TE Vfgh Erkenntnis 1987/5/14 B379/86

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Veröffentlicht am 14.05.1987
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Oö GVG 1975 §1 Abs1
Oö GVG 1975 §4 Abs1

Leitsatz

erstinstanzliche Entscheidung, daß das Rechtsgeschäft (Dienstbarkeitsvertrag über die Einräumung des Fruchtgenußrechtes) gem. §4 Abs1 Oö. GVG 1975 aus materiellen Gründen nicht zu genehmigen sei; abweisende Berufungsentscheidung ist so zu werten, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte; die Berufungsbehörde hat es unterlassen, vor Fällung der Entscheidung zu klären, ob ein genehmigungsfähiges Rechtsgeschäft vorliegt - Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt; Verletzung im Gleichheitsrecht

Spruch

Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, der Bf. zu Handen ihres Vertreters die mit S 11.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Eigentümerin (P U) der Liegenschaft EZ ..., KG Entholzen (Gemeinde Kopfing), zu der land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke im Ausmaß von ca. 1,5 ha gehören, hat sich im Jahre 1984 verpflichtet, die Liegenschaft an E M (die Bf) zu verkaufen, worüber zunächst ein Vorvertrag (mit Bleistift geschrieben) abgeschlossen wurde.

Da P U beabsichtigt hatte, von der ihrer Auffassung nach bestehenden Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten, Gebrauch zu machen, kam es am 10. Juli 1984 zu einem (neuerlichen) Vorvertrag über den Erwerb der Grundstücke durch E M, gleichzeitig wurde ein Dienstbarkeitsvertrag abgeschlossen, in dem die Einräumung des Fruchtgenußrechtes an der Liegenschaft EZ ..., KG Entholzen, für E M festgelegt wurde, ohne hiefür irgendein Entgelt festzusetzen.

Da P U behauptete, zum Abschluß des Dienstbarkeitsvertrages gezwungen worden zu sein, kam es zwischen den Vertragsparteien zu einem Rechtsstreit über die Gültigkeit dieses Vertrages.

Mit Schreiben vom 6. Mai 1985 teilte P U der Bezirksgrundverkehrskommission Engelhartszell den Abschluß des Dienstbarkeitsvertrages vom 10. Juli 1984 mit, wobei sie darauf hinwies, daß sie auf Grund verschiedener Überlegungen nicht mehr gewillt sei, ihren Besitz zu verkaufen.

Mit Eingabe vom 8. Mai 1985 beantragte E M bei der Bezirksgrundverkehrskommission Engelhartszell die Genehmigung des "Vorvertrages zug. Dienstbarkeitsvertrages vom 10. 7. 1984".

         2. Mit Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission

Engelhartszell vom 28. Mai 1985 wurde die Einräumung des

Fruchtgenußrechtes an den Grundstücken der Liegenschaft EZ ..., KG

Entholzen, "an Frau E M . . . auf Grund des Vertrages vom 10. 7.

1984 . . . gemäß §4 Abs1" des Oberösterreichischen

Grundverkehrsgesetzes  1975 - O.ö. GVG. 1975, LGBl. 53/1975, nicht

genehmigt.

In der Begründung des Bescheides wird nach der Darlegung des Sachverhaltes ausgeführt, die Bezirksgrundverkehrskommission sei sich bewußt, daß die Gerichte über die derzeit bestehenden Streitigkeiten (das ist über die Gültigkeit des Dienstbarkeitsvertrages vom 10. 7. 1984) zu entscheiden hätten. Solange jedoch diese Entscheidung nicht getroffen sei, liege es nicht im Interesse der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes, daß die Liegenschaft "unentgeltlich bereits durch E M bewirtschaftet" werde. "Der abgeschlossene Dienstbarkeitsvertrag vom 10. 7. 1984" sei "daher abzulehnen" gewesen.

3. Der von E M gegen den Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission vom 28. Mai 1985 erhobenen Berufung hat die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der o. ö. Landesregierung mit Bescheid vom 23. Jänner 1986 "nicht Folge gegeben".

In der Begründung des Bescheides wird folgendes ausgeführt:

