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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §29a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Knell, Dr. Dorner und Dr. Waldner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gyenge, über die Beschwerde des MS in A, vertreten durch Dr. Reinhard Wildmoser, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. Oktober 1983, Zl. Ge-16.630/1-1983/Sei/Kai, betreffend Übertretung des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.610,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk in Linz hat am 2. September 1981 zwei Anzeigen an den Magistrat der Stadt Linz gegen den Gewerbeinhaber (oder dessen Bevollmächtigten) der XY Ges.m.b.H. & Co., A, X-steig nn, erstattet. Den Anzeigen zufolge sei bei einer Verkehrskontrolle am 28. Juli 1981 laut überprüftem Fahrtenbuch festgestellt worden, dass AK als Fahrer eines näher bezeichneten Lkws in der Zeit vom 10. Juni bis 15. Juli 1981 mehrfach die tägliche Einsatzzeit überschritten und einmal die Ruhezeit nicht beachtet habe.
Aus dem Erhebungsbericht vom 3. Dezember 1981 und einer im Akt erliegenden Bestätigung (undatiert) geht hervor, dass der Beschwerdeführer in A, G-straße nn, wohnhaft und der Bevollmächtigte (§ 28 des Arbeitszeitgesetzes (AZG), BGBl. Nr. 461/1969) der genannte Gesellschafter gewesen sei.
Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz fertigte die Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter vom 17. Dezember 1981, am 22. Dezember 1981 an den Beschwerdeführer per Adresse A, X-steig nn, ab.
Da das Schriftstück an der angegebenen Adresse nicht zugestellt werden konnte, veranlasste die Behörde entsprechende Erhebungen. Der im Akt befindliche Erhebungsbericht vom 7. Jänner 1982 lautet: "Lt. Auskunft der Fa. 'XY' sind die Beschuldigten S und F nunmehr ausschließlich unter der Firmenadresse B, Zstraße n, erreichbar (Büroverlegung); dort erfolgt jetzt auch die gesamte Ausgabe und Kontrolle der Fahrtenbücher, die Fahrtauftragserteilung etc. Zum Tatzeitpunkt wurden diese Tätigkeiten noch in A, X-steig n, abgewickelt."
Daraufhin trat der Magistrat der Landeshauptstddt Linz die Durchführung des Strafverfahrens gemäß § 29 a VStG 1950 an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land ab. Diese ersuchte mit Schreiben vom 10. Februar 1982 das Stadtamt in Traun um Erhebung und Mitteilung, "ob der Geschäftsführer der obgenannten Gesellschaft, Herr GF, und der Bevollmächtigte gemäß § 28 Arbeitszeitgesetz, Herr MS, ihren Wohnsitz oder Aufenthalt in B oder in A haben".
Mit Schreiben vom 19. März 1982 berichtete das Stadtamt Traun, "dass Herr MS seinen ordentlichen Wohnsitz in A, G-straße, nn .... hat. Weiters wird berichtet, dass sich im Standort B nicht nur der Bürobetrieb sondern auch der gesamte Fuhrpark befindet".
In der Folge erließ die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land das Straferkenntnis vom 16. August 1982. Sie legte darin dem Beschwerdeführer zur Last, als Bevollmächtigter der "XY Ges.m.b.H. & Co" den Lenker des näher bezeichneten Gütertransportfahrzeuges AK 1.) an insgesamt acht im Straferkenntnis angeführten Tagen über die gesetzlich zulässige Einsatzzeit hinaus zur Arbeit herangezogen und ihn 2.) vom 15. Juli auf den 16. Juli 1981 mit einer Nachtruhezeit von lediglich sieben Stunden beschäftigt zu haben. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach 1.) § 16 Abs. 2 AZG und 2.) § 12 AZG begangen, weshalb gegen ihn gemäß § 28 Abs. 1 AZG eine Geldstrafe von 1.) S 6.000,-- und 2.) S 1.000,-- verhängt werde .
Über die Berufung des Beschwerdeführers entschied die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid dahingehend, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 16. August 1982 werde mit der Änderung bestätigt, dass der Vorwurf der Überschreitung der gesetzlich zulässigen Einsatzzeit am 21.
Juni und 2. Juli 1981 nicht mehr aufrecht erhalten wird.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen
Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die
Verwaltungsakten vorgelegt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 ist für die Durchführung des Strafverfahrens die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird, kann die zuständige Behörde gemäß § 29 a VStG 1950 die Durchführung des Strafverfahrens (oder des Strafvollzuges) auf eine andere sachlich zuständige Behörde übertragen, und zwar hinsichtlich des Strafverfahrens nur an jene sachlich zuständige Behörde, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat.
Eine systemimmanente Auslegung der zuletzt angeführten Gesetzesstelle ergibt, dass im vorliegenden normativen Zusammenhang in dem der Gesetzgeber an das Merkmal "Wohnsitz oder Aufenthalt" anknüpft, der "Aufenthalt" nicht allein durch die Beschäftigung an einem bestimmten Ort begründet wird; vielmehr stellt der Gesetzgeber auf den mit einer Unterkunft verbundenen Aufenthalt ab (vgl. in diesem Sinne auch das Merkmal "niedergelassen" im § 66 Abs. 1 JN). Hat daher der Beschuldigte im Bereich der Behörde, auf die das Verfahren übertragen werden soll, weder einen Wohnsitz noch einen Aufenthalt (im zuvor genannten Sinne), so hat dies wegen des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen für die Übertragung des Strafverfahrens im Sinne des § 29 a VStG zur Folge, dass der angestrebte Übergang der Zuständigkeit nicht eintritt. Entscheidet die Behörde trotz mangelnder örtlicher Zuständigkeit, so hat die Berufungsbehörde den Bescheid wegen Unzuständigkeit der Unterbehörde aufzuheben (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juni 1971, Slg. Nr. 8034/A, sowie die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit2, Seite 445, angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Im Beschwerdefall war unbestritten der Magistrat der Stadt Linz Tatortbehörde. Der Beschwerdeführer hatte, wie den Verwaltungsakten zu entnehmen ist, in A seinen Wohnsitz und behielt ihn dortselbst auch nach Verlegung des Sitzes des Unternehmens von A nach B bei (die Verlegung erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat bereits gesetzt war). Da der Beschwerdeführer nach den obigen Ausführungen durch seine Beschäftigung am neuen Standort des Unternehmens in B keinen Aufenthalt begründet hatte, konnte der Magistrat der Stadt Linz als Tatortbehörde die Zuständigkeit zur Durchführung des Strafverfahrens mangels Vorliegens der im § 29 a VStG 1950 geforderten Voraussetzungen nicht zulässigerweise an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land übertragen.
Da die belangte Behörde die Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz nicht wahrgenommen und deren Straferkenntnis nicht behoben hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Der Verwaltungsgerichtshof hat von der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen, weil der angefochtene Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war (§ 39 Abs. 2 lit. d VwGG 1965).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Der Antrag auf Zuspruch der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil es sich beim Schriftsatzaufwand um einen Pauschalbetrag handelt, neben dem Umsatzsteuer nicht zugesprochen werden kann.
Wien, am 6. Juni 1984
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1984:1983110298.X00Im RIS seit
25.02.2005Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008