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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Aufhebung der Festlegung einer Pauschalgebühr für Bauaufträge im Vergabenachprüfungsverfahren in Hinblick auf den im Oberschwellenbereich gelegenen Wert des Gesamtauftrags einerseits, im Gegensatz zum im Unterschwellenbereich gelegenen Auftragswert des angefochtenen Bauloses; denkmögliche Anwendung auch der Berechnungsgrundlage trotz bereits vorgenommener Wertanpassungen; kein Verordnungscharakter der Verlautbarungen über die Wertanpassung; Unsachlichkeit der Verpflichtung zur Entrichtung der höheren Gebühr für den Gesamtwert; Hinweis auf die VorjudikaturSpruch
1. Die Wortfolge "Bauaufträge .......... 1.750 Euro" im §1 Abs1 litd der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über das Ausmaß der Verwaltungsabgaben und über die Art der Einhebung der Verwaltungsabgaben in Vergabenachprüfungsverfahren, LGBl. Nr. 4/2003, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Die gesetzwidrige Bestimmung ist auch in den beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg zu UVS-314-008/E5-2006 und UVS-314a-005/E2-2006 anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.
3. Die Vorarlberger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (im Folgenden: UVS) stellte ein übergangener Bieter einen Antrag auf Nichtigerklärung einer Vergabeentscheidung des Landes Vorarlberg betreffend den Bauauftrag "Landesstraße L 198, Lechtalstraße, km 8,70 - km 9,10, Lech-Mühleloch, Instandsetzung, Straßenbau" hinsichtlich Abschnitt B) sowie einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Während der UVS letzterem Antrag stattgab und eine einstweilige Verfügung erließ, gab er dem Antrag auf Nichtigerklärung gemäß §§4 Abs2 und 13 Abs1 des Vorarlberger Landesgesetzes über die Nachprüfung der Vergabe von Aufträgen (Vergabenachprüfungsgesetz), LGBl. Nr. 1/2003 (im Folgenden: VergNPG) keine Folge.
Aus Anlass dieses Verfahrens stellt der UVS den Antrag, die im Spruch ersichtliche Wortfolge in §1 Abs1 litd der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über das Ausmaß der Verwaltungsabgaben und über die Art der Einhebung der Verwaltungsabgaben in Vergabenachprüfungsverfahren, LGBl. Nr. 4/2003 (im Folgenden: VerwaltungsabgabenVO), als gesetzwidrig aufzuheben. In eventu wird die Aufhebung dieser Bestimmung "idF der Verlautbarung 'Verwaltungsabgabenverordnung für Vergabenachprüfungsverfahren, Verwaltungsabgaben - Wertanpassung für das Jahr 2006', ABl. Nr. 48/2005, soweit sie Bauaufträge betrifft", beantragt.
2. Zur Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge führt der UVS aus, dass für einen Bescheid, der aufgrund eines Antrages gemäß §4 Abs2 oder 3 in einem Nachprüfungsverfahren ergeht oder in dem über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, der jeweilige Antragsteller eine Verwaltungsabgabe gemäß §18 Abs1 VergNPG zu entrichten habe. Mit der oben erwähnten Erledigung der Anträge des Bieters seien im Anlassverfahren solche Bescheide ergangen. Da es sich im vorliegenden Fall um einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich handle, habe der UVS die angefochtene Wortfolge in der Entscheidung über die Entrichtung einer Verwaltungsabgabe, die er jeweils gemäß §59 AVG einer gesonderten Entscheidung vorbehalten habe, anzuwenden.
3. Zur Geltendmachung seiner Bedenken verwies der UVS auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 2006, G154/05, V118/05, in dem Wortfolgen im Bundesvergabegesetz 2002 (im Folgenden: BVergG) für verfassungswidrig und eine Wortfolge in §1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Anspruchnahme des Bundesvergabeamtes (im Folgenden: PauschalgebührenVO) für gesetzwidrig erklärt wurden. Der UVS gab die wesentlichen Entscheidungsgründe wieder und führte aus, dass er sich den im Erkenntnis vom 4. März 2006 zum Ausdruck kommenden Erwägungen anschließe und diese Bedenken auch hinsichtlich der vergleichbaren Bestimmung der VerwaltungsabgabenVO zutreffen würden.
