TE Vwgh Erkenntnis 1984/6/29 84/17/0072

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Veröffentlicht am 29.06.1984
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Index

34 Monopole;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
GSpG 1962 §50 Abs3;
VStG §39 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des WR in L, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayr, Rechtsanwalt in Salzburg, Bürglsteinstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 8. März 1984, Zl. III - 1518/464, betreffend Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls nach dem Glücksspielgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck beschlagnahmte in einem Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer als Beschuldigten wegen des Verdachtes eines Eingriffes in das Glücksspielmonopol des Bundes 30 Warenautomaten der W-Handelsgesellschaft m.b.H., deren "handelsrechtlicher Geschäftsführer" der Beschwerdeführer ist. Bei Betätigung der Apparate erhielt man gegen Einwurf von S 10,-- eine Plastikkugel, in welcher sich neben einem Kaugummi und einem primitiven Schlüsselanhänger noch ein Papierstreifen mit einem Zettel befand, welcher laut Ankündigung am jeweiligen Apparat die Teilnahme an einem "Gewinnspiel" in Aussicht stellte; an den Apparaten war angekündigt, dass bei Erreichen einer bestimmten Zahlenkombination bzw. bei Erhalt des Papierstreifens, auf dem die Nr. 33 aufscheint, ein Gewinn zugesendet wird.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies der Landeshauptmann von Tirol (in der Folge: belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Beschlagnahmebescheid mit der Begründung ab, auf Grund des Gutachtens der Glücksspielmonopolverwaltung vom 7. Dezember 1983 bestehe der Verdacht, dass die Vorgangsweise des Beschwerdeführers als Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes anzusehen sei und ihm somit eine Verwaltungsübertretung nach § 50 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes angelastet werden müsse. Die Anordnung einer Beschlagnahme zur Sicherung des durch § 50 Abs. 3 Glücksspielgesetz angedrohten Verfall sei gemäß § 39 Abs. 1 VStG 1950 bereits bei Verdacht einer Verwaltungsübertretung zulässig, wenn als Strafe der Verfall vorgesehen sei; ein derartiger Verdacht erscheine im gegenständlichenFall sicher gerechtfertigt, denn auf Grund des erwähnten Gutachtens der Glücksspielmonopolverwaltung könne davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer mit den beschlagnahmten Geräten in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen habe. Da die Gefahr bestünde, dass die aufgestellten Apparate dem Zugriff der Behörde entzogen werden könnten, diene die Anordnung der Beschlagnahme der Sicherung des Verfalls.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf richtige Anwendung der Vorschriften über die Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls und damit in seinem Recht verletzt, dass in dem gegen ihn anhängigen Verwaltungsstrafverfahren eine Beschlagnahme der Automaten nicht erfolge. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Zur Begründung der behaupteten Rechtsverletzung macht der Beschwerdeführer auch geltend, die Notwendigkeit der Beschlagnahme sei nicht begründet worden, bei der abgegebenen Begründung handle es sich um eine Leerformel, es habe nicht nur die Erforderlichkeit der Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls gefehlt, sondern auch der Verdacht der dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemachten Verwaltungsübertretung. Eine verbotene Ausspielung sei nicht vorgelegen, weil die Kosten der Kugel samt Inhalt, der Ausgaben für die Befüllung und der Rohaufschlag zur Deckung der Anlageneinkaufskosten sowie der branchenübliche Aufschlag einen Betrag von S 10,-- ergeben, und somit seitens des Konsumenten eine vermögensrechtliche Leistung nur für die Kugel als solche, nicht aber für die Teilnahme an einer Ausspielung vorliege. Es handle sich daher um einen reinen Warenverkauf verbunden mit einer allenfalls verkaufsfördernden Werbung durch den an den Automaten angebrachten Zettel. Die Teilnahme an dem Gewinnspiel sei nicht an den Kauf einer Kugel gebunden, sondern könne auch durch Einsendung an den "S-Vertrieb" erfolgen.

