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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §52 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Seiler, Dr. Drexler und Dr. Herberth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Novak, über die Beschwerde der X-AG in W, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien IX, Schwarzspanierstraße 15/1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 19. Oktober 1979, Zl. 22.464/2/33/79, betreffend Denkmalschutz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 29. Oktober 1975 stellte der Landeskonservator für Wien an das Bundesdenkmalamt die Anträge, die im Alleineigentum der Beschwerdeführerin stehenden Häuser A.-Gasse 16, 18 und 20 und P.- Gasse 4 und 14 gemäß den §§ 1 und 3 des Denkmalschutzgesetzes (im folgenden Text abgekürzt DSchG) wegen kultureller Bedeutung unter Denkmalschutz zu stellen. Die Denkmaleigenschaften wurden für jedes einzelne der fünf Häuser wie folgt beschrieben:
"Das in Rede stehende Haus ist Teil des sog. Arbeitercottage, das von K-gasse, A-gasse, P- und S-gasse begrenzt wird. Es hat innerhalb dieser Anlage als Denkmal der sozialen Entwicklung Wiens kulturelle Bedeutung.
Das Cottage besteht aus 18 zweigeschossigen Einfamilienhäusern, die nach Plänen des Arch. Josef Unger im Jahre 1896 errichtet wurden. Die einzelnen, drei Achsen breiten Häuser sind in Gruppen von drei oder fünf Objekten zusammengelegt, sodass insgesamt 5 Gebäude im Carre angeordnet sind. Von wenigen Abweichungen abgesehen liegt allen Gebäuden im Cottage einheitliche Gestaltung zu Grunde, die sich in den meisten Fällen erhalten hat und in allen übrigen Fällen wiederherstellbar wäre. Das Erdgeschoß ist durchwegs in Ziegelrohbau gehalten. Durch leicht vorkragende Segment- oder Halbbogen werden Fenster und Türöffnungen akzentuiert. Der gesamte Bereich des 1. Stockes ist mit einer Putzgliederung gestaltet. Zwischen und über den Fenstern sind gerahmte Felder angeordnet, deren Oberfläche sich durch Rieselputz und dunklere Färbelung vom hellen Fond abhebt. Die Traufen und Giebel der Dächer sind durch gedrechselte, durchbrochene und gefasste Hölzer reich verziert. Die zu dem Haus gehörigen Gärten verleihen der Anlage bis heute eine freundliche Note."
Das öffentliche Interesse an der Erhaltung der in Rede stehenden Häuser erblickte der Landeskonservator in folgendem:
"Das sog. Arbeitercottage wurde 1896 von der Kaiser Franz-Josef-Jubiläumsstiftung für Volkswohnungen und Wohlfahrtseinrichtungen erbaut. Architekt war Josef Unger. Die Mieter - Arbeiter und Handwerker - wurden durch Zahlung von Annuitäten nach 25 Jahren Eigentümer der Häuser.
Vom Typ her basieren die Gebäude auf den in den Sechzigerjahren entwickelten Personalwohnhäusern der ehem. Südbahngesellschaft. Diese als musterhaft angesehenen Sozialbauten wurden damals im gesamten Bereich der Monarchie, auch bei der Nordwestbahn, deren Hochbaudirektor J. Unger war, nachgeahmt. Die Idee des Cottages für Arbeiter nahm um die Mitte des 19. Jhdt. von England ihren Ausgang. In der k. k. Monarchie gab es zahlreiche Beispiele, von denen sich jedoch nur wenige erhalten haben. Als Denkmal der sozialen Entwicklung in Wien hat das og. Gebäude daher kulturelle Bedeutung."
