Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ForstG 1975 §1 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Schima, Dr. Salcher, Dr. Hoffmann und DDr. Hauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesgerichtsrat Dr. Gerhard, über die Beschwerde des AL in B, vertreten durch Dr. Christoph Haffner, Rechtsanwalt in Amstetten, Burgfriedstraße Nr. 17, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. November 1977, Zl. VIA-629-1977, betreffend Bestrafung nach dem Forstgesetz 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.822,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes Nr. n1 der KG X, Gerichtsbezirk Ybbs. Laut Eintragung in Gutsbestandsblatt der entsprechenden Grundbuchseinlage weist dieses Grundstück die Kulturgattung Wald auf.
Mit Datum 1. Februar 1977 erstattete das Gendarmeriepostenkommando X bei der Bezirkshauptmannschaft Melk die Anzeige, der Beschwerdeführer habe in der Zeit von 1975 bis 27. Jänner 1977 auf seinem Grundstück südlich des A-sees nn von X den Auwald im Ausmaß von schätzungsweise 3/4 bis 1 Hektar ohne behördliche Bewilligung gerodet bzw. roden lassen und begonnen, dieses Grundstück in Bauland umzuwidmen. In der Anzeige wurde dargelegt, dass der Tatbestand durch die Wahrnehmung von Organen der Bezirksforstinspektion Melk und von einem Gendarmeriebeamten erwiesen sei. Der Beschwerdeführer habe sich folgendermaßen verantwortet: Das gegenständliche Grundstück im Ausmaß von ca. 3,5 Hektar habe er im Jahr 1974 gekauft. Das gegenständliche Grundstück sei nicht gerodet worden. Es hätten sich nur einige Stauden, ein paar verkrüppelte Lindenbäume und Graswuchs auf einer unebenen Fläche befunden, die durch frühere Kiesentnahme verunstaltet worden sei. Er, der Beschwerdeführer, habe lediglich durch Zutransport von Aushubmaterial diese Unebenheiten ausgeglichen, und zu einer Wiese umgestaltet. Ferner habe der Beschwerdeführer einige dürre Fichtenbäume schlägern müssen, um einen Borkenkäferbefall zu vermeiden. All diese Maßnahmen hätten der Umweltverbesserung gedient. Die größte Fläche habe sich unter der Starkstromleitung der Österreichischen Bundesbahnen befunden und sei eine Wildnis gewesen. Er, der Beschwerdeführer, habe seiner Ansicht nach durch die vorstehend angeführten Maßnahmen zur Verschönerung des Erholungszentrums X südlich des A-sees nn beigetragen. Zum Beweis für sein Vorbringen führte der Beschwerdeführer Zeugen an.
Laut Gendarmerieanzeige stimmten diese Angaben des Beschwerdeführers nicht. Derzeit, so hieß es in der Gendarmerieanzeige, welche auf Grund einer örtlichen Besichtigung erstattet wurde, seien noch mehrere Baumstöcke, Stockdurchmesser 30, 40 cm, von frisch umgeschnittenen Bäumen und auch mehrere Baumstämme von Fichten und Eschen zu sehen, die alles andere als dürr seien. Der Großteil des gerodeten Grundstückes sei bereits mit Aushubmaterial bedeckt, es seien Ausbaggerungen durchgeführt worden und der Untergrund sei für eine Straße oder einen Wirtschaftsweg in der Länge von ca. 200 bis 300 m angeschüttet worden, sodass das Ausmaß der Rodung (Zahl der geschlägerten Bäume) nicht mehr zu sehen sei. Aus der vor einigen Jahren gemachten Fliegeraufnahme (Ansichtskarten der A-seen von X) sei jedoch deutlich zu erkennen, dass sich an der vom Beschwerdeführer gerodeten Stelle ein schöner dichter Auwald befunden habe. Der Grund, warum der Beschwerdeführer nicht um eine Rodungsbewilligung angesucht habe, sei vermutlich darin gelegen, dass der Beschwerdeführer mit der Ablehnung eines Ansuchens gerechnet habe.
