TE Vwgh Beschluss 1979/9/26 0904/79

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Veröffentlicht am 26.09.1979
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 0906/79 0905/79

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Mag. Kobzina, Dr. Salcher, Dr. Närr und Mag. Meinl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gancz, über den Antrag der prot. Firma T - OHG, in L, vertreten durch Dr. Leo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, Museumstraße 21/II, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung seiner Beschwerde gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 31. Jänner 1979, Zl. Wi(Ge)-7156/3-1979/Ru/Si, betreffend Fremdenverkehrs-Interessentenbeitrag für das Jahr 1978, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 46 VwGG 1965 wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Gleichzeitig wird die Beschwerde gegen diesen Verwaltungsakt wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 zurückgewiesen.

Begründung

Nach den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei ist die im § 26 Abs. 1 VwGG 1965, in der Fassung des BGBl. Nr. 316/1976, normierte Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung am 26. März 1979 abgelaufen.

Erst nach Ablauf der Beschwerdefrist brachte die beschwerdeführende Partei die (am 28. März 1979 zur Post gegebene) Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ein. In ihrem Wiedereinsetzungsantrag erachtet sich die beschwerdeführende Partei seinerzeit durch ein sowohl unvorhergesehenes wie auch unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gehindert. Begründend führte sie ins Treffen, die Beschwerde habe dem Inhaber, KZ, sein Rechtsanwalt persönlich am 26. März 1979, also am letzten Tag der Beschwerdefrist von sechs Wochen, vereinbarungsgemäß zur Abgabe an die Post nach der von ihm dabei übernommenen Beschaffung und Anbringung der Stempelmarken übergeben. Er habe am selben Tag die Stempelmarken beschafft und ordnungsgemäß auf den drei Gleichschriften der Beschwerde sowie der ungestempelten Beilage (angefochtener Bescheid) angebracht und sodann in seinem Büro Auftrag gegeben, die Beschwerdeschriften samt Vollmacht und Beilage, wie von ihm genau vorbereitet, in einen großen Umschlag mit der Anschrift des Verwaltungsgerichtshofes zu geben. Diesen Auftrag habe er im Büro seines Unternehmens noch rechtzeitig vor Postschluss zwecks eingeschriebener Aufgabe, die ebenfalls von ihm ausdrücklich angeordnet worden sei, erteilt. Anschließend habe er wegen einer dringenden unaufschiebbaren auswärtigen Tätigkeit für sein Unternehmen sein Büro verlassen müssen und an diesem Tag nicht mehr zurückkehren können. Am 27. März 1979 sei er durch seinen Rechtsanwalt verständigt worden, dass der Brief mit der Beschwerde eben im Büro des Rechtsfreundes eingelangt sei. Es habe sich herausgestellt, dass auf Grund eines offensichtlichen Missverständnisses die Bürokraft den Umschlag nicht an den Verwaltungsgerichtshof, sondern an seinen Rechtsfreund adressiert und den Brief eingeschrieben beim Postamt aufgegeben habe.

Der Antragsgegnerin wurde der Wiedereinsetzungsantrag zur Kenntnis gebracht und es ihr freigestellt, eine schriftliche Gegenäußerung zu erstatten. Die Antragsgegnerin hat hiezu in ihrer Gegenäußerung ausgeführt, dass ihrer Ansicht nach das angebliche, auf einen Irrtum der Bürokraft des Antragstellers zurückzuführende, Versehen keinesfalls als ein einen Wiedereinsetzungsgrund bildendes unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis angesehen werden könne.

Gemäß dem § 46 Abs. 1 VwGG 1965 ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer Partei, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Im Grunde des § 46 Abs. 3 leg. cit. ist in den Fällen des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle ein solcher Antrag binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen.

Das Hindernis endete für die beschwerdeführende Partei am 27. März 1979 mit der Verständigung durch ihren Rechtsfreund, dass der Brief mit der Beschwerde eben in seinem Büro eingelangt sei.

Der am 28. März 1979 zur Post gegebene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist sohin fristgerecht eingebracht worden.

Das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand soll verhindern, dass einer Partei, die gegen ein unverschuldet und unvorhergesehen eintretendes Ereignis persönlich nicht das Geringste unternehmen kann, wegen der prozessualen Folgen dieses Ereignisses die Prüfung ihres materiellen Anspruches verweigert wird, dieser Anspruch mithin untergeht, mag er auch noch so berechtigt sein. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9024/A, u.

a. den Rechtssatz geprägt, dass Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG 1965 jedes Geschehen, daher auch so genannte psychologische Vorgänge, wie Vergessen, Verschreiben, sich Irren usw. sei. Die Verhinderung fristgerechten Handelns muss jedoch "ohne Verschulden" sein. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterungen, dass Schriftstücke richtig adressiert sein müssen. Eine durch falsche Adressierung eines Schriftsatzes verursachte Fristversäumnis ist in der Regel als verschuldet anzusehen. Das Zuwarten bis zum letzten Tag der Frist kann dem Abgabepflichtigen allerdings nicht als Verschulden angerechnet werden. Der Abgabepflichtige ist in einem solchen Fall jedoch zur "erhöhten Sorgfalt" verpflichtet, da der unmittelbar bevorstehende Fristablauf besondere Vorkehrungen für ein richtiges und rechtzeitiges Handeln erfordert. Er muss zur Wahrung der Frist alles tun, was von ihm vernünftiger- und angemessenerweise zu erwarten ist, um dem durch das Zuwarten bis zum letzten Tag entstandenen erhöhten Risiko einer Fristversäumnis zu begegnen.

Wird - wie im Beschwerdefalle - eine angestellte Bürokraft am letzten Tag einer Frist mit der Adressierung und Postaufgabe eines Schriftsatzes betraut, so muss sie auf die Wichtigkeit und die Eilbedürftigkeit dieses Auftrages sowie darauf, dass der letzte Tag der Frist läuft, hingewiesen werden. Eine dennoch unterlaufende falsche Adressierung des Schriftsatzes lässt die Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt erkennen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof stets zum Ausdruck gebracht hat, kann von einem für die Partei unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignis, das ohne ihr Verschulden die Einhaltung der Frist verhinderte, nur dann gesprochen werden, wenn sie der zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Überwachungspflicht - insbesondere wenn sie sich eines Gehilfen bedient - nachgekommen ist, ihr also nicht leichte Fahrlässigkeit angelastet werden muss (vgl. hiezu die hg. Beschlüsse vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9024/A, und vom 19. Jänner 1977, Zl. 1212/76). Es liegt auf der Hand, dass sich niemand auf unerfahrene, überforderte oder bekanntermaßen nachlässige Angestellte verlassen darf. Im gegenständlichen Antrag hat die Antragstellerin nicht dargetan, dass der Firmeninhaber mit der Bearbeitung der Sache eine so bewährte und zuverlässige Bürokraft betraute, dass es seiner notwendigen und sorgfältigen Überwachung nicht bedurfte. Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrages enthält diesbezüglich lediglich die Behauptung, der Firmeninhaber habe das Büro wegen einer dringenden unaufschiebbaren auswärtigen Tätigkeit verlassen müssen, ohne Angaben, die das Vorliegen einer culpa in custodiendo als ausgeschlossen erscheinen lassen. Solcherart reicht das oben wiedergegebene Vorbringen des Antragstellers nicht aus, den gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen.

Aus diesen Erwägungen konnte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt werden, weshalb auch die gleichzeitig eingebrachte Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 zurückgewiesen werden musste. Damit erübrigte es sich auch, über den gleichzeitig mit der Beschwerde gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abzusprechen.

Wien, am 26. September 1979

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1979:1979000904.X00

Im RIS seit

26.09.2003

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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