Die Beschwerdeführerin sprach sich in einer schriftlichen Stellungnahme vom 19. Jänner 1976 gegen die beabsichtigte Maßnahme aus und brachte vor, in der Sitzung des Wiener Gemeinderates vom 5. Juli 1974 seien die fraglichen Flächen aus einer schutzwürdigen Zone in einen Bauplatz für öffentliche Zwecke umgewidmet worden, auf dem Areal sei die Errichtung eines Kindergartens geplant, dessen Existenz in unmittelbarer Nähe des Fabriksareals der Beschwerdeführerin von eminenter sozialer Bedeutung für deren Bedienstete sei. Die Häuser selbst seien sanierungsbedürftig, selbst dann würde eine Reihe von Änderungen vorgenommen werden müssen, wenn man den ursprünglichen Bauzustand wiederherstellen wollte, wozu über die Möglichkeiten der Beschwerdeführerin hinausgehende bedeutende Mittel nötig wären: Die Beurteilung als kulturell bedeutendes Denkmal sei sicherlich bestreitbar, die Häuser lägen in einem Gebiet von Wien, in welchem von vornherein keine Baulichkeiten erwartet würden, die als für irgendeinen Zeitabschnitt repräsentativ zu gelten hätten.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Landeskonservators vom 26. Februar 1976, in der insbesondere darauf verwiesen wurde, die Fachliteratur habe sich gerade in letzter Zeit in steigendem Maße mit den gegenständlichen ähnlichen Bauten befasst und ihre kulturelle Bedeutung herausgearbeitet, eine Bedeutung, die von der Beschwerdeführerin ohne nähere Begründung bezweifelt werde, die Bedeutung des "Arbeitercottage" als in sich geschlossenes Ensemble liege u.a. gerade in seiner Anspruchslosigkeit, stellte das Bundesdenkmalamt mit Bescheiden vom 2. März 1976 fest, dass die Erhaltung der fünf Häuser gemäß den §§ 1 und 3 DSchG im öffentlichen Interesse gelegen sei. In der Begründung dieser Bescheide wurden die die Denkmalqualität begründenden Eigenschaften der Häuser so festgestellt, wie sie der Landeskonservator in seinen Anträgen dargelegt hatte. Von der Beschwerdeführerin gestellte Beweisanträge auf Anhörung der Techniker der Beschwerdeführerin, der Bezirksvorstehung und der zuständigen Planabteilung des Magistrates Wien sowie auf Einsicht in den Gemeinderatsbeschluss und in die Plandokumente seien gemäß § 39 Abs. 2 AVG 1950 zurückzuweisen gewesen, weil sie für die Feststellung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes nicht von Bedeutung seien. Denn in einem Verfahren nach den §§ 1 und 3 DSchG hätten die technische Möglichkeit der (weiteren) Erhaltung des Gegenstandes, deren Kosten und deren Wirtschaftlichkeit außer Betracht zu bleiben und es habe insbesondere keine Abwägung der öffentlichen Interessen an der Erhaltung mit den nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Interessen privater oder auch anderer staatlicher Stellen (z.B. der Baubehörde) stattzufinden. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin über die Umwidmung der Grundstücke und die geplante Errichtung des Kindergartens gingen am Wesen des Denkmalschutzes vorbei und damit ins Leere. In der weiteren Begründung seiner Bescheide schloss sich das Bundesdenkmalamt der Auffassung des Landeskonservators über die kulturelle Bedeutung der Häuser und das öffentliche Interesse an ihrer Erhaltung an.