Die Bezirksforstinspektion Melk erstattete mit Datum 26. Jänner 1977 ebenfalls die Anzeige gegen den Beschwerdeführer, dass er entgegen der Bestimmung des § 17 des Forstgesetzes 1975 vom 3. Juli 1975, BGBl. Nr. 440, (FG 1975) die genannte Waldfläche gerodet habe.
In seiner Rechtfertigung als Beschuldigter legte der Beschwerdeführer am 8. Februar 1977 nach Kenntnisnahme der beiden Anzeigen vor der Bezirkshauptmannschaft Melk dar, dass er grundsätzlich bei seinen vor der Gendarmerie gemachten Rechtfertigungsangaben bleibe. Zur Äußerung der Bezirksforstinspektion, dass entlang und unter der Starkstromleitung der Österreichischen Bundesbahnen ein Wald bestanden habe, der erhalten und gepflegt werden könne, müsse bemerkt werden, dass die Österreichischen Bundesbahnen jährlichen aufkommenden Baum- und Strauchbestand auf Grund eines Servitutsrechtes schlägerten. Aus diesem Grund sei in diesem Bereich teilweise niedriger Dornenbewuchs und nicht nutzungsfähiger Grasbestand gewesen. Der Beschwerdeführer habe daher nicht gerodet, er habe, lediglich die unwirtliche unebene Grünfläche durch Aufbringung von Aushubmaterial und sonstige Materialien einebnen lassen und so zu einer Wiesenfläche gestaltet. Wie jederzeit ersichtlich sei, habe der Beschwerdeführer sämtliche Bäume, die als solche anzusprechen gewesen seien und außerhalb des Gefahrenbereiches der ÖBB-Leitung stünden, erhalten. Falls die Bezirksforstinspektion trotzdem der Ansicht sei, dass der Beschwerdeführer gegen das Gesetz gehandelt habe, so sei er gerne bereit, nachträglich um eine Rodungsbewilligung anzusuchen. Er, der Beschwerdeführer, lege auch eine Luftaufnahme von der Gegend bei, woraus ersichtlich sei, dass die beanspruchte Rodefläche seit vielen Jahren so aussehe.
Mit Datum 7. Februar 1977 erließ die Bezirkshauptmannschaft Melk an den Beschwerdeführer die Aufforderung, die gesetzwidrige Rodung einzustellen bzw. zu unterlassen und die gerodete Fläche wieder zu bewalden. Diese Aufforderung ist nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
In ihrer Stellungnahme vom 21. Februar 1977 äußerte sich die Bezirksforstinspektion Melk zu der Verantwortung des Beschuldigten dahingehend, dass Waldgrundstücke innerhalb der Starkstromleitungen weiter als Wald bewirtschaftet werden müssten. Es würden lediglich örtlich verschiedene Beschränkungen hinsichtlich der maximalen Höhe der Bäume auferlegt. Eine Einebnung der devastierten Waldfläche zur Gestaltung einer Wiese sei auf jeden Fall als eine Rodung zu betrachten. Die Rodefläche sei als Hauptbestand mit Esche, Pappel, Buche, Fichte von 0,3 bis 0,9 bestockt gewesen. Als Unterbestand seien Weide, Schlehdorn, Berberitze, Gelber Hartriegel zu erwähnen. Der Unterbestand habe die gesamte Rodefläche bedeckt. Die Rodefläche sei ca. 1,6 Hektar groß. Die Verwendung des Waldbodens zu anderen Zwecken sei ohne Rodungsgenehmigung verboten.
