TE Vwgh Erkenntnis 1978/11/28 3002/78

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Veröffentlicht am 28.11.1978
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Index

L82000 Bauordnung;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs2;
BauRallg impl;
VwGG §28 Abs1 Z4 impl;
VwGG §41 Abs1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hailzl, über die Beschwerde des Dr. NN, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadt Graz vom 14. September 1978, Zl. A 17-K-19.573/1-1978, betreffend die Aufhebung eines baupolizeilichen Auftrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

In der Beschwerde wird vorgebracht: Mit Bescheid des Magistrates Graz-Baupolizeiamt vom 13. Jänner 1978, sei dem Beschwerdeführer als Eigentümer der Liegenschaft Graz V, KG X, gemäß § 70 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 sowie den §§ 21 und 22 des Anhanges zur Feuerlöschordnung für Graz eine Anzahl von Aufträgen zur Behebung von Baugebrechen erteilt worden bzw. seien Sicherungsanordnungen ergangen. Dieser Bescheid sei mit Bescheid des Magistrates Graz-Baupolizeiamt vom 16. Juni 1978 gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 von Amts wegen mit der Begründung aufgehoben worden, im aufgehobenen Bescheid seien dem Eigentümer Arbeiten zur Behebung von Baumängeln aufgetragen worden, die über den Rahmen unbedingt notwendiger Erhaltungsmaßnahmen hinausgingen und deren Durchführung nicht im öffentlichen Interesse gelegen sei. Gegen diesen Behebungsbescheid habe der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht. Mit dem nun beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 14. September 1978 sei der Berufung keine Folge gegeben und die Entscheidung der Behörde erster Rechtsstufe zur Gänze bestätigt worden.

In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt.

Zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird in der Beschwerde im wesentlichen ausgeführt: Weder dem erstinstanzlichen, noch dem Berufungsbescheid sei ein ordnunggemäßes Ermittlungsverfahren vorausgegangen. Das verstoße gegen Grundprinzipien des Verwaltungsverfahrens. Es wird hiezu auf die Ausführungen bei Walter-Mayer, "Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes" S. 196, bei Mannlicher/Quell, "Das Verwaltungsverfahren", I. Halbband, 8. Auflage, S. 379, Anmerkung 13, und bei demselben, S. 241, Anmerkung 5 zu § 37 AVG, verwiesen.

Zur Rechtswidrigkeit des Inhaltes wird vorgebracht.

Die belangte Behörde habe sich, ohne dass eine Grundlagenveränderung festgestellt worden sei, über die im aufgehobenen Bescheid enthaltene Feststellung, dass Gefahr im Verzuge gegeben sei, hinweggesetzt, obwohl dafür keine Begründung bestehe. Dies sei für den Beschwerdeführer rechtlich und wirtschaftlich insofern von Bedeutung, als es ihm bei sonstiger Haftung obliege, Gefahrenumstände abzuwenden, was mit einem Auftrag nach § 70 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ohne weiters möglich sei, ansonsten jedoch die Anrufung des Magistrates Graz-Schlichtungsamt erfordere, um eine Deckung für den Kostenaufwand nach § 7 des Mietengesetzes zu haben, wobei solche Verfahren länger dauerten, als es ein Gefahrenumstand zulassen könne.

