TE Vwgh Erkenntnis 1980/5/23 2579/79

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Veröffentlicht am 23.05.1980
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §63 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Hrdlicka, Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher und Dr. Weiss als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Dworak, über die Beschwerde des AB in X, vertreten durch Dr. Michael Stern und DDr. Peter Stern , Rechtsanwälte in Wien I, Seilerstätte 22, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 9. August 1979, Zl. IIa-9550/10, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Straferkenntnis vom 28. November 1977 hatte die Bezirkshauptmannschaft Lienz ausgesprochen, es habe der Beschwerdeführer seine gewerbebehördlich genehmigte Steinmetzwerkstätte in X, durch die Verwendung unter anderem einer Stufenschleifmaschine geändert und die geänderte Betriebsanlage in der Zeit von Dezember 1976 bis 25. Juni 1977 laufend betrieben, ohne die für diese Änderung erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung erlangt zu haben. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 der Gewerbeordnung 1973 begangen. (Die übrigen Teile des behördlichen Abspruches sind in diesem Beschwerdeverfahren ohne Erheblichkeit.)

Der Begründung des Straferkenntnisses zufolge war die Behörde davon ausgegangen, dass die Verwendung der Stufenschleifmaschine durch den Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz von 26. November 1928 nicht gedeckt sei.

Die gegen dieses Straferkenntnis seitens des Beschwerdeführers erhobene Berufung hatte der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 12. Jänner 1978 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Er brachte darin unter anderen vor, das "Amt der Tiroler Landesregierung" habe - in einem anderen Verfahren - in seinem Berufungserkenntnis vom 12. Dezember 1977 die Meinung vertreten, dass die Stufenschleifmaschine unter die gewerbebehördlich genehmigten, wenn auch seither zufolge Verschleißes ausgetauschten Handmaschinen einzureihen sei. Die Bezeichnung "Stufenschleifmaschine" sei keine dem Fachmann geläufige Bezeichnung. Im Betrieb des Beschwerdeführers stehe eine ganze Reihe von Schleifmaschinen und Fräsen in Verwendung, mit denen man Platten und andere Werkstücke, so auch Stufen, schleifen könne. Diese Handmaschinen mit ungefähr 20 PS fielen unter die gewerbebehördlich genehmigten Maschinen. Eine ausgesprochene "Stufenschleifmaschine" sei dem Beschwerdeführer unbekannt und.werde auch in seinen Betrieb nicht verwendet.

Mit dem Erkenntnis vom 15. März 1979, Zl. 577/78, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 12. Jänner 1978 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Mit dem in der Folge ergangenen Bescheid vom 9. August 1979 entschied der Landeshauptmann von Tirol über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 28. November 1977 gemäß § 51 VStG 1950 dahin gehend, dass diese (neuerlich) als unbegründet abgewiesen werde. In der Begründung des Bescheides führte die Behörde zur Frage, ob die Verwendung der Stufenschleifmaschine konsenslos erfolgt sei, im wesentlichen aus: Unter Bedachtnahme auf die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung, wonach die Berufungsbehörde nicht schlüssig begründet habe, dass die im Straferkenntnis erwähnte Stufenschleifmaschine nicht zu den im Genehmigungsbescheid aus dem Jahre 1928 angeführten "Handmaschinen mit ungefähr 20 PS" zähle und dass durch deren Verwendung eine nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 in Verbindung mit § 81 leg. cit. rechtserhebliche Änderung der Betriebsanlage herbeigeführt worden sei, sei das vorliegende Ermittlungsverfahren in dieser Richtung ergänzt worden. Aus dem Administrativakt der Bezirkshauptmannschaft Lienz betreffend die gegenständliche Betriebsanlage sei ersichtlich, dass anlässlich eines Lokalaugenscheines am 14. April 1978 (in Anwesenheit des Betriebsinhabers) u.a. das Vorhandensein einer "Stufenschleifmaschine der Firma F, Leistung 20 PS, laut Betriebsinhaber seit 1958 in Verwendung" erhoben worden sei. Da sich im Betrieb des Beschwerdeführers nach den behördlichen Feststellungen noch mehrere Handmaschinen befinden (Schlagbohrmaschinen, Schlaghämmer und Rüttler), die zusammen eine Leistung von etwa 20 PS aufweisen (vgl. hiezu die Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie beim Augenschein am 3. Mai 1977), könne schlüssig angenommen werden, dass die oben erwähnte Stufenschleifmaschine mit einer Leistung von 20 PS nicht mehr unter die genehmigten "Handmaschinen" fallen könne. Zur Frage, ob die Hinzunahme der gegenständlichen Stufenschleifmaschine die Genehmigungspflicht der Änderung der Betriebsanlage bedinge, könne ebenfalls auf das Ergebnis des Augenscheines am 14. April 1978 und auf das Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 7. Juni 1978 verwiesen werden. Dass es sich bei der Stufenschleifmaschine um eine genehmigte Maschine handle, habe der Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Beifügen vor, dass eine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen nicht möglich sei, weil die Akten des Administrativverfahrens zur Entscheidung über eine Berufung dem Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie haben vorgelegt werden müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, dass "das Amt der Tiroler Landesregierung ihn wegen Verwendung einer 'Stufenschleifmaschine' bestraft hat, ohne bei Prüfung der Frage, ob die Verwendung dieser Maschine gewerbebehördlich genehmigt wurde, die Aktenlage, insbesondere den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 23. 7. 1962, II-1319/7, zu berücksichtigen".

In Ausführung des so gefassten Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer vor, es ergebe sich aus dem angefochtenen Bescheid, dass die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Verwendung eines mit Stufenschleifmaschine bezeichneten Gerätes erfolgt sei, das eine Kapazität von 20 PS habe. Es ergebe sich von selbst, dass dieses Gerät nicht jener Mehrzahl von Handmaschinen zugezählt werden könne, die in ihrer Gesamtheit eine Leistung von 20 PS aufweisen. Nichtsdestoweniger gehöre diese "Stufenschleifmaschine" dennoch zu den Geräten, deren Verwendung im Betrieb des Beschwerdeführers gewerbebehördlich gestattet sei. Auf Ansuchen des Beschwerdeführers um Erweiterung seines Betriebes durch Aufstellung sowie Inbetriebnahme mehrerer Maschinen, und zwar 1 Steinsäge, 3 Flächenschleifmaschinen, 1 hydraulische Presse, 1 Platten- und Stufenschleifautomat, 1 Steinfräse mit insgesamt ca. 60 PS, sei der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 23. Juli 1962 ergangen, durch den die Erweiterung der bestehenden Steinmetzwerkstätte in gewerbepolizeilicher Beziehung als zulässig erkannt und daher genehmigt worden sei. Es könne kein Zweifel darüber bestehen, dass mit der in diesem Bescheid angeführten "Steinfräse" das nunmehr als "Stufenschleifmaschine" bezeichnete Gerät gemeint sei, da andernfalls die Leistungssumme der dort angeführten Geräte nicht das Ausmaß von 60 PS erreichen würde. Hätten noch Zweifel bestanden, ob die so genannte Stufenschleifmaschine zu den im angeführten Bescheid aufgezählten Maschinen gehöre, wären die im Betrieb des Beschwerdeführers verwendeten Geräte zu überprüfen gewesen. Diese überprüfung hätte die Richtigkeit der Darlegungen des Beschwerdeführers ergeben.

Die Beschwerde ist berechtigt. Nach § 63 Abs. 1 VwGG 1965 sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 oder 131a B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Die im § 63 Abs. 1 VwGG 1965 normierte Bindung der Behörde an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes besteht nur in den Fragen, zu denen sich der Verwaltungsgerichtshof geäußert hat (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1967, Zl. 1166/65, vom 24. März 1972, Zl. 2400/71, und vom 18. Juni 1976, Zl. 2241/74).

Die belangte Behörde hatte in dem Bescheid vom 12. Jänner 1978, der mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. März 1979 aufgehoben wurde, angenommen, dass auch für die in Rede stehende Stufenschleifmaschine bisher keine Genehmigung (im Sinne des III. Hauptstückes der der Gewerbeordnung aus dem Jahre 1859 bzw. im Sinne der §§ 77 oder 81 GewO 1973) erteilt worden sei. In diesem Zusammenhang war sie vor allem davon ausgegangen, dass die Stufenschleifmaschine nicht von der mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 26. November 1928 erteilten Genehmigung umfasst werde.

Die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 15. März 1979 niedergelegte Rechtsanschauung knüpft an den von der belangten Behörde seinerzeit angenommenen Sachverhalt an. Auf dem Boden dieser Sachverhaltsannahme entsprach zwar die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bestimmung des § 63 Abs. 1 VwGG 1965, ihre Entscheidungsaufgabe war aber im fortgesetzten Verfahren - weiterhin - dadurch gekennzeichnet, dass das Zutreffen der Tatbestandsmerkmale des § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 festzustellen und somit unter Beachtung der maßgebenden Verfahrensbestimmungen zunächst zu prüfen war, ob die Verwendung der im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 28. November 1977 angeführten "Stufenschleifmaschine" überhaupt ohne Genehmigung erfolgt sei. Schon unter diesem Gesichtspunkt durfte sich die belangte Behörde nicht auf die Feststellung beschränken, dass die "Stufenschleifmaschine" nicht unter die mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 26. November 1928 genehmigten Maschinen falle. Auch in dem im nunmehr angefochtenen Bescheid enthaltenen Hinweis auf das Ergebnis eines Lokalaugenscheines vom 14. April 1978 ist keine schlüssige Beweisführung darüber zu erblicken, dass die bei dieser Erhebung ermittelte "Stufenschleifmaschine" mit der im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 28. November 1977 angeführten Maschine gleicher Benennung identisch ist. Nach Lage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens unterließ es die belangte Behörde weiters, das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende, in einem Aktenvermerk (vom 9. August 1979) festgehaltene Ermittlungsergebnis dem Beschwerdeführer zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer brachte sohin mit seiner Verfahrensrüge, die Behörde habe nicht geprüft, ob die in Rede stehende "Stufenschleifmaschine" unter die mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 23. Juli 1962 genehmigten Maschinen falle, einen wesentlichen Verfahrensmangel zur Geltung.

Der angefochtene Bescheid war demzufolge gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil ein Anspruch auf Ersatz einer "Mehrwertsteuer", soweit das Begehren den für den Schriftsatzaufwand festgesetzten Pauschalbetrag übersteigt, nicht besteht und weil "Barauslagen" im Sinne des § 48 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 - diese sind in dieser Gesetzesstelle ausdrücklich neben den "Stempelgebühren" genannt - dem Beschwerdeführer nicht erwachsen sind.

Wien, am 23. Mai 1980

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1980:1979002579.X00

Im RIS seit

08.01.2004

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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