Am 15. März 1977 wurde dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer legte vor der Bezirkshauptmannschaft Melk dar, dass das Waldgrundstück unter der Starkstromleitung nicht als Wald bewirtschaftet werden könne, da die Maximalhöhen der Bäume oder das Strauchwerk eine Bewirtschaftung nicht zulasse. Der Beschwerdeführer bestreite, dass die Einebnung und Gestaltung zu einer Wiese in diesem Fall als Rodung zu betrachten sei. Um eine Rodungsbewilligung sei bereits angesucht worden und zwar am 22. Februar 1977. Auf der so genannten Rodefläche könne man keine Kulturgattung als Hauptbestand ansprechen, da nur vereinzelt Lindenbäume schlechteren Wuchses vorhanden gewesen seien. Das Strauchwerk sei ebenfalls nur teilweise vorhanden gewesen, der Rest der Fläche sei Grasbewuchs gewesen. Die so genannte Rodefläche mit 1,6 Hektar sei viel zu hoch angenommen worden. Der Beschwerdeführer sei sich keines strafbaren Tatbestandes bewusst.
Am 15. März 1977 erschien der Beschwerdeführer nochmals bei der Bezirkshauptmannschaft Melk und brachte vor, dass für die getroffenen Maßnahmen auf den Grundstücken ein öffentliches Interesse bestünde. Der Beschwerdeführer legte auch die Kopie eines Schreibens der Marktgemeinde X vom 27. Dezember 1974 vor, worin die diese gegenüber der zuständigen Grundverkehrs-Bezirkskommission die Zweckmäßigkeit des Ankaufes eines Grundstückes durch den Beschwerdeführer zur Errichtung einer Aufschließungsstraße vom Erholungsgebiet I und II zum Erholungsgebiet A-see nn bestätigt.
Auch in dieser Hinsicht äußerte sich die Bezirksforstinspektion mit Stellungnahme vom 5. April 1977, sie meinte, dass die Bewirtschaftung eines Waldgrundstückes unter einer Starkstromleitung auf jeden Fall möglich sei (z.B. Christbaumkultur). Daher sei die Maßnahme des Beschwerdeführers als Rodung zu betrachten. Insbesondere sei die Schutzwirkung, Wohlfahrtswirkung und Erholungswirkung in diesem Fall hervorzuheben. Der Strauchwuchs sei in einem derartigen Fall als Bodenschutz zu betrachten. Ein öffentliches Interesse an der Rodung durch den Beschwerdeführer habe nicht festgestellt werden können. Das Schreiben der Gemeinde X an die Grundverkehrskommission habe ein anderes Grundstück als die gegenständliche Rodefläche betroffen.
Mit Straferkenntnis vom 12. April 1977 erkannte die Bezirkshauptmannschaft Melk den Beschwerdeführer für schuldig, in der Zeit bis 27. Jänner 1977 ohne behördliche Bewilligung einen ca. 1,6 Hektar großen Teil der Waldgrundstücke n1 und n2 der KG X gerodet und diesen Teil in eine Wiesenfläche umgewandelt zu haben, wodurch der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 17 Abs. 1 FG 1975 begangen habe.
Gemäß § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 FG 1975 verhängte die Verwaltungsbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe in der Höhe von 7 Tagen.
Diesen Bescheid begründete die Verwaltungsbehörde erster Instanz damit, dass auf Grund der dienstlichen Feststellung von Fachorganen der Bezirksforstinspektion Melk die Verwirklichung des dem Beschwerdeführer angelasteten Tatbestandes erwiesen sei. Im besonderen bezog sich die Verwaltungsbehörde erster Instanz hiebei auf die Äußerung der Bezirksforstinspektion vom 21. Februar 1977. Die Angaben des Beschwerdeführers stellten keinen Strafausschließungsgrund dar. Es müsse mit Sicherheit angenommen werden, dass dem Beschwerdeführer als Waldbesitzer die einschlägigen Vorschriften bekannt gewesen seien. Bei der Bemessung der Strafhöhe sei auf den Grad des Verschuldens und auch "auf die allseitigen Verhältnisse des Beschuldigten" Bedacht genommen worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. Er behauptete, dass es sich bei den Grundflächen nicht um Wald im Sinn des § 1 Abs. 1 FG 1975, sondern um forstlich nicht genutzte Strauchflächen gemäß § 1 Abs. 4 lit. c des angeführten Gesetzes handle. Die Feststellung der Fachorgane der Bezirksforstinspektion Melk habe nur auf einer Vermutung beruhen können, da der Beschwerdeführer diese Strauchflächen schon im Jahr 1974 sowie 1975 entfernt und nachfolgend eine Wiese angelegt habe. Außerdem seien nicht der Hauptbestand Eiche, Pappel, Buche und Fichte, sondern nur Strauchwerk und für Streu genutzte Grasflächen gewesen. Die von der Bezirksforstinspektion Melk vermessene und ausgerechnete Fläche von 1,6 Hektar sei zu groß, überdies stehe das Grundstück Nr. n2 der KG X nicht im Eigentum des Beschwerdeführers. In der Folge berief sich der Beschwerdeführer auf Arbeiter und Landwirte als Zeugen, die ihm bei dem Entfernen des Strauchwerkes und Dornengebüsches sowie beim Mähen der Grasflächen geholfen hätten. Im Jahr 1974 habe bei Entfernung der Strauchflächen ein Organ der Bezirksforstinspektion Melk die Arbeiten besichtigt und keine Einwendungen erhoben. Beim Einschreiten im Jahr 1977 hätten keine Rodungsarbeiten stattgefunden, sondern es seien nur Planierungsarbeiten für den umgelegten Wirtschaftsweg durchgeführt worden. Die Einstellung der Planierungsarbeiten sei ohne gesetzliche Grundlage erfolgt. Das spätere Ansuchen des Beschwerdeführers vom 22. Februar 1977 um die Rodungsbewilligung sei nicht notwendig gewesen. Er, der Beschwerdeführer, habe dies gegen sein Rechtsempfinden und nur deshalb getan, um dem Rat der Bezirksforstinspektion Melk zu folgen. Die vorgebrachte Rechtfertigung stelle wohl einen Strafausschließungsgrund dar. Außerdem sei selbst bei einem Straftatbestand schon eine Verjährung nach § 175 FG eingetreten.
Vor Vorlage des Rechtsmittels und des Verwaltungsaktes an den Landeshauptmann von Niederösterreich als Berufungsbehörde holte die Verwaltungsbehörde erster Instanz noch eine Äußerung der Bezirksforstinspektion Melk ein. In dieser Äußerung, welche dem Beschwerdeführer offensichtlich nicht vorgehalten wurde, heißt es unter anderem, dass es sich bei den gegenständlichen Grundflächen um Wald im Sinne des § 1 Abs. 1 FG 1975 handle, da der Aufbau des Bestandes sich wohl für die Wohlfahrtswirkung, Schutzwirkung gegen Überschwemmungen und für die Erholungswirkung eigne und diese Funktionen voll ausübe. Es könne sich daher nicht um forstlich nicht genutzte Strauchflächen gemäß § 1 Abs. 4 lit. c FG 1975 handeln. Im übrigen wiederholte die Bezirksforstinspektion Melk ihren bisherigen Standpunkt; dass dem Beschwerdeführer jemals eine Zustimmung der Bezirksforstinspektion zur Rodung erteilt worden sei, wurde in Abrede gestellt. Mit Datum 1. August 1977 äußerte sich schließlich die Bezirksforstinspektion Melk dahingehend, dass die Gesamtrodefläche auf den Grundstücken Nr. n1 und zwei anderen Grundstücken der KG X ca. 1,6 Hektar betrage.