In ihren Berufungen gegen die Bescheide des Bundesdenkmalamtes brachte die Beschwerdeführerin über eine Wiederholung der schon in ihrer Äußerung vom 19. Jänner 1976 enthalten gewesenen Behauptungen hinaus vor, durch die Vielzahl derartiger Objekte werde der Begriff des Denkmals "seines entscheidenden Kriteriums und der Einmaligkeit der Erhaltungswürdigkeit beraubt". Es sei unrichtig, dass das so genannte Arbeitercottage 1896 gestiftet worden sei und die Mieter durch Zahlung der Annuitäten nach 25 Jahren Eigentümer der Häuser geworden seien, weil dem die Tatsache widerspreche, dass die Beschwerdeführerin Eigentümerin von 5 Objekten sei. Wenn schon sechs Nachbarhäuser unter Denkmalschutz gestellt seien, sei hier des Guten schon viel zu viel geschehen, es ergebe sich daraus kein Argument für die Unterschutzstellung der streitgegenständlichen, abbruchreifen Objekte, zumal es nicht möglich sei, das "Arbeitercottage" als Ganzes zu erhalten, weil dieses aus 18 Objekten bestehe, sohin "also 5 fehlen". Die Häuser seien kein Denkmal von kultureller Bedeutung, weil ihnen das wesentliche Merkmal der einmaligen Erhaltungswürdigkeit als Symbolisierung der Idee des Cottage der Arbeiter fehle. Die Stellung unter Denkmalschutz sei für Objekte gerechtfertigt, die ein Unikat seien. Es gebe aber kein öffentliches Interesse daran, ein unvollständiges Arbeitercottage bruchstückartig zu erhalten, sondern nur ein einziges seiner Häuser, sofern dies "mit der Erfüllung der Entwicklungsnotwendigkeiten vereinbart werden" könne.
Die belangte Behörde führte am 12. November 1976 unter Zuziehung von Vertretern der Beschwerdeführerin, eines Vertreters des Bezirksvorstehers für den 10. Bezirk und des Landeskonservators für Wien einen Augenschein durch. Dabei erklärte der Landeskonservator (zusätzlich), einige Häuser der Gesamtanlage "Arbeitercottage" in der K.- und in der Sch.-Gasse, an denen bereits größere Veränderungen vorgenommen wurden, seien nicht unter Denkmalschutz gestellt worden. In Bezug auf Raumeinteilung und Wohnkomfort seien die Gebäude im Vergleich zu anderen Arbeiterwohnbauten dieser Zeit geradezu als vorbildlich zu bezeichnen. Der Verhandlungsleiter verlas eine Stellungnahme des Univ.-Doz. Dr. K. vom 9. November 1976, wonach die Objekte als sozialgeschichtliche Dokumente den Wert eines Unikats besitzen, weil andere Versuche der Zeit andere Richtungen eingeschlagen haben, weshalb auch die Magistratsabteilung 7 die Häuser in Ermangelung eines Vergleichsfalles als einzigartig betrachte. Ein Vertreter der Beschwerdeführerin bemerkte, das "Arbeitercottage" sei nicht für Arbeiter, sondern für leitende Angestellte geplant und erbaut worden, außerdem seien im Laufe der Zeit durch wesentliche Veränderungen die Denkmaleigenschaften der Gebäude so gemindert worden, dass an der Erhaltung kein öffentliches Interesse mehr bestehen könne. Weitere Stellungnahmen sowohl der Beschwerdeführerin als auch der Bezirksvertretung wurden in Aussicht gestellt.
