes handelt, die ex lege der Bewaldungspflicht unterliegen. Wie aber schon von der Bezirkshauptmannschaft Zwettl festgestellt wurde, war in den letzten Jahrzehnten in diesem Gebiet eine sehr starke Neuaufforstungstätigkeit festzustellen, sodass allgemein gesehen die Waldfläche zunimmt. Die Gemeinde R weist eine Bewaldung von 52.9 % auf, sodass die Vorschreibung einer Ersatzaufforstung nicht erforderlich wäre."

Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte der Landeshauptmann von Niederösterreich die beantragte Rodungsbewilligung. Zur Begründung wurde nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens und des Gutachtens des Sachverständigen ausgeführt, auf Grund dieses Gutachtens habe die Berufungsbehörde gefunden, dass die Ansiedlung der Mitbeteiligten, die für dieses Vorhaben lediglich eine Rodefläche von 120 m2 in Anspruch nehmen, im Interesse der Aufrechterhaltung der Besiedlung des Gebietes gelegen sei. Dieses Interesse überwiege jedenfalls das Interesse an der Walderhaltung auf einer Fläche von 120 m2.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 170 Abs. 8 des Forstgesetzes 1975 in Verbindung mit Art. 131 Abs. 2 B-VG gestützte Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft. In der Beschwerde wird zunächst die Meinung vertreten, hinsichtlich des neuerlichen Ansuchens des F T liege entschiedene Sache vor, weil sein Ansuchen um Rodungsbewilligung bezüglich der gegenständlichen Grundfläche schon rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Beschränkung des nunmehrigen Ansuchens auf eine Fläche von 120 m2 sei für die Beurteilung des Falles ein unwesentlicher Umstand. Die durch das Forstgesetz 1975 gegebene neue Rechtslage habe in den maßgebenden Umständen, nämlich der Abwägung der öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Waldes einerseits und der Umwandlung von Waldflächen zu anderen, Zwecken anderseits, keine Änderung gebracht. Es wäre daher der Antrag des Erstmitbeteiligten gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 zurückzuweisen gewesen. Ein Interesse an der Rodung der nach dem vereinfachten Flächenwidmungsplan in Grünland gelegenen Grundfläche sei nicht gegeben, keinesfalls aber das Überwiegen eines öffentlichen Interesses an der Rodung. Das im angefochtenen Bescheid genannte Gutachten - dieses wurde nach dem Antrag des Beschwerdeführers dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft nicht vorgelegt - setze sich darüber hinweg, dass der Flächenwidmungsplan der Gemeinde R zwar abgeändert werden sollte, aber nicht abgeändert worden sei, dagegen die Mitbeteiligten Kenntnis von dem Erfordernis einer Rodungsbewilligung besaßen. Der Beschwerdeführer verweist auf die Stellungnahme der für Fragen der Raumplanung zuständigen Abteilung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. Juni 1974 im vorausgegangenen Verfahren, wonach die Rodung Fremdenverkehrs- und Raumordnungsinteressen zuwiderlaufe. Dem von der belangten Behörde angegebenen "Interesse an der Aufrechterhaltung der Besiedlung des gegenständlichen Gebietes" sei entgegenzuhalten, dass ein solches Interesse dokumentiert werden müsse, doch sei das Gegenteil der Fall, wie der nichtgeänderte Flächenwidmungsplan der Gemeinde und die eindeutig gegen eine Zersiedlung sprechende Stellungnahme "der Raumplanungsbehörde" beweise. Ein im Siedlungswesen begründetes öffentliches Interesse könne nicht gegeben sein, weil dafür nur solche Maßnahmen verstanden werden könnten, die zu einer geordneten Siedlungstätigkeit führten, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob die flächenwidmungsgemäßen Voraussetzungen sowie jene bei Infrastruktur (wie Aufschließung der Straßen, Kanalisation, Versorgung mit Strom und Wasser, Müllabfuhr, Vorhandensein öffentlicher Verkehrsmittel u.dgl.) gegeben seien. Von solchen Erfordernissen könne aber im vorliegenden Beschwerdefall keine Rede sein. Selbst im Falle der Annahme eines öffentlichen Interesses "Siedlungswesen" wäre im konkreten Fall das Interesse an der Walderhaltung jedenfalls höher einzustufen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete keine Gegenschrift. Die Mitbeteiligten erstatteten eine Gegenschrift, in der sie die Auffassung vertraten, Identität der Sache liege