Dem Strafakt schloss die Landesforstinspektion beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung die Kopie einer Verhandlungsschrift des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. Oktober 1977 (betreffend das Ansuchen des Beschwerdeführers um eine Genehmigung zur Rodung auf drei Grundstücken des Beschwerdeführers in der KG X, so auch auf dem gegenständlichen Grundstück Nr. n1 der KG X, Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 12. April 1977) an. Laut Stellungnahme der Landesforstinspektion könne das von der Bezirksforstinspektion festgestellte Gesamtausmaß der Rodung von ca. 1,6 Hektar als richtig angesehen werden, jedoch entfielen auf das gegenständliche Grundstück n1 der KG X lediglich ca. 1,1 Hektar. Das Strafausmaß erscheine an sich gering, speziell im Hinblick darauf, dass auf jenem Teil der Rodefläche, die derzeit als Weg genutzt würde, eine spätere Wiederaufforstung überaus erschwert, wenn nicht überhaupt unmöglich wäre. Auch diese Äußerung der Landesforstinspektion wurde dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht.
Mit dem nunmehr durch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. November 1977 hat der Landeshauptmann von Niederösterreich die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung "mit § 51 Abs. 4 VStG 1950" (gemeint wohl: § 51 Abs. 1) abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Beschwerdeführer bis 27. Jänner 1977 ohne behördliche Bewilligung einen ca. 1,1 Hektar großen Teil des Waldgrundstückes Nr. n1 KG X gerodet und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs. 1 lit. e Z. 6 FG 1975 begangen hat und "gemäß § 174 Abs. 1 Z. 1 leg. cit." mit S 15.000,--, im Nichteinbringungsfalle 7 Tage Arrest, bestraft wird. (In der Ausfertigung des Berufungsbescheides ist ein im Konzept enthaltener Satzteil versehentlich weggeblieben.) Nach Anführung der einschlägigen forstgesetzlichen Bestimmungen hat die Verwaltungsbehörde zweiter Instanz ihren Rechtsmittelbescheid im wesentlichen wie folgt begründet:
Im Grundbesitzbogen des Vermessungsamtes Melk sei hinsichtlich des Grundstückes Nr. n1 der KG X die Benützungsart "Wald" eingetragen. Damit habe gemäß § 3 Abs. 1 FG 1975 das Grundstück als Wald zu gelten, da hinsichtlich der Grundfläche weder eine Rodungsbewilligung erteilt worden sei, noch auch festgestellt worden sei, dass es sich nicht um Wald handle. Vielmehr sei das Ansuchen des Beschwerdeführers um Rodungsbewilligung abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe das Grundstück zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur verwendet, weshalb der Tatbestand nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 FG 1975 erfüllt erscheine. Der Beschwerdeführer habe auf dem Grundstück Nr. n1 der KG X einen Weg und eine Wiese im Ausmaß von ca. 1,1 Hektar angelegt. Verfolgungsverjährung sei bisher nicht eingetreten, da die gegenständliche Fläche auch derzeit noch zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur verwendet werde. Im Hinblick auf § 3 Abs. 1 FG 1975 hätte die Behauptung des Beschwerdeführers, das Grundstück sei nicht Wald, keine Berücksichtigung finden können. Obwohl nunmehr Gegenstand des Strafverfahrens nur eine Rodefläche von ca. 1,1 Hektar sei - diese Fläche sei vom Amtssachverständigen im Beisein des Berufungswerbers festgestellt worden -, erscheine die verhängte Strafe im Hinblick auf das Ausmaß der gerodeten Fläche als angemessen.
Gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. November 1977 richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen hat:
Die Strafbehörden haben den gegen den Beschwerdeführer verhängten Ausspruch über Schuld und Strafe auf § 17 sowie auf § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 FG 1975 gestützt.
Gemäß § 17 Abs. 1 FG 1975 ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.
Unbeschadet der Bestimmung des Absatzes 1 kann nach dem zweiten Absatz dieses Paragraphen die gemäß § 19 Abs. 1 FG 1975 zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.
Wer das Rodungsverbot des § 17 Abs. 1 FG 1975 nicht befolgt, macht sich gemäß § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 einer Verwaltungsübertretung schuldig. Eine derartige Übertretung ist mit einer Geldstrafe bis zu S 60.000,-- oder mit Arrest bis zu vier Wochen zu bestrafen.
