Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §51 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Onder, Dr. Baumgartner, Dr. Närr und Dr. Degischer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hailzl, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. PS in W, vertreten durch Dr. Erwin Dietrich, Rechtsanwalt in Wien XIX, Hackhofergasse 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 15. Jänner 1976, Zl. I/7-6149/1-1975, betreffend Übertretung der Eisenbahnkreuzungsverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 7. Oktober 1974 erstatteten die österreichischen Bundesbahnen, Bundesbahndirektion Wien, an die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, Außenstelle Schwechat, die Anzeige, dass der Pkw mit dem Kennzeichen W n.nnn am 17. September 1974, um 12.05 Uhr trotz wiederholt gegebener Pfeifsignale die unabgeschrankte Eisenbahnkreuzung im Bahnkilometer 16.883 der Strecke Zentralfriedhof - Wolfsthal (Mannswörtherstraße) knapp vor einem anrollenden Zug übersetzt habe und der Führer dieses Zuges zur Verhütung eines Zusammenpralles eine Schnellbremsung habe einleiten und die Geschwindigkeit des Zuges habe vermindern müssen. Diese Anzeige wurde zuständigkeitshalber an das Bundespolizeikommissariat Schwechat weitergeleitet, langte dort am 15. Oktober 1974 ein, wurde jedoch von dieser Behörde gemäß § 29a VStG an die Bundespolizeidirektion Wien-Verkehrsamt abgetreten.
Nach Durchführung einer Lenkererhebung verhängte die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, mit Strafverfügung vom 27. November 1974 gemäß § 54 Abs. 3 Eisenbahngesetz über den Beschwerdeführer zwei Geldstrafen in Höhe von je S 500,-- (Ersatzarreststrafe je zwei Tage), weil der Beschwerdeführer am 17. September 1974 um 12.05 Uhr 1) bei Annäherung an die Eisenbahnkreuzung im Bahnkilometer 16.883 (Strecke Zentralfriedhof-Wolfsthal) keine solche Geschwindigkeit gewählt habe, die es ihm ermöglicht hatte, vor der Eisenbahnkreuzung anzuhalten und 2) die Eisenbahnkreuzung übersetzt habe, ohne sich Gewissheit verschafft zu haben, dass ein gefahrloses Übersetzen möglich sei. Er habe hiedurch Verwaltungsübertretungen nach § 54 Abs. 3 des Eisenbahngesetzes, und zwar zu 1) in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und zu 2) in Verbindung mit § 17 Abs. 1 der Eisenbahnkreuzungsverordnung begangen. Diese Strafverfügung trat infolge rechtzeitig erhobenen Einspruches außer Kraft.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens stellte die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, am 9. Juni 1975 das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich der Übertretung des § 17 Abs. 1 "EBK-" (richtig wohl: EKVO) gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 ein, sprach jedoch mit Straferkenntnis vom gleichen Tag aus, der Beschwerdeführer habe am 17. September 1974 um 12.05 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens bei Annäherung an die Eisenbahnkreuzung im Bahnkilometer 16.883 (Strecke Zentralfriedhof-Wolfsthal) keine solche Geschwindigkeit gewählt, die es ihm ermöglicht hätte, vor der Eisenbahnkreuzung anzuhalten. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 EBK (richtig wohl: EKVO) begangen und es werde gemäß § 54 Abs. 3 Eisenbahngesetz über ihn eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 60 Stunden) verhängt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass der Sachverhalt durch die Anzeige des Zugführers vom 7. Oktober 1974 sowie dessen Einvernahme erwiesen sei und die Annahme des Beschwerdeführers, die Kreuzung gefahrlos übersetzt zu haben, seinem subjektiven Empfinden entspringen möge, dass aber in Anbetracht der besonderen Gefährlichkeit von Eisenbahnkreuzungen ein Anhalten des Fahrzeuges und das Abwarten der Vorbeifahrt des Zuges angebracht gewesen wäre. Die Angaben des Zugführers, er habe den Beschwerdeführer in einer Entfernung von 150 m (und nicht, wie der Beschwerdeführer angebe, in einer Entfernung von 300 m) herankommen gesehen, könnten unbedingt für wahr gehalten werden, da der Zugführer sonst sicherlich weder Pfeifsignale abgegeben noch eine Schnellbremsung eingeleitet hätte.
