TE Vwgh Erkenntnis 1981/5/26 3516/80

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.05.1981
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs2;
AVG §26 Abs1;
AVG §31;
AVG §71 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Dworak, über die Beschwerde des HT in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 3. März 1980, Z1. MA 64-117/79/Str., betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung in einer Baustrafsache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 12. Bezirk, vom 23. Jänner 1979 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als Verwalter des Hauses Wien 12, S-straße nnn, in der Zeit vom 1. Jänner 1976 bis 9. Mai 1978 die Baulichkeit insoweit nicht in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechenden Zustand erhalten, als er es ohne Vorwissen und Veranlassung des Hauseigentümers unterlassen habe, die durch Abtragung der Waschküche freigelegten Feuermauerteile mit einem glatten Verputz auszustatten; er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien begangen. Über den Beschwerdeführer wurde daher unter Berufung auf § 135 Abs. 3 leg. cit. eine Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzarreststrafe vier Tage) verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde nach dem im Akt erliegenden Zustellnachweis dem Beschwerdeführer persönlich, ohne Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis am 26. Februar 1981 zugestellt.

In der diesem Straferkenntnis vorangegangenen Strafverhandlung vom 28. September 1978 war der Beschwerdeführer hiebei von EZ, einer Angestellten des Beschwerdeführers, unter Vorlage einer Vollmacht vom 31. Dezember 1976 vertreten worden, die gemäß der Strafverhandlungsschrift vom 28. September 1978 nach Einsicht wieder zurückgegeben worden ist.

Nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist brachte der Beschwerdeführer, in diesem Fall vertreten durch einen Rechtsanwalt, bei der genannten Behörde mit Eingabe vom 19. März 1979 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein und erhob zugleich die Berufung gegen das obzitierte Straferkenntnis. Den Wiedereinsetzungsantrag begründete der Beschwerdeführer damit, er habe seiner Angestellten E. Z. den Auftrag erteilt, diesen Bescheid dem ständigen Rechtsfreund des Beschwerdeführers zur Erhebung einer Berufung weiterzuleiten. Diese Angestellte, auf die sich der Beschwerdeführer immer verlassen habe können, habe jedoch entgegen ihrer sonstigen Gepflogenheit durch die drei folgenden Werktage hindurch vergessen, dieses Schriftstück weiterzuleiten und sei überdies noch einige Tage wegen Krankheit vom Dienst ferngeblieben. Nach ihrer Rückkehr sei sie vom Beschwerdeführer befragt worden, ob sie das Straferkenntnis schon weitergegeben habe. Um ihre Säumigkeit nicht zugeben zu müssen, habe die Angestellte dies bejaht und das Straferkenntnis auf dem ordentlichen Postweg an den Rechtsanwalt, der den Ablauf der Berufungsfrist feststellen habe müssen, weitergeleitet.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 12. Bezirk, vom 27. April 1979 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 19. März 1979, gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das obzitierte Straferkenntnis vom 23. Jänner 1979 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, nicht stattgegeben. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die notwendige Kontrolle seiner Angestellten unterlassen habe.

Im Zuge des Berufungsverfahrens legte der Beschwerdeführer über behördliche Aufforderung eine Kopie der seinerzeit an die Angestellte E. Z. erteilten Vollmacht vom 31. Dezember 1976 vor.

Nach dem Wortlaut dieser im Akt in Kopie erliegenden Urkunde

handelte es sich hiebei um eine allgemeine Vollmacht, mit der der

Bevollmächtigten "Prozessvollmacht" erteilt und sie überdies unter

anderem ermächtigt wurde, den Beschwerdeführer "in allen

Angelegenheiten ... sowohl vor Gerichts- Verwaltungs- und

Finanzbehörden ... zu vertreten, ... Zustellungen aller Art,

insbesondere auch Klagen, Urteile und Grundbuchsbescheide

anzunehmen. . " " Darunter befindet sich noch folgender, mit

Schreibmaschine geschriebener Passus: "Bei Verhandlungen insbesondere bei Bauverhandlungen."

Mit Bescheid vom 3. März 1980 wies die Wiener Landesregiergng gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mit Spruch I die gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 12. Bezirk, vom 27. April 1979, mit welchem dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben worden war, eingebrachte Berufung als unbegründet ab und mit Spruch II die gegen das Straferkenntnis derselben ersten Instanz vom 23. Jänner 1979 gerichtete Berufung als verspätet zurück. Begründend führte die belangte Behörde zu Spruch I im wesentlichen aus, dass sie der Begründung der ersten Instanz beipflichte, wonach der Beschwerdeführer bei der Betrauung einer Angestellten mit den nötigen Vorarbeiten zur Einbringung eines Rechtsmittels darauf achten müsse, dass diese Angestellte, auch wenn sie üblicherweise ihre Arbeit verlässlich ausführe, ihren übertragenen Verpflichtungen zeitgerecht nachkomme. Schon nach Kenntnis des Umstandes der Erkrankung dieser Angestellten wäre es vom Berufungswerber zu erwarten gewesen, dass er überprüfe, ob sich unter den der Angestellten übertragenen Arbeiten auch fristgebundene Schriftstücke befinden, zumal der Beschwerdeführer von vornherein gar nicht habe wissen können, wie lange die Erkrankung der betreffenden Angestellten dauern würde. Dass eine derartige Durchsicht der der Angestellten übertragenen Arbeiten stattgefunden habe, habe der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Den Spruch II begründete die belangte Behörde mit der verspäteten Einbringung der Berufung gegen das Straferkenntnis und damit, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kein Erfolg beschieden war.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem einfach gesetzlich gewährleisteten Recht, bei Zutreffen der im § 71 AVG 1950 normierten Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Berufungsfrist bewilligt zu erhalten, verletzt erachtet. Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Nach § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 ist gegen die Versäumung einer Frist (oder einer mündlichen Verhandlung) auf Antrag der Partei die durch Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (oder zur Verhandlung zu erscheinen).

Voraussetzung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein infolge Versäumnis erlittener Rechtsnachteil. Ein solcher Rechtsnachteil liegt insbesondere dann vor, wenn die Partei die Frist zur Einbringung einer Berufung versäumt hat und daher die für sie nachteiligen Rechtskraftwirkungen des Bescheides, der innerhalb der Berufungsfrist nicht angefochten worden ist, auf sich nehmen muss. Der Lauf der Berufungsfrist beginnt aber erst mit der Zustellung oder mündlichen Verkündung jenes Bescheides, gegen den sich die versäumte Berufung richten soll. Wenn ein Bescheid weder zugestellt noch mündlich verkündet worden ist, fehlt die Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. November 1952, Slg. Nr. 2739/A).

Im Beschwerdefall war daher zu prüfen, ob eine dem Gesetz entsprechende Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses -

für eine mündliche Verkündung dieses Bescheides bestehen nach dem Inhalt der Beschwerde und Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte - erfolgt ist, die den Lauf einer Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt hat.

Wie der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung entnommen werden kann, wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 12. Bezirk, vom 23. Jänner 1979 denn Beschwerdeführer persönlich zugestellt, obwohl er in der diesem Bescheid vorangegangenen Strafverhandlung durch seine mit Vollmacht vom 31. Dezember 1976 ausgewiesene Angestellte vertreten war. Die im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegte Kopie dieser Vollmacht enthielt, wie aus dem in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebenen Text der Vollmacht zu ersehen ist, eine allgemeine Prozessvollmacht und wurde im besonderen die Bevollmächtigte auch ermächtigt, den Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zu vertreten und "Zustellungen aller Art entgegenzunehmen". Den Worten "Bei Verhandlungen insbesondere bei Bauverhandlungen" kann keine Einschränkung dieser Bevollmächtigung entnommen werden, vielmehr stellt dieser Passus nur eine Bekräftigung, dass die Vollmacht auch für Verhandlungen gilt, dar.

Gemäß § 26 Abs. 1 AVG 1950 erfolgen, wenn eine im Inland wohnende Person zum Empfang der für einen Beteiligten bestimmten Schriftstücke ermächtigt ist, die Zustellungen an diese. Nach dem Rechtssatz eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1955, Anhang Nr. 77 in Slg. 1956, an welchem der Gerichtshof zuletzt im Beschluss eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1980, Zl. 2942/79, ausdrücklich festgehalten hat, kann im Falle des § 26 Abs. 1 AVG 1950 nicht auch an die Partei selbst rechtswirksam zugestellt werden. Im Hinblick auf den Inhalt der oben wiedergegebenen Vollmacht steht außer Zweifel, dass E. Z. zum Empfang der für den Beschwerdeführer bestimmten Schriftstücke in dem mit Straferkenntnis vom 23. Jänner 1979 abgeschlossenen erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren ermächtigt war. Aus dem obzitierten Rechtssatz vom 12. Dezember 1955 ergibt sich zwingend, dass die Übermittlung dieses erstinstanzlichen Straferkenntnisses an den Beschwerdeführer selbst keine Rechtswirkungen hervorgerufen hat.

Zufolge § 31 AVG 1950 gilt die Zustellung, wenn bei ihr Mängel unterlaufen, als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist.

Entsprechend dem im Verwaltungsstrafakt erliegenden Zustellnachweis wurde das in Rede stehende erstinstanzliche Straferkenntnis unmittelbar an den Beschwerdeführer adressiert, womit die Behörde in Ermangelung eines Hinweises auf ein Vertretungsverhältnis zu erkennen gegeben hat, für wen das Schriftstück im Sinne des § 31 AVG 1950 "bestimmt ist", wer also dessen "Empfänger" sein soll. Für den mit der Vollmacht vom 31. Dezember 1976 ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers war das Schriftstück unter diesen Umständen nach dem hier allein maßgebenden Willen der Behörde jedenfalls nicht bestimmt, sodass ein Zustellmangel nicht vorgelegen war und sohin auch nicht von einem Anwendungsfall des § 31 AVG 1950 die Rede sein kann (vgl. auch dazu den schon erwähnten Beschluss eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1980, Zl. 2942/79),

Da die Weiterleitung des Bescheides vom Beschwerdeführer an seinen Vertreter demgemäß ohne rechtliche Bedeutung war und die Übermittlung der Bescheide durch die Behörde an den Beschwerdeführer persönlich nach der schon im erwähnten Rechtssatz vom 12. Dezember 1955 vertretenen Auffassung nicht zur Erlassung des Bescheides geführt hat, muss im Beschwerdefall davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 23. Jänner 1979 um keinen Bescheid handelt. Daher konnte die nach Meinung des Beschwerdeführers versäumte Berufungsfrist in Wahrheit nicht zu laufen beginnen.

Aus diesem Grunde hätte schon die erste Instanz den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zurückweisen müssen. Durch die mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug erfolgte Ablehnung der Bewilligung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht in seinen Rechten verletzt werden, weil er hiedurch nicht gehindert worden wäre, im Vollstreckungsverfahren das Fehlen eines für ihn wirksamen Vollstreckungstitels einzuwenden.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 26. Mai 1981

Schlagworte

Prozeßvollmacht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1981:1980003516.X00

Im RIS seit

19.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten