TE Vwgh Erkenntnis 1983/1/20 82/06/0126

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Veröffentlicht am 20.01.1983
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
20/05 Wohnrecht Mietrecht;

Norm

BauG Vlbg 1972 §46;
BauG Vlbg 1972 §48;
BauRallg impl;
MRG §16 Abs2;
MRG §18;
MRG §3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde der "Johann W KG" in X vertreten durch Rechtsanwalt N in Y gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 1. Juli 1982, Zl. VIIa-410.227, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom 24. Oktober 1979 stellte die Beschwerdeführerin bei der mitbeteiligten Partei den Antrag auf Erlassung eines Abbruchbescheides gemäß § 48 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972 (BauG), mit dem Hinweis darauf, dass das in ihrem Eigentum stehende Haus S-Straße 17 nicht nur ein schlechtes Dach aufweise, sondern in seiner Gesamtheit derart abgewohnt sei, dass eine Erneuerung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar wäre.

Auf Grund einer Mitteilung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei, dass es eines Ansuchens um Abbruchgenehmigung nach § 23 Abs. 1 lit. k BauG bedürfe, wiederholte die Beschwerdeführerin am 20. November 1979 ihren am 24. Oktober 1979 gestellten Antrag mit dem Verlangen auf Vornahme eines Lokalaugenscheines unter ihrer Beiziehung.

Der Niederschrift über die für 5. Dezember 1979 anberaumte Verhandlung, als deren Gegenstand die Erteilung der baupolizeilichen Bewilligung zum Abbruch des genannten Hauses bezeichnet ist, ist lediglich zu entnehmen, dass ein Vertreter des dabei anwesenden Vorarlberger Hauseigentümerverbandes als Vertreter der Beschwerdeführerin die Erklärung abgegeben habe, innerhalb der nächsten Woche bekannt zu geben, was mit dem Ansuchen weiter geschehen solle.

Mit Schreiben des genannten Vereines vom 14. Dezember 1979 wurde daraufhin als "äußerster Termin für das Inkrafttreten des Verfahrens" der 31. März 1980 bezeichnet und auf die Bemühungen, für die drei noch im Hause wohnenden Mieter Ersatzwohnungen zu finden, verwiesen.

Dem erwiderte der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei am 20. Dezember 1979 schriftlich, ein Auftrag nach § 48 BauG könne nur von Amts wegen erfolgen. Bevor jedoch die Beseitigung gemäß dieser Gesetzesstelle verfügt werde, sei gemäß § 47 leg. cit. die Instandsetzung der Mängel vorzuschreiben. Bei der im Zuge der mündlichen Verhandlung durchgeführten Besichtigung seien, ausgenommen das schadhafte Dach im vorderen Fassadenbereich, keine wesentlichen Mängel festgestellt worden. Sollten durch die Beschwerdeführerin Unterlagen oder Gutachten über notwendige Instandsetzungsarbeiten vorgelegt werden, sei die Behörde selbstverständlich bereit, wenn die Voraussetzungen des § 48 BauG gegeben seien, über eine Abbruchverfügung, worauf aber kein Rechtsanspruch bestehe, zu entscheiden. Völlig getrennt hievon sei ein Ansuchen nach § 23 Abs.1 lit. k BauG zu sehen, welcher den Abbruch als bewilligungspflichtiges Bauvorhaben (wie ein Baugesuch) normiere. Die Gemeinde sehe die Angelegenheit vorläufig als erledigt an und stelle es frei, entsprechende Unterlagen vorzulegen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 16. Juni 1980 wurde sodann unter Hinweis darauf, es sei festgestellt worden, dass sich das Vordach des Hauses abgesenkt habe, sodass die Gefahr des Herunterfallens der Dachziegel akut geworden sei, was sich besonders stark am Kreuzgiebel auf der Ostseite zeige, gemäß § 47 Abs. 1 BauG die Behebung dieser Mängel verfügt und als Termin hiefür eine Frist von vier Wochen gesetzt. Zur Begründung wurde lediglich ausgeführt, die Anordnung nach § 47 Abs. 1 BauG sei deshalb notwendig, weil unmittelbar Gefahr im Verzug bestehe. Der Haupteingang des Hauses befinde sich genau unter dem am stärksten gefährdeten Bereich auf der Ostseite.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung rügte die Beschwerdeführerin, es sei ihr das Ergebnis einer allfälligen Überprüfung nie zur Stellungnahme übermittelt worden, und verwies auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Instandsetzung im Hinblick auf alle baulichen Mängel.

Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Partei vom 7. Oktober 1980 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG unter Hinweis auf die am 6. Dezember 1979 (richtig: 5. Dezember 1979) durchgeführte Verhandlung mit der Begründung abgewiesen, es handle sich nach Meinung der Gemeinde um eher geringfügigere Reparaturarbeiten, die durchaus wirtschaftlich zumutbar seien.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Vorstellung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe zwar Maßnahmen getroffen, dass derzeit niemand gefährdet werden könne, doch seien die aufgetragenen Arbeiten unzumutbar.

Bei der von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz für 2. Juni 1981 anberaumten Verhandlung führte der bautechnische Amtssachverständige aus, das annähernd 100 Jahre alte Haus bestehe aus Erdgeschoß, erstem Stock und ausgebautem Dachgeschoß, wobei das Ober- und Dachgeschoß als Riegelbauwerk ausgeführt seien. Das Dachtragewerk aus Holz sei zum Teil verfault und sanierungsbedürftig. Auch die Dacheindeckung weise Schäden auf, weiters müsse das Blech teilweise erneuert werden. Der Zustand der Wohnungen sei altersbedingt nicht am besten. Das Haus befinde sich grundsätzlich in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Allerdings sei die statische Standsicherheit des Gebäudes jedenfalls für die nächsten 10 bis 20 Jahre gegeben. Die Dachkonstruktion sei im Bereich der angefaulten Sparren so weit zu ergänzen, dass die Gefahr des Herabstürzens der Dacheindeckung nicht bestehe. Weiters sei die Dacheindeckung dort zu erneuern bzw. zu ergänzen, wo sie undicht sei. Die so genannten Windläden an der Stirnseite des Daches seien ebenfalls zu erneuern, ebenso die undichten, zum größten Teil durchgerosteten Dachrinnen. Auch der Kaminverputz sei neu aufzutragen. Als dringende Sofortmaßnahme seien die straßenseitigen Dachsparren beim Kreuzgiebel zu erneuern, die Dacheindeckung zu verbessern und die Verblechung anzubringen. Eine ziffernmäßige Festlegung der Kosten sei sehr schwierig, es sei jedoch anzunehmen, dass mit einem Betrag von ca. 50.000,-- das Auslangen gefunden werde. Dem trat die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den baufälligen Gesamtzustand mit dem Bemerken entgegen, dass eine beigezogene Dachdeckerei mitgeteilt habe, sie wäre nicht in der Lage, das Dach zu decken, da man überall einbreche. Die Mieter würden monatlich insgesamt nur S 450,-- bezahlen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 3. Juni 1981 wurde der Vorstellung keine Folge gegeben. In der Begründung wurde vor allem ausgeführt, dass sich offensichtlich der Zustand des Gebäudes erheblich verschlechtert habe, da die Gemeinde Instandsetzungsarbeiten betreffend das straßenseitige Vordach insbesondere im Bereich des Kreuzgiebels angeordnet habe. Der beigezogene Amtssachverständige sei zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Sanierung durchaus vertretbar sei. Er schätze die Kosten auf ca. S 50.000,--, sofern nur jene Maßnahmen getroffen würden, welche dem Erfordernis der Sicherheit entsprächen. Die Behörde sei nur dann verpflichtet, den Abbruch des Gebäudes gemäß § 48 BauG zu verfügen, wenn es Interessen der Sicherheit der Gesamtheit erfordern. Die Aufsichtsbehörde habe sich bei der Verhandlung selbst überzeugt, dass sich das Gebäude nicht in einem derartigen Zustand befinde, der einen Abbruch erforderlich mache.

Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 27. November 1981 wurden zufolge der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 3. Juni 1981 sowie der der Gemeindevertretung vom 17. Oktober 1980 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen. Dies wurde damit begründet, dass es an einer ausreichend genauen Umschreibung der durchzuführenden Instandhaltungsmaßnahmen im Bescheidspruch mangle und ein Bausachverständiger die Mängel und die erforderlichen Maßnahmen genau zu ermitteln haben werde.

Der in der Folge auf Gemeindeebene beigezogene Sachverständige führte in seinem schriftlichen Gutachten vom 11. Jänner 1982 aus, dass dieses der Feststellung der bestehenden Mängel insbesondere des Kreuzgiebels auf der Ostseite des Hauses diene, jedoch die sonstigen erforderlichen Instandsetzungsarbeiten nicht Sache dieses Gutachtens seien. Bei dem Kreuzgiebel sei die linke Hälfte sehr stark durch Fäulnis einzelner Balken gezeichnet. Der äußere linke vorkragende Teil des Daches habe sich sehr stark durchgebogen und es bestehe die Gefahr, dass dieser Teil samt den darauf liegenden Ziegeln einstürze. Weiters führte er die für die Behebung dieses Mangels erforderlichen Arbeiten im Detail an und gelangte zu einer Kostensumme von S 34.951,60.

Dem trat die Beschwerdeführerin unter anderem mit einem Angebot eines Zimmermeisters entgegen, wonach eine völlige Erneuerung des Daches mit einer Kostensumme von S 317.420,-- erforderlich sei. Es seien aber darüber hinaus noch weitere Sanierungsarbeiten notwendig.

Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Partei vom 24. März 1982 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abermals abgewiesen und gemäß § 47 BauG der Beschwerdeführerin die Instandsetzung im Ausmaß der im Gutachten vom 11. Jänner 1982 detailliert beschriebenen Arbeiten in der Höhe von S 34.961,60 aufgetragen. Begründend wurde dargelegt, die Baubehörde habe sich auf das vorliegende Gutachten stützen können, das die Möglichkeit einer begrenzten Sanierung aufzeige. In Anbetracht des bestehenden Gesamtobjektes sei eine wirtschaftliche Zumutbarkeit der aufgetragenen Maßnahmen sicherlich gegeben.

Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz gab mit Bescheid vom 21. April 1982 der Vorstellung der Beschwerdeführerin keine Folge und führte in der Begründung aus, der Sachverständige sei in seinem Gutachten vom 11. Jänner 1982 zu der Ansicht gelangt, es wären nur die genannten kleineren Arbeiten vorzunehmen. Es möge durchaus zutreffen, dass für die Gesamtsanierung Kosten von rund S 318.000,-- zu veranschlagen seien, und erscheine dies auch wünschenswert. Die Behörde sei aber lediglich verpflichtet, jene Sanierungsmaßnahmen vorzuschreiben, welche den Erfordernissen der Sicherheit und Gesundheit sowie dem Schutze des Landschafts- und Ortsbildes entsprächen.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung betonte die Beschwerdeführerin abermals, dass eine Prüfung erforderlich sei, welche Instandsetzungsarbeiten insgesamt, auch in der nächsten Zeit, erforderlich seien. Überdies fehle es an jedweder Berechnung über die wirtschaftliche Zumutbarkeit.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 1. Juli 1982 wurde der Berufung keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens und Hinweis auf die §§ 46 und 47 BauG ausgeführt, eine Abbruchverfügung sei nur dann möglich, wenn eine Instandsetzung nicht zumutbar sei und Interessen der Sicherheit oder der Schutz des Landschafts- oder Ortsbildes es erfordern. Ein Beseitigungsauftrag sei nur dann zu vergeben, wenn keine andere Möglichkeit der Behebung von Baugebrechen bestehe, also die Instandsetzung nicht in Betracht komme. Zur Frage der Wirtschaftlichkeit der Instandsetzungsarbeiten habe die Baubehörde zweiter Instanz ein Sachverständigengutachten eingeholt. Danach sei beim östlich gelegenen Kreuzgiebel die linke Hälfte sehr stark durch Fäulnis einzelner Balken gezeichnet, habe sich der äußere linke vorkragende Teil des Daches sehr stark durchgebogen und bestehe die Gefahr, dass dieser Teil einstürze. Die Kosten für die Behebung dieser Mängel betrügen S 35.000,--. Die errechneten Kosten für eine Generalsanierung würden von der Berufungsbehörde in keiner Weise in Zweifel gezogen, eine derartige umfassende Baumaßnahme sei jedoch nicht Gegenstand dieses baupolizeilichen Auftrages.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei hat in ihrer Gegenschrift diesen Antrag gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 BauG idF des LGBl. Nr. 2/1982, müssen die Eigentümer von Anlagen, deren Herstellung einer Anzeige oder einer Baubewilligung bedarf oder die auf Grund von Auflagen gemäß § 32 Abs. 3 oder auf Grund von Verpflichtungen gemäß §§ 11 und 12 hergestellt worden sind, diese Anlagen nach Maßgabe der Baubewilligung in einem Zustand erhalten, der den Erfordernissen der Sicherheit, der Gesundheit und der Einsparung von Energie sowie dem Schutz des Landschafts- und Ortsbildes entspricht.

Nach § 47 Abs. 1 BauG hat die Behörde, wenn der Eigentümer der Erhaltungspflicht nicht nachkommt, die Herstellung des der Vorschrift des § 46 entsprechenden Zustandes zu verfügen und hiefür eine angemessene Frist festzusetzen. Diese Bestimmung darf allerdings nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist im Zusammenhang mit § 48 leg. cit. auszulegen.

§ 48 Abs. 1 BauG normiert, dass die Behörde, wenn es Interessen der Sicherheit oder der Gesundheit oder der Schutz des Landschafts- und Ortsbildes erfordern, und eine Instandsetzung nach § 47 wirtschaftlich nicht zumutbar ist, gegenüber dem Eigentümer die Beseitigung von Bauwerken, Bauwerksteilen und sonstigen baubewilligungspflichtigen Anlagen oder Teilen von solchen zu verfügen hat.

Aus § 48 Abs. 1 BauG ist zu folgern, dass die nach § 46 Abs. 1 erforderlichen Instandsetzungsarbeiten dann nicht aufgetragen werden dürfen, wenn sie wirtschaftlich nicht zumutbar sind. In letzterem Falle ist mit einem Beseitigungsauftrag vorzugehen.

Der Begriff der wirtschaftlichen Zumutbarkeit ist im Vorarlberger Baugesetz nicht näher bestimmt, sodass auf die Beurteilungskriterien, die der Verwaltungsgerichtshof zu gleichartigen Regelungen in anderen Bauordnungen, so z.B. in seinem Erkenntnis vom 24. Mai 1976, Slg. Nr. 9063/A, zur Bauordnung für Wien - vgl. auch das Erkenntnis vom 15. Oktober 1981, Zl. 81/06/0068, zum Grazer Altstadterhaltungsgesetz - aufgestellt hat, zurückgegriffen werden kann. Danach können für die wirtschaftliche Zumutbarkeit verschiedene Gesichtspunkte maßgeblich sein. So kann eine Instandsetzungsmaßnahme als wirtschaftlich zumutbar angesehen werden, wenn sich daraus eine Erhöhung des Verkehrswertes oder des Ertragswertes des Eigentums ergibt, in welchem die Kosten der Maßnahme Deckung finden. Wirtschaftlich zumutbar können dem Hauseigentümer ferner Maßnahmen sein, zu deren finanzieller Deckung er öffentliche Mittel, aus welchem Titel immer, anzusprechen in der Lage ist, mag er eine solche Maßnahme auch aus freier Willensentschließung unterlassen haben. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist weiters dann anzunehmen, wenn der Hauseigentümer die Kosten auf Miet- oder Pachtzinse überwälzen kann, wobei nunmehr zufolge des mit 1. Jänner 1982 erfolgten Inkrafttretens des Mietrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 520/1981 (MRG), auf dessen Regelungen, insbesondere auf jene der §§ 18 f im Zusammenhang mit §§ 3 und 16 Abs. 2 Bedacht zu nehmen ist; im Fall der Überwälzung muss allerdings mit berücksichtigt werden, ob die Möglichkeit einer Vermietung oder Verpachtung nach der vorausschaubaren Entwicklung unter Bedachtnahme auf einen allfälligen Wandel in den allgemeinen Anschauungen über die Ausstattung eines Bestandsobjektes innerhalb der Amortisationszeit eines zur Deckung des finanziellen Aufwandes nötigen Darlehens gewährleistet ist. Stets muss aber der gesamte Aufwand für die während des Amortisationszeitraumes eines aufzunehmenden Instandsetzungsdarlehens voraussichtlich notwendigen Erhaltungsmaßnahmen einschließlich des bereits vorher aufgelaufenen und noch nicht getilgten Instandsetzungsaufwandes für das Haus der Beurteilung zugrundegelegt werden. Es ist daher nicht zulässig, nur einen Teil der erforderlichen Instandsetzungsarbeiten für die Berechnung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit heranzuziehen, vielmehr ist nicht nur der gesamte, bereits gemäß §§ 46 ff BauG notwendige, sondern auch der innerhalb der Amortisationszeit hinzukommende weitere und der noch nicht getilgte vorangegangene Aufwand zu berücksichtigen.

Die Beschwerdeführerin rügt - wie schon im Verwaltungsverfahren-, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Unwirtschaftlichkeit der Instandsetzung nicht geprüft worden sei. Wäre es doch erforderlich gewesen, ein Gutachten zur Feststellung aller derzeit notwendigen und der in nächster Zeit zu erwartenden Reparaturarbeiten einzuholen und anhand dessen zu untersuchen, ob dem Eigentümer die ordnungsgemäße Instandsetzung unter Berücksichtigung der Erträgnisse aus dem Objekt zugemutet werden könne. Dabei hätte sich die wirtschaftliche Unzumutbarkeit ergeben.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt nicht erkennen, dass die belangte Behörde von dem oben aufgezeigten Inhalt der Bestimmung des § 48Abs. 1 BauG ausgegangen ist, zumal sie zur Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der aufgetragenen Instandsetzungsarbeiten auf das bereits in der Sachverhaltsdarstellung mehrfach zitierte, von der Gemeindevertretung eingeholte Gutachten des bautechnischen Sachverständigen vom 11. Jänner 1982 verwies, darüber hinaus aber die von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren behaupteten, um ein Vielfaches höheren, für eine Generalsanierung des Gebäudes erforderlichen Kosten nicht in Zweifel zog, sondern dazu bloß zum Ausdruck brachte, dass eine derart umfassende Maßnahme nicht Gegenstand des vorliegenden baupolizeilichen Auftrages sei, wozu noch kommt, dass jedwede Auseinandersetzung damit, inwieweit die wirtschaftliche Zumutbarkeit der aufgetragenen Instandsetzungsarbeiten entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin gegeben sei, unterblieb.

Schon allein deshalb hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Aber selbst wenn man den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift folgt, ihr wäre sehr wohl bewusst gewesen, dass die wirtschaftliche Zumutbarkeit des Instandsetzungsaufwandes nicht bloß nach dem Umfang des beabsichtigten Auftrages berechnet werden könne, sondern dass dabei der gesamte notwendige Erhaltungsaufwand und die für Erhaltungsmaßnahmen während des Amortisationszeitraumes aufzuwendenden Geldmittel maßgebend seien, doch seien eben auf Grund des bereits genannten Sachverständigengutachtens vom 11. Jänner 1982 insgesamt nur die dort genannten Arbeiten im Ausmaß von S 35.000,-- durchzuführen, vermag dies die Stichhältigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht zu entkräften. Wurde doch in dem Gutachten vom 11. Jänner 1982 vom bautechnischen Sachverständigen ausdrücklich festgehalten, dass damit die sonstigen erforderlichen Instandsetzungsarbeiten nicht erfasst werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hiebei ebenfalls um im Sinne der §§ 46 f BauG erforderliche Arbeiten handelt. Das Gutachten lässt auch eine entsprechende Befundaufnahme über den Gesamtzustand des Hauses vermissen und enthält keinerlei Angaben, welche Instandsetzungsarbeiten im Sinne der §§ 46 f allenfalls im relevanten Amortisationszeitraum weiters anfallen werden, geschweige denn irgendwelche Ausführungen über die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Instandsetzungsarbeiten. Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift überdies auf die am 2. Juni 1981 erfolgte Begutachtung durch den Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Bregenz bezug nimmt, ist ihr zu erwidern, dass auch dieser Amtssachverständige bloß die gegenständlich aufgetragenen Arbeiten als dringende Sofortmaßnahme bezeichnete, sich aber mit den sonst bereits aufgezeigten relevanten Fragen in keiner Weise auseinander setzte.

Da die belangte Behörde verkannte, dass das baupolizeiliche Verfahren mit wesentlichen Mängeln behaftet ist, und es demgemäß unterließ, das Verfahren selbst zu ergänzen bzw. es an die Gemeindebehörde zur Behebung der aufgezeigten Mängel zurückzuverweisen, hat sie insoweit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Im Hinblick auf die getroffene Erledigung erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das über den Ersatz von Stempelgebühren für die in dreifacher Ausfertigung erforderliche Beschwerde (je Ausfertigung S 100,--), die Vollmacht (S 100,--) und den nur in einfacher Abschrift vorzulegenden angefochtenen Bescheid (je Bogen S 25,--) hinausgehende Mehrbegehren war gemäß § 58 VwGG 1965 abzuweisen.

Wien, am 20. Jänner 1983

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1983:1982060126.X00

Im RIS seit

05.08.2004

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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