4. Die Vorarlberger Landesregierung hat im Verordnungsprüfungsverfahren den Verordnungsakt vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie die Abweisung des Antrages begehrt und in der Sache den Bedenken des UVS entgegen tritt.
Nach Auffassung der Vorarlberger Landesregierung ist die Rechtslage nicht mit jener des BVergG 2002, das dem Erk. vom 4. März 2006, G154/05, V118/05, zugrunde lag, vergleichbar. Da nach §18 Abs1 VergNPG die Abgabe nicht für jeden Antrag, sondern nur für jeden Bescheid zu entrichten sei, unterliege der Antrag, mit dem ein Nichtigerklärungsverfahren in ein Feststellungsverfahren übergeleitet wird, "im Normalfall" keiner weiteren Abgabe.
Auch im Falle eines Widerrufs durch den Auftraggeber oder bei Antragszurückziehung sei das Verfahren ohne Bescheid einzustellen, sodass keine weitere Abgabe anfalle. Da nach ständiger Praxis die einstweilige Verfügung für die Dauer des gesamten Verfahrens gewährt werde, sei ebenso ein (abgabenpflichtiger) Verlängerungsantrag nicht nötig.
Ferner betrage die Gebühr im BVergG € 2.500,--, die entsprechende Abgabe nach der VerwaltungsabgabenVO dagegen nur € 1.750,-- bzw. nunmehr € 1.845,50 und liege daher 30 % unter dem für verfassungswidrig erklärten Gebührensatz.
Die Kumulierung von Abgaben für Nichtigerklärungsanträge und Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erachtet die Landesregierung als sachlich gerechtfertigt, weil die Entscheidungen über diese Anträge unterschiedlichen Inhalts und gleichermaßen für den Antragsteller von Nutzen seien: Die Entscheidung über den Nichtigerklärungsantrag sichere die rechtsrichtige Anwendung der Vergabevorschriften, und die einstweilige Verfügung gewährleiste, dass der Bieter nicht auf Schadenersatzansprüche beschränkt werde.
Wie bereits die Bundesregierung im Verfahren G154/05, V118/05, betont auch die Landesregierung die Zweckmäßigkeit des im Vergaberecht konstituierten Systems der gesondert anfechtbaren Entscheidungen.
II. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Gemäß §18 Abs1 VergNPG hat der Antragsteller für einen Bescheid, der auf Grund eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages gemäß §4 Abs2 oder 3 in einem Nachprüfungsverfahren ergeht oder in dem über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, eine Verwaltungsabgabe zu entrichten. Die Höhe dieser Verwaltungsabgabe hat die Landesregierung durch Verordnung festzulegen, wobei die Verwaltungsabgabe im Einzelfall € 3.600,-- nicht übersteigen dürfe (§18 Abs3). §18 VergNPG lautet folgendermaßen:
"§18
Verwaltungsabgaben
(1) Für einen Bescheid, der aufgrund eines Antrags gemäß §4 Abs2 oder 3 in einem Nachprüfungsverfahren ergeht oder in dem über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, hat der Antragsteller eine Verwaltungsabgabe zu entrichten.
(2) Für einen Bescheid, in dem über einen Antrag auf Teilnahme am Nachprüfungsverfahren entschieden wird, hat der den Teilnahmeantrag stellende Antragsteller eine Verwaltungsabgabe zu entrichten.
(3) Die Landesregierung hat die Höhe der gemäß Abs1 und 2 zu entrichtenden Verwaltungsabgaben in festen Sätzen (Tarifen), die nach sachlichen Merkmalen abgestuft sein können, durch Verordnung festzulegen. Die Verwaltungsabgabe darf im Einzelfall 3.600 Euro nicht übersteigen. Verwaltungsabgaben gemäß Abs2 dürfen in einem Ausmaß von höchstens 50% der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren gemäß Abs1 erhobenen Sätze festgesetzt werden. Die Landesregierung kann vorsehen, dass sich die Gebührensätze jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres in dem Ausmaß ändern, in dem sich der vom Amt der Vorarlberger Landesregierung kundgemachte durchschnittliche Lebenshaltungskostenindex des jeweils zweitvorangegangenen Jahres gegenüber dem der Gebührenfestsetzung zweitvorangegangenen Jahr geändert hat.
