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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §63 Abs1 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer, Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Mag. Kobzina, Dr. Schima, Dr. Hrdlicka, Dr. Kirschner, Dr. Salcher, Dr. Hoffmann und DDr. Hauer als Richter, im Beisein der Schriftführer Richter Dr. Gerhard und Dr. Aigner, in der Beschwerdesache des JW in S, vertreten durch Dr. Georg Hetz, Rechtsanwalt in Salzburg, Hellbrunnerstraße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. März 1978, Z1. IIIa1- 5466/6, betreffend Überprüfung einer Wasserversorgungsanlage (mitbeteiligte Partei: JM in S, vertreten durch Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, Müllerstraße 3), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 3.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 12. Jänner 1972 wurde der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für eine Trinkwasserversorgungsanlage für ihren Hof P (landwirtschaftlicher Betrieb und Jausenstation) in S durch Fassung einer Quelle (Anlegung von Sickerschlitzen) auf Gp. n1 der KG S bei Einhaltung bestimmter Auflagen erteilt. Unter anderem wurde hiebei vorgeschrieben, dass die gesamte Anlage projekts- und fachgemäß auszuführen und bei sonstigem Erlöschen der wasserrechtlichen Bewilligung die Herstellungsarbeiten bis 30. November 1973 zu beenden seien. Gleichzeitig wurde ein zwischen der mitbeteiligten Partei und dem Beschwerdeführer abgeschlossenes Übereinkommen beurkundet.
Mit Schriftsatz vom 15. Juni 1972 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, "die in Bau befindliche Wasserversorgungsanlage auf ihre projektsgemäße Ausführung zu überprüfen". Der Beschwerdeführer habe nämlich wahrgenommen, dass sich die mitbeteiligte Partei nicht an das vorgelegte Projekt gehalten habe, sondern bei der Errichtung der Anlage erheblich von diesem Projekt abgewichen sei und insbesondere die Sickerschlitze mindestens 20 bis 30 Meter tiefer am Hang angelegt habe, als es nach dem vorgelegten Projekt vorgesehen sei. Die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel beauftragte sodann das Kulturbauamt mit der Überprüfung der Anlage. Da in der Folge eine Erledigung des Antrages des Beschwerdeführers nicht erfolgt ist, richtete dieser mit Eingabe vom 9. Oktober 1975 an den Landeshauptmann von Tirol gemäß § 73 AVG 1950 den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an diesen. Darin wies der Beschwerdeführer auf seinen am 15. Juni 1972 gestellten Antrag hin und führte weiters aus, dass die mitbeteiligte Partei die Herstellungsarbeiten nicht bis zum gesetzten Termin beendet hätte, sodass auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 12. Jänner 1972 die wasserrechtliche Bewilligung erloschen sei. Dennoch schicke sich die mitbeteiligte Partei nunmehr an, den Bau der Anlage weiter zu betreiben. Unabhängig davon, dass hiezu nunmehr keine wasserrechtliche Bewilligung vorliege, habe er an einer bescheidmäßigen Erledigung seines am 15. Juni 1972 an die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel gerichteten Antrages ein rechtliches Interesse, da für den Fall, dass die bisherigen Arbeiten an der Wasserversorgungsanlage entgegen der erteilten Bewilligung erstellt worden seien, die im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 12. Jänner 1972 enthaltene Parteienvereinbarung ihn nicht mehr binde.
Nach einer am 29. April 1976 durchgeführten Verhandlung erließ der Landeshauptmann von Tirol den bekämpften Bescheid vom 6. März 1978, in dem unter anderem gemäß § 121 WRG 1959 festgestellt wurde, dass die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 12. Jänner 1972 bewilligte Wasserversorgungsanlage zur Fassung und Ableitung einer auf Gp. n1 KG S aufgehenden Quelle im wesentlichen in Übereinstimmung mit der erteilten Bewilligung ausgeführt wurde und unter Einhaltung bestimmter Auflagen als überprüft gilt. Die im Befund beschriebenen Änderungen seien geringfügig und würden nachträglich bewilligt. In der Rechtsmittelbelehrung wurde ausgesprochen, dass gegen diesen Bescheid eine Berufung nicht zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Z. 3 VwGG 1965 verstärkten Senat erwogen:
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1-B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Im Beschwerdefall war zu prüfen, ob die vorliegende Beschwerde zulässig war. Zufolge Art. 103 Abs. 4 B-VG, in der Fassung vor Inkrafttreten der Bundesverfassungsgesetz-Novelle 1974 vom 10. Juli 1974, BGBl. Nr. 444 (B-VGN 1974), ist der administrative Instanzenzug in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung bis zu den zuständigen Bundesministern gegangen, wenn nicht durch Bundesgesetz ausdrücklich anderes bestimmt gewesen ist.
Am 1. Jänner 1977 ist im Beschwerdefall das wasserrechtliche Überprüfungsverfahren im Sinne des § 121 WRG 1959 beim Landeshauptmann von Tirol als Devolutionsbehörde anhängig gewesen. Da gemäß Art. VI Abs. 2 B-VGN 1974 für am 1. Jänner 1977 anhängige Rechtsmittelverfahren hinsichtlich der Regelung des Instanzenzuges jene Bestimmungen gelten, die bis zu diesem Zeitpunkt in Kraft waren, erhebt sich zunächst die Frage, ob Art. 103 Abs. 4 B-VG, im Beschwerdefall in der vor dem 1. Jänner 1977 geltenden Fassung, anzuwenden war.
Dies ist zu verneinen, weil am 1. Jänner 1977 ein bescheidmäßiger Abspruch betreffend die wasserrechtliche Überprüfung der Wasserbenutzungsanlage des Mitbeteiligten noch nicht ergangen war. Wenn auch der Devolutionsantrag vielfach als Rechtsmittel im weiteren Sinn bzw. als Rechtsbehelf bezeichnet wird, war dessen ungeachtet am 1. Jänner 1977 im Beschwerdefall kein Rechtsmittelverfahren im Sinne des Art. VI Abs. 2 B-VGN 1974 anhängig. Als ein solches sind nämlich, wie sich aus dem normativen Zusammenhang dieser Vorschrift mit Art. VI Abs. 1 B-VGN 1974 sowie mit Art. 103 Abs. 4 B-VG (neue Fassung) ergibt, nur Verfahren über jene Rechtsmittel zu verstehen, die in einer "Regelung des Instanzenzuges" vorgesehen sind. Mit dem Merkmal "Regelung des Instanzenzuges" (und den Merkmalen "administrativer Instanzenzug" und "Entscheidung in erster Instanz") knüpft aber die B-VGN 1974 an die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen enthaltene grundsätzliche Unterscheidung zwischen der "im Instanzenzug übergeordneten Behörde" und der "sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde" an. Demgemäß kann durch einen an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu richtenden Devolutionsantrag, wenn in der Sache noch keine "instanzmäßige" Entscheidung vorliegt und daher die Oberbehörde nicht auch als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat, kein "Rechtsmittelverfahren" im Sinne des Art. VI Abs. 2 B-VGN 1974 ausgelöst werden.
Demnach ist für die Prüfung der Prozessvoraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzuges im Beschwerdefall die durch die Bundesverfassungsgesetz-Novelle 1974 erfolgte Neufassung des Art. 103 Abs. 4 B-VG maßgebend, welche wie folgt lautet:
"In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung endet der administrative Instanzenzug, sofern der Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat und nicht durch Bundesgesetz ausnahmsweise auf Grund der Bedeutung der Angelegenheit ausdrücklich anderes bestimmt ist, beim Landeshauptmann; steht die Entscheidung in erster Instanz dem Landeshauptmann zu, so geht der Instanzenzug in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, wenn nicht bundesgesetzlich anderes bestimmt ist, bis zum zuständigen Bundesminister."
Die belangte Behörde hat in der Rechtsmittelbelehrung des bekämpften Bescheides einen weiteren Rechtszug ausgeschlossen; sie scheint anzunehmen, dass einem solchen Art. 103 Abs. 4 B-VG, in der Fassung der Bundesverfassungsgesetz-Novelle 1974, BGB1. Nr. 444, wonach ein Instanzenzug an das zuständige Bundesministerium ausgeschlossen ist, wenn der Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat, entgegenstünde. Hiebei hat die belangte Behörde allerdings verkannt, dass sie nicht als Rechtsmittelbehörde, sondern als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde eingeschritten ist, die ihre Zuständigkeit nicht auf Grund eines Rechtsmittels im Instanzenzug, sondern auf Grund des Verlangens wegen der Nichterfüllung der Entscheidungspflicht (§ 73 Abs. 2 erster Satz AVG 1950) wahrgenommen hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 29. November 1949, Slg. Nr. 1114/A, dargelegt hat, entscheidet die mit einem Devolutionsantrag angerufene Oberbehörde nicht als Rechtsmittelinstanz, sondern als sachlich in Betracht kommende vorgesetzte Behörde an Stelle der untätigen Unterbehörde. Art. 103 Abs. 4 B-VG, in der Fassung der Bundesverfassungsgesetz-Novelle 1974, beschränkt indes nur den Instanzenzug vom Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde zum zuständigen Bundesminister, regelt aber nicht jene Fälle, in denen der Landeshauptmann als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde erstmals in der Sache zu entscheiden hat. Ein derartiger Fall ist dem zweiten Rechtsfall des Art. 103 Abs. 4 B-VG, in der Fassung der Bundesverfassungsgesetz-Novelle 1974, zu unterstellen. Der Landeshauptmann von Tirol ist im Beschwerde fall als erste Instanz im Sinne dieser verfassungsgesetzlichen Bestimmung eingeschritten; der Instanzenzug ist daher bis zum zuständigen Bundesminister gegangen.
Wohl hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. März 1976, Slg. N. F. Nr. 9020/A, dargelegt, dass im Fall der gesetzlichen Anordnung der Abkürzung des Instanzenzuges ein weiterer Instanzenzug nicht stattfindet, wenn die gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 angerufene Oberbehörde an Stelle der ersten Instanz materiell-rechtlich entschieden hat. Im Beschwerdefall war allerdings ausschließlich Art. 103 Abs. 4 B-VG, in der Fassung der Bundesverfassungsgesetz-Novelle 1974, auszulegen und nach dieser Bestimmung vorzugehen. Eine Abkürzung des Instanzenzuges im Sinne der Bestimmung des Art. 103 Abs. 4 zweiter Satz B-VG, in der Fassung der Bundesverfassungsgesetz-Novelle 1974, ist im Wasserrechtsgesetz nicht vorgesehen.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass gegen den gemäß § 73 Abs. 2 erster Satz AVG 1950 erlassenen Bescheid des Landeshauptmannes eine Berufung entgegen der Ansicht der belangten Behörde zulässig ist. Der Instanzenzug ist daher gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht erschöpft.
Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen. Auf die Möglichkeit eines Antrages gemäß § 71 Abs. 1 lit. b AVG 1950 wird hingewiesen.
Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 und 3 und 51 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, da eine Vergütung der Umsatzsteuer im Gesetz keine Deckung findet.
Wien, am 19. Oktober 1979
Schlagworte
Instanzenzug Zuständigkeit Allgemein Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine VerwaltungsverfahrensgesetzeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1979:1978000992.X00Im RIS seit
19.03.2003Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008