Gemäß § 35 Abs. 2 VwGG 1965 wurde der belangten Behörde Gelegenheit gegeben, alles vorzubringen, was ihr geeignet erscheint, das Vorliegen dieser vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzung als nicht gegeben erkennen zu lassen. Hievon wurde von der belangten Behörde Gebrauch gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 zusammengesetzten Senat über die Beschwerde erwogen:

1. Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann die Behörde gemäß § 39 Abs. 1 VStG 1950 zur Sicherung des Verfalls die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen. Gemäß § 58 Abs. 2 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 ist die Anordnung der Beschlagnahme gemäß § 39 Abs. 1 VStG 1950, da sie durch Bescheid zu erfolgen hat, auf die im § 60 AVG 1950 vorgesehene Weise zu begründen. Diese Begründung hat sich sowohl auf das Vorliegen des Verdachtes der betreffenden Verwaltungsübertretung als auch auf die übrigen Voraussetzungen der Beschlagnahme, insbesondere also auf ihre Notwendigkeit zur Sicherung des Verfalls zu erstrecken.

2.1. Zur Frage der Begründung des Verdachtes vertritt die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, ihr Hinweis auf das Gutachten der Glücksspielmonopolverwaltung vom 7. Dezember 1983 habe genügt. Dieses Gutachten hatte, wie die belangte Behörde vorbringt, folgenden Inhalt:

"Eine Veranstaltung, bei der die Gewinner eines Glücksspieles auf die beschriebene Art ermittelt werden, wäre nur dann nicht als eine dem Bund vorbehaltene Ausspielung anzusehen, wenn für die Teilnahme keine vermögensrechtliche Leistung erbracht werden müsste. Im vorliegenden Fall erscheint es fraglich, ob der Erwerb eines Spielanteiles (Gewinnzettel) für das Gewinnspiel unentgeltlich erfolgt, da anzunehmen ist, dass die vom Teilnehmer (Käufer) zu erbringende vermögensrechtliche Leistung im Kaufpreis einer Kugel enthalten ist. Dieser Verdacht besteht umso mehr, da die in einer Kugel befindlichen Waren von derart geringem Wert sind, dass der Einwurf von S 10,-- als vermögensrechtliche Leistung zur Beteiligung am Gewinnspiel anzusehen ist. Da diese Vorgangsweise des Verdächtigen auch keinesfalls unter die im Artikel III der Glücksspielgesetz-Novelle 1976, BGBl. Nr. 626, in der Fassung der Glücksspielgesetz-Novelle 1979, BGBl. Nr. 89, taxativ angeführten Warenausspielungen mittels Glücksspielapparates subsumiert werden kann, wäre gemäß § 50 Abs. 1 Glücksspielgesetz gegen WR, vorzugehen."

Aus diesen Ausführungen des Gutachtens war für die belangte Behörde ersichtlich, dass das Bestehen eines Verdachtes einer dem Glücksspielgesetz widersprechenden Warenausspielung nur dann anzunehmen wäre, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Wert der von den Automaten ausgegebenen Kugeln den geforderten Einwurfbetrag von S 10,-- nicht erreicht. Für die Annahme, dass die Glücksspielmonopolverwaltung auf dem Gebiet der Einschätzung dieses Wertes sachverständig ist, bestand für die belangte Behörde kein Anhaltspunkt. Auf welchem Weg und auf Grund welcher Überlegungen die Glücksspielmonopolverwaltung zur Ansicht gelangt war, dass die Kugeln "von derart geringem Wert sind", dass der Einwurf von S 10,-- "als vermögensrechtliche Leistung zur Beteiligung am Gewinnspiel" anzusehen ist, war dem Gutachten nicht zu entnehmen. Das von der belangten Behörde zitierte Gutachten der Glücksspielmonopolverwaltung wäre daher wohl Anlass für die Behörde, von Amts wegen Nachforschungen darüber anzustellen, welchen Wert die Kugel hat, die gegen einen Einwurf von S 10,-- dem Automaten entnommen werden kann, es bildete jedoch keine ausreichende Grundlage auch für den Verdacht, dass der Wert der Kugel den Betrag von S 10,-- nicht erreiche und deshalb eine Warenausspielung vorliege. Die Behauptung der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme, die Darlegungen der Glücksspielmonopolverwaltung in dem Gutachten seien "jeweils wesentlich fundierter als der nunmehr von der Glücksspielmonopolverwaltung erlassene, kaum begründete Feststellungsbescheid vom 2. April 1984" eignet sich deshalb zu einem Nachweis dafür, dass im angefochtenen Bescheid eine dem § 60 AVG 1950 entsprechende Begründung für den Verdacht der Übertretung des Glücksspielgesetzes durch den Beschwerdeführer gegeben worden sei, ebenso wenig, wie die Polemik der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme gegen den von ihr erwähnten Feststellungsbescheid.

