Index
L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung LärmerregungNorm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Mag. Onder und Dr. Stoll als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde der S R in B, vertreten durch Dr. Theodor Peschaut, Rechtsanwalt in Feldkirch, Gilmstraße 5, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 14. Mai 1984, Zl. Ia 909-31/84, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung (belangte Behörde) vom 14. Mai 1984 wurde die Beschwerdeführerin einer Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes (LGBl. Nr. 6/1976 - SPG) für schuldig befunden, weil sie am 10. Juli 1983 gegen 00.40 Uhr dadurch die gewerbsmäßige Unzucht angeboten habe, dass sie zu diesem Zeitpunkt in Hard an der Bundesstraße 202 auf dem Parkplatz gegenüber der "Jet-Tankstelle" dem E L gegen ein Entgelt von S 600,-- einen Geschlechtsverkehr angeboten habe. Über die Beschwerdeführerin wurde eine Arreststrafe in der Dauer von 14 Tagen verhängt.
Begründend führte die belangte Behörde u.a. aus, von der Beschwerdeführerin werde nicht bestritten, dass sie sich am 10. Juli 1983 gegen 00.40 Uhr auf dem Parkplatz gegenüber der erwähnten Tankstelle aufgehalten habe. Sie habe sich jedoch damit gerechtfertigt, dass sie sich von diesem Ort entfernt habe, bevor die Sicherheitsbehörde gekommen sei und bevor sie sich in ein Gespräch eingelassen habe. Dem gegenüber habe E L als Zeuge vor der Bezirkshauptmannschaft Bregenz folgendes zu Protokoll gegeben:
"Ich bin zum betreffenden Zeitpunkt auf dem Parkplatz gegenüber der Jet-Tankstelle gestanden. Die Prostituierte ist vor mir gestanden mit einem PKW der Marke Mercedes. Es handelte sich um eine blonde, etwas korpulente Prostituierte. Sie hat zu mir wörtlich gesagt: 'Schätzchen, gehst du mit aufs Zimmer, S 600,-- ' Da mir klar war, was damit gemeint war, erklärte ich, dass sie sich ein anderes Opfer suchen solle. Zu diesem Zeitpunkt ist dann noch die Gendarmerie an Ort und Stelle erschienen, welche mich zum Sachverhalt befragt hat. Bei Annäherung des Gendarmeriefahrzeuges ist die Prostituierte mit ihrem Fahrzeug sofort weggefahren."
Der Gendarmeriebeamte Inspektor D habe anlässlich seiner zeugenschaftlichen Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Bregenz angegeben, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Pkw an ihrem Standort an der Bundesstraße 202, Nähe Jet-Tankstelle gestanden sei und sich ein anderer Pkw ebenfalls dort befunden habe. Bei Annäherung des Dienstfahrzeuges zum Standort dieses Fahrzeuges sei die Beschwerdeführerin sofort davongefahren. Sie sei einwandfrei erkannt worden. Einerseits sei ihr Fahrzeug bekannt und andererseits sei die Beschwerdeführerin im Fahrzeug selbst erkannt worden. Die Straße sei dort beleuchtet. Die belangte Behörde glaubte den beiden Zeugen und wertete die Aussagen der Beschwerdeführerin als Schutzbehauptung. Der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass eine effektive Anbahnung nicht stattgefunden habe - so führte die belangte Behörde weiter aus -, könne nicht gefolgt werden; der Tatbestand des Anbietens der gewerbsmäßigen Unzucht werde nicht erst erfüllt, wenn ein Freier das Angebot annehme. Die Anbietungshandlung sei vollendet, wenn einem Freier die Bereitschaft zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt kundgetan werde. Das Absehen von der Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht aus welchen Gründen immer mache die Anbietungshandlung nicht rückgängig. Die Rechtslage der anderen Bundesländer sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Mit der gewerbsmäßigen Unzucht sei das Merkmal der Öffentlichkeit wesensmäßig verbunden. Eine besondere Auffälligkeit der Tathandlung in der Öffentlichkeit sei nicht anzunehmen gewesen. Auf die Gewerbsmäßigkeit schloss die belangte Behörde aus der wiederholten Bestrafung der Beschwerdeführerin wegen Übertretung des Prostitutionsverbotes im Hinblick auf die daraus erkennbare Absicht der Erzielung eines wiederkehrenden Einkommens.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 18 Abs. 1 lit. c SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt. Nach § 4 Abs. 1 leg. cit. ist die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu, soweit nicht Ausnahmen infolge einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, verboten. Nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle ist unter Anbieten u.a. im Sinne des Abs. 1 jedes Verhalten zu verstehen, das auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht abzielt.
Soweit die Beschwerdeführerin sich durch den angefochtenen Bescheid in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten als verletzt erachtet, hat sich der Verwaltungsgerichtshof damit nicht weiter auseinander zu setzen, weil hiefür nicht er, sondern der Verfassungsgerichtshof zuständig ist (vgl. Art. 133 Z. 1 in Verbindung mit Art. 144 Abs. 1 B-VG). Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin nicht zu teilen, dass die durch die belangte Behörde angewendeten Bestimmungen deshalb wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig wären, weil sie durch die Anwendung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes im Verhältnis durch die in anderen Bundesländern geltenden Rechtsvorschriften schlechter gestellt sei. Dies schon deshalb, weil in der durch die Länderkompetenzen bedingten länderweise verschiedenen Regelung keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liegen kann (vgl. die bei Klecatsky/ Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. Auflage, Seite 94, zitierte Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofes). Wieso der erwähnten landesrechtlichen Vorschrift "bundesrechtliche Vorschriften zu Grunde" liegen sollten, hat die Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt und vermag der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu erkennen. Es erübrigt sich daher eine weitere Auseinandersetzung mit diesem unerfindlichen Vorbringen.
Dem Einwand der Beschwerdeführerin, bei den gegenteiligen Behauptungen (zu ihrer Behauptung) wäre eine Gegenüberstellung (ihrer Person) mit dem Gendarmeriebeamten und dem Zeugen L notwendig gewesen, da eine Verwechslung "nicht ausgeschlossen" sei, kann nicht beigepflichtet werden. Die Beschwerdeführerin räumt selbst in der Beschwerde ein, dass sie sich im Bereich der in Rede stehenden Tankstelle (zur Tatzeit) befunden habe und zeigt nicht auf, mit wem eine Verwechslung möglich gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher den von der belangten Behörde aus den beiden erwähnten Zeugenaussagen gezogenen Schluss auf die Identität der Beschwerdeführerin mit jener Person, die dem Zeugen L den Geschlechtsverkehr gegen Entgelt angeboten hat, nicht als rechtswidrig erkennen, zumal die beiden Zeugenaussagen durchaus schlüssig und in sich widerspruchsfrei sind. Ein Rechtsanspruch des Beschuldigten auf "Gegenüberstellung" mit einem Zeugen, um an diesen Fragen stellen zu können, besteht nicht (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1964, Slg. Nr. 6396/A).
Zur Frage, ob die Beschwerdeführerin die ihr spruchgemäß angelastete Handlung gesetzt hat, konnte sich die belangte Behörde gleichfalls auf die unbedenklichen Aussagen der beiden Zeugen stützen; eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vermag die Beschwerdeführerin durch die bloße Bestreitung der Anbahnungshandlung nicht aufzuzeigen.
Zu Unrecht rügt die Beschwerdeführerin, eine "erfolglose" Anbahnung sei ein von vornherein "erfolgloser" Versuch und damit nicht strafbar gewesen, da nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Oktober 1983, Zlen. 83/10/0028, 0035, 0036, und die dort zitierte Vorjudikatur) die "Anbahnung" als eine Erscheinungsform der Prostitution zu qualifizieren und daher durch die "Anbahnung" die Tat bereits als vollendet anzusehen ist.
Schließlich bringt die Beschwerdeführerin vor, bei dem gegenständlichen Vorfall habe es an der Öffentlichkeit gemangelt, da sich dieser auf einem privaten Parkplatz ereignet habe und nur eine Person ("die Gendarmerie zählt nicht als Öffentlichkeit") beteiligt gewesen sei.
Das Verbot des § 4 Abs. 1 SPG bezieht sich nicht nur auf "öffentliche Orte". Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 14. Februar 1983, Zl. 83/10/0054) ist unter "Anbahnung" von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution jedes erkennbare Sich-Anbieten zur Ausübung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs in der Absicht zu verstehen, sich hiedurch eine Einnahmequelle zu verschaffen. Die Subsumtion eines konkreten Verhaltens unter den Begriff der "Anbahnung" setzt voraus, dass das jeweilige Verhalten die Absicht, sich gegen Entgelt fremden Personen hinzugeben, allgemein erkennbar zum Ausdruck bringt; es muss allgemein und nicht nur einem eingeweihten Personenkreis gegenüber als Anbieten zum entgeltlichen Geschlechtsverkehr verstanden werden. Allerdings bedeutet diese allgemeine Erkennbarkeit nicht, dass dieses Verhalten auch im konkreten Fall von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden konnte. Vielmehr kommt es darauf an, ob ein bestimmtes Verhalten, wäre es wahrgenommen worden, nicht nur von einem eingeweihten Personenkreis der gewerbsmäßigen Unzucht zugeordnet wäre. Dass ein mündliches - allgemein (nach dem Inhalt) verständliches - Angebot zur Ausübung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs unter diesen Begriff der Anbahnung fällt, liegt auf der Hand, mag dies im Beschwerdefall auch unter vier Augen erfolgt sein.
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen, womit sich eine Entscheidung über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erübrigt.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 Abstand genommen werden.
Wien, am 19. Juli 1984
Schlagworte
Beweise Fragerecht und GegenüberstellungParteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenBeweismittel ZeugenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1984:1984100147.X00Im RIS seit
19.07.1984Zuletzt aktualisiert am
26.01.2011