(4) Die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Verwaltungsabgabe tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der die Abgabenpflicht auslösende Bescheid gegenüber dem Abgabepflichtigen erlassen wird.
(5) Die Verwaltung dieser Abgabe obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat. Die Festsetzung dieser Abgabe ist tunlichst in den Spruch des die Abgabepflicht auslösenden Bescheides aufzunehmen. Die Abgabe fließt dem Land zu.
(6) Die §§3 Abs1, 5 Abs2 und 3 sowie der §9 Abs1 und 2 lita des Verwaltungsabgabengesetzes gelten sinngemäß."
Die Vorarlberger Landesregierung erließ unter Inanspruchnahme der Verordnungsermächtigung des §18 Abs3 VergNPG die entsprechende VerwaltungsabgabenVO, deren §1 idF LGBl. Nr. 4/2003 folgendermaßen lautet (die angefochtene Wortfolge ist durch Fettdruck hervorgehoben):
"§1
Ausmaß der Verwaltungsabgaben
(1) Für einen Bescheid, der auf Grund eines Nichtigerklärungsantrags (§4 Abs2 Vergabenachprüfungsgesetz) oder auf Grund eines Feststellungsantrags (§4 Abs3 Vergabenachprüfungsgesetz) in einem der nachfolgenden Nachprüfungsverfahren ergeht, ist folgender Tarif maßgebend:
a) in Direktvergabeverfahren 140 Euro
b) in Verhandlungsverfahren ohne
vorherige Bekanntmachung gemäß
§26 Abs3 und 4 BVergG 2002
betreffend Bauaufträge 280 Euro
Liefer- und Dienstleistungsaufträge 210 Euro
Geistig-schöpferische Dienstleistungen 245 Euro
c) in nicht offenen Verfahren ohne
vorherige Bekanntmachung gemäß
§26 Abs1 BVergG 2002
betreffend Bauaufträge 420 Euro
Liefer- und Dienstleistungsaufträge 245 Euro
d) in allen sonstigen Verfahren im
Unterschwellenbereich betreffend
Bauaufträge 1.750 Euro
Liefer- und Dienstleistungsaufträge 560 Euro
e) in allen Verfahren im
Oberschwellenbereich betreffend
Bauaufträge 3.600 Euro
Liefer- und Dienstleistungsaufträge 1.120 Euro
(2) Für einen Bescheid, in dem über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (§15 Vergabenachprüfungsgesetz) betreffend ein Nachprüfungsverfahren gemäß Abs1 entschieden wird, ist der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren festgesetzte Tarif gemäß Abs1 maßgebend."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Zulässigkeit:
Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung den antragstellenden UVS an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Behörde in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden UVS im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).
Die angefochtene Wortfolge der VerwaltungsabgabenVO enthält jenen Betrag, dessen Wert gemäß §18 Abs3 letzter Satz VergNPG an den Änderungen des Lebenshaltungskostenindex des jeweils zweitvorangegangenen Jahres angepasst werden kann und der sich gemäß §2 VerwaltungsabgabenVO entsprechend dem vom Amt der Vorarlberger Landesregierung kundgemachten durchschnittlichen Lebenshaltungskostenindex ändert.
Zur Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge der VerwaltungsabgabenVO wird hinsichtlich der (im Eventualantrag genannten) Verlautbarung ABl. Nr. 48/2005 auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 2006, V8/06, verwiesen, mit dem der Tarifsatz für Bauaufträge im Oberschwellenbereich in §1 Abs1 lite VerwaltungsabgabenVO als gesetzwidrig aufgehoben wurde. Da auch sonst im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind, die gegen die Zulässigkeit des vorliegenden Antrages sprechen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
2. In der Sache:
2.1. Im bereits erwähnten Erkenntnis vom 4. März 2006,
G154/05, V118/05, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass
die Wortfolge "und 175 Abs1" in §177 Abs1 sowie die Wortfolge
"Bauaufträge .......... 2.500 €" in der fünftletzten Zeile des
Anhanges X des BVergG verfassungswidrig und die Wortfolge
"Bauaufträge .......... 2.500 €" in der fünftletzten Zeile des §1 der
PauschalgebührenVO gesetzwidrig waren. Seine Entscheidung begründete er wie folgt:
"2.1 Die Festsetzung einer Pauschalgebühr in gleicher Höhe für jeden der in §177 Abs1 BVergG genannten Anträge ist unsachlich:
[...]
Die Bedenken richteten sich [...] dagegen, dass die (im Anlassverfahren präjudizielle) Pauschalgebühr für Bauaufträge im Unterschwellenbereich vom Antragsteller nicht nur einmal (etwa für einen Nachprüfungsantrag gemäß §163 Abs1 BVergG), sondern in gleicher Höhe auch für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie für jeden weiteren Antrag auf Verlängerung der einstweiligen Verfügung (solche werden oft befristet gewährt und können ohne Verlängerung noch vor Entscheidung in der Hauptsache ablaufen) und weiters noch für einen allenfalls nachfolgenden Feststellungsantrag zu entrichten ist. Im Anlassfall etwa hatte der Beschwerdeführer auch den Feststellungsantrag gemäß §175 Abs1 BVergG in gleicher Höhe wie den bereits vergebührten Nachprüfungsantrag, der durch den späteren Widerruf der angefochtenen Ausschreibung durch den Auftraggeber unzulässig wurde, erneut zu vergebühren. Der Gerichtshof nahm in seinem Prüfungsbeschluss vorläufig an, dass diese mehrfache Gebührenpflicht für Anträge betreffend dieselbe Vergabe in keinem auch nur annähernden Verhältnis zum jeweiligen Verfahrensaufwand, der zur Entscheidung über die Anträge erforderlich ist, steht.
Die Vergebührung eines Feststellungsantrages nach §175 Abs1 BVergG kann mit der Vergebührung eines Nachprüfungsantrages und eines Antrages auf Erlassung oder Verlängerung einer einstweiligen Verfügung kumulieren. Verstärkt kommt es zu einer Kumulierung beim Widerruf der Ausschreibung, der nicht ganz selten bei ein und derselben Auftragsvergabe mehrfach erfolgt, was dann zu mehreren Vergabekontrollverfahren und damit zu einem neuerlichen Anfallen der Pauschalgebühr führt.
Zu einer weiteren Kumulierung führt auch das System gesondert anfechtbarer Entscheidungen. Der Gerichtshof teilt zwar die Ansicht der Bundesregierung, dass das System gesondert anfechtbarer Entscheidungen regelmäßig zu einer raschen Abwicklung von Rechtsschutzverfahren im Vergabewesen dient. Er folgt auch dem Argument der Bundesregierung, dass die jeweils angefochtenen Entscheidungen einen eigenen Verfahrensgegenstand betreffen, sodass im Prinzip auch eine Vergebührung jedes der Anträge an sich sachlich ist.
Der Umstand, dass Entscheidungen des Auftraggebers aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht bloß gemeinsam mit der Anfechtung der Zuschlagsentscheidung bekämpft werden können, ändert aber nichts daran, dass der Antragsteller mehrfach hohe Pauschalgebührensätze bei derselben Auftragsvergabe zu entrichten hat, ohne dass die Multiplizierung der Gebühr einer vergleichbaren Multiplizierung des Aufwandes gegenübersteht, weil bei jedem weiteren Verfahrensschritt in der Regel auf vorherige Verfahrensschritte zumindest teilweise zurückgegriffen werden kann, was sich etwa zeigt, wenn auf ein Nachprüfungsverfahren ein Feststellungsverfahren folgt. Gerade im Unterschwellenbereich stehen die kumulierten Gebühren häufig in einem groben Missverhältnis zu der erwarteten Gewinnspanne, sodass die Gebühren im Ergebnis zu einer Beeinträchtigung der Effizienz des Rechtsschutzes führen. Auch erhöht sich das Nutzenäquivalent, also das wirtschaftliche Interesse des Unternehmers an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, nicht mit der Notwendigkeit mehrfacher Antragstellung.
2.2 Die Bundesregierung versucht dieses System damit zu rechtfertigen, dass es der Hintanhaltung völlig aussichtsloser oder mutwilliger Anträge diene.