         ". . . Dem vorliegenden Genehmigungsantrag liegt der

Vorvertrag zugleich Dienstbarkeitsvertrag, abgeschlossen am

10. 7. 1984 zwischen P U und E M zugrunde. Dieser Vertrag ist

unter derzeit von der Grundverkehrsbehörde nicht eindeutig

geklärten Umständen zustandegekommen. Tatsache ist jedenfalls,

daß der Kaufpreis der in diesem Vertrag angeführt wird, um

S 200.000,-- niedriger ist, als er in einem handschriftlichen

Vorvertrag ausgewiesen war. Es konnte auch nicht eindeutig geklärt

werden, warum trotz angeblicher Einigung über Umfang des

Kaufobjektes und Höhe des Kaufpreises nicht sofort ein Kaufvertrag,

sondern ein Vorvertrag zugleich auch Dienstbarkeitsvertrag

abgeschlossen wurde. Aus" . . . (näher angeführten Akten) . . . "des

Kreisgerichtes Ried, ergibt sich das in diesem Streitverfahren ein medizinisches Sachverständigengutachten über die Geschäftsfähigkeit der Verkäuferin, P U eingeholt wurde, das jedenfalls für den Zeitpunkt der Untersuchung deren Geschäftsfähigkeit verneint. In einem Gutachten des Sachverständigen, Univ.Prof. Dr. J, vom 9. 12. 1985 kommt dieser zu dem Entschluß, daß Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, P U habe auch bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unter schwerwiegenden neurotischen Störungen, mit teilweise depressiver Verstimmung gelitten, wodurch ihre Entschlußkraft wesentlich und entscheidend beeinträchtigt worden sei.

Wird von diesen unbedenklichen Feststellungen ausgegangen, muß berücksichtigt werden, daß das rechtswirksame Zustandekommen des Dienstbarkeitsvertrages fraglich ist. Genauso fraglich ist es, ob auf Grund des Gesundheitszustandes der P U, der Vorvertrag wirksam zustande kam. Da sohin derzeit nicht mit der für eine Genehmigung eines Rechtsgeschäftes ausreichenden Sicherheit festgestellt werden kann, ob überhaupt ein rechtswirksames Rechtsgeschäft vorliegt, fehlt einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung die Grundlage im Sinne des §1 O.ö. GVG 1975, nämlich ein rechtswirksames Rechtsgeschäft, das als Basis für die Einräumung der Dienstbarkeit dienen könnte. Die Bezirksgrundverkehrskommission hat daher dem Rechtsgeschäft im Ergebnis zutreffend die Genehmigung versagt, sodaß wie im Spruch zu entscheiden war."

4. Gegen den Bescheid der Landesgrundverkehrskommission beim Amt der o.ö. Landesregierung vom 23. Jänner 1986 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde der E M. Die Bf. behauptet wegen Anwendung verfassungswidriger Bestimmungen des O.ö. GVG. 1975 in ihren Rechten verletzt worden zu sein. Darüber hinaus wird behauptet, daß die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden sei.

Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die bel. Beh. stellt in ihrer Gegenschrift den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Auch die beteiligte P U, für die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 21. März 1986 ein Sachwalter gemäß § 273 ABGB bestellt wurde, begehrt die Abweisung der Beschwerde.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach §1 Abs1 des O.ö. GVG. 1975 bedarf die Einräumung des Fruchtnießungsrechtes an einem ganz oder teilweise der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmeten Grundstück durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden der Genehmigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.

2. Wie sich sowohl aus dem Spruch als auch aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides (I/2) ergibt, hat die Grundverkehrsbehörde I. Instanz ausgesprochen, daß "der abgeschlossene Dienstbarkeitsvertrag abzulehnen" sei. Die erstinstanzliche Behörde ist damit davon ausgegangen, daß durch ein Rechtsgeschäft der Bf. das Fruchtgenußrecht an der Liegenschaft EZ ..., KG Entholzen, eingeräumt werde, daß dieses Rechtsgeschäft aber gemäß §4 Abs1 O.ö. GVG. 1975 aus materiellen Gründen nicht zu genehmigen sei.

Die bel. Beh. hat nach dem Spruch ihres Bescheides der Berufung nicht Folge gegeben. Diese Entscheidung ist so zu werten, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte (vgl. VfSlg. 6486/1971), als ob sie also entschieden hätte, daß der im Dienstbarkeitsvertrag vom 10. Juli 1984 vorgesehenen Einräumung des Fruchtnießungsrechtes in materieller Hinsicht die Genehmigung versagt wird.

Dem gegenüber hat es die bel. Beh. in der Begründung ihrer Entscheidung als fraglich bezeichnet, ob ein genehmigungsfähiges Rechtsgeschäft als Grundlage für die Einräumung eines Fruchtnießungsrechtes vorliegt. Sie ist damit ihrer Verpflichtung, vor Fällung ihrer Entscheidung zu klären, ob ein Rechtsgeschäft, das für die Erteilung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung in Betracht kommen kann, vorliegt oder nicht, nicht nachgekommen. Sie hat damit in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, sodaß ihr Vorgehen nicht mehr als Verletzung einfachgesetzlicher Verfahrensvorschriften, sondern vielmehr als ein eine Gleichheitsverletzung bewirkendes Verhalten zu beurteilen ist (vgl. VfGH 25. 6. 1986 B780/84, VfSlg. 9665/1983). Die Bf. ist im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen weiter eingegangen werden mußte.

3. Der Kostenspruch stützt sich auf §88 VerfGG. Im Kostenbetrag ist USt in der Höhe von S 1.000,-- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG idF BGBl. 297/1984 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Verwaltungsverfahren, Berufung, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B379.1986

Dokumentnummer

JFT_10129486_86B00379_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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