Eine solche Stellungnahme brachte die Beschwerdeführerin am 27. Mai 1977 dahin ein, die fünf im Verfahren verfangenen Häuser hätten für sich allein keine Ensemblewirkung. 1896 sei ein Verein für Arbeiterwohnhäuser gegründet worden, der nach Plänen des J. Unger mit der Errichtung zweier Gruppen von je 18 Einfamilienhäusern begonnen habe, aber schon im ersten Jahrzehnt seines Bestehens in Schwierigkeiten geraten und vom "Kaiser Franz Josef I. Jubiläumsfonds übernommen worden sei". Die für die damaligen Lohnverhältnisse viel zu teueren Wohnungen hätten nur genügend kapitalkräftige leitende Angestellte erworben. Wie die sodann im einzelnen wiedergegebene Entwicklung der Eigentumsverhältnisse an den fünf Häusern bestätige, seien diese Objekte von Arbeitern überhaupt nicht, von gutbürgerlichen Erwerbern nur mit Schwierigkeiten zu halten gewesen, bis sie von den Hauptaktionären der Beschwerdeführerin übernommen worden seien. Die Häuser seien nichts als ein auf ein Parterre gesetztes Stationsgebäude einer ländlichen Bahnstation zwischen Budapest und Czernowitz, eine Bauleistung im Sinne des Sozialbaues sei nicht gegeben, nicht diese Häuser, sondern die Gebäude der in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts errichteten Personalwohnhäuser der ehemaligen Südbahngesellschaft seien als musterhaft angesehene Sozialbauten im damaligen Bereich der Monarchie nachgeahmt worden. Wirtschaftlich sei es unmöglich gewesen, dass ein Arbeiter oder Handwerker der damaligen Zeit die gegenständlichen Objekte erwerben oder erhalten hätte können. Bei den Häusern sei daher weder eine Ensemblewirkung gewahrt, noch seien sie Arbeiterwohnhäuser, sie hätten auch zum damaligen Zeitpunkt dem Sozialbau nicht entsprochen, sie seien missglückt, auch ihre innere Gestaltung sei nicht mehr gegeben; letztlich werde durch die derzeit bestehenden Zäune die architektonische Harmonie empfindlichst gestört. Die Unzumutbarkeit der Erhaltungswürdigkeit sei durch Einholung von Fakultätsgutachten leicht zu beweisen.
Das Bundesdenkmalamt nahm zu dem Vorbringen der Beschwerdeführerin am 7. Juni 1977 dahin Stellung, erwiesen sei, dass einige Häuser noch die ursprüngliche Raumeinteilung aufwiesen, auch bei den meisten anderen Häusern sei das Konzept noch erkennbar, vom Ensemble her sei die Erhaltung aller Häuser erforderlich, weil zum Wesen des Arbeitercottage die höchst ökonomische Verbauung des Grundstückes gehöre. Aus welchem Fonds das Arbeitercottage errichtet worden sei, sei ebenso gleichgültig wie die Tatsache, ob in den errichteten Objekten Arbeiter, Angestellte oder gar Fabriksdirektoren gewohnt hätten. Gerade die Ausführungen der Beschwerdeführerin über den häufigen Eigentümerwechsel zeigten die Wichtigkeit der Erhaltung dieser Kleinsiedlung für Arbeiter, die offenbar mit dem Hintergedanken errichtet worden sei, auch aus dieser "Sozialleistung" Profit zu schlagen. Damit werde das "Arbeitercottage" zu einem Denkmal sui generis, zumal die noch elenderen Unterkünfte der "Hochgründerzeit" in Wien fast völlig verschwunden seien. Zur Diskrepanz zwischen Löhnen und Quartierkosten sei zu sagen, dass im 19. Jahrhundert zahlreiche Sozialvorhaben an einer gewissen Weltfremdheit der Sozialdenkenden gescheitert seien. Zum Stil der Häuser sei zu sagen, die Mischung aus Ziegel und Putz komme im 19. Jahrhundert ganz allgemein bei als geringwertig betrachteten Nutzbauten zur Anwendung. Die vorgenommenen, zum Teil fast grotesken Veränderungen an den schlichten Häusern durch neue Türen, Windfänge, Zäune, betonierte Autoabstellflächen u. dgl. schließlich seien leicht wieder rückgängig zu machende Maßnahmen.
In einer ergänzenden Äußerung vom 22. November 1978 beschrieb das Bundesdenkmalamt nach Besichtigung des Inneren die dort in den fünf Häusern im einzelnen vorgenommenen Veränderungen genau und fügte bei, geschichtliche und kulturelle Bedeutung komme den einzelnen Objekten weder im Inneren noch im Äußeren zu, kulturelle Bedeutung habe aber das Arbeitercottage im Ganzen, so wie es liege und stehe. Beim frühen sozialen Wohnbau bestehe das eigentümliche Paradoxon, dass die Bedeutung in der "normierten Unbedeutendheit" liege.
