TE Vwgh Erkenntnis 1979/4/23 1878/78

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.1979
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
23/01 Konkursordnung;
23/04 Exekutionsordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
74/01 Kirchen Religionsgemeinschaften;

Norm

ASVG §64 Abs2;
B-VG Art119a Abs5 impl;
EO §7 Abs4;
IsrG 1890 §22;
KO §10;
VVG §3 Abs2;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §47 Abs3;
VwGG §48 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Kirschner, Dr. Liska, Dr. Griesmacher und Mag. Meinl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb über die Beschwerde des MG in W, vertreten durch Dkfm. DDr. Wilfried Dorazil, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 24, gegen den Bundesminister für Unterricht und Kunst wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Kultussteuerangelegenheit (weitere Partei: Israelitische Kultusgemeinde Wien, vertreten durch Dr. Johann Dostal, Rechtsanwalt in Wien III, Lothringerstraße 16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der am 3. Jänner 1977 beim Bundesminister für Unterricht und Kunst eingelangte Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.140,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzbegehren der Israelitischen Kultusgemeinde Wien für den Schriftsatz vom 12. Februar 1979 wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erhob in seinem an den Magistrat der Stadt Wien gerichteten Schriftsatz vom 5. April 1976 unter gleichzeitiger Bekämpfung der jeweiligen Vollstreckbarkeitsbestätigung Einwendungen gegen die die Kultussteuerbeträge betreffenden Rückstandsausweise der Israelitischen Kultusgemeinde Wien vom 6. März 1974 und vom 5. Dezember 1975. Mit dem Vorbringen, dass über diese Anträge durch den Magistrat der Stadt Wien bis dahin nicht entschieden worden sei, verlangte der Beschwerdeführer mit einer an das Bundesministerium für Unterricht und Kunst adressierten Eingabe, die dort nach der unbestrittenen Aktenlage am 3. Jänner 1977 einlangte, gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 den Übergang der Entscheidungspflicht.

In der auf Art. 132 B-VG gestützten Beschwerde macht der Beschwerdeführer nunmehr die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bundesminister für Unterricht und Kunst unter gleichzeitigem Hinweis auf Art. VI Abs. 2 B-VG-Novelle 1974 geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Bei gerichtlicher Exekutionsführung auf Grund eines vollstreckbaren Rückstandsausweises - wie auch im vorliegenden Fall - ist dem Beschwerdeführer die rechtliche Möglichkeit eröffnet, auf Grund des § 7 Abs. 4 EO die dem Rückstandsausweis beigefügte Vollstreckbarkeitsbestätigung als gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt zu bekämpfen, allenfalls in analoger Anwendung dieser Gesetzesstelle auch den Rückstandsausweis selbst als unrichtig oder rechtswidrig ausgestellt zu bezeichnen oder gemäß § 3 Abs. 2 VVG 1950 in sinngemäßer Anwendung des § 35 EO Einwendungen gegen den aus dem Rückstandsausweis ersichtlichen Anspruch insofern zu erheben, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des Exekutionstitels eingetreten sind (vgl. hiezu hg. Erkenntnis vom 5. Dezember 1956, 3436/54, S1g. N. F. Nr. 4226/A). Derartige Anträge sind nach den angeführten Gesetzesbestimmungen bei der Stelle einzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist, sofern es sich hiebei um eine staatliche Behörde handelt. Falls jedoch die Stelle, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist, keine staatliche Behörde ist - wie dies auch im vorliegenden Fall für die Israelitische Kultusgemeinde Wien und ihre Organe gilt -, tritt an die Stelle der in den vorangeführten Gesetzesbestimmungen vorgesehenen Anbringungsstelle eine staatliche Behörde. Wenn auch die Vorschreibung von Kultusbeiträgen zunächst eine innere Angelegenheit der betreffenden gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft ist, wird sie, sobald der Staat zur Einbringung dieser Beiträge seinen Beistand leistet (hier § 22 des Gesetzes betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft, RGBl. Nr. 57/1890), soweit es sich um die Frage der Gewährung des staatlichen Beistandes handelt, zu einer äußeren Angelegenheit und somit zu einer Angelegenheit des Kultus im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Z.13 B-VG. Zur Entscheidung in solchen Angelegenheiten sind daher die Kultusbehörden des Bundes zuständig. Diese sind in Bezug auf die israelitische Religionsgesellschaft bei Berücksichtigung der durch das Bundes-Verfassungsgesetz, insbesondere auch durch die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1974 (betreffend den Art. 109 B-VG) bewirkten Änderungen nach dem Inhalt des § 1 der - nunmehr auf Gesetzesstufe stehenden (vgl. hiezu die Darlegungen in Klecatsky - Weiler, Österreichisches Staatskirchenrecht, Anmerkung 1 zu § 33 des Gesetzes RGBl. Nr. 57/1890, Seite 605) - Verordnung RGBl. Nr. 96/1897 in Wien in erster Instanz der Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde, in zweiter Instanz der Bürgermeister als Landeshauptmann und in dritter Instanz der Bundesminister für Unterricht und Kunst (vgl. hiezu die Ausführungen im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1960, Slg. Nr. 3816; ferner auch hg. Beschluss vom 15. März 1968, Zl. 551/67).

