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L66502 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
FlVfGG §36 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger, als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft "X" in R, vertreten durch Dr. Robert Steiner, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, Ortenburgerstraße 4, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung von 12. Dezember 1983, Zl. Agrar 11-558/13/83, betreffend Gestattung eines Holzbezuges (mitbeteiligte Partei: PS, vlg. R, in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte (MB) ist Mitglied der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft (Beschwerdeführerin). In ihrer außerordentlichen Vollversammlung von 28. August 1982 lehnte die Beschwerdeführerin das Ansuchen des MB um einen Bezug von 43,5 fm Bauholz ab.
Die dagegen vom MB erhobene Minderheitenbeschwerde hat die Agrarbezirksbehörde Villach (ABB) mit Bescheid von 11. März 1983 gemäß § 51 Abs. 2 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. Nr. 64/1979 (FLG 1979), in Verbindung mit § 3 Abs. 3 des Planes über die Regelung des Gemeinschaftsbesitzes "X" als unbegründet abgewiesen. Die ABB begründete diesen Bescheid damit, dass nach ihrem Dafürhalten der vom MB beabsichtigte Neubau und der damit begehrte Holzbezug im Umfang von 43,5 fm über den Rahmen des "Haus- und Gutsbedarfes" hinausgehen würde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. Dezember 1983 gab der Landesagrarsenat beim Amt der Kärntner Landesregierung (die belangte Behörde) der dagegen vom MB erhobenen Berufung nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens Folge, indem er den angefochtenen Bescheid der ABB behob und an dessen Stelle die nachfolgende Entscheidung setzte:
"Gemäß § 3 des Planes über die Regelung des Gemeinschaftsbesitzes 'X', Z. nn steht PS vlg. R aus Anlass des Wohnhausneubaus ein einmaliger Holzbezug im Ausmaß von 43,5 fm aus dem gemeinschaftlichen Waldbestand zu.
Diese Holzmenge ist dem Genannten bis spätestens 31. Mai 1984 in natura auszuzeigen."
In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde von § 3 des im Spruch genannten Planes vom 22. Juli 1930 aus. Die in dieser Regelung normierten Voraussetzungen für einen Holzbezug des MB (Haus- und Gutsbedarf) erachtete die belangte Behörde auf Grund des von ihr näher erhobenen Zustandes und Ausmaßes der derzeitigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude des MB entgegen der von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren abgegebenen Stellungnahme für gegeben. Im Nachbarschaftswald sei auch für die Befriedigung des Bedarfes des MB ausreichend viel Holz vorhanden. Abschließend wies die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides noch darauf hin, dass
"die zum Antragszeitpunkt geltenden Nutzungsbestimmungen der Nachbarschaft 'X', insbesondere nach dem Haus- und Gutsbedarf, nicht einer gewissen Problematik entbehren. Diese Feststellung wurde bereits im Erkenntnis des Landesagrarsenates vom 31.1.1983, Z. Agrar 11-391/2/83, getroffen. In diesem Erkenntnis wurde der Agrarbezirksbehörde auch empfohlen, die vorhandenen Wirtschaftspläne (Wirtschaftseinteilungen) sowie Verwaltungssatzungen zu überprüfen und den Regelungsplan entsprechend den heutigen Verhältnissen abzuändern bzw. zu ergänzen. Ferner wurde ein anteilsmäßiger Holzbezug angeregt, wobei die einzelnen Mitglieder auch zu Verkaufsschlägerungen berechtigt werden sollten. Eine Nutzung des Waldes sollte nach dem jeweiligen Hiebsatz erfolgen.
Im Hinblick auf die im obgenannten Erkenntnis empfohlene Neuregelung kann daher erwartet werden, dass es in Hinkunft einen Problemfall wie den gegenständlichen nicht mehr geben wird."
Tatsächlich hat die ABB auf Grund der entsprechenden Anweisung der belangten Behörde in Spruchpunkt 2. des erwähnten Bescheides vom 31. Jänner 1983 bereits im Laufe des Jahres 1983 Vorschläge für "den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen" entsprechende Änderungen der Wirtschaftsvorschriften erarbeitet und dafür auch die in der außerordentlichen Vollversammlung vom 24. Oktober 1983 beschlossene Zustimmung der Beschwerdeführerin erhalten. Mit Bescheid der ABB vom 17. November 1983, welcher der Beschwerdeführerin und ihren sämtlichen Mitgliedern am 23. November 1983 zugestellt wurde, wurden daher auf Grund der Bestimmungen des § 51 FLG 1979 die §§ 3 (Nutzungsvorschriften) und 4 (Verwaltung) des Planes über die Regulierung des Gemeinschaftsbesitzes "X" vom 22. Juli 1930 durch neue Regelungen ersetzt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 12. Dezember 1983 richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin führt darin, wie die belangte Behörde ausgehend von § 3 des Planes vom 22. Juli 1930, im wesentlichen aus, die Gestattung des vom MB beantragten Holzbezuges würde diesen gegenüber anderen Mitgliedern in rechtswidriger Weise begünstigen. Auch habe der MB, worauf die Beschwerdeführerin bereits im Zuge des Berufungsverfahrens hingewiesen habe, das von ihm benötigte Bauholz längst von woanders bezogen und verarbeitet, weshalb der beantragte Holzbezug dem strikten Verbot des Regulierungsplanes, Holz zum Zwecke der Veräußerung zu beziehen, widersprechen würde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie - neuerlich unter Bezugnahme auf § 3 des Regulierungsplanes vom 22. Juli 1930 -
die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Auch der MB hat eine Gegenschrift erstattet, in welcher er eine genaue Überprüfung seines Falles beantragt und ausführt, durch die lange Verfahrensdauer sei er gezwungen gewesen, das gesamte Bauholz zu kaufen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 3 des Planes über die Regulierung des Gemeinschaftsbesitzes "X" vom 22. Juli 1930 gestützt, der nachfolgende für den Beschwerdefall relevante Nutzungsvorschriften vorsah:
"1.) Jede Holzschlägerung zu Verkaufszwecken sowie jede sonstige Veräußerung von Holz und Streu ist sowohl der Nachbarschaft als solcher wie jedem einzelnen Teilgenossen künftighin streng untersagt.
