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L34001 Abgabenordnung Burgenland;Norm
BAO §200 Abs1 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Kramer, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des AB in X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 27. Juni 1983, Zl. II-B-10-1983, betreffend Kanalanschlussgebühr (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem an "AB" (d.i. der Beschwerdeführer) "und C" als Eigentümer des Grundstückes Nr. nnn der KG X ergangenen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Schachendorf vom 14. November 1979 wurde gemäß den §§ 1 und 2 des Gesetzes vom 27. September 1956 über die Einhebung einer Gebühr für den Anschluss an die Gemeindekanalanlagen, LGBl. für das Burgenland Nr. 1/1957, in der Fassung des Gesetzes vom 18. Oktober 1966, LGBl. Nr. 9/1967 (im folgenden: Bgld KAGebG) in Verbindung mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 22. April 1977 die vorläufige Kanalanschlussgebühr für das obgenannte Grundstück wie folgt "neu festgesetzt":
"Berechnungsfläche 590,10 x Einheitssatz 20
=
S
11.802,-
zuzüglich Mehrwertsteuer (8 %)
S
944,16
Summe
S
12.746,16".
In der Begründung dieses Bescheides wurde nach Hinweis auf die Berechnungsvorschrift des § 2 Abs. 2 leg. cit. im wesentlichen ausgeführt, der Einheitssatz betrage laut Gemeinderatsbeschluss S 20,--. Die vom Gemeinderat der Ermittlung des Einheitssatzes gemäß § 2 Abs. 3 leg. cit. zu Grunde gelegten Baukosten der Kanalisation X betrügen S 3,150.000,--, die Kanallänge 3.150 m und der Hebesatz 2 v.H. Im Hinblick auf die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 19. Oktober 1973 bewilligte Neuprojektierung der Kanalisation S sei die Neuberechnung der Kanalanschlussgebühr gemäß § 2 Abs. 3 leg. cit. infolge wesentlicher Änderung der Kanalisationsanlage durchzuführen gewesen.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 25. November 1979 zugestellt und ist ihm gegenüber rechtskräftig geworden.
In seinem an die