Die Beschwerdeführerin erstattete zu den Verfahrensergebnissen schließlich am 15. Februar 1979 eine letzte schriftliche Stellungnahme, in der die festgestellten zwischenzeitlichen Veränderungen an den Häusern zugegeben wurden, wiederholt wurde, die Häuser seien um eine Etage erhöhte Eisenbahnstationen, sie seien aber weder ein Arbeitercottage noch hätten sie ein solches sein können, kulturelle Bedeutung bestehe daher auch für die Gesamtheit der Anlage nicht.
Mit Bescheid vom 19. Oktober 1979 gab die belangte Behörde den Berufungen der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide des Bundesdenkmalamtes vom 2. März 1976 im wesentlichen mit der Begründung nicht Folge, die Häuser gehörten zu einer aus sozialen Wohnbauten bestehenden Anlage, der eine besondere kulturelle (sozialgeschichtliche) Bedeutung wegen der - wenn auch letztlich misslungenen - Bestimmung als frühe soziale Arbeiterwohnungen zukomme. Die besondere Bedeutung im Sinne des § 1 Abs. 1 2. Satz DSchG komme den Häusern nicht für sich allein, sondern in ihrem Verband zu; dass einige der insgesamt 18 Häuser bisher nicht unter Denkmalschutz gestellt seien, bilde kein überzeugendes Gegenargument, wobei nicht näher untersucht werden müsste, ob dies deshalb der Fall sei, weil andere Teile schon größeren Veränderungen unterworfen worden seien. Nach sämtlichen Gutachten des Bundesdenkmalamtes und des Univ.-Doz. Dr. K. handle es sich bei den Häusern um ein außergewöhnliches kulturelles Denkmal des Arbeiterwohnbaues, eine künstlerische Bedeutung werde den Objekten in keiner Weise beigemessen. Behaupte die Beschwerdeführerin, dass Arbeiter binnen kürzester Zeit die Häuser an leitende Angestellte und Direktoren überlassen hätten, so beweise dies nur einen vorübergehenden sozialen Abstieg jener Arbeiter und das Misslingen eines gut gemeinten Experiments, ändere aber nichts am seinerzeitigen Konzept und der Idee, von der die Planung ausgegangen sei. Was das Ensemble betreffe, so seien sämtliche Häuser der Anlage nach wie vor vorhanden, es wäre denkbar, dass das Bundesdenkmalamt sämtliche 18 Objekte gemäß § 1 Abs. 1 3. Satz DSchG zusätzlich als einheitliches Ganzes (Ensemble) unter Denkmalschutz stelle. Eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens habe sich erübrigt, zumal die Beschwerdeführerin die gutächtlichen fachmännischen Äußerungen des Bundesdenkmalamtes durch keine vergleichbaren Gegengutachten in Zweifel zu ziehen vermocht habe. So sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde von diesem mit Erkenntnis vom 27. Februar 1981, Zl. B 504/79-10, abgewiesen, weil die Beschwerdeführerin durch den Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist. Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Bescheides "wegen Rechtswidrigkeit in formell- und materiellrechtlicher Hinsicht". Darüber und über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Maßnahmen des Bundesdenkmalamtes nach den §§ 1 und 3 DSchG betrafen die in Rede stehenden fünf Häuser als Einzeldenkmale und wurden damit begründet, an der Erhaltung jedes dieser Häuser bestehe wegen ihrer sonstigen kulturellen Bedeutung (als Zeugnisse einer bestimmten Phase der Geschichte des sozialen Wohnbaus in Wien) öffentliches Interesse. Dabei konnte die geforderte Bedeutung nach dem zweiten Satz des § 1 Abs. 1 DSchG diesen Gegenständen für sich allein zukommen, aber auch aus der Beziehung oder der Lage zu anderen Gegenständen entstehen, ohne dass Umstände der letztgenannten Art etwas daran änderten, dass es sich nach wie vor um die Frage der Erhaltung von Einzeldenkmalen und nicht etwa einer Gruppe von unbeweglichen Gegenständen (eines Ensembles) im Sinne des dritten Satzes des § 1 Abs. 1 DSchG handelt.