beim Antrag auf Rodungsbewilligung schon deswegen nicht vor, weil nunmehr lediglich die Rodungsbewilligung für eine Fläche von 120 m2 und nicht mehr für 2188 m2 begehrt worden sei. Diese Fläche von 120 m2 liege gänzlich auf einer Blöße, sodass nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Verschiedenheit der Verfahrensgegenstände vorliege. Auch die Änderung der Rechtslage ließe eine neue Behandlung der Angelegenheit zu und es sei eine Änderung der Interessenslage durch die Mitbeteiligten behauptet worden. Zur Frage der Interessenabwägung wurde vorgebracht, § 17 Abs. 2 Forstgesetz 1975 räume der Behörde bei der Interessenabwägung ein freies Ermessen ein. Diese Ermessensschranken seien nicht überschritten worden. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1977, Zl. 1389/76, führen die Mitbeteiligten aus, grundsätzlich sei auch ein Privater rechtlich in der Lage, ein öffentliches Interesse zur Begründung seines Rodungsantrages geltend zu machen, die Beurteilung des Interesses an der örtlichen Raumplanung falle in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Der Bürgermeister habe ein solches Interesse bekundet. Eine Beeinträchtigung forstrechtlicher Interessen sei nach dem Inhalt der erstatteten forsttechnischen Gutachten auszuschließen und es sei insbesondere von der Existenz eines rechtskräftigen Baubewilligungsbescheides auszugehen. Jedenfalls sei ein öffentliches Interesse an der Erteilung der beantragten Rodungsbewilligung gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975 ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als solchen der Waldkultur (Rodung) verboten. Die Forstbehörde kann aber zufolge Absatz 2 dieser Gesetzesstelle eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiegt. Nach Absatz 3 des Gesetzes können öffentliche Interessen im Sinne des Absatzes 2 insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet sein. Gemäß Absatz 4 des Gesetzes hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Absatzes 2 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen; ferner sind unter dieser Voraussetzung die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer verweist zu Recht darauf, dass eine Rodungsbewilligung nach dieser Rechtslage nur dann erteilt werden darf, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der Grundfläche vorliegt und dieses Interesse das Interesse an der Walderhaltung überwiegt. Eine solche Interessenabwägung wäre also selbst dann vorzunehmen, wenn die zur Rodung beantragte Grundfläche nach einem bestehenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen sein sollte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1977, Zl. 2341/76). Im vorliegenden Beschwerdefall hat nun der Beschwerdeführer zunächst behauptet, dass der Antrag des Erstmitbeteiligten schon im Hinblick auf das 1975 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren betreffend die Erteilung der Rodungsbewilligung für das Grundstück n/2 gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 hätte zurückgewiesen werden müssen. Nach § 68 Abs. 1 AVG 1950 sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 (Wiederaufnahme) und 71 (Wiedereinsetzung) die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Wie die Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift richtig ausführen, ist Voraussetzung einer entschiedenen Sache die Identität der Sache. Identität der Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG 1950 liegt zwar auch dann vor, wenn sich das neue Begehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Parteienbegehren nur dadurch unterscheidet, dass es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1953, Slg. N.F. Nr. 2863/A, vom 14. Juni 1971, Slg. 8035/A u.a.), doch kann im vorliegenden Fall schon deshalb von einer Modifikation eines bloßen Nebenumstandes deswegen nicht gesprochen werden, weil nunmehr lediglich die Erteilung der Rodungsbewilligung für eine Fläche von 120 m2 begehrt wird und nicht für das Grundstück n/2 zur Gänze, also in einem Ausmaß von 2138 m2, wie dies in dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren der Fall war. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hatte daher die belangte Behörde eine Sachentscheidung zu treffen.

