Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 lita impl;Beachte
Vorgeschichte:1513/78 B 11. Oktober 1978;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Simon, Dr. Iro, Dr. Drexler und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Gaismayer, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag des FZ in W, vertreten durch Dr. Willi Fuhrmann und Dr. Helmut Steiner, Rechtsanwälte in Baden, Am Fischertor 5, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. April 1978, Zl, GA 7-1012/1-78, betreffend die Haftung für Abgabenschuldigkeiten, wird abgewiesen.
Begründung
Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gab mit ihrem Bescheid vom 27. April 1978 der Berufung des Antragstellers gegen den Bescheid des Finanzamtes für Körperschaften, betreffend die Haftung für Abgabenschuldigkeiten der O. & Co.GmbH insoweit statt, als die Haftung auf den Betrag von S 93.903,-- eingeschränkt wurde; das Mehrbegehren wurde abgewiesen.
Der Antragsteller erhob gegen den die Berufung abweisenden Teil dieses Bescheides die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (Zl. 1513/78).
Der Verwaltungsgerichtshof wies mit seinem Beschluss vom 11. Oktober 1978, Zl. 1513/78-6, diese Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurück. Der angefochtene Bescheid war dem im Abgabenverfahren ausgewiesenen Vertreter des Antragstellers am 18. Mai 1978 zugestellt, die Beschwerde aber erst nach Verstreichen der mit Ablauf des 29. Juni 1978 zu Ende gegangenen Beschwerdefrist am 30. Juni 1978 zur Post gegeben worden.
Der Antragsteller, dessen Vertreter im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der eben erwähnte Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes am 2. November 1978 zugestellt wurde, beantragt nunmehr in dem am 16. November 1978 zur Post gegebenen Schriftsatz, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 27. April 1978 zu bewilligen. Von der Fristversäumung habe er erst durch die Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses Kenntnis erlangt. Der Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 27. April 1978 sei dem im Abgabenverfahren ausgewiesenen Vertreter des Antragstellers "laut Stempel des Postamtes B., der sich auf der Rückseite des RSa-Briefes befindet, am 19. 5. 1978 zugestellt" worden. Ausgehend von diesem Termin sei als letzter Tag für die Erhebung der Beschwerde in das Terminbuch der 30. Juni 1978 eingetragen worden. Am 9. Juni 1978 sei dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgewiesenen Vertreter des Antragstellers von dem im abgabenbehördlichen Verfahren ausgewiesenen Vertreter "als Termin des Einlangens des zweitinstanzlichen Bescheides der 19. 5. 1978 bekannt gegeben" worden. Der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgewiesene Vertreter habe daher im Terminbuch seiner Kanzlei "gleichfalls den 30. 6. 1978 als letzten Tag" eingetragen. Zufolge der Anbringung eines unrichtigen Poststempels auf dem RSa-Brief, bzw. durch das Versehen seines Rechtsvertreters, das allenfalls darin erblickt werden könnte, dass nicht gleich beim Einlangen der Termin eingetragen wurde, sondern ausgehend vom Poststempel", liege ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis vor, durch das der Antragsteller ohne sein Verschulden behindert worden sei, die Beschwerdefrist zu wahren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einsichtnahme in die von der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland übermittelte Fotokopie des Rückscheines und das vom Antragsteller vorgelegte Kuvert des RSa-Briefes sowie nach Vernehmung des Dkfm. J. L. durch das Finanzamt B. erwogen:
Der Antragsteller war im abgabenbehördlichen Verfahren durch den Steuerberater Dkfm. J. L. vertreten; im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist er durch die Rechtsanwälte Dr. W. F. und Dr. H. St. vertreten.
Der Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 27. April 1978 wurde Dkfm. J. L. laut dem vom Unterfertiger des Rückscheines gesetzten Datum am "18. 5. 1978" zugestellt. Der Rückschein trägt auf seiner Vorderseite den Poststempel 17.5.78" und auf seiner Rückseite den Poststempel "18.5.78".
Das Kuvert des RSa-Briefes, mit dem der Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 27. April 1978 zugestellt wurde, trägt auf seiner Rückseite einen Poststempel, dessen Datum undeutlich abgedruckt ist; es kann "19.5.78", lauten, aber auch "18.5.78".
Der Zustellschein wurde nicht von Dkfm. J. L. unterfertigt, sondern von dessen Gattin. Grundsätzlich sichtet Dkfm. J. L. die Post noch am Tage der Zustellung. Terminstücke werden von ihm in ein Terminbuch eingetragen. Diese Eintragung erfolgt bei Rückschein-Briefen nach jenem Datum, das auf der Rückseite des Rückschein-Kuverts von der Post angebracht ist. Für die hier in Rede stehende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde von Dkfm. J. L. wegen des Anwaltszwanges jedoch nicht der Termin für ihre Erhebung vorgemerkt, sondern ein Besprechungstermin mit dem zur Abfassung der Beschwerde bestimmten Dr. H. St. Anlässlich der Besprechung gab Dkfm. J. L. Dr. H. St, jenen Termin bekennt, "den er auf der Rückseite des Rückschein-Kuverts abgelesen hat, demgemäß den 19. 5. 1978". Dieser Termin wurde von Dr. H. St. "vermerkt".
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG 1965 ist einer Partei, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
Ein den Parteienvertreter treffendes Ereignis ist für die vertretene Partei nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn es für den Parteienvertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar und unverschuldet ist; das Verschulden des Parteienvertreters trifft die Partei (vgl. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 1978, Zlen. 1139, 1140/78; vom 16. Mai 1977, Zlen. 733, 734/77; vom 19. Jänner 1977, Zl. 1212/76, Slg. Nr.9226/A).
Das Ereignis, durch das der Antragsteller verhindert war, die Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof einzuhalten, bestand darin, dass der im Abgabenverfahren ausgewiesene Vertreter des Antragstellers, Dkfm. J. L., dem mit der Abfassung und Überreichung der Beschwerde betrauten Dr. H. St. das Datum der Zustellung des anzufechtenden Bescheides unrichtig angab; statt des 18. Mai 1978 nannte er den 19. Mai 1978. Da der Poststempel, aus dem Dkfm. J. L. vermeinte, das Datum 19. Mai 1978 zu ersehen, aber unzweifelhaft ein nur undeutlich abgedrucktes Datum zeigt, war es eine Sorglosigkeit, den Tag der Zustellung des anzufechtenden Bescheides nicht auf andere Weise festzustellen. Die damit Dkfm. J. L. unterlaufene Fahrlässigkeit schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
Wien, am 26. März 1979
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1979:1978003108.X00Im RIS seit
27.10.2003Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010