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32/04 Steuern vom Umsatz;Norm
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberrat im Verwaltungsgerichtshof Dr. Feitzinger über die Beschwerde der Gemeinde XY, vertreten durch Dr. Herwig Trnka, Rechtsanwalt in Leoben, Hauptplatz 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 27. Mai 1981, Zl. B 307-3/80, betreffend Umsatzsteuer 1975 und 1976, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 8.485,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Gemeinde (Beschwerdeführerin) errichtete im Jahre 1975 ein Gebäude, welches neben Amtsräumen auch Gemeindewohnungen und eine Mehrzweckhalle umfasst. Vor dem Verwaltungsgerichtshof steht ebenso wie im Verwaltungsverfahren der Streit um die Abzugsfähigkeit der in den fraglichen Jahren 1975 und 1976 auf die Mehrzweckhalle entfallenden Vorsteuerbeträge gemäß § 12 des Umsatzsteuergesetzes 1972 (UStG 1972) im Vordergrund.
Das Finanzamt versagte, gestützt auf das Ergebnis einer abgabenbehördlichen Prüfung, den Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass die Mehrzweckhalle ("Turn-Festsaal") kein Betrieb gewerblicher Art sei. Es sei nämlich keine Kostendeckung gegeben, die erzielten Einnahmen (Umsätze) lägen weit unter der Bagatellgrenze des § 21 Abs. 6 UStG 1972 und die Tätigkeit der Gemeinde hebe sich beim Betrieb der Mehrzweckhalle auch nicht aus ihrer Gesamtbetätigung wirtschaftlich heraus.
Dagegen wandte die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren ein, die Mehrzweckhalle sei nur deshalb errichtet worden, um eine unternehmerische Tätigkeit zu entfalten, die sich durch die Vermietung dieser Räumlichkeiten an Einzelpersonen, Unternehmen sowie an Vereine darlege. Dies zeige sich auch in der baulichen Gestaltung des Mehrzwecksaales bzw. auch seiner Nebenräume (Bühne, Küche, Bar usw.). Derzeit laufe darüber hinaus noch ein Gasthauskonzessionsansuchen bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft, da im Gemeindebereich ein akuter Mangel an Gaststätten bestehe. Mit der Mehrzweckhalle werde eine nachhaltige gewerbliche oder berufliche Tätigkeit zur Einnahmenerzielung entfaltet, Gewinnerzielung oder Kostendeckung wäre nicht erforderlich. Dass die Einnahmen derzeit noch unter der Bagatellgrenze lägen, sei darauf zurückzuführen, dass für derartige Unternehmensbereiche eine längere Anlaufzeit einzukalkulieren sei, wobei nach erfolgter Erteilung einer Gasthauskonzession die Einnahmen sicherlich die Bagatellgrenze übersteigen würden. Es werde für die Benützung der Mehrzweckhalle zufolge eines Gemeinderatsbeschlusses grundsätzlich eine Miete eingehoben, eine unentgeltliche Überlassung erfolge weder an Vereine noch an natürliche Personen. Wirtschaftliche Selbstständigkeit aber sei gegeben, wenn sich eine Tätigkeit aus der gesamten Betätigung genügend heraushebe und die Einrichtung das äußere Bild eines Gewerbebetriebes habe. Es müsse sich somit um eine wirtschaftliche Einheit mit einer gewissen Selbstständigkeit handeln. Eine rechtliche oder völlig wirtschaftliche Selbstständigkeit sei nicht erforderlich. Dementsprechend müsse auch die Tätigkeit im Rahmen der Mehrzweckhalle als eine selbstständige angesehen werden.
Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens teilte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt mit, dass ihr die zuständige Bezirkshauptmannschaft unterdessen die angestrebte Gasthauskonzession erteilt habe. Darüber hinaus werde auch durch den Einbau einer Großkühlanlage der gewerbliche Charakter des Objektes wohl eindeutig ersichtlich.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin in der strittigen Frage des Vorsteuerabzuges keine Folge. Sie führte dazu begründend aus, § 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1966 (KStG 1966) verfolge den Zweck, Betriebe öffentlich-rechtlicher Körperschaften, die der behördlichen Organisation entkleidet seien und die Organisationsform privatwirtschaftlicher Unternehmen besäßen oder sich einer solchen Organisationsform wenigstens annäherten, den im § 1 KStG 1966 aufgezählten, unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen gleichzustellen. Der Gesetzgeber fordere allerdings, dass sich ein solcher Betrieb einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Einnahmenerzielung widme, um ihn als Betrieb gewerblicher Art ansehen zu können, und ferner, dass sich diese Tätigkeit innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft öffentlichen Rechts auch wirtschaftlich heraushebe. Die Beschwerdeführerin hätte nun in den Jahren 1975 und 1976 ein Objekt errichtet, welches zum Teil unbestritten hoheitlich (Gemeindeamt), zum Teil unbestritten unternehmerisch (Vermietung und Verpachtung von Wohnungen) genutzt werde. Offen sei die Frage, ob die Mehrzweckhalle dem Unternehmens- oder dem Hoheitsbereich der Beschwerdeführerin zuzuordnen sei. Die Mehrzweckhalle (Gesamtausmaß 391 m2) gliedere sich in einen Saal (rund 200 m2), der mit einem Plastikboden bedeckt sei, auf dem sich Markierungen für Korbball befänden. An der Stirnseite des Saales befinde sich eine Bühne für Musik- bzw. Theatervorstellungen, des weiteren eine Akustikdecke sowie eine Mikrophonanlage. An Nebenräumen seien eine eingerichtete Küche mit Kühlanlage sowie Garderoben und WC-Anlagen vorhanden. Im Keller befinde sich ein Raum, in dem durch eine Rohrwand eine Tanzfläche geschaffen worden sei. Fest eingebaut in den Saal seien unter anderem folgende Turngeräte: Kletterstangen, Klettertaue, Strickreck, Spannreck, Ringe, Sprossenwände, Kletterleiter. Daneben sei noch eine Reihe weiterer beweglicher Turn- und Sportgeräte vorhanden. Ohne vorerst auf die tatsächliche Verwendung und die Höhe der Betriebseinnahmen einzugehen, müsse festgestellt werden, dass das äußere Erscheinungsbild einer typischen Sporthalle (die ebenfalls Mikrophonanlagen, Garderoben, WC's und eventuell sogar Erfrischungsräumlichkeiten besitzen müsse bzw. könne) vorliege. Festeingebaute Turngeräte sowie Plastikboden mit Bodenmarkierungen verminderten zumindest die Attraktivität des Saales für die in den üblichen Gasthaussälen abgehaltenen gewerblichen Veranstaltungen sowie Hochzeiten, Beerdigungen, Sommerfeste u.dgl. Diene sie aber nur einigen Großveranstaltungen, für die die Beschaffenheit des Saales zweitrangig sei, wäre die Wirtschaftlichkeit einer derartigen Investition zumindest fraglich. Zudem sei noch die wahrscheinlich vorhandene Feuergefährlichkeit eines Plastikbodens hinderlich für jede Art von Veranstaltungen, bei denen Alkohol- und auch Nikotinkonsum in großem Ausmaß gegeben sei. Genauere Feststellungen darüber erübrigten sich aber; denn auf Grund der tatsächlich festgestellten Verwendung und des Umfanges der Betriebseinnahmen für die Jahre 1975 bis einschließlich November 1979 ergebe sich für die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein klares Bild. Verschiedene Veranstaltungen seien in diesen Jahren im Durchschnitt 13 bis 18mal abgehalten worden. Die Benützung als Turnsaal sei hingegen in folgendem Ausmaß erfolgt: Es hätten durchschnittlich 70 Kinder - aufgeteilt auf drei Klassen - die Halle frequentiert, wobei je Klasse zwei Turnstunden in der Woche stattfänden. Umgerechnet ergebe dies eine Zahl von jährlich zirka 120 "Schulturnveranstaltungen", denen die oben erwähnte geringe Zahl von 13 bis 18 sonstigen Veranstaltungen gegenüberstehe.
An Einnahmen seien für 1975 S 591,60, 1976 S 18.571,67, 1977 S 14.293,80, 1978 S 13.350,-- und 1979 (Jänner bis November) S 14.140,-- erzielt worden.
Da bei einer 50jährigen Nutzung allein die Absetzung für Abnutzung jährlich S 91.413,96 betrage, könne von einer "Tätigkeit von einigem wirtschaftlichem Gewicht" nicht gesprochen werden. Tatsache sei, dass die Halle überwiegend durch die Schule zur Abhaltung der Turnstunden benützt worden sei. Auch zeigten die von der Beschwerdeführerin selbst festgelegten Preise für die Hallenvermietung, dass ihre Tätigkeit, würde sie von einer Einzelperson ausgeübt werden, wohl eher der eines Mäzens oder Sponsors, dem die Förderung des Vereinswesens kultureller und geselliger Belange ein Anliegen sei, gleichzusetzen wäre, als der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Betriebs gewerblicher Art, den das Körperschaftssteuergesetz verstehe. Ihr Interesse als Hoheitskörper drücke die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung selbst aus, wenn sie feststelle, dass es im Gemeindeinteresse liege, derartige Räume zu beschaffen, da im Gemeindebereich ein akuter Mangel an Gaststätten bestehe. Dass in umliegenden und auch nahe liegenden Gemeinden (der Einzugsbereich der Beschwerdeführerin sei das als dicht besiedelt anzusehende Gebiet Judenburg-Knittelfeld-Zeltweg) jedenfalls zahlreiche Gaststätten bestünden, die auf Grund der geringen Entfernung geeignet erschienen, die Aufgabe zu erfüllen, die die Beschwerdeführerin der streitgegenständlichen Mehrzweckhalle zuzumessen gedenke, lasse ebenfalls den Schluss zu, dass eher Gemeindeinteressen hoheitlicher Art beim Bau der Halle im Vordergrund gestanden seien.
In der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde werden sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Zuerkennung der bei der Errichtung der Mehrzweckhalle entstandenen Vorsteuern verletzt. Weiters rügt die Beschwerdeführerin im Sinne eines Beschwerdepunktes, die Abgabenhehörden hätten zwar die Unternehmereigenschaft in Abrede gestellt, jedoch die vereinnahmten Entgelte für Miete und Betriebskosten in der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer belassen.
In der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt die belangte Behörde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 UStG 1972 können nur Unternehmer einen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Nach § 2 Abs. 1 UStG 1972 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers.
Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
Zufolge § 2 Abs. 3 UStG 1972 sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 KStG 1966) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betriebe gewerblicher Art im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten jedoch stets die im Gesetz näher bezeichneten "Versorgungsbetriebe" sowie die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlichrechtliche Körperschaften.
Die Regelung des letztangeführten Satzes bedeutet, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts mit einer Vermietung und Verpachtung von Grundstücken auch dann eine Unternehmertätigkeit entfalten, wenn sich die Vermietung und Verpachtung innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft öffentlichen Rechts nicht wirtschaftlich heraushebt oder keine Tätigkeit von einigem wirtschaftlichen Gewicht ist. Die Wortfolge "jedoch stets" spricht gegen eine Gleichstellung der Vermietung und Verpachtung mit den "echten" Betrieben gewerblicher Art im Sinne des ersten Satzes des § 2 Abs. 3 UStG 1972 (s.a. Kranich Siegl-Waba, Mehrwertsteuerkommentar, § 2 Anm. 479). Eine solche Gleichstellung ist auch dem im angefochtenen Bescheid zum Teil wörtlich wiedergegebenen und in der Gegenschrift ausdrücklich zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Jänner 1979, Zlen. 2807, 2843/76 (S1g.Nr. 5333/F), nicht zu entnehmen. Schließt doch dieses Erkenntnis die Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 2 Abs. 3 letzter Satz UStG 1972 von den an "echte" Betriebe gewerblicher Art gestellten Anforderungen aus (siehe den Klammerausdruck auf Seite 13 des Erkenntnisses "von der Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 2 Abs. 3 letzter Satz UStG 1972 abgesehen").
Die belangte Behörde hat sohin der Beschwerdeführerin den auf die Errichtung der Mehrzweckhalle entfallenden Vorsteuerabzug, wie er sich aus § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 im Zusammenhalt mit Abs. 2 der Gesetzesstelle für Gebäude (und nicht, wie in der Gegenschrift geäußert, nach der Grundregel des überwiegenden Zweckes) ergibt, zu Unrecht mit fehlender Unternehmenseigenschaft der Vermietungstätigkeit versagt.
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie beabsichtige, die Mehrzweckhalle nicht mehr bloß wie bisher durch Vermietung zu nutzen, sondern in ihr künftig auch einen "echten" Betrieb gewerblicher Art in Form einer gastgewerblichen Tätigkeit auszuüben, sei bemerkt, dass § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 dem Unternehmer den Vorsteuerabzug nur bezüglich der Lieferungen oder sonstigen Leistungen, die "für sein Unternehmen ausgeführt worden sind", zugesteht. Damit stellt das Gesetz bezüglich des Unternehmens des Steuerpflichtigen grundsätzlich auf die Verhältnisse bei Ausführung der Lieferungen oder sonstigen Leistungen ab. Wenn auch im Sinne des hg. Erkenntnisses Zlen. 2807, 2843/76, Slg. 5333/F, in der Anfangsphase einer Unternehmertätigkeit die Betrachtung eines längeren Zeitraumes geboten sein mag, so kann dies jedenfalls nicht so weit gehen, dass auch einer Ausweitung der ursprünglichen Verwendung eines Gebäudes für Unternehmenszwecke im Zusammenhang mit der Änderung der Art der Gebäudeverwendung Rechnung zu tragen wäre. Dazu kommt im Beschwerdefall, dass selbst die im Juli 1981 eingebrachte Beschwerde nicht mehr als die Erwartung ausdrückt, dass mit der (1975 errichteten) Mehrzweckhalle ab 1981 Einnahmen in einer Höhe erzielt werden, die an einen Betrieb gewerblicher Art (nunmehr gastgewerblicher Betrieb) als Erfordernis gestellt werden.
Zusammenfassend erweist sich der angefochtene Bescheid auf Grund der unzutreffenden Annahme, die Beschwerdeführerin hätte mit den strittigen Vermietungen der Mehrzweckhalle keine Unternehmertätigkeit entfaltet, als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Eingabengebühr war allerdings nur je Beschwerdeausfertigung und nicht je Bogen zu entrichten und zu ersetzen, weshalb das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen war.
Wien, am 28. Jänner 1982
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1982:1981150072.X00Im RIS seit
28.01.1982Zuletzt aktualisiert am
17.05.2011