Wie erwähnt ist aus den Bestimmungen des § 17 Forstgesetz 1975 zu folgern, dass der Gesetzgeber die Erhaltung von Waldböden für die Waldkultur grundsätzlich als im öffentlichen Interesse liegend erklärt hat, das nicht zu berücksichtigen - bei sonstiger Rechtswidrigkeit - nur dann mit dem Gesetz vereinbar ist, wenn nicht nur ein anderes öffentliches Interesse für eine Umwidmung der Waldfläche vorliegt, sondern dieses andere öffentliche Interesse auch das Interesse an der Walderhaltung überwiegt. Entgegen der Auffassung der Mitbeteiligten handelt es sich hiebei um keine Ermessensentscheidung, vielmehr besitzt der Rodungswerber bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Rodungsbewilligung. Der Beschwerdeführer bestreitet im vorliegenden Fall das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der beantragten Rodung. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 1977, Zl.1389/76, wie die Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift richtig ausführen, zum Ausdruck gebracht, dass auch das Interesse eines Privaten, eine Grundfläche in Bauland umzuwandeln, als ein öffentliches Interesse zur Begründung eines Rodungsantrages geltend gemacht werden kann, dies allerdings nur dann, wenn das Privatinteresse mit dem öffentlichen Interesse "Siedlungswesen" in Einklang stehend angesehen werden kann, wenn es also mit dem Interesse der Allgemeinheit, die hier durch die Gemeinde als der Verkörperung der örtlichen Gemeinschaft repräsentiert wird (Art. 118 Abs. 2 und Abs. 3 B-VG), zu vereinbaren ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1977, Zl. 1389/76). Im vorliegenden Beschwerdefall steht unbestritten fest, dass die Grundflächen, die Gegenstand des Antrages der Mitbeteiligten sind, nach dem geltenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde R nicht im Bauland, sondern im Grünland gelegen sind. Die Gemeinde hat zwar eine Abänderung des Flächenwidmungsplanes beabsichtigt, jedoch hat die Niederösterreichische Landesregierung als Aufsichtsbehörde die beabsichtigte Abänderung aufsichtsbehördlich nicht genehmigt; der diesbezügliche Bescheid der Aufsichtsbehörde erwuchs in Rechtskraft. Die bloße Absicht, die gegebene Flächenwidmung "Grünland" abzuändern, vermag aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ebenso wenig ein öffentliches Interesse an der Rodung zu begründen, als die im Beschwerdefall (anders könnte die Rechtslage bei Fehlen eines Flächenwidmungsplanes beurteilt werden) von der Gemeinde erteilte baubehördliche Bewilligung. Nach der gegebenen Rechtslage hat allein die Forstbehörde festzustellen, ob die erforderliche Rodungsbewilligung auf Grund der forstrechtlichen Bestimmungen als im öffentlichen Interesse gelegen zu erteilen ist, nicht aber die Baubehörde und eine in einer Baubewilligung vorgesehene andere Verwendung einer Waldfläche bedarf daher in jedem Fall der Bewilligung der Forstbehörde (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1976, Slg. N.F. Nr. 9190/A). Die Forstbehörde ist demnach nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet zu prüfen, ob überhaupt ein öffentliches Interesse für die Erteilung der Rodungsbewilligung vorliegt. Wenn der Amtssachverständige der belangten Behörde in seinem Gutachten die Auffassung vertrat, dass dem Vorbringen der Mitbeteiligten, dass sie nach der erteilten Baubewilligung die Erteilung der Rodungsbewilligung nur mehr als eine Formsache betrachtet hätten, eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden könne, so kann daraus für die Mitbeteiligten nichts Entscheidendes gewonnen werden. Ein bestimmtes Vorhaben darf eben erst dann verwirklicht werden, wenn die für die Verwirklichung erforderlichen behördlichen Bewilligungen vorliegen und es kann durchaus die Baubehörde zur Erteilung einer Baubewilligung verpflichtet sein, wogegen die Forstbehörde dem gleichen Vorhaben auf Grund der anzuwendenden forstrechtlichen Bestimmung die Bewilligung versagen muss. Das geltend gemachte Interesse an der Rodung im Einblick auf eine gewisse Verödungsgefahr des Gebietes der Katastralgemeinde P kann nicht als ein öffentliches Interesse im Interesse des Siedlungswesens beurteilt werden, weil die damit gegebene Zersiedlung einer geordneten Siedlungstätigkeit zuwiderlaufen müsste und daher nicht im öffentlichen Interesse "Siedlungswesen" begründet sein kann, wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann daher im Beschwerdefall nicht davon ausgegangen werden, dass das von ihr angenommene Interesse der Aufrechterhaltung der Besiedlung des Gebietes als ein öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 2 und Abs. 3 Forstgesetz 1975 zu beurteilen ist. Der Umstand allein, dass der Bürgermeister der Gemeinde R ein Interesse an der Siedlungstätigkeit dartat, reicht für die Annahme eines im Siedlungswesen begründeten öffentlichen Interesses nicht aus (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1977, Zl. 939/77). Wenn die Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift auf die Höhe der bereits investierten Mittel verweisen, auf ihre Kostenbeteiligung betreffend einen Güterweg und auf den hohen Schaden bei einer etwaigen Abtragung des bestehenden Baues, dann ist ihnen entgegenzuhalten, dass dieses Vorbringen ein öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 2 und 3 Forstgesetz 1975 nicht zu begründen vermag, weil sie erst nach Erteilung der Rodungsbewilligung ihr Vorhaben hätten verwirklichen dürfen. Da ein öffentliches Interesse an der Erteilung der Rodungsbewilligung nicht gegeben ist, erübrigte es sich auf die Frage einzugehen, ob im Hinblick auf eine allfällige geringe Beeinträchtigung forstrechtlicher Interessen eine Interessenabwägung zu Gunsten des Bauvorhabens in Betracht gekommen wäre.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Hinsichtlich der angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Wien, am 31. Mai 1978

Schlagworte

Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1978:1977001681.X00

Im RIS seit

15.04.2003

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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