Nun ist dem Gesetzgeber an sich überlassen, ein Gebührensystem so zu gestalten, dass dem rechtspolitisch legitimen Ziel der Schaffung einer angemessenen Verfahrensbarriere Rechnung getragen wird. Dabei darf aber nicht gleichzeitig das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Effizienz des Rechtsschutzes verletzt werden.
Die Bundesregierung versucht das Bedenken ferner zu entkräften, indem sie auf die Möglichkeit eines Gebührenersatzes im Falle des Obsiegens verweist. Der Verfassungsgerichtshof bestätigt seine bereits in seinem Prüfungsbeschluss vertretene Auffassung, dass ein möglicher Gebührenersatz weder die Unsachlichkeit einer jedenfalls vorläufig zu bestreitenden (und allenfalls auch endgültig zu tragenden) Gebühr zu rechtfertigen vermag, noch die durch eine hohe Verfahrensgebühr beeinträchtigte Effektivität des Rechtsschutzes wiederherstellt. Ein verfassungswidriges Gebührensystem wird nicht dadurch verfassungsmäßig, dass die Gebühr letztlich unter Umständen von einer anderen Partei zu tragen ist.
Im Übrigen tritt der den Rechtsschutz beeinträchtigende Effekt einer Gebühr bereits mit der vorläufigen Entrichtung der hohen Gebühren ein. Jeder Bieter und Rechtsschutzwerber hat - nicht nur bei aussichtslosen oder mutwilligen Prozessführungen - ein Verfahrensrisiko zu kalkulieren. Der Erfolg eines Rechtsmittels ist fast nie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar, sodass jeder Rechtsmittelwerber das Risiko der Tragung auch der Gebühr der (allenfalls obsiegenden) Gegenpartei in Betracht zu ziehen hat. Dabei wird er das Gebührenrisiko und den möglichen Nutzen (erzielbare Gewinnspanne) gegeneinander abwägen. Gerade bei Vergaben im Unterschwellenbereich, an denen sich auch kleinere Unternehmen beteiligen, wird diese Abwägung bei sorgfältiger kaufmännischer Überlegung zum Verzicht auf einen (vielleicht durchaus aussichtsreichen) Rechtsschutz führen.
Der Umstand, dass es Fälle gibt, in denen der Antragsteller die ausgelegte Pauschalgebühr nicht ersetzt erhält, obwohl er nicht als Unterliegender anzusehen ist, verstärkt nur noch die Wirkung der Gebührenhöhe. Soweit die Bundesregierung meint, dass derartige Konstellationen nicht vorkommen, sei darauf hingewiesen, dass beim Verfassungsgerichtshof derartige Fälle anhängig sind.
Die Möglichkeit des Ersatzes einer vorläufig zu bestreitenden hohen Verfahrensgebühr verhindert also nicht deren Wirkung als Verfahrensbarriere, selbst bei aussichtsreichen Anträgen von der Inanspruchnahme des Rechtsschutzes abzuhalten.
Auch das von der Bundesregierung zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2004, 2004/04/0081, vermag ihren Prozessstandpunkt nicht zu stützen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof seine verfassungsrechtliche Beurteilung ausdrücklich aus der Sicht des zugrunde liegenden Verfahrens vorgenommen und die Existenz einer Gebührenersatzregelung lediglich als einen (für die Frage der Effizienz des Rechtsschutzes) weiteren hinzutretenden Aspekt gewürdigt, nicht aber als einzig entscheidenden Umstand gewertet.
2.3 Zum Vorbringen der Bundesregierung, dass die Einnahmen aus der Entrichtung von Pauschalgebühren den Aufwand des BVA im Jahr 2005 nur zu einem Drittel gedeckt haben, sei darauf hingewiesen, dass es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz gibt, wonach Rechtsschutz nur dann gewährt werden muss, wenn die Parteien dessen Kosten zu tragen gewillt sind. Im Gegenteil: Das gesetzgeberische Anliegen der Deckung des durchschnittlichen Verfahrensaufwandes darf jedenfalls nicht dazu führen, dass die Effektivität des Rechtsschutzes beeinträchtigt wird.
3. Die Bedenken haben sich als gerechtfertigt erwiesen. Die Kumulierung und Multiplizierung der (hohen) Gebühren ist unsachlich und behindert die Effizienz des Rechtsschutzes."
2.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Auffassung des antragstellenden UVS, dass sich die angefochtene Wortfolge der VerwaltungsabgabenVO - im Hinblick auf die im Erkenntnis vom 4. März 2006 zum Ausdruck kommenden Erwägungen - nicht von den für verfassungs- bzw. gesetzwidrig erkannten Bestimmungen des Bundesvergaberechts in relevantem Maße unterscheidet (zum Tarifsatz für Bauaufträge im Oberschwellenbereich nach der VerwaltungsabgabenVO vgl. VfGH 19.6.2006, V8/06, und zum Tarifsatz für Bauaufträge im Unterschwellenbereich nach dem Steiermärkischen Vergabenachprüfungsgesetz vgl. VfGH 4.10.2006, G35/06, V24/06).
Gemäß §18 Abs1 VergNPG zieht ein Nachprüfungsantrag und ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung jeweils eine gleich hohe Abgabe nach sich, ohne dass der durchschnittliche behördliche Verfahrensaufwand bei Erledigung dieser Anträge auch nur annähernd gleich hoch ist. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die vorliegende Rechtslage nicht von jener, die dem obzitierten Erk. vom 4. März 2006, G154/05, V118/05, zu Grunde lag.
Die Argumentation der Vorarlberger Landesregierung, die gleich hohe Abgabe für beide Anträge sei sachlich gerechtfertigt, weil im Provisorialverfahren eine Interessenabwägung und damit ein anderer Prozessstoff als im Nachprüfungsverfahren zu bewältigen sei, wurde bereits von der Bundesregierung im Verfahren G154/05, V118/05 vorgebracht und vom Gerichtshof mit ausführlicher Begründung verworfen, weshalb auf die diesbezüglichen Erwägungen im Erk. verwiesen wird. Ebenso hat der Gerichtshof in diesem Erk. die (schon von der Bundesregierung und nunmehr von der Landesregierung hervorgehobene) Zweckmäßigkeit des Systems gesondert anfechtbarer Entscheidungen betont, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass der Antragsteller mehrfach hohe Tarifsätze bei derselben Auftragsvergabe zu entrichten hat, ohne dass die Multiplizierung der Gebühr einer vergleichbaren Multiplizierung des Aufwandes gegenübersteht. Die Multiplizierung ergibt sich nicht nur durch die Vergebührung des Bescheides über den Nachprüfungsantrag und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, sondern auch mit Bescheiden über gesondert anfechtbare Entscheidungen im selben Vergabeverfahren.
Dass der angefochtene Tarifsatz - wie die Vorarlberger Landesregierung vorbringt - (derzeit) etwas niedriger ist als jener, der im Erk. vom 4. März 2006 für verfassungswidrig erklärt wurde, wird zum Einen schon durch den Umstand relativiert, dass der obsiegende Antragsteller - anders als beim BVergG - überhaupt keinen Gebührenersatz erhält, und ändert zum Anderen auch deshalb am Ergebnis nichts, weil weder bei jenem Gebührensatz des BVergG noch im vorliegenden Fall von einer geringfügigen Mindestgebühr gesprochen werden kann.
Dem Antrag des UVS war daher stattzugeben und die angefochtene Wortfolge als gesetzwidrig aufzuheben.
IV. 1. Da eine förmliche Einbeziehung der erst am 5. September 2006 eingelangten und zu V65/06 protokollierten Anträge des UVS in das Verordnungsprüfungsverfahren im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozessgeschehen nicht mehr möglich war, hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, von der ihm gemäß Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und die Anlassfallwirkung auch auf die beim UVS zu UVS-314-008/E5-2006 und UVS-314a-005/E2-2006 anhängigen Rechtssachen auszudehnen (vgl. VfSlg. 11.455/1987, 14.801/1997, 15.442/1999).
2. Der Ausspruch der Kundmachungspflicht im Landesgesetzblatt gründet sich auf Art139 Abs5 B-VG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Vergabewesen, Gebühr, VfGH / Aufhebung Wirkung, Verordnungsbegriff, VfGH / AnlaßverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:V63.2006Dokumentnummer
JFT_09938989_06V00063_00