Auf Grund einer vom Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis erhobenen Berufung wurde dieses mit Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. September 1975 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 behoben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass die am 17. Oktober 1974 gemäß § 29 a VStG erfolgte Übertragung der Strafsache an die Bundespolizeidirektion Wien deshalb unzulässig gewesen sei, weil im Zeitpunkt der Delegation die Person des Beschuldigten hätte feststehen müssen; im vorliegenden Fall sei die Übertragung offenkundig (lediglich) auf Grund des Kennzeichens des beobachteten Personenkraftwagens erfolgt. Da die Übertragung nach § 29 a VStG in der vorgenommenen Form unzulässig gewesen sei, sei die Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Wien nicht gegeben und das angefochtene Straferkenntnis zu beheben gewesen.
In der Folge übersandte die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, den Verwaltungsstrafakt - unter Hinweis auf den Berufungsbescheid der "Wiener Landesregierung" (richtig wohl: des Landeshauptmannes von Wien) - an das Bundespolizeikommissariat Schwechat. Diese Behörde verhängte - ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, aber offenbar auf Grund des Akteninhaltes - mit Straferkenntnis vom 6. November 1975 über den Beschwerdeführer gemäß § 54 Abs. 3 Eisenbahngesetz eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe 48 Stunden), weil er am 17. September 1974 als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens bei Annäherung an die Eisenbahnkreuzung im Bahnkilometer 16.883, Strecke Zentralfriedhof-Wolfsthal, keine solche Geschwindigkeit gewählt habe, die es ihm ermöglicht hätte, vor der Kreuzung anzuhalten, wodurch er eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 Eisenbahnkreuzungsverordnung begangen habe. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es scheine der Sachverhalt durch die Anzeige des Zugführers vom 7. Oktober 1974 sowie durch dessen Einvernahme eindeutig erwiesen. Der Zugführer habe Pfeifsignale abgegeben und eine Schnellbremsung einleiten müssen. Der Beschwerdeführer bestreite eine Behinderung des Zuges, doch hätten weder er noch der von ihm namhaft gemachte Zeuge die besondere Gefährlichkeit des Übersetzens entkräften können und es habe dem Bahnpersonal die objektive Beurteilung der Situation zugebilligt werden können. Die verhängte Geldstrafe sei den persönlichen Verhältnissen sowie der Art der Verwaltungsübertretung angemessen.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, es sei keinesfalls erwiesen, dass die Meldung des Zugführers .den Tatsachen entsprochen habe.
Die belangte Behörde brachte dem Beschwerdeführer mit Zuschrift vom 27. November 1975 zur Kenntnis, sie beabsichtige, den als erwiesen anzunehmenden Sachverhalt, nämlich dass der Beschwerdeführer trotz des vor der Eisenbahnkreuzung angebrachten Straßenverkehrszeichens "Halt vor Kreuzung" weitergefahren sei, obwohl sich ein Schienenfahrzeug näherte, unter § 17 Abs. 3 in Verbindung mit § 17 Abs: 2 EKVO 1961 zu subsumieren. Der Beschwerdeführer hat von der ihm gebotenen Gelegenheit, sich zu diesem Vorhaben der Berufungsbehörde zu äußern, mit Schriftsatz vom 10. Dezember 1975 Gebrauch gemacht.