Ihr ist wohl einzuräumen, dass zur Beschlagnahme nicht der Nachweis der Verwaltungsübertretung, sondern nur der Verdacht einer solchen erforderlich ist. Aber auch dieser ist gemäß § 58 Abs. 2, § 60 AVG 1950 zu begründen. Eine derartige Begründung fehlt, wie dargelegt, dem angefochtenen Bescheid.

2.2. Hinsichtlich der Erforderlichkeit der Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls vertritt die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, es liege "auf der Hand" dass die Gefahr bestanden habe, die Apparate würden vor Beendigung des Verwaltungsverfahrens entfernt und dem Zugriff der Behörde entzogen werden, und der Beschwerdeführer hätte wohl eher die Transportkosten in Kauf genommen, als den Verfall der Apparate zu riskieren. Eine ständige Bewachung der Apparate sei selbstverständlich nicht in Betracht gekommen.

Diese Ausführungen der belangten Behörde zeigen, dass von ihr die Rechtslage hinsichtlich ihrer Begründungspflicht verkannt wird. Gemäß § 45 Abs. 1 AVG 1950 bedürfen nur Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Das Gesetz stellt eine Vermutung dafür, dass Gefahr bestehe, dass jeder vom Verfall bedrohte Gegenstand dem Zugriff der Behörde entzogen werde, nicht auf. Dergleichen ist auch nicht offenkundig. Wäre dies der Fall, hätte der Gesetzgeber die Beschlagnahme in § 39 Abs. 1 VStG 1950 bei drohendem Verfall zwingend angeordnet.

Die Beschlagnahme setzt vielmehr voraus, dass die Sicherung des Verfalls überhaupt geboten ist. Auch dies muss fallbezogen überprüft und begründet werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1983, Zl. 83/17/0031).

Die Behauptung der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme, Verbringungsgefahr sei "auf der Hand" gelegen, weil der Beschwerdeführer wohl eher die Transportkosten in Kauf genommen, als den Verfall der Apparate riskiert hätte, eignet sich nicht, die aus dem angefochtenen Bescheid ersichtliche, vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtsverletzung zu widerlegen. Der Beschwerdeführer hatte nämlich, wie der von der belangten Behörde selbst erwähnte Feststellungsbescheid der Glücksspielmonopolverwaltung vom 2. April 1984 zeigt, guten Grund, einen Verfall der Geräte nicht befürchten zu müssen.

3. Im angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde daher in beiden angeführten wesentlichen Richtungen die Begründungspflicht verletzt. Es ist der belangten Behörde nicht gelungen, diese bereits aus dem angefochtenen Bescheid ersichtliche Rechtsverletzung zu widerlegen.

Der angefochtene Bescheid musste daher ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 2 und § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufgehoben werden, weil er sich wegen seiner Begründungslosigkeit weiterer Nachprüfung auf seine Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof entzog.

4. Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf § 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a, §§ 48, 49 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Danach war das Begehren auf Ersatz von Umsatzsteuer für den Schriftsatzaufwand und das Mehrbegehren auf Ersatz von Stempelgebühren (Beilagengebühr für die Vorlage der zur Rechtsdurchsetzung nicht erforderlichen, über eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides hinausgehenden Urkunden) abzuweisen.

Wien, am 29. Juni 1984

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1984:1984170072.X00

Im RIS seit

29.06.1984

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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