Zutreffend führt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift aus - ohne dass dieser Rechtsstandpunkt mit voller Deutlichkeit schon im Verwaltungsverfahren zum Ausdruck gekommen wäre -, dass es sich bei der Verwendung von Waldboden entgegen dem Rodungsverbot des § 17 Abs. 1 FG 1975 nicht um ein so genanntes Zustandsdelikt, sondern um ein Dauerdelikt handelt. So hat beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Oktober 1972, Slg. Nr. 8306/A, - welches zu § 2 Reichsforstgesetz vom 3. Dezember 1852, RGBl. Nr. 250, im Zusammenhalt mit den einschlägigen Vorschriften des Forstrechts-Bereinigungsgesetzes vom 12. Juli 1962, BGBl. Nr. 222, ergangen ist, - dargelegt, dass dann, wenn eine unbefugte Rodung nachträglich bewilligt wird, das deliktische Verhalten mit der Zustellung des Bewilligungsbescheides endet und erst mit diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist in Gang gesetzt wird.
Zunächst behauptet der Beschwerdeführer, dass die Bezeichnung des Grundstückes als Wald im Grundsteuerkataster nicht die Annahme rechtfertige, es handle sich bei jeder auf diesem Grundstück gesetzten Maßnahme um eine Rodung. Eine Rodung könne begrifflich nur dort stattfinden, wo tatsächlich Wald sei.
Was unter Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 zu verstehen ist, wird im § 1 Abs. 1 FG 1975 umschrieben: Bei Wald handelt es sich um mit bestimmten Holzgewächsen bestockte Grundflächen, die mindestens eine der vier im Gesetz umschriebenen Wirkungen - nämlich Nutzwirkung, Schutzwirkung, Wohlfahrtswirkung und Erholungswirkung - auszuüben geeignet sind. Die folgenden Absätze des § 1 FG 1975 enthalten weitere positive und negative Definitionen bzw. Modifikationen des Waldbegriffes.
Unter anderem hat sich im Verwaltungsverfahren der Beschwerdeführer auf § 1 Abs. 4 lit. c FG 1975 bezogen:
Nach dieser Bestimmung gelten nicht als Wald forstlich nicht genutzte Strauchflächen mit Ausnahme solcher, die als Niederwald bewirtschaftet wurden oder für welche die Schutzwaldeigenschaft festgestellt (§ 23 FG 1975) oder die Bannlegung (§ 30 FG 1975) ausgesprochen wurde.
Ist eine Grundfläche (Grundstück oder Grundstücksteil) im Grundsteuerkataster der Kulturgattung Wald oder im Grenzkataster der Benützungsart Wald zugeordnet und wurde eine Rodungsbewilligung für diese Grundfläche nicht erteilt, so gilt sie zufolge des § 3 Abs. 1 FG 1975 als Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes, solange die Behörde nicht festgestellt hat, dass es sich nicht um Wald handelt. Bei dieser gesetzlichen Bestimmung handelt es sich um eine widerlegbare Rechtsvermutung (vgl. Bobek-Plattner-Reindl, Forstgesetz 1975, S. 31). Die allfällige Widerlegung dieser Vermutung erfolgt im Feststellungsverfahren nach § 5 FG 1975.
Bestehen Zweifel, ob a) eine Grundfläche Wald ist oder b) ein bestimmter Bewuchs in der Kampfzone des Waldes oder als Windschutzanlage den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unterliegt, so hat die Behörde gemäß § 5 Abs. 1 FG 1975 von Amts wegen oder auf Antrag eines gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. Berechtigten ein Feststellungsverfahren durchzuführen. § 19 Abs. 4 FG 1975 ist sinngemäß anzuwenden.
