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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AltstadterhaltungsG Graz 1974 §3 Abs4;Beachte
Fortgesetztes Verfahren: 81/06/0068 E 15. Oktober 1981;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Forster, über die Beschwerde der CO KG. in G, vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, Schönaugasse 4, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 5. Juli 1979, Zl. A 17-K-19.849/5-1979, betreffend Abweisung des Antrages um Erteilung einer baubehördlichen Abbruchsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Eingabe vom 24. März 1977 beantragte die Beschwerdeführerin als Eigentümerin des Doppelwohnhauses Graz, X, 8 - 10 (Grundstücke nn1 und nn2), beim Magistrat Graz die Erteilung der Abbruchsgenehmigung für dieses Gebäude. Ausgeführt wurde, dass in einem rechtskräftigen gerichtlichen Urteil betreffend ein Kündigungsverfahren die Instandsetzung und Erneuerung des Gebäudes als wirtschaftlich nicht vertretbar beurteilt worden sei. Es handle sich um kein bedeutsames und erhaltungswürdiges Gebäude im Sinne des § 3 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes. Diesem Antrag waren unter anderem Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen angeschlossen. Zu diesem Bauansuchen nahm die Sachverständigenkommission nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz in einem "Gutachten" vom 23. Juni 1977 dahin Stellung, dass das Haus nach den Bestimmungen des § 3 Abs. 2 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes zu erhalten sei; ein diesbezügliches Gutachten für einen Feststellungsbescheid werde gesondert ergehen. Die von der Beschwerdeführerin beigebrachten Unterlagen seien als überholt zu betrachten, nachdem sich seit Erstellung des Gutachtens die Gesetzeslage insofern geändert habe, als eine Förderungsmöglichkeit nach dem Altstadterhaltungsgesetz bestehe. Es werde daher die neuerliche Erstellung eines Amtssachverständigengutachtens unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Mittel empfohlen, zumal sich bei der örtlichen Begehung ergeben habe, dass offensichtlich die Mieter bereit seien, Anteile an den Sanierungskosten zu übernehmen. Da bei der Begehung weiter der Eindruck gewonnen worden sei, dass der Hauseigentümer der Schutzpflicht nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes nicht nachkomme, werde gemäß § 11 Abs. 2 leg. cit. bei der Baubehörde die diesbezügliche Anzeige erstattet, damit die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen, insbesondere bei den Fassaden, zwingend vorgeschrieben werden. Als dringendste Maßnahme werde die Freimachung und Entrümpelung des Dachbodens angeregt. Die Baubehörde erster Instanz teilte daraufhin der Beschwerdeführerin mit, dass ihr Ansuchen um Demolierung von der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission abschlägig beurteilt worden sei und die Erstellung eines Amtsgutachtens unter Berücksichtung aller zur Verfügung stehenden Förderungsmittel erforderlich sei. Dieses Gutachten werde durch die zuständige Magistratsdienststelle ausgearbeitet werden.
In der Folge wurde ein solches "Amtsgutachten" am 29. Mai 1978 erstattet. In diesem Gutachten wurde unter anderem ausgeführt, eine Instandsetzung sei unter dem Gesichtspunkt eines zu erlassenden Bauauftrages als wirtschaftlich nicht zumutbar anzusehen. Wirtschaftlich tragbar seien Aufwendungen im Ausmaß von S 835.825,50, als fehlend sei ein Betrag von zirka S 780.174, 50 zu schätzen. Da das Objekt in Zone I nach dem Altstadterhaltungsgesetz liege, könne mit einer Förderung nach diesem Gesetz gerechnet werden, doch sei die Höhe der Förderung von Fall zu Fall verschieden und könne daher durch den Gutachter nicht bekannt gegeben werden. Wahrscheinlich sei auch ein Fassaden-Kostenzuschuss durch die Stadt Graz erreichbar (Stadtverschönerungsamt). Auch ein Zinsenzuschuss durch die Rechtsabteilung 14 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung wäre möglich, doch könne auch hier der Entscheidung durch die Behörde nicht vorgegriffen werden. Im Hinblick auf diese Stellungnahme wurde das Stadtverschönerungsamt um Bekanntgabe der Höhe der Förderungsmittel ersucht. Von dieser Dienststelle des Magistrates Graz wurde der Akt telefonisch zurückgefordert, nachdem die Beschwerdeführerin mit Antrag vom 26. September 1978 den Übergang der Entscheidungspflicht an den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz als Baubehörde zweiter Instanz gemäß § 73 AVG 1950 begehrte.
In der Folge erstattete die Sachverständigenkommission nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz am 28. Mai 1979 folgendes Gutachten:
"Das Objekt X 8 - 10 befindet sich in der Schutzzone I nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1974. Die X-Gasse ist ein besonders malerischer Straßenzug des Griesviertels, der im 17. und 18. Jahrhundert errichtet wurde. Die Häuser an beiden Straßenseiten besitzen durchwegs die ursprünglichen Fassadengliederungen und Dachformationen, wobei die einzig störende Ausnahme das Haus X Nr. 6 bildet. Das Haus X-Gasse 12, ein besonders qualitätsvoller Bau von 1798 mit spätbarocker Gliederung, wurde 1977 auf Grund seiner baukünstlerischen und kulturhistorischen Werte unter Denkmalschutz gestellt.
Das Haus X-Gasse 8 - 10 besteht aus 2 aneinander gefügten Baukörpern, die heute zu einer geschlossenen Einheit verbunden sind. Der westliche Bauteil (Nr. 10) wurde um 1800 errichtet, der östliche nach Abbruch eines Altbaues 1880 hinzugefügt. Beide Bauteile wurden aber durch die einheitliche Fassadengliederung der ursprünglichen Biedermeierdekoration zu einer Einheit verbunden. Die Hoffassade ist für die Bauweise der ehemaligen Murvorstadt charakteristisch. Die schmucklose Front ist durch Außengänge mit schmiedeeisernen Gittern gekennzeichnet. Die Satteldachformationen sind einheitlich ziegelgedeckt und somit ein wichtiger Faktor für die Dachlandschaft der Umgebung. Zur Fassadengliederung ist im Detail noch festzuhalten:
Von besonderer Wirkung ist die streng vertikal aufgebaute Fassadenordnung, die vor allem durch den Zierrat der Fensterachsen bestimmt ist. Dieser PutzZierrat mit Rechteckfeldern, quer liegenden Rhomben, Fensterumrahmungen u. dgl. ist charakteristisch für den Fassadenschmuck des Biedermeier. Wichtig ist auch, dass die ursprüngliche Fensterformation mit den außen sitzenden Grazer Fenstern und den Jalousien noch erhalten ist. Der Bauzustand des Objektes ist derzeit sehr vernachlässigt. Es ist aber bautechnisch möglich, die qualitätsvolle Fassade bis ins Detail wieder herzustellen. Derartige Maßnahmen wurden in der Altstadt von Graz bereits mehrmals vorgenommen.
Von Seiten der Sachverständigenkommission wird auf Grund des oben stehenden Befundes folgendes Gutachten erstellt:
Das Haus X 8 - 10 mit seiner Biedermaier-Fassade und seinem hohen städtebaulichen Wert für das Ensemble der X-Gasse ist im Sinne des§ 3 (2) Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1974 für das Erscheinungsbild der Murvorstadt aber auch für sich allein von besonderem baukünstlerischen Wert. Da das Haus für das traditionelle Gepräge des Erscheinungsbildes der Stadt von Bedeutung ist, ist es in seiner äußeren Gestalt im überlieferten Bestand zu erhalten."
Ohne Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens erging sodann der in Beschwerde gezogene Bescheid vom 5. Juli 1979, mit welchem gemäß § 57 der Steiermärkischen Bauordnung in Verbindung mit § 3 Abs. 4 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes 1974 die beantragte Abbruchsbewilligung versagt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Liegenschaft der Beschwerdeführerin liege in der Schutzzone I nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1974. Im Schutzgebiet hätten die Liegenschaftseigentümer die Pflicht, Gebäude in ihrer äußeren Gestalt im überlieferten Bestand zu erhalten. Für jene Gebäude, die für das traditionelle Gepräge des Erscheinungsbildes der Stadt von Bedeutung seien, sei gemäß § 3 Abs. 4 Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1974 die Erteilung einer Abbruchsbewilligung nach § 65 Steiermärkische Bauordnung 1968 unzulässig. Die weitere Begründung des Bescheides besteht in der Wiedergabe des erwähnten Gutachtens vom 28. Mai 1979.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid dadurch in ihren Rechten verletzt, weil ihr wesentliche Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht zur Kenntnis gebracht worden seien, somit der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei bzw. die Behörde es verabsäumt habe, in rechtlicher Beurteilung des vorliegenden Gutachtens, dessen augenscheinliche Unrichtigkeit zu berücksichtigen.
Über die Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Äußerung vom 13. März 1980 hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Auf Grund der Aktenlage ist davon auszugehen, dass das in Rede stehende Gebäude in der Schutzzone I nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 117, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 2/1978, gelegen ist. § 3 Abs. 4 Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1974 lautet wie folgt:
"(4) Für Gebäude, die im Sinne des Abs. 1 oder 2 zu erhalten sind ist die Erteilung einer Abbruchbewilligung gemäß § 65 Steiermärkische Bauordnung 1968 unzulässig; die Befugnis der Behörde gemäß § 70 Abs. 3 bleibt unberührt, wobei bei Prüfung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit die vom Fonds (§§ 12 bis 21) in Aussicht gestellten Mittel zu berücksichtigen sind. Ist die Erhaltung auch unter Einbeziehung der Förderungsmittel wirtschaftlich unzumutbar, so obliegt die Entscheidung über den Abbruchsauftrag dem Gemeinderat."