Die nach der Feuerlöschordnung für Graz ergangenen Aufträge hätten der Gefahrenabwehr bei der Lagerung von Gerümpel gedient. Ein globales Beheben solcher Aufträge stelle mangels einer Sachverhaltsänderung eine missbräuchliche Ermessensausübung, sohin Willkür zu Lasten des Eigentümers, dar. Da die Aufhebung eines Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG 1950 "ex nunc" gelte, habe der aufgehobene Bescheid in der Zwischenzeit irreversible Rechtswirkungen entfaltet. Es sei ein Gebot der Rechtssicherheit, dass das Imperium der Behörde nach der zitierten Gesetzesstelle nicht mehr ausgeübt werden könne, wenn der Bescheidadressat begonnen habe, den rechtskräftigen Auftrag in die Tat umzusetzen, woraus ihm Kosten anerlaufen seien. Andernfalls werde gegen den Grundsatz verstoßen, dass der Bescheidadressat durch die Behebung des Bescheides nicht schlechter gestellt werden dürfe als vorher. Eine kommentarlose Zurückziehung des seinerzeitigen Auftrages ohne Rücksicht auf die bisherigen tatsächlichen Auswirkungen stellten Willkür dar. Es könne ferner nicht ernstlich angenommen werden, dass ganz allgemein die seinerzeit aufgetragenen Arbeiten über den Rahmen unbedingt notwendiger Erhaltungsmaßnahmen hinausgingen. Soweit aber dies nicht der Fall sei, fehle dem Vorgehen nach § 68 Abs. 2 AVG 1950 die sachliche Grundlage. Wiewohl es sieh um einen Polizeibefehl gehandelt habe, würden die Interessen des Beschwerdeführers berührt, weil dieser im Vertrauen auf die bescheidmäßige Grundlage wirtschaftliche Dispositionen getroffen habe. Soweit aber wirklich seinerzeit Arbeiten aufgetragen worden wären, welche über die Erhaltung des konsensgemäßen Zustandes hinausgingen, sei insoweit ein Auftrag zur Veränderung des konsensgemäßen Zustandes vorgelegen und damit ein Rechtsanspruch des Bescheidadressaten auf Durchführung dieser Zustandsveränderung herbeigeführt worden, sodass es an der Voraussetzung für die Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG 1950 in formeller Hinsicht mangle. Soweit wiederum seinerzeit Aufträge erlassen worden wären, welche über den Rahmen unbedingt notwendiger Erhaltungsmaßnahmen hinausgingen, wäre der Beschwerdeführer in die Lage versetzt, die Finanzierung von ihm auf Grund des seinerzeitigen Bescheides in Auftrag gegebener Arbeiten nicht mehr nach § 7 des Mietengesetzes von den Mietern verlangen zu können. Im übrigen habe der Bescheid vom 13. Jänner 1978 eine taugliche Grundlage für die Durchführung eines Verfahrens nach § 7 des Mietengesetzes in dem Sinne geboten, dass er als Nachweis für die Qualifikation der in Betracht kommenden Arbeiten als Erhaltungsarbeiten gegolten habe. Insoweit werde also entgegen der Auffassung der gelangten Behörde durch einen Bescheid nach § 70 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 sehr wohl ein Recht des Hauseigentümers begründet, in dem er der Notwendigkeit des Abführens eines umfangreichen und langwierigen Verfahrens vor dem Schlichtungsamte enthoben werde. Nicht nur die unmittelbare Wirkung, sondern auch die mittelbare Wirkung als Vorfragenentscheidung sei Bestandteil der Rechtsordnung, sodass bezweifelt werden müsse, ob § 68 Abs. 2 AVG 1950 überhaupt auf Baupolizeibefehle Anwendung finden könne. Wenn der aufhebende Bescheid von 16. Juni 1978 ausspreche, die Durchführung der aufgetragenen Arbeiten sei nicht im öffentlichen Interesse gelegen, so lasse er jegliche Differenzierung vermissen und es sei ihm grundsätzlich entgegenzuhalten, dass jedwede Veränderung des konsensgemäßen Zustandes geeignet sei, öffentliche Interessen, nämlich an der ordnungsgemäßen Erhaltung der Bausubstanz selbst, zu beeinträchtigen. Das öffentliche Interesse sei nicht nur an der Sicherheit und der Gesundheit von Personen zu orientieren, sondern auch an der äußeren Gestalt, dem Erscheinungsbild und der Einfügung in das Ortsbild. Würde der schadhafte Zustand des Objektes im ganzen öffentliche Interessen nicht berühren, so wäre auch einem weiteren Verfahren nach § 70 der Bauordnung auf der Basis desselben Zustandes der Boden entzogen und der Bescheid vom 16. Juni 1978 würde ein Präjudiz dafür darstellen, dass ein Baugebrechensverfahren, sofern keine weitere Substanzveränderung eintrete, nicht eingeleitet werden könne. Schließlich sei es als "Begründungswillkür" zu qualifizieren, wenn im angefochtenen Bescheid angeführt werde, die Behörde habe nur gegebenenfalls zu einem Ermittlungsverfahren zu greifen, dieses aber könne unterbleiben, wenn der Sachverhalt der rechtswidrigen Überschreitung der baubehördlichen Befugnis von vornherein offenkundig sei. Es maße sich also ein Jurist der Behörde die Entscheidung darüber an, ob die technischen Vorgaben des § 70 der Steiermärkischen Bauordnung gegeben seien oder nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, darf durch die Anwendung dieser Gesetzesstelle die Lage der Partei nicht ungüstiger als durch den aufgehobenen Bescheid gestaltet werden (siehe Erkenntnis vom 7. März 1950, Slg, N. F. Nr. 1293/A). Wie der Gerichtshof jedoch weiters in seinem Erkenntnis vom 20. Oktober 1969, Slg, N. F. Nr. 5393/A ausgesprochen und begründet hat, können als im Sinne dieser Gesetzesstelle "aus dem Bescheid erwachsen" nur Rechte verstanden werden, die Gegenstand des bescheidmäßigen Abspruches waren. Irgendwelche Reflexwirkungen des Bescheides, wie etwa die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände, dass durch die Aufhebung eines baupolizeilichen Auftrages eine bereits getroffene zivilrechtliche Disposition des Hauseigentümers durchkreuzt oder seine Beweissituation in einem Mietzinserhöhungsverfahren nach § 7 des Mietengesetzes verschlechtert wird, sind nicht als Beeinträchtigung aus dem Bescheid erwachsener Rechte anzusehen.

Der aufgehobene Bescheid ist nach dem Beschwerdevorbringen ein baupolizeilicher und feuerpolizeilicher Auftrag, mit welchem dem Beschwerdeführer als Hauseigentümer die Verpflichtung zu bestimmten Maßnahmen auferlegt worden war. Solche Aufträge sind, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur dargetan hat (siehe etwa das Erkenntnis vom 5. Dezember 1951, Slg. N. F. Nr. 2356/A), Vollziehungsverfügungen, durch welche der Behörde die Möglichkeit gegeben wird, den vom Gesetz gewollten Zustand erforderlichenfalls mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung herzustellen. Auf die Erteilung eines solchen Auftrages steht niemandem ein Rechtsanspruch zu (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Mai 1952, Slg. N. F. Nr. 2525/A). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers wird durch einen solchen Auftrag auch der Baukonsens nicht verändert (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juni 1965, Zl, 425, 426, 956, 1549, 1550, 1684 und 2045/64).

Durch die Aufhebung eines rein pflichtenbegründenden Verwaltungsaktes wird demnach der Verpflichtete nicht in einem subjektiven Recht verletzt, insbesondere auch nicht bei Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG 1950 (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1968, Zl. 1903/67).

Bei dieser Situation kommt es nicht darauf an, ob die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erlassen hat und ob der Bescheid objektiv mit der Rechtsordnung im Einklang steht. Wie sich nämlich schon aus Art. 131 Abs. 1 Z. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes ergibt, konnte der Beschwerdeführer im Rahmen der vorliegenden Beschwerde nur die Verletzung seiner Rechte, nicht aber die allfällige Verletzung der objektiven Rechtsordnung geltend machen; dieser Verfassungsgrundsatz findet auch in § 28 Abs. 1 Z. 4, § 41 Abs. 1 und § 42 Abs. 1 VwGG 1965, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976, seinen Niederschlag.

Bei dieser Rechtslage muss auch die Beantwortung der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen dahingestellt bleiben, ob nunmehr bei einem gegenüber der Sachlage zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 13. Jänner 1978 unveränderten Sachverhalt ein neuer bau- und feuerpolizeilicher Auftrag ergehen und, ob bejahendenfalls durch einen solchen Auftrag die Rechtssituation der Partei gegenüber dem Bescheid vom 13. Jänner 1978 verschlechtert werden darf.

Da also der Beschwerdeführer, wie schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt worden ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 VwGG 1965 in der vorzitierten Fassung ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Soweit in diesem Erkenntnis Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert sind, welche in der Amtlichen Sammlung nicht enthalten sind, wird auf sie unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 28. November 1978

Schlagworte

Besondere Voraussetzungen der Handhabung des AVG §68 Abs2Anfrage gemäß VwGG §41 Abs1 und Parteiengehör durch den VwGHBaupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1978:1978003002.X00

Im RIS seit

07.11.2003

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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