Für diese Frage aber ist der neuerlich in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde behauptete Umstand, andere Häuser der Anlage "Arbeitercottage" seien (bisher) nicht unter Denkmalschutz gestellt worden, unerheblich, weil die Beschwerdeführerin daraus, dass andere Häuser - selbst wenn dafür die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben wären - nicht unter Denkmalschutz gestellt wurden, für sich keinerlei Rechte ableiten kann (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1966, Zl. 1553/65).
Dass den Häusern kulturelle (sozialgeschichtliche) Bedeutung zukommt, konnte die belangte Behörde auf Grund des Gutachtens des Landeskonservators, das zusammen mit seinen mehrfach erfolgten Ergänzungen die hier auftretenden Fachfragen schlüssig und vollständig gelöst hat, ohne Verstoß gegen Verfahrensvorschriften annehmen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, kommt den Beamten des Bundesdenkmalamtes, deren fachliche Qualifikation zur Beurteilung der Fragen künstlerischer, geschichtlicher oder sonst kultureller Bedeutung von Gegenständen außer Zweifel steht, bzw. den Landeskonservatoren die Stellung von Amtssachverständigen zu, die im Verfahren beizuziehen die Behörde nach § 52 Abs. 1 AVG 1950 nicht nur berechtigt, sondern in erster Linie verpflichtet ist (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 1963, Zl. 2001/62, vom 1. Dezember 1965, Zl. 464/65, vom 16. November 1966, Zl. 1553/65, vom 4. Oktober 1973, Zl. 622/73, u. v. a.). Von Amts wegen andere geeignete Personen als (weitere) Sachverständige heranzuziehen, bestand im Hinblick auf Inhalt und Schlüssigkeit der Gutachten des Amtssachverständigen kein Anlass und war auch nicht mit Rücksicht auf eine - nicht vorliegende - "Besonderheit des Falles" (§ 52 Abs. 2 AVG 1950) geboten. Der Beschwerdeführerin stand es frei, die Richtigkeit des Fachgutachtens durch auf vergleichbarem wissenschaftlichem Niveau stehende Gegenbeweise, insbesondere durch Gutachten entsprechend qualifizierter anderer Sachverständiger, zu widerlegen. Dies ist im Verwaltungsverfahren nicht geschehen. Denn der in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erwähnte Antrag vom 27. Mai 1977 lautete ausdrücklich und ausschließlich auf Einholung eines Fakultätsgutachtens nur zum Zwecke, "das Unzumutbare der Erhaltungswürdigkeit" und damit ein bloß wirtschaftliches, im Unterschutzstellungsverfahren rechtlich bedeutungsloses Tatbestandselement zu beweisen. Die Nichtberücksichtigung dieses Antrages durch die belangte Behörde bewirkte ebenso wenig eine Verletzung einer Verfahrensvorschrift wie die Tatsachenfeststellung auf Grund der Ausführungen des Landeskonservators.
Die belangte Behörde konnte also mit Recht vom Bestehen einer kulturellen (sozialgeschichtlichen) Bedeutung der fünf Häuser ausgehen. Da für diese - keineswegs künstlerische - Bedeutung das ästhetische Bild, wie vom Landeskonservator betont, nicht das ausschlaggebende ist, kann die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Häuser Personalwohnhäusern der ehemaligen Südbahngesellschaft oder auf Stockwerke aufgesetzten Bahnhofsgebäuden ähnlich sind, auf sich beruhen. Es ist, sieht man die Häuser als Zeugnis einer bestimmten Phase der Sozialgeschichte an, im Grunde unerheblich, ob sie mit der wirklichen oder von Anfang an etwa nur vorgegebenen Absicht, Arbeitern als Wohnung zu dienen, errichtet wurden, und ob sie - einmal unter solchen besonderen sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten erbaut - dann tatsächlich von Arbeitern oder aus eben für die besondere geschichtliche Situation typischen Gründen von Personen bewohnt wurden, die wirtschaftlich und sozial gehobeneren Schichten angehörten. Die kulturelle Besonderheit (Bedeutung), die ihnen in den auf die Fachgutachten gestützten Feststellungen des angefochtenen Bescheides zugeschrieben wurde, kommt ihnen nämlich in dem einen wie in dem anderen Fall zu.