Als in Wien sachlich in Betracht kommende Oberbehörde des Magistrates als Bezirksverwaltungsbehörde, an die im Falle der Nichtentscheidung innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Verwaltungsstruktur (mittelbare Bundesverwaltung) gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 die Zuständigkeit zur Entscheidung übergeht, fungiert daher im Hinblick auf die Bestimmung des Art. 109 B-VG, in der Fassung der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1974 der Bürgermeister in seiner Eigenschaft als Landeshauptmann und nicht etwa der vom Beschwerdeführer unmittelbar angerufene Bundesminister für Unterricht und Kunst. In diesem Zusammenhang konnte die Erörterung der Frage der Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung des Art. VI Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1974 auf Devolutionsfälle unterbleiben, da nach der unbestrittenen Aktenlage der in Rede stehende Devolutionsantrag jedenfalls erst am 3. Jänner 1977 bei der belangten Behörde einlangte und sohin im Hinblick auf die Bestimmungen des § 73 Abs. 2 und 3 AVG 1950 erst zu diesem Zeitpunkt als anhängig anzusehen gewesen wäre, wogegen die vorzitierte Bestimmung nur für die am 1. Jänner 1977 bereits anhängige Rechtsmittelverfahren Geltung hat.

Mangels funktioneller Zuständigkeit der belangten Behörde vor Anrufung des Landeshauptmannes zur materiellen Erledigung des vom Beschwerdeführer gestellten Devolutionsantrages war daher dieser Antrag in Stattgebung der Säuinnisbeschwerde - nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, 934/73, Slg. N. F. Nr. 9458/A, ist beschwerdeberechtigt gemäß Art. 132 B-VG auch ein Antragsteller, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen, auch wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen kann - zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz des Beschwerdeführers gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff. VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 542/1977. Das Aufwandersatzbegehren der als Partei des Verwaltungsverfahrens beigezogenen Israelitischen Kultusgemeinde Wien für den im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren erstatteten Schriftsatz (eingelangt am 12. Februar 1979) war hingegen abzuweisen, da die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 - abgesehen vom Beschwerdeführer und von der belangten Behörde - Kostenersatz nur für die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Partei vorsehen, das ist gemäß § 21 Abs. 1 VwGG 1965 eine Person, die durch den Erfolg der Anfechtung des Verwaltungsaktes in ihren rechtlichen Interessen berührt wird und die sohin nach dem Gesetz eine Stellung aufweist, die im Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß Art. 132 B-VG nicht in Betracht kommt (vgl. hiezu die hg. Beschlüsse vom 8. Jänner 1968 und vom 19. Juni 1973, Slg. N. F. Nr. 8435/A).

Wien, am 23. April 1979

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1979:1978001878.X00

Im RIS seit

18.11.2003

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten