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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §69 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr.Liska, Dr. Pichler, Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Schindler, über die Beschwerde der Stadtgemeinde
M vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (mitbeteiligte Parteien: 1) XY Gebietskrankenkasse,
2) Unfallversicherungsanstalt in W, 3) Pensionsversicherungsanstalt in W, 4) Landesarbeitsamt XY, 5) Dr. AB in L, 6) Dr. GH, Allgemeines öffentliches Krankenhaus M, 7) Dr. CD, Allgemeines öffentliches Krankenhaus M, 8) Dr. EF, Allgemeines öffentliches Krankenhaus M, 9) Dr. IK, Allgemeines öffentliches Krankenhaus M) zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- und der XY Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte Aufwendungen in der Höhe von S 1.500,-- und der Pensionsversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von S 1.500,-
- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der XY Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 20. Dezember 1972 sprach die mitbeteiligte XY Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte aus, AB, CD, EF, GH, IK unterlägen in ihrer Tätigkeit als Konsiliarfachärzte beim Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus M(in der Folge Beschwerdeführerin genannt) während näher bestimmter Zeiten der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht. Auf Grund dieser Feststellungen habe der Dienstgeber Beiträge zu entrichten. Darüber gehe ihm eine Nachtragsrechnung samt einer Aufstellung mit detaillierten Angaben über die Beitragsgrundlagen der Versichertan zu. Diese Unterlagen bildeten einen Bestandteil dieses Bescheides.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Einspruch, welchem der Landeshauptmann von XY mit Bescheid vom 25. September 1973 nicht Folge gab. Gegen dessen Bescheid erhoben Dr. EF und die Beschwerdeführerin je eine Berufung. Mit Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 2. März 1976 wurde die Berufung des Dr. EF zurückgewiesen, hingegen der Berufung der Beschwerdeführerin nicht Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides, soweit sie sich mit der Berufung der Beschwerdeführerin beschäftigt, wurde ausgeführt, nach den vom Landeshauptmann dargestellten Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens seien die fünf oben genannten Ärzte in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Krankenhaus der Beschwerdeführerin als Konsiliarärzte beschäftigt. Sie unterlägen daher der Versicherungspflicht. Der Bescheid des Bundesministers wurde am 12. März 1976 an die Beschwerdeführerin zugestellt. Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes wurden gegen diesen Bescheid nicht erhoben.
Mit einer am 12. Mai 1976 bei der mitbeteiligten XY Gebietskrankenkasse eingelangten Eingabe beantragte die Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen "erst jetzt hervorgetretener Tatsachen bzw. Beweismittel". Diese bestünden in einer "Rechtsdarstellung der XY Gebietskrankenkasse vom 13. Jänner 1967," welche an den Konsiliarfacharzt Dr. IK erging. Die Gebietskrankenkasse wäre nach Ansicht der Beschwerdeführerin im vorangegangenen Verfahren an diese "Rechtsdarstellung" gebunden gewesen, weshalb die Versicherungspflicht der Konsiliarfachärzte von ihr nicht als gegeben angenommen hätte werden dürfen. Der Bescheid der Gebietskrankenkasse vom 20. Dezember 1972 möge aufgehoben und ausgesprochen werden, dass die nachverrechneten Beitragsleistungen nicht zu entrichten seien.
Die neuhervorgekommene Urkunde ist ein Schreiben der Bezirksstelle L der XY Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte vom 13. Jänner 1967, gerichtet an Dr. IK mit folgendem Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr Doktor:
Beiliegend rückübermitteln wir Ihnen den mit der Stadtgemeinde M abgeschlossenen Werkvertrag als Konsiliarfacharzt und teilen freundlich mit, dass nach Einsichtnahme in denselben festgestellt werden konnte, dass Sie in Ihrer Eigenschaft als Konsiliarfacharzt ab 1. 1. 1967 der Versicherungspflicht nicht unterliegen.
Der Werkvertrag ist so gehalten, dass Sie im wesentlichen persönlich und wirtschaftlich unabhängig sind. Damit sind die Kriterien für den Eintritt der Versicherungspflicht nicht erfüllt und kann eine Anmeldung unterbleiben.
Dieser Auslegung hat sich unsere Hauptstelle mit Schreiben
vom 11.1.1967 angeschlossen.
Wir ersuchen um gefällige Kenntnisnahme."
In einer Stellungnahme zum Wiederaufnahmeantrag vertrat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Ansicht, es liege keine bescheidmäßige Erledigung in diesem Schreiben.
Der Landeshauptmann von XY führte Erhebungen durch, aus denen sich die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages im Sinne des § 69 Abs. 2 AVG 1950 ergab.
Mit Bescheid vom 5. Mai 1977 gab der Bundesminister für soziale Verwaltung dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 2. März 1976 abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 und 4 AVG 1950 Folge und änderte den Bescheid der Gebietskrankenkasse vom 20. Dezember 1972 teilweise dahin ab, dass die Feststellung der Versicherungspflicht des Dr. IK nach dem ASVG bzw. AlVG 1978 unter Bedachtnahme auf § 68 Abs. 1 AVG 1950 behoben werde. In der Begründung dieses Bescheides werden nach Wiedergabe des Parteienvorbringens die §§ 69 Abs. 1 lit. b und Abs. 4 sowie 68 Abs. 1 AVG 1950 zitiert. Das Schreiben der Gebietskrankenkasse vom 13. Jänner 1967 wird dahin beurteilt, dass damit die Gebietskrankenkasse in bescheidartiger Form zum Ausdruck gebracht habe, dass im Falle des Dr. IK die Kriterien für den Eintritt der Versicherungspflicht nicht erfüllt seien und eine Anmeldung daher unterbleiben könne. Die Gebietskrankenkasse habe mit Bescheid vom 20. Dezember 1972 die Versicherungspflicht auch des Dr. IK bejaht, obwohl hinsichtlich seiner Person das als Bescheid zu betrachtende Schreiben vom 13. Jänner 1967 vorgelegen sei. Dieses Schreiben sei allerdings weder dem Landeshauptmann noch dem Bundesminister zur Zeit der Entscheidung im Hauptverfahren bekannt gewesen. Dieses Schreiben hätte im Hauptverfahren den Einwand der bereits entschiedenen Sache begründet. Hinsichtlich der weiteren vier Ärzte hätte allerdings dieses Schreiben zu keinem anders lautenden Bescheid geführt, weil eben hinsichtlich dieser anderen Ärzte keine rechtskräftige Entscheidung des Krankenversicherungsträgers vorgelegen sei. Daher habe dem Wiederaufnahmeantrag nur hinsichtlich des Bestandes der Versicherungspflicht des Dr. IK Folge gegeben werde können. Hinsichtlich der für Dr. IK entrichteten Beiträge werde die Beschwerdeführerin auf § 69 ASVG verwiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes betreffend die Versicherungspflicht der Konsiliarfachärzte Dr. AB Dr. CD, Dr. EF und Dr. GH erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. In weiteren Gegenschriften beantragten auch die mitbeteiligten Parteien XY Gebietskrakenkasse für Arbeiter und Angestellte und Pensionsversicherungsanstalt die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Die Beschwerde vertritt die Ansicht, was für Dr. IK gelte, müsse auch für die anderen vier Konsiliarärzte gelten, weil es sich um völlig gleich lautende Verträge handle. Jede andere Betrachtung sei gleichheitswidrig.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das Schreiben der XY Gebietskrankenkasse vom 13. Jänner 1967, welches offenbar nur an Dr. IK, nicht aber an die Beschwerdeführerin erging, überhaupt einen Bescheid darstellt. War es ein Bescheid, so wurde dieser jedenfalls nicht gegenüber der Dienstgeberin, Stadtgemeinde M, erlassen. Rechtswirkungen traten somit nur gegenüber Dr. IK ein. Solange die Gebietskrankenkasse gegenüber den anderen vier Konsiliarärzten nicht gleichartige "Bescheide" erlassen hat, können sich weder diese vier anderen Ärzte noch die Beschwerdeführerin auf die Wirkungen eines solchen nicht existenten Bescheides als Wiederaufnahmegrund berufen (s. auch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1977, Zlen. 1416, 1417/75). Im Wiederaufnahmeverfahren kann aber die Erlassung oder Nichterlassung solcher Bescheide nicht Gegenstand des Verfahrens sein; vielmehr sollen ja solche "Bescheide" nach der Rechtsansicht der belangten Behörde erst den Wiederaufnahmegrund darstellen.
Erblickt man hingegen in diesem Schreiben keinen Bescheid, sondern nur eine unverbindliche Rechtsauskunft der Gebietskrankenkasse, so mangelte es selbst hinsichtlich des Falles Dr. IK an einem Wiederaufnahmegrund, was freilich im Rahmen der Beschwer der Beschwerdeführerin nicht aufgegriffen werden konnte.
Die Rechtsansicht der belangten Behörde, es liege hinsichtlich der anderen vier Ärzte kein Wiederaufnahmegrund vor, ist jedenfalls frei von Rechtsirrtum.
Die unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 2 lit. b, und Abs. 3, 48 Abs. 2 lit. a und b, Absatz 3 lit. b, 49 Abs. 6 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 4, 5 und 7 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542.
Das Mehrbegehren der XY Gebietskrankenkasse war abzuweisen, weil gemäß § 49 Abs. 6 leg. cit. mehrere Mitbeteiligte in Ansehung des Schriftsatzaufwandes als eine Partei anzusehen sind.
Wien, am 12. September 1980
Schlagworte
RechtskraftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1980:1977001483.X00Im RIS seit
18.08.2003Zuletzt aktualisiert am
06.08.2008