TE Vwgh Erkenntnis 1979/4/25 0990/78

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Veröffentlicht am 25.04.1979
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
AVG §69 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Seiler, Dr. Drexler und Dr. Herberth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Novak, über die Beschwerde des OK in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Februar 1978, Zl. 113.398/6-II/2/77, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in Angelegenheit der besoldungsrechtlichen Stellung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Oktober 1975 wurde gemäß Art. VI Abs. 8 der 27. Gehaltsgesetz-Novelle BGBl. Nr. 392/1974, mit Wirksamkeit vom 1. Juli 1974 der 1. Jänner 1968 als der für die dienst- und besoldungsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers in der Dienstklasse IV maßgebende Tag neu festgesetzt und daran die Feststellung geknüpft, dass dem Beschwerdeführer sohin ab 1. Juli 1974 die Bezüge der Verwendungsgruppe W 2 der Dienstklasse IV, Gehaltsstufe 6, mit nächster Vorrückung am 1. Juli 1975 gebührten. Eine Begründung war dem Bescheid, der dem Beschwerdeführer am 11. November 1975 zugestellt wurde, nicht beigegeben. Es ergab sich durch ihn eine Verbesserung der besoldungsrechtlichen Stellung des Beschwerdeführers um ein Jahr. Das Bundeskanzleramt hatte einer Verbesserung um zwei Jahre mit der Begründung nicht zugestimmt, dass die im fraglichen Zeitraum ausgeübte Verwendung nur mit "Topf 1" bewertet werden könne.

Mit Schreiben vom 3. Februar 1976, das er bei seiner Dienststelle, der Bundespolizeidirektion Wien, einbrachte, stellte der Beschwerdeführer an die belangte Behörde unter Bezugnahme auf § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Er brachte vor, dass er Ende November 1975 beabsichtigt habe, einen Revisionsantrag zu stellen, weil die bezugsrechtliche Verbesserung auf Grund seiner Verwendung als erster Wachkommandant zwei Jahre hätte betragen müssen. Er habe dies aber unterlassen, nachdem ihm mitgeteilt worden sei, dass von Amts wegen für eine größere Anzahl von Sicherheitswachebeamten, darunter auch für ihn, Revisionsanträge an die belangte Behörde weitergeleitet worden seien. Auf weitere Anfragen sei ihm Ende Dezember 1975 mitgeteilt worden, dass noch etliche Revisionsanträge, darunter auch der seinige, unerledigt seien.

Erst am 28. Jänner 1976 habe er erfahren, dass der ihn betroffene Revisionsantrag abgelehnt worden sei, weil er zu dem Zeitpunkt, an dem er gehaltsmäßig die Dienstklasse IV erreicht habe, noch nicht erster Wachkommandant gewesen sei. Erst jetzt sei er daraufgekommen, dass die auf dem Revisionsantrag angegebene Zeit seiner Verwendung als erster Wachkommandant unrichtig gewesen sei, und zwar habe die Zeit vor dem November 1968 gänzlich gefehlt. Er sei jedoch von April 1957 bis zur Wachzimmerauflassung im Oktober 1965 erster Wachkommandant im Wachzimmer Hubergasse, anschließend bis 24. November 1968 erster Wachkommandant im Wachzimmer Grubergasse und vom 25. November 1968 bis 31. März 1969 erster Wachkommandant im Wachzimmer Montleartstraße gewesen. Seit dem 1. April 1969 sei er wieder erster Wachkommandant bzw. Kommissariatswachkommandant im Wachzimmer Grubergasse. Da es ihm, wie aus dieser Schilderung zu ersehen sei, ohne sein Verschulden nicht möglich gewesen sei, bis zum 31. Dezember 1975, das heiße rechtzeitig, Berufung einzubringen, ersuche er um Wiederaufnahme des Verfahrens und positive Erledigung seines Ansuchens.

Am 30. Juni 1977 wurde dem Beschwerdeführer unter Einräumung einer zweiwöchigen Äußerungsfrist zur Kenntnis gebracht, dass nach Ansicht der belangten Behörde keine Gründe für die Wiederaufnahme des Verfahrens im Zusammenhang mit der nach der 27. Gehaltsgesetz-Novelle getroffenen Maßnahme gegeben seien, weil er nach Übernahme des Bescheides der belangten Behörde vom 28. Oktober 1975 bereits hätte annehmen müssen, dass diesem Bescheid ein unrichtiges Ermittlungsverfahren zu Grunde liege. Er hätte sofort entweder diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof bekämpfen oder innerhalb von 14 Tagen nach dem Hervorkommen von Wiederaufnahmsgründen den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellen müssen.