Da der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz als Baubehörde erster Instanz über den Antrag der Beschwerdeführerin um Erteilung der baubehördlichen Abbruchsbewilligung ohne Verschulden der Beschwerdeführerin nicht innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG 1950 eine Entscheidung traf und sohin seine Entscheidungspflicht verletzte, hatte auf Grund des Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu entscheiden. Hiebei hatte die Verwaltungsbehörde zunächst zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 3 Abs. 4 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes 1974 vorliegen. Zu dieser Frage holte die belangte Behörde das in der Sachverhaltsdarstellung erwähnte Gutachten der Sachverständigenkommission vom 28. Mai 1979 ein. Auf Grund dieses Gutachtens kam der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge die belangte Behörde zu dem Schluss, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nach der erwähnten Gesetzesstelle vorliegen und daher die von der Beschwerdeführerin angestrebte Abbruchsbewilligung nicht erteilt werden kann. Die Beschwerdeführerin rügt, dass ihr dieses Gutachten entgegen der Vorschrift des § 45 Abs. 3 AVG 1950 der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis gebracht worden sei und sie erachtet sich daher in ihrem Recht auf Gewährleistung des Parteiengehörs verletzt.
Diesem Beschwerdevorbringen kommt Berechtigung zu. Nach § 45 Abs. 3 AVG 1950 ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Verwaltungsbehörden zur Einhaltung der Vorschrift des § 45 Abs. 3 AVG 1950 von Amts wegen verpflichtet, ohne dass sie hiezu eines Antrages der Parteien bedürften. Dem Grundsatz des Parteiengehörs entspricht es hiebei nicht, wenn die Behörde solche Tatsachen für die Begründung ihrer Entscheidung heranzieht, die der Partei nicht vorher zur Stellungnahme zwecks Wahrung und Geltendmachung ihrer Rechte vorgehalten worden sind (vgl. etwa schon das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Oktober 1927, Slg. Nr. 14.952/A). Der Sinn der Vorschrift des § 45 Abs. 3 AVG 1950 ist aber nicht nur darin gelegen, die Partei von dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu unterrichten, sondern es muss ihr auch Gelegenheit zur Stellungnahme geboten werden und es muss der Partei auch möglich sein, innerhalb einer angemessenen Frist einen Sachverständigen beizuziehen bzw. sich des fachlichen Rates zu bedienen (vgl. etwa schon das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1955, Slg. N. F. Nr. 3840/A). In ihrer Äußerung vom 13. März 1980 behauptet die belangte Behörde, die Gewährleistung des Parteiengehörs zum genannten Gutachten sei unterblieben, weil dieses Gutachten der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission lediglich ergänzenden Charakter aufweise und auch die zuvor erlassenen Gutachten den gleichen Beurteilungsgrad aufgewiesen hätten. Auf Grund dieser Stellungnahme vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, auf welche "zuvor erlassenen Gutachten" die belangte Behörde verweist. In der in der Sachverhaltsdarstellung eingangs erwähnten Stellungnahme der Sachverständigenkommission wurde die Erstattung eines Gutachtens in Aussicht gestellt, eine ausreichende Begründung für die bereits damals aufgestellte Behauptung, dass dieses Haus nach den Bestimmungen des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes 1974 zu erhalten sei, kann dieser Stellungnahme, welche mit Gutachten überschrieben ist, nicht entnommen werden. Tatsächlich wurde auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich das Gutachten vom 28. Mai 1979 wiedergegeben. Zu Recht rügt daher die Beschwerdeführerin die Verletzung der Vorschrift des § 45 Abs. 3 AVG 1950, weil ihr dadurch die Möglichkeit genommen wurde, die das Gutachten wegen Ergänzungsbedürftigkeit und Unrichtigkeit zu bekämpfen. Die Beschwerdeführerin nennt sodann eine Reihe von Gründen, aus denen sich ihrer Meinung nach das erwähnte Gutachten als unrichtig bzw. ergänzungsbedürftig erweist. Die Verwaltungsbehörde hat sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, sodass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war. Bei dieser Situation erübrigt es sich, auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde im einzelnen einzugehen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 542/1977. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft ein Begehren auf Zuerkennung von Stempelgebühren betreffend Beilagen, die der Aktenlage nach nicht entrichtet wurden und auch nicht zu entrichten waren.
Wien, am 27. März 1980
Schlagworte
Parteiengehör SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1980:1979002020.X00Im RIS seit
03.12.2003Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008