Dass der Beschwerdeführer nach § 5 Abs. 1 FG 1975 als Berechtigter im Sinne des § 19 Abs. 2 des zitierten Gesetzes einen Antrag auf Feststellung dahingehend gestellt hätte, demzufolge das Grundstück Nr. n1 der KG X kein Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 wäre, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch sonst bestanden bei der gegeben Sachlage keine solchen Zweifel, welche für ein gesondertes amtswegiges Feststellungsverfahren im Sinne des § 5 Abs. 1 FG 1975 Anlass geboten hätten. Die Feststellungen im Ermittlungsverfahren - so die Verantwortung des Beschwerdeführers selbst, der zugab, ein paar Lindenbäume und dürre Fichtenbäume geschlägert zu haben, - bestätigen die Annahme der belangten Behörde, dass es sich bei der gegenständlichen Parzelle um ein Waldgrundstück im Sinne des Forstgesetzes 1975 handelt. Der Beschwerdeführer verkennt die Rechtslage, wenn er meint, dass, wo tatsächlich kein Wald ist, auch nicht gerodet werden könnte. So ergibt sich z. B. aus § 1 Abs. 7 FG 1975, dass es im Rechtssinn auch Waldboden ohne jeglichen Bewuchs, nämlich Kahlflächen, geben kann. Auch eine derartige Grundfläche kann "gerodet", nämlich einer dem Forstzwang des Forstgesetzes 1975 widersprechenden Verwendung zugeführt werden. Demnach hat der, Beschwerdeführer durch die Verwendung der Fläche als Wiese bzw. Weg ein Dauerdelikt gesetzt. Der Umstand, dass die Grundfläche des Beschwerdeführers von einer Hochspannungsleitung der Österreichischen Bundesbahnen überquert wird, ist forstrechtlich ohne Bedeutung, da das Recht der Österreichischen Bundesbahnen auf Freihaltung von Bewuchs aus den oben dargelegten Gründen keine Entlassung aus dem gesetzlichen Forstzwang bewirkt.
Verfehlt ist auch die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, dass die ihm angelasteten Handlungen verjährt wären, weil sie vor mehreren Jahren stattgefunden hätten.
Wohl ist die Verfolgung einer Person wegen Übertretung des Forstgesetzes 1975 oder der hiezu gemäß Art. 10 Abs. 2 B-VG erlassenen Landesausführungsgesetze gemäß § 175 FG unzulässig, wenn gegen die Person binnen einem Jahr von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. In diesem Zusammenhang verweist die belangte Behörde mit Recht auf § 31 Abs. 2 VStG 1950, wonach die Verjährungsfrist von dem Zeitpunkt an zu berechnen ist, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.
Allerdings ist der Beschwerdeführer der Ansicht, dass die Rodung mit der Beseitigung von Bäumen und Sträuchern auf der gegenständlichen Grundfläche beendet worden ist. Damit verkennt aber der Beschwerdeführer den Charakter des angewendeten Straftatbestandes. Dieser wird so lange verwirklicht, so lange die eigenmächtige Verwendung des Waldbodens andauert. Darauf, wann die Umwandlung von "Wald" in "Wiese" stattgefunden hat, kommt es also für den Beginn der Verjährungsfrist nicht an.
Der Beschwerdeführer legt der belangten Behörde auch einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften deshalb zur Last, weil nicht geprüft worden sei, wann die Rodung stattgefunden habe, wie viele Bäume gefällt und welche Sträucher entfernt worden seien.
Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend darlegt, war dies für das vorliegende Strafverfahren unerheblich, da es nur darauf ankam, dass der Beschwerdeführer gesetzwidrig Waldboden verwendet hat. Es erübrigte sich demnach auch die Einvernahme der vom Beschwerdeführer als Zeugen genannten Personen. Wenn der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe das Ausmaß der mit 1,1 Hektar angegebenen Rodungsfläche deshalb zu groß angenommen, weil sie "auch derzeit noch zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur" verwendet wird, verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage.
Schließlich erblickt der Beschwerdeführer eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch darin, dass die belangte Behörde als Berufungsinstanz im Spruch das Ausmaß der Rodungsfläche von 1,6 Hektar auf 1,1 Hektar herabgesetzt habe, ohne jedoch auch die verhängte Strafe herabzusetzen.