Das Bestehen dieser Bedeutung allein indes rechtfertigt noch nicht eine Maßnahme nach den §§ 1 und 3 DSchG. Dazu ist über diese Bedeutung hinaus erforderlich, dass die Erhaltung des Gegenstandes der erwähnten Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Diese Frage war als Rechtsfrage ausschließlich von der Behörde, und zwar unabhängig von den dazu geäußerten Meinungen der Amtssachverständigen zu lösen. Sie wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen nur damit bejaht, die kulturelle Bedeutung der Häuser sei eine "derartige akzentuierte", dass ihre Erhaltung "fraglos im öffentlichen Interesse gelegen ist".
Diese Begründung ist bei dem hier gegebenen Sachverhalt umsoweniger ausreichend, als es sich - wie bereits weiter oben in anderem Zusammenhang erwähnt - um die Unterschutzstellung von fünf Gegenständen als Einzeldenkmale und nicht einer Gruppe von unbeweglichen Gegenständen (eines Ensembles) handelt. Daher konnte zwar die kulturelle Bedeutung jedes einzelnen Hauses (auch) aus ihrem "Verband", nämlich der Beziehung und Lage zu anderen Häusern des "Arbeitercottage", mitabgeleitet werden. Für das Bestehen des öffentlichen Interesses an der Erhaltung gerade der fünf den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Häuser, insbesondere aller fünf, aber auch eben (nur) dieser fünf Häuser, konnte dagegen ihre Stellung in einem "Verband" nicht neuerlich verwertet werden, weil dann, wenn tatsächlich diese Stellung im "Verband" zusammen mit der in der Begründung des angefochtenen Bescheides dazu genannten "höchst ökonomischen Verbauung des Grundstückes" das für ein bestehendes öffentliches Interesse allein ausschlaggebende Moment wäre, dieses besondere Interesse wohl nur an der Erhaltung des gesamten Ensembles bestünde.
Daraus ergibt sich, dass die belangte Behörde ein die Unterschutzstellung jedes einzelnen der fünf Häuser als Einzeldenkmal tragendes öffentliches Interesse in der Begründung ihres Bescheides nicht ausreichend dargestellt und damit die ihr nach § 60 AVG 1950 obliegende Verpflichtung zur klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der Beurteilung der Rechtsfrage in einer Weise verletzt hat, von der nicht gesagt werden kann, die Behörde hätte bei Beachtung der erwähnten Verfahrensvorschrift nicht zu einem anderen Bescheid kommen können. Dies aber musste zur Aufhebung ihres Bescheides nach der Bestimmung des § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 führen.
In dem zu erlassenden Ersatzbescheid wird sich die belangte Behörde nicht nur damit auseinander zu setzen haben, worin das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Häuser als Einzeldenkmale besteht, sondern auch damit, ob bei Unterbleiben einer Unterschutzstellung des ganzen Ensembles "Arbeitercottage" öffentliches Interesse an der Erhaltung nicht nur eines diesem Ensemble zugehörig gewesenen Hauses, sondern aller jener fünf Häuser besteht oder nicht besteht, die Gegenstand dieses Verfahrens sind.
Der Zuspruch von Aufwandersatz an die Beschwerdeführerin beruht auf den §§ 47 Abs. 1, Abs. 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 und auf den Art. I Z. 1 und III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 14. September 1981
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Amtssachverständiger Person Bejahung Arbeitercottage - Denkmalschutz Arbeitercottage - DenkmalschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1981:1981120052.X00Im RIS seit
29.04.2004Zuletzt aktualisiert am
05.11.2008