Mit Bescheid vom 15. Jänner 1976 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich der Berufung gegen das Straferkenntnis des Bundespolizeikommissariates Schwechat vom 6. November 1975 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge, änderte das erstinstanzliche Straferkenntnis jedoch dahin gehend ab, dass dem Beschwerdeführer zur Last gelegt werde, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens am 17. September 1974 um 12.05 Uhr die Eisenbahnkreuzung im Bahnkilometer 16.883 der Bahnstrecke Zentralfriedhof-Berg trotz des vor der Eisenbahnkreuzung angebrachten Straßenverkehrszeichens "Halt vor Kreuzung" übersetzt zu haben, obwohl sich ein Schienenfahrzeug genähert habe, wodurch er eine Verwaltungsübertretung nach § 17 Abs. 3 in Verbindung mit § 17 Abs. 2 EKVO 1961 begangen habe. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sehe die belangte Behörde keinen Anlass, die sehr ausführliche und präzise Aussage des Triebfahrzeugführers L. vom 6. Februar 1975 in Zweifel zu ziehen. Wie der Zeuge angegeben habe, habe er das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug bereits aus einer Entfernung von etwa 150 m vor der Eisenbahnkreuzung auf diese zufahren gesehen, ohne dass die Geschwindigkeit vermindert worden sei. Als trotz der vom Triebfahrzeugführer abgegebenen Pfeifsignale eine Geschwindigkeitsverminderung des sich der Eisenbahnkreuzung nähernden Personenkraftwagens nicht festzustellen gewesen sei und der Personenkraftwagen die Eisenbahnkreuzung übersetzt habe, als sich das Triebfahrzeug noch etwa 50 m von der Kreuzung entfernt befunden habe, habe der Triebfahrzeugführer bei einer Annäherungsgeschwindigkeit des Triebfahrzeuges an die Eisenbahnkreuzung von etwa 60 km/h eine Schnellbremsung eingeleitet. Die Angabe des Beschwerdeführers, dass sich das Triebfahrzeug noch etwa 300 m von der Eisenbahnkreuzung entfernt befunden hätte, als er in diese, allerdings nach einem vorherigen Anhalten, eingefahren sei, beruhe offensichtlich auf einem Schätzfehler der Entfernung des herannahenden Triebfahrzeuges, da der Beschwerdeführer anlässlich seiner Beschuldigteneinvernahme vom 19. Dezember 1974 selbst angegeben habe, dass er unmittelbar nach dem Anhalten vor der Kreuzung der Mannswörtherstraße mit der Bundesstraße 9 die Vorbeifahrt des Zuges gehört habe. Diese Darstellung des zeitlichen Ablaufes des gegenständlichen Vorfalles lasse sich jedoch mit der Behauptung des Beschwerdeführers, es sei das Triebfahrzeug beim Einfahren des Personenkraftwagens in die Eisenbahnkreuzung noch etwa 300 m entfernt gewesen, nicht in Einklang bringen und stimme vielmehr mit der Darstellung des Triebfahrzeugführers überein. Wäre der Zug bei einem Übersetzen der Eisenbahnkreuzung durch das Fahrzeug tatsächlich noch etwa 300 m entfernt gewesen, hätte er bis zur Eisenbahnkreuzung noch eine Zeitdauer von mindestens 16 Sekunden benötigt und es könnte in diesem Fall keinesfalls davon gesprochen werden, dass der Zug unmittelbar nachdem der Beschwerdeführer die nur 30 m von der Eisenbahnkreuzung entfernte Kreuzung der Mannswörtherstraße mit der Bundesstraße 9 erreicht hatte, bereits hinter dem Beschwerdeführer vorbeigefahren sei. Nach der Darstellung des Triebfahrzeugführers habe das Triebfahrzeug ab dem Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführer die Eisenbahnkreuzung übersetzt habe, noch etwa 50 m zur Eisenbahnkreuzung zurückgelegt, wofür etwa 3 Sekunden benötigt würden, was ungefähr der Zeitdauer entspreche, die der Beschwerdeführer von der Eisenbahnkreuzung bis zum Anhalten vor der Stoptafel der Kreuzung der Mannswörtherstraße mit der Bundesstraße 9 benötigt habe. So würden die Angaben des Beschwerdeführers über den Zeitablauf der Geschehnisse durch die Angaben des Triebfahrzeugführers durchaus bestätigt. Den Angaben des Mitfahrers W, die im übrigen äußerst ungenau seien, könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil dieser nicht einmal das sogar vom Beschwerdeführer wahrgenommene Herannahen des Zuges bemerkt und er somit offensichtlich dem Verkehrsgeschehen keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt habe. Werde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer die Eisenbahnkreuzung zu einem Zeitpunkt übersetzt habe, als sich das Triebfahrzeug bereits auf etwa 50 m genähert hatte, dann könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer das Übersetzen der Eisenbahnkreuzung noch zu einem Zeitpunkt durchgeführt hätte, zu dem mit Sicherheit ein gefahrloses Übersetzen noch möglich gewesen sei; die Frage, ob der Beschwerdeführer vor der Eisenbahnkreuzung angehalten habe oder nicht, könne außer Betracht bleiben, weil dem Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren nicht die Nichtbeachtung der Stoptafel durch Nichtanhalten, sondern lediglich das Übersetzen der Eisenbahnkreuzung trotz des herannahenden Schienenfahrzeuges zur Last gelegt worden sei. Bei Betrachtung der Bestimmung des § 17 Abs. 2 EKVO 1961 im Zusammenhalt mit dem letzten Satz des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle müsse die Annäherung eines mit etwa 60 km/h fahrenden Schienenfahrzeuges an eine Eisenbahnkreuzung zu einem Zeitpunkt, zu dem das Schienenfahrzeug nur mehr etwa 50 m von dieser Eisenbahnkreuzung entfernt ist, als Annäherung verstanden werden, die die Gewissheit ausschließe, dass noch ein gefahrloses Übersetzen der Eisenbahnkreuzung möglich sei. Dies wäre übrigens selbst dann der Fall, wenn das Schienenfahrzeug zum Zeitpunkt des Einfahrens des vom Beschwerdeführer gelenkten Personenkraftwagens in die Eisenbahnkreuzung noch 150 m entfernt gewesen wäre. Die Abänderung des Straferkenntnisses hätte im Hinblick auf den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Sachverhalt zu erfolgen gehabt. Die innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes festgesetzte Strafe sei im Hinblick auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers dem Verschulden angemessen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, da dieser "sowohl an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes als auch an wesentlichen Mängeln in der Begründung und Aktenwidrigkeit" leide. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift, die mit den Verwaltungsakten vorgelegt wurde, erwogen:
Schon das Beschwerdevorbringen, es leide der in Beschwerde gezogene Bescheid deshalb an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weil er gegen den Grundsatz der reformatio in peius verstoße, erweist sich als zutreffend.
Es ist - wie bereits dargelegt - davon auszugehen, dass über den Beschwerdeführer wegen der von ihm am Tatort und zur Tatzeit gesetzten Tat zuerst von der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 60 Stunden) verhängt und dieses Straferkenntnis auf Grund einer vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung wegen Unzuständigkeit der genannten Behörde behoben worden war. Mit dem Straferkenntnis des Bundespolizeikommissariates Schwechat vom 6. November 1976, welches von der belangten Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid bestätigt wurde, wurde über den Beschwerdeführer wegen derselben Handlung eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe 48 Stunden) verhängt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 9. Jänner 1928, Slg. Nr. 15.057(A), ausgeführt und in ständiger Rechtsprechung (siehe etwa das Erkenntnis vom 9. Juni 1949, Slg. N. F. Nr. 890/ A) festgehalten hat, ist es ein allgemeiner Grundsatz jedes Strafverfahrens, dass ein ausschließlich zu Gunsten des Verurteilten ergriffenes Rechtsmittel niemals zu einer strengeren Verurteilung führen darf, als dies durch das angefochtene Straferkenntnis geschehen war. Durch dieses so genannte Verbot der "reformatio in peius" soll verhindert werden, dass der Betroffene von der Ergreifung einer Berufung durch die Möglichkeit einer strengeren Bestrafung abgehalten wird. Die Bestimmungen des § 66 Abs. 4 AVG, die gemäß § 24 VStG auch für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens Anwendung finden, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, berechtigen zwar die Berufungsinstanz, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Da indes im § 51 Abs. 4 VStG ausdrücklich festgesetzte ist, dass die Berufungsbehörde die verhängte Strafe auch in eine Geldstrafe umwandeln oder diese ganz nachsehen kann - was doch nicht besonders gesagt werden müsste, wenn das Abänderungsrecht nach § 66 Abs. 4 AVG unbeschränkt in das Strafverfahren übernommen werden sollte - , so ergibt sich folgerichtig daraus, dass das Gesetz eine Verschlechterung der Lage des Berufungswerbers durch die Rechtsmittelinstanz ausschließen wollte. Demnach besteht das Verbot der reformatio in peius auch dann, wenn die vom Verurteilten ergriffene Berufung zunächst zur Behebung des von einer unzuständigen Behörde ergangenen Straferkenntnisses geführt hat und sodann die zuständige Behörde neuerlich eine Strafe ausspricht. Da die belangte Behörde dies im vorliegenden Fall verkannte, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Hinblick darauf, dass Bescheide, in denen gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen wird, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben sind, gemäß § 39 Abs. 2 lit. d VwGG 1965 abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1976, BGBl. Nr. 542/1977.
Wien, am 30. Oktober 1978
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1978:1976000599.X00Im RIS seit
28.04.2003Zuletzt aktualisiert am
28.10.2008