2.) Zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes sind Holzbezüge nur dann gestattet, wenn sie bei Neubauten und Reparaturen von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden - Almhütten und Mühlen ausgenommen - zur ausschließlichen Verwertung als 'Bauhölzer und Tennblätter' gelangen.
3.) Jegliche Holzabgabe ist an die Genehmigung der Teilhaberversammlung gebunden, die an der Hand des Voranschlages eines beh.conc. Zimmermeisters über das Ausmaß sowie ent- bzw. unentgeltliche Abgabe zu entscheiden hat. Erachtet sich ein Teilgenosse für benachteiligt, so steht ihm innerhalb der 14- tägigen Frist die Beschwerdemöglichkeit an die Agrarbehörde Spittal offen. Übersteigen die Bedarfsanmeldungen, die vom Obmanne der Nachbarschaftsversammlung gesammelt vorzulegen sind, den jährlichen Nachhaltigkeitsertrag oder bedingen Elementarereignisse (Brände, Rutschungen etc.) eine Überschlägerung, so erfolgt die Holzabgabe nur über agrarbehördliche Genehmigung des diesbezüglichen Teilhaberbeschlusses.
..."
Die belangte Behörde hat bei der Anwendung dieser Bestimmungen übersehen, dass diese im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits durch die ohne Übergangsbestimmungen angeordneten Neuregelungen des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides der ABB vom 17. November 1983 - die Zustellung des späteren Anhanges zum Plan über die Regelung des Gemeinschaftsbesitzes nach Erlassung des angefochtenen Bescheides diente gemäß § 95 Abs. 3 FLG 1979 nur der Beurkundung - ersetzt waren. Im Sinne des Vorgesagten hatte der § 3 des Regulierungsplanes, welcher seither in einen Abschnitt A) "Beschreibung des Gebietes und des Bestandes" und einen Abschnitt
B) "Nutzungsvorschriften" unterteilt ist, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im hier relevanten Umfang bereits folgenden Wortlaut:
"1.) Jede Holznutzung zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes ist untersagt.
2.) Naturalbezüge von Holz sind gemäß den Anteilen der Stammsitzliegenschaften sowie unter Berücksichtigung des Dezennalhiebsatzes zu gewähren.
3.) Die Anmeldung der Bezüge hat anlässlich der jährlich stattfindenden Vollversammlung zu erfolgen.
8.) Holzverkäufe dürfen ausschließlich durch die Agrargemeinschaft getätigt werden, wobei auf den 10-jährigen Hiebsatz Rücksicht zu nehmen ist.
..."
Der oben insoweit wörtlich wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde offenbar bei ihrer Beurteilung des Beschwerdefalles von der Rechtsansicht ausgegangen ist, der Antrag des MB sei ungeachtet allfälliger während des Laufes des Verfahrens eingetretener Änderungen des Regulierungsplanes nach dessen Nutzungsvorschriften im Zeitpunkt der Antragstellung zu beurteilen. Damit hat sie jedoch die Rechtslage verkannt, weil die Rechtsmittelbehörde grundsätzlich das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat (vgl. dazu Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1977, 898/75, Slg. Nr. 9315/A), wobei der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass diese Beurteilung auch bei einer Entscheidung über eine Streitigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 FLG 1979 Platz zu greifen hat. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber - dessen Funktion im Beschwerdefall gemäß § 51 Abs. 1 in Verbindung mit § 95 Abs. 1 FLG 1979 die ABB ausgeübt hat - in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist. Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen ist. Dem vorliegenden Beschwerdefall lag jedoch ein bis zur Entscheidung in letzter Instanz unerledigter Parteiantrag zu Grunde, über dessen Berechtigung jedenfalls nach der im Zeitpunkt der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides gegebenen Sach- und Rechtslage zu entscheiden war (vgl. dazu auch Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, S. 179; Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, S. 276; Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1978, Slg. Nr. 9536/A).
Der angefochtene Bescheid war daher mit Rücksicht darauf, dass die belangte Behörde ihn auf der rechtlichen Grundlage nicht mehr in Geltung gestandener Nutzungsvorschriften beurteilt und zu Ungunsten der Beschwerdeführerin entschieden hat, gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Nur der Vollständigkeit halber sei noch angefügt, dass der angefochtene Bescheid auch im Falle einer rechtlich zulässigen Anwendung des § 3 des Regulierungsplanes in der Fassung vom 22. Juli 1930 deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet wäre, weil sich die belangte Behörde mit der Behauptung der Beschwerdeführerin überhaupt nicht auseinander gesetzt hat, der MB habe das begehrte Bauholz bereits anderweitig bezogen, wodurch er sich selbst seines Anspruches nach den Nutzungsbestimmungen in der damaligen Fassung begeben hat.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, dass die Beschwerde pro Schriftsatz und nicht pro Bogen mit S 120,-
- zu stempeln war (vgl. § 14 TP 6 Abs. 1 des Gebührengesetzes in der geltenden Fassung).
Wien, am 13. November 1984
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1984:1984070059.X00Im RIS seit
28.10.2004Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009