Die belangte Behörde hat ihren Berufungsbescheid insofern mit einem inneren Widerspruch belastet, als sie zwar dem Wortlaut nach einerseits die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen aber anderseits dennoch den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides teilweise dahingehend abgeändert hat dass sie dem Beschwerdeführer nicht die gesetzwidrige Rodung einer 1,6 Hektar großen Waldfläche, sondern einer 1,1 Hektar großen Waldfläche im Schuldspruch (§ 44 a lit. a VStG 1950) vorgeworfen hat. Der Landeshauptmann von Niederösterreich als Berufungsbehörde hat somit die Berufung des Beschwerdeführers in Wahrheit nicht zur Gänze abgewiesen, sondern das erstinstanzliche Straferkenntnis im Schuldespruch teilweise zu Gunsten des Beschwerdeführers abgeändert.
Ausgehend vom Rechtsstandpunkt der belangten Behörde - dass dem Beschwerdeführer die gesetzwidrige Rodung nur einer 1,1 Hektar großen Fläche statt einer 1,6 Hektar großen Fläche angelastet werden dürfe -, verstieß es gegen § 64 Abs. 1 und 2 und § 65 VStG 1950, dem Beschwerdeführer die Kosten des Berufungsverfahrens anzulasten.
Ebenso widersprach es dem Gesetz, dass die belangte Behörde den Ausspruch der Behörde erster Instanz über die Strafe vollinhaltlich aufrechterhalten hat, obwohl sie dem Beschwerdeführer nunmehr im Schuldspruch die Rodung eines kleineren Waldstückes angelastet hat.
Wohl ist der belangten Behörde einzuräumen, dass sich die Strafzumessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens hält und dass die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe nur ein Viertel des gesetzlich vorgesehenen Höchstsatzes von S 60.000,-- ausmacht. Anders als in dem dem Erkenntnis vom 15. Mai 1956, Slg. Nr. 4068/A, zu Grunde liegenden Sachverhalt ist im vorliegenden Fall auch kein eigener Übertretungstatbestand weggefallen. Dennoch hat die belangte Behörde im Beschwerdefall gegen das Verbot der so genannten reformatio in peius (hiezu vgl. Mannlicher, Verwaltungsverfahren7, S 458 ff und die ebenda auf S 1026 ff angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) verstoßen, weil sie zwar den Schuldspruch zu Gunsten des Beschwerdeführers geändert, aber den Ausspruch über die Strafe unverändert gelassen hat. Ob die Berufungsbehörde einen von mehreren Tatbeständen aus einem Straferkenntnis ausscheidet oder im Schuldspruch den einen angelasteten Tatbestand einschränkt, macht hier keinen Unterschied, weil in beiden Fällen durch unveränderte Aufrechterhaltung der von der ersten Instanz verhängten Strafe gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen wird. Die Behörde zweiter Instanz ist also nicht berechtigt gewesen, trotz der Einschränkung des Schuldspruches die gleiche Strafe zu verhängen wie die erste Instanz, wobei allerdings eine Verpflichtung zur verhältnismäßigen Herabsetzung des Strafsatzes übereinstimmend mit dem Ausmaß der Einschränkung des Tatbestandes dem Gesetz nicht entnommen werden kann.
Der angefochtene Bescheid war, da der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeausführungen teilweise als berechtigt anerkennen musste, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Beschwerdeführer gründet sich auf § 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542.
Der Beschwerdeführer hat unter anderem Anspruch auf Ersatz der Eingabenstempel im Ausmaß von S 210,-- und nicht, wie verzeichnet, von S 280,--. Das diesbezügliche Begehren an Mehrkosten von S 70,-- war daher als im Gesetz nicht begründet abzuweisen.
Wien, am 25. Oktober 1978
Schlagworte
Verbot der reformatio in peiusEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1978:1978000075.X00Im RIS seit
04.09.2003Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008