In seiner Stellungnahme vom 6. Juli 1977 führte der Beschwerdeführer aus, er habe sofort nach Erhalt des Bescheides (11. November 1975) darauf hingewiesen, dass der neu festgesetzte Vorrückungsstichtag nicht richtig sein könne. Als Vergleich seien ihm hiefür nur Kollegen im gleichen Dienstalter und in der gleichen Dienststellung zur Verfügung gestanden. Daraufhin sei ihm mitgeteilt worden, dass von Amts wegen für ca. 100 Sicherheitswachebeamte, darunter für ihn, Revisionsanträge gestellt würden, weil bei allen diesen Beamten das Ausmaß der Stichtagsverbesserung zu gering sei. Eine Zusammenfassung über seine Zeiten als erster Wachkommandant habe er zu diesem Zweck in seinem Abteilungskommando abgegeben. Ihm sei aber nicht bekannt gewesen, welche dienstliche Verwendung bei dem für ihn eingebrachten Revisionsantrag tatsächlich angegeben gewesen sei. Dies habe er erst erfahren, als dem Revisionsantrag bis 31. Dezember 1975 nicht stattgegeben worden sei und er die Begründung hiefür habe wissen wollen. Es sei gesagt worden, dass sich die Erledigung auch noch in den Jahren 1976 erstrecken könne. Tatsächlich hätten einige Beamte auch noch nach dem 1. Jänner 1976 ihre Bescheide erhalten, und so habe er im guten Glauben abgewartet. Vom 7. Jänner bis 20. Jänner 1976 habe er sich zu Kurzwecken in Bad Schallerbach aufgehalten. Auf seine sofort nach der Rückkehr erfolgte Anfrage sei ihm mündlich die Ablehnung mitgeteilt worden, schriftlich sei ihm das Ergebnis des von Amts wegen eingebrachten Revisionsantrages bisher nicht zur Kenntnis gebracht worden. Am 3. Februar 1976, kurz nachdem er die Ablehnung erfahren gehabt habe, habe er den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt, "dies in offener Frist, denn seit Erhalt des Bescheides, am 11. November 1975, und der Kenntnisnahme der Ablehnung des Revisionsantrages, 30. Jänner 1976, seien nur fünf Tage verstrichen". Sein am 3. Februar 1976 eingebrachter Antrag sei von der belangten Behörde am 26. Mai 1977 erledigt worden. Da er um die Häufung der Ansuchen und den damit verbundenen Arbeitsaufwand gewusst habe, habe er bewusst nicht die gesetzlichen Möglichkeiten einer Urgenz in Anspruch genommen, wie er sehe, zu seinem Nachteil. Es könne ihm als Beamten nicht angelastet werden, wenn über seine dienstliche Verwendung keine oder nur unvollständige Aufzeichnungen bei der Dienstbehörde vorhanden seien. Es sei ihm gelungen, auf Grund von Meldungsdurchschriften, Durchschriften von Qualifikationsbeschreibungen und eidesstattlichen Erklärungen der Sicherheitswachebeamten der ehemaligen Wachzimmerbesatzung den Nachweis über die im Ansuchen angeführte Verwendung als erster Wachkommandant zu erbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Februar 1978 wies die belangte Behörde den Wiederaufnahmsantrag des Beschwerdeführers gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1950 wegen Fristversäumnis zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Antrag des Beschwerdeführers vom 3. Februar 1976, den er im Dienstweg eingebracht habe und der von der Bundespolizeidirektion Wien mit keinem Einlaufstempel versehen worden sei, am 11. März 1976 bei der belangten Behörde eingelangt sei. Da der Beschwerdeführer in seinem Ansuchen selbst ausführe, dass er bereits Ende November 1975 einen Revisionsantrag habe stellen wollen, habe er damit dargetan, ihm sei zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen, dass bei anderen Wachkommandanten eine Verbesserung in einem höheren Ausmaß vorgenommen worden sei als bei ihm. Nach seinem Schreiben vom 6. Juli 1977 habe er auch bereits im November 1975 eine Zusammenfassung über seine Zeiten als erster Wachkommandant abgegeben. Er habe daher bereits in diesem Zeitpunkt die Tatsachen gekannt, die er als Wiederaufnahmsgründe geltend mache. Seinen Wiederaufnahmsantrag habe er mit 3. Februar 1976 datiert. Es liege daher bereits dieser Termin (ohne nähere Prüfung, wann der Antrag bei der Bundespolizeidirektion Wien abgegeben worden sei) nach Ablauf der nach § 69 Abs. 2 AVG 1950 gesetzlich vorgesehenen Frist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber unter Bedachtnahme auf die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigem Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Der Antrag auf Wiederaufnahme ist nach Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. An die Stelle der Frist von drei Jahren tritt im Dienstrechtsverfahren eine solche von zehn Jahren (§ 14 Abs. 4 DVG), doch spielt diese Frist im Beschwerdefall keine Rolle. Strittig ist vielmehr, ob vom Beschwerdeführer die Zweiwochenfrist eingehalten worden ist.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag vom 3. Februar 1976 als Wiederaufnahmsgrund die Tatsache geltend gemacht, dass er bereits vor dem November 1968 als erster Wachkommandant in Verwendung gestanden sei. Diese behauptete Verwendung war der belangten Behörde bei Erlassung ihres Bescheides vom 28. Oktober 1975 unbestrittenermaßen nicht bekannt. Da der Bescheid ohne vorheriges Parteiengehör ergangen ist, kommt ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Nichtgeltendmachung im früheren Verfahren nicht in Betracht. Seitens der belangten Behörde wird auch nicht in Abrede gestellt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete und allenfalls noch durch geeignete Ermittlungen zu erweisende Dienstverwendung voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Zur Frage der Einhaltung der Zweiwochenfrist bringt der Beschwerdeführer vor, dass ihm die Tatsache seiner Verwendung als erster Wachkommandant zwar auch schon bei Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 28. Oktober 1975 bekannt gewesen sei, es sei ihm jedoch nicht bekannt gewesen, dass sie bei Erstellung dieser Entscheidung unberücksichtigt geblieben war, dass es sich demnach in Bezug auf den Bescheid um eine "neue" Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 handle. Das aber heiße begriffslogisch nichts anderes, als dass ihm der Wiederaufnahmsgrund nicht bekannt gewesen sei, weil einen solchen niemals irgendeine Tatsache an sich, sondern nur eine Tatsache mit der besonderen Qualifikation "neu" darstellen könne.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, dass er in dem Verfahren, das gemäß Art. VI Abs. 8 der 27. Gehaltsgesetz-Novelle durchgeführt und mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 28. Oktober 1975 abgeschlossen worden ist, ohne sein Verschulden gehindert gewesen ist, die ihm bekannt gewesene Tatsache seiner Dienstverwendung als erster Wachkommandant geltend zu machen. Da der erwähnte Bescheid eine Begründung nicht enthält, lässt sich auch sein Vorbringen, er habe erst später, und zwar am 28. Jänner 1976, in Erfahrung gebracht, dass die belangte Behörde ihrem Bescheid eine andere Dienstverwendung zu Grunde gelegt habe, anhand der Aktenlage nicht widerlegen. Indes kann der bezeichnete Tag nicht als Beginn der im § 69 Abs. 2 AVG 1950 normierten Zweiwochenfrist gelten. Das Gesetz stellt nicht auf den Zeitpunkt ab, in dem eine Partei die Erkenntnis gewinnt, dass eine Tatsache im abgeschlossenen Verfahren nicht berücksichtigt worden ist, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die Partei von einer Tatsache, die bereits vor Abschluss des Verfahrens vorhanden gewesen ist, Kenntnis erlangt. Der Verwaltungsgerichtshof hat demgemäß in seinem Erkenntnis vom 31. Jänner 1973, Slg. N. F. Nr. 8348/A, ausgesprochen, dass bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben sind, nicht davon auszugehen ist, wann der Antragsteller Kenntnis von dem der Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalt erlangt hat, sondern wann ihm neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt geworden sind. Es muss sich hiebei aber um Tatsachen oder Beweismittel handeln, die dem Antragsteller im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nicht bekannt waren und die auch der entscheidenden Behörde nicht zugänglich waren.

Aus Vorstehendem ergibt sich, dass die Auffassung des Beschwerdeführers der Rechtslage nicht entspricht. Der Beschwerdeführer wurde demnach durch den angefochtenen Bescheid in seinem behaupteten Recht auf Wiederaufnahme des mehrfach bezeichneten Verfahrens nicht verletzt. Seine Beschwerde musste daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1975 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 als unbegründet abgewiesen werden.

Bemerkt sei im übrigen, dass die belangte Behörde auch bei Zutreffen der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht in der Lage gewesen wäre, eine neue Sachentscheidung zu treffen, weil der Art. VI der 27. Gehaltsgesetz-Novelle durch Art. III Abs. 1 Z. 6 der 29. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 291/1976, außer Kraft gesetzt worden ist. Nach Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle sind die außer Kraft tretenden Bestimmungen zwar weiter auf die im Zeitpunkt des Außerkrafttretens anhängigen und noch nicht abgeschlossenen Verfahren anzuwenden, im vorliegenden Fall lag aber in dem maßgebenden Zeitpunkt (Ablauf des 25. Juni 1976) ein bereits abgeschlossenes Verfahren vor. Dass der Beschwerdeführer seinen Wiederaufnahmsantrag damals bereits eingebracht hatte, vermochte daran nichts zu ändern.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am 25. April 1979

Schlagworte

Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova producta

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1979:1978000990.X00

Im RIS seit

07.10.2003

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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