TE Vwgh Erkenntnis 1982/10/20 3115/80

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Veröffentlicht am 20.10.1982
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
64/03 Landeslehrer;

Norm

BDG 1977 §57 Z2;
BDG 1977 §83;
BDG 1977 §84 Abs1;
LDG 1962 §2;
LDG 1962 §56 Abs1;
LDG 1962 §56 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Kirschner, Dr. Liska, Dr. Griesmacher und Mag. Meinl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde des W B in W, vertreten durch Dr. Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien I, Tuchlauben 14, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Stadtschulrat für Wien vom 27. Juni 1980, Disz.Zl. 7/78, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides als Landeslehrer in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Land Wien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Landeslehrer beim Stadtschulrat für Wien vom 8. Jänner 1980, Disz.Zl. 7/78, auf Grund der Berufungen des Beschwerdeführers und des Disziplinaranwaltes aufgehoben. Nach dem weiteren Spruch des angefochtenen Bescheides habe sich der Beschwerdeführer am Handel mit Suchtgift beteiligt und sei deshalb mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Jänner 1979 wegen des Verbrechens nach § 6 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes als Beteiligter nach § 12 des Strafgesetzbuches rechtskräftig zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe daher seine Pflichten gemäß § 25 Abs. 2 des Landeslehrer-Dienstgesetzes, wonach der Landeslehrer verpflichtet sei, die Rechtsvorschriften zu beachten, sowie gemäß § 26 Abs. 2 dieses Gesetzes verletzt, wonach der Landeslehrer im und außer Dienst das Ansehen des Lehrerstandes zu wahren und alles zu vermeiden habe, was dem Vertrauen, das seine Stellung erfordere, widerspreche. Über den Beschwerdeführer wurde deshalb gemäß § 86 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 329/1977, die Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 4 dieses Gesetzes verhängt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellt die belangte Behörde zu den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers u.a. fest, dass für Landeslehrer nach wie vor auf Grund der Bestimmungen des Landeslehrer-Dienstgesetzes 1962, BGBl. Nr. 245, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1977 und nicht das (neue) Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 anwendbar sei.

In der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Durch den angefochtenen Bescheid erachte sich der Beschwerdeführer insbesondere in seinen Rechten auf Durchführung eines gesetzmäßigen Berufungsverfahrens unter Gewährung des Parteiengehörs nach den §§ 124 ff des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, auf Gewährung des Parteiengehörs und auf eine Bescheidbegründung im Sinne des § 105 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 in Verbindung mit den §§ 37, 39 und 60 AVG 1950, verletzt. In der Beschwerde wird u.a. behauptet, dass wegen der Heranziehung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1977 ein unrichtiges Gesetz angewendet worden sei. Ferner rügt der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde keine Berufungsverhandlung durchgeführt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

1.) Zur Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides:

Der mit "Anwendung von für Bundeslehrer geltenden disziplinarrechtlichen Vorschriften" überschriebene § 56 des Landeslehrer-Dienstgesetzes (LDG), in der Fassung des Bundesgesetzes vom 23. Mai 1978, BGBl. Nr. 261 (Art. I Z. 15), bestimmt in seinen Absätzen 1 und 2:

"(1) Für die Ahndung von Dienstpflichtverletzungen finden im Sinne des § 2 dieses Gesetzes die §§ 51 bis 55, 65 bis 81, 87 bis 89, 91 bis 94 sowie 126 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes Anwendung. § 87 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes findet mit der Abweichung Anwendung, dass die näheren Bestimmungen über die Verwendung der im Disziplinarverfahren eingegangenen Geldstrafen und Geldbußen durch Verordnung der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde zu erfolgen hat.

(2) Sofern die Landesgesetzgebung Disziplinarkommissionen vorsieht, finden für das Verfahren vor diesen im Sinne des § 2 dieses Gesetzes die §§ 83 bis 86 und 90 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes Anwendung; soweit in den genannten Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes Regelungen im Hinblick auf den Disziplinaranwalt enthalten sind, gelten diese nur, sofern die Landesgesetzgebung zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren einen Disziplinaranwalt vorsieht. Entscheidungen in Disziplinarkommissionen haben mit Stimmenmehrheit zu erfolgen; die Disziplinarstrafe der Entlassung darf jedoch nur einstimmig verhängt werden. Der Vorsitzende hat seine Stimme zuletzt abzugeben."

Diese Bestimmung ist gemäß Art. IV Abs. 2 des angeführten Bundesgesetzes BGBl. Nr. 261/1978 mit dem auf die Kundmachung dieses Bundesgesetzes folgenden Tag, das war der 17. Juni 1978, in Kraft getreten. Sie hat sich auf die im einzelnen angeführten Paragraphen des damals geltenden Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 329/1977, bezogen.

Der Absatz 1 des im § 56 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstgesetzes ausdrücklich angeführten § 2 des Landeslehrer-Dienstgesetzes lautet, soweit dies im hier gegebenen Zusammenhang von Bedeutung ist:

"(1) Soweit in den folgenden Bestimmungen für Bundeslehrer geltende Vorschriften auf die im § 1 genannten Personen für anwendbar erklärt werden, sind diese Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung (einschließlich der in den Novellen zu diesen Vorschriften sonst enthaltenen Bestimmungen) mit der Maßgabe anzuwenden, dass ..."

Das Beamten-Dienstrechtsgesetz (1977) ist mit dem Inkrafttreten des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, das war mit 1. Jänner 1980, außer Kraft getreten (vgl. § 185 Abs. 2 Z. 4 in Verbindung mit § 199 Abs. 1 dieses Gesetzes).

Das mit 1. Jänner 1980 in Kraft getretene Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 enthält keine Bestimmung des Inhaltes, dass die mit den §§ 51 bis 55, 65 bis 81, 87 bis 89, 91 bis 94 und 126 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (1977) wörtlich übereinstimmenden Regelungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 auch für Landeslehrer gelten, ebenso wenig enthält es eine allgemein gehaltene Bestimmung darüber, dass in anderen Bundesgesetzen enthaltene Verweisungen auf Normen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (1977) nunmehr auf das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 zu beziehen wären. Auch das Landeslehrer-Dienstgesetz wurde seit der Novelle BGBl. Nr. 261/1978 nicht den Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 angepasst. Von der Verweisung des § 56 in Verbindung mit § 2 des Landeslehrer-Dienstgesetzes sind daher keinesfalls die hier in Betracht kommenden disziplinarrechtlichen Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 erfasst.

Ungeachtet der für ihren Geltungsbereich mit dem Inkrafttreten des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 erfolgten Aufhebung kann jedoch angenommen werden, dass die mehrfach genannten disziplinarrechtlichen Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1977 für den Personenkreis des Landeslehrer-Dienstgesetzes noch in Geltung stehen.

Der Verwaltungsgerichtshof folgt daher der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zum Ausdruck gebrachten Auffassung, dass für Landeslehrer nicht die disziplinarrechtlichen Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, sondern jene des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1977, anzuwenden sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1982, Zl. 09/0817/80).

2.) Zur Verletzung von Verfahrensvorschriften (Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission):

Das Wiener Landeslehrer-Diensthoheitsgesetz, LGBl. für Wien Nr. 4/1979, sieht als Disziplinarbehörden in seinem § 9 außer dem Stadtschulrat für Wien als Dienstbehörde die Disziplinarkommission beim Stadtschulrat für Wien und die Disziplinaroberkommission beim Stadtschulrat für Wien vor. Die Disziplinaroberkommission ist u. a. zur Entscheidung über Berufungen gegen Erkenntnisse der Disziplinarkommission zuständig.

Aus der inhaltlich abschließenden Regelung des § 9 des genannten Wiener Landesgesetzes und aus der organisatorischen Stellung der Disziplinaroberkommission folgt, dass die Entscheidungen der Disziplinaroberkommission über Berufungen gegen Erkenntnis der Disziplinarkommission keinem weiteren Rechtszug mehr unterliegen. Daraus folgt, dass die Beschwerde unter dem Gesichtswinkel der Erschöpfung des Instanzenzuges zulässig ist.

Die nach den oben unter Punkt 1.) wiedergegebenen Bestimmungen des Landeslehrer-Dienstgesetzes in Verbindung mit § 9 des Wiener Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes anzuwendenden Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (1977) über das "Verfahren vor der Disziplinarkommission" (§§ 83 ff) sehen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwingend vor. § 84 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (1977) bestimmt, dass dann, wenn nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen der Sachverhalt ausreichend geklärt ist, die Disziplinarkommission die mündliche Verhandlung anzuberaumen hat (Verhandlungsbeschluss) und dass zu dieser die Parteien sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden sind.

Die hier zwingend vorgeschriebene Anordnung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung lässt eine Einschränkung auf das Verfahren vor der Disziplinarkommission als Disziplinarbehörde erster Instanz (im Sinne des ersten Tatbestandes des § 57 Z. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1977) nicht zu. Auch im Berufungsverfahren vor der Disziplinarkommission (im Sinne des zweiten und dritten Tatbestandes des § 57 Z. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1977) und im Berufungsverfahren vor der Disziplinaroberkommission ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwingend vorgeschrieben. Dies ergibt sich vor allem auch aus der grundsätzlichen Verpflichtung der Disziplinaroberkommission (und der Disziplinarkommission als Berufungsinstanz), "in der Sache" im Umfang der Berufung in gleicher Weise wie die Behörde unterer Instanz (vgl. § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 65 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1977) zu entscheiden (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1981, Zl. 81/09/0019).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt somit die Rechtsansicht der Beschwerde, dass die für das "Verfahren vor der Disziplinarkommission" geltenden Bestimmungen jedenfalls in dem hier gegebenen Zusammenhang mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowohl das Verfahren vor der Disziplinarkommission erster Instanz (im organisatorischen Sinne, also im Sinne des § 57 Z. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1977) und auch das Verfahren vor der Disziplinaroberkommission regeln.

Da die belangte Behörde im Beschwerdefall die von einem Parteiantrag unabhängige Anordnung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers unterlassen hat (vgl. ebenfalls das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1982, Zl. 09/0817/80), hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 führen müssen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 im Beschwerdefall anzuwenden ist.

Wien, am 20. Oktober 1982

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1982:1980003115.X00

Im RIS seit

02.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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