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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
FinStrG §34 Abs1 idF 1975/335;Beachte
Besprechung in: AnwBl 1983/7, S 419;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des Dr. HM in V, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 10. Februar 1982, Zl. 845/1-2/B-1981, betreffend Bestrafung wegen fahrlässiger Abgabenverkürzung (§ 34 Abs. 1 FinStrG), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren auf weiteren Aufwandersatz in der Höhe von S 850,-- wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein öffentlicher Notar, hat Einnahmen von S 76.417,--, die seinen Bankkonti am 30. bzw. 31. Dezember 1976 gutgebucht worden waren, während er von den erfolgten Gutschriften erst am 3. bzw. 4. Jänner 1977 verständigt worden war, als Einnahmen des Jahres 1977 verbucht. Mit Erkenntnis des Finanzamtes vom 8. Oktober 1980 wurde er schuldig erkannt, durch diese Handlungsweise das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG begangen zu haben und es wurde über ihn deshalb eine Geldstrafe von S 13.000,-- verhängt.
In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, die von ihm eingeschlagene Vorgangsweise sei während 34 Jahren von keiner der zahlreichen Betriebsprüfungen beanstandet worden, sie sei nach der Sach- und Rechtslage durchaus vertretbar und müsse, wenn jetzt die Finanzverwaltung einen anderen Standpunkt einnehme, zumindest als entschuldbarer Irrtum angesehen werden.
Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 10. Februar 1982 die gegen den Schuldspruch erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen und die von der ersten Instanz verhängte Geldstrafe auf S 8.000,-- herabgesetzt. In der Begründung für die Abweisung der Berufung im oben genannten Ausmaß wurde ausgeführt, dadurch, dass der Beschwerdeführer ihm 1976 zugeflossene Einnahmen in den Abgabenerklärungen für dieses Jahr nicht bekannt habe, habe er bewirkt, dass die Abgaben für dieses Jahr verkürzt festgesetzt worden seien, woran der Umstand nichts ändere, dass dafür die Abgaben betreffend 1977 zu hoch festgesetzt worden seien, zumal die Veranlagung für 1976 im Dezember 1977 und die für 1977 erst im Februar 1979 erfolgt sei. Ein Verschulden des Beschwerdeführers wäre nur ausgeschlossen, wenn ein unterlaufener Irrtum als entschuldbar angesehen werden könnte, was allenfalls bejaht werden könnte, wenn das Finanzamt bei Kenntnis der unrichtigen Vorgangsweise diese ausdrücklich gebilligt hätte, nicht schon dann, wenn das Finanzamt die Vorgangsweise 34 Jahre lang nicht beanstandet habe. Die vom Beschwerdeführer bei der inkriminierten Vorgangsweise befolgte Auffassung sei auch keinesfalls eine vertretbare, zumal die Rechtslage durch die Rechtsprechung hinlänglich klargestellt sei. Ein die Fahrlässigkeit ausschließender entschuldbarer Irrtum liege daher nicht vor.
Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde und die dazu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG macht sich schuldig, wer die im § 33 Abs. 1 leg. cit. bezeichnete Tat (das Bewirken einer Abgabenverkürzung unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht) fahrlässig begeht. Fahrlässig handelt nach § 8 Abs. 2 leg. cit., wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will. Demnach sind die Komponenten der Fahrlässigkeit a) objektive Sorgfaltspflicht; b) subjektive Befähigung und c) Zumutbarkeit der Sorgfaltsanwendung (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, Wien 1974, TZ. 8 zu § 8).
Die Frage, ob ein auf ein Bankkonto des Zahlungsempfängers eingezahlter Betrag diesem mit dem Zeitpunkt der Gutschrift seitens der Bank oder mit dem Zeitpunkt der Verständigung des Empfängers von dieser Gutschrift zugeflossen ist, wird vom Gesetz nicht ausdrücklich beantwortet. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seiner Rechtsprechung (zuletzt in dem mit ausführlicher Begründung ergangenen Erkenntnis vom 9. März 1982, Zlen. 82/14/0011, 0018 bis 0020) die erste Ansicht, von der auch die Finanzbehörden in der Abgabensache des Beschwerdeführers ausgegangen sind. Da die entgegengesetzte Rechtsansicht aber nach dem Wortlaut der in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen (besonders § 19 EStG 1972) nicht ganz unvertretbar ist, kann eine der letzteren Rechtsansicht gemäße Vorgangsweise einem Steuerpflichtigen nicht als Verschulden, selbst nicht in der Schuldform leichter Fahrlässigkeit, zugerechnet werden. Denn es geht über die zumutbare Grenze der Sorgfaltsanwendung hinaus, von einem Steuerpflichtigen zu fordern, dass er sich vor Abgabe seiner Abgabenerklärungen über den Inhalt der ohnehin komplizierten und umfangreichen Rechtsvorschriften hinaus auch mit der zu diesen in konkreten Fällen ergangenen Judikatur der Höchstgerichte vertraut macht. Dies gilt umsomehr dann, wenn es sich einerseits - wie in der vorliegenden Frage - um eine auf nicht ganz einfachen Auslegungsvorgängen beruhende Judikatur, und anderseits um einen Steuerpflichtigen handelt, bei dem einlässliche Spezialkenntnisse zu dieser Frage nicht vorausgesetzt werden können.
Mithin hat die belangte Behörde das Vorliegen eines Verschuldens seitens des Beschwerdeführers rechtsirrig angenommen, was zur Aufhebung ihres Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes (§ 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965) zu führen hatte, ohne dass auf die weitere Frage einzugehen war, wieweit der Tatbestand einer Abgabenverkürzung hier im Hinblick darauf objektiv verwirklicht war, dass der zugeflossene Betrag bloß 1977 statt 1976 einbekannt und versteuert worden war.
Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Beschwerdeführer beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965. Ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer neben den festgesetzten Pauschalsätzen ist in diesen Bestimmungen nicht vorgesehen. Der Ersatz von Barauslagen für Porti und Kopien ist im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Mai 1977, Zlen. 2957 bis 2959/76, bzw. vom 12. Juni 1975, Zl. 134/75).
Wien, am 7. Dezember 1982
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1982:1982140088.X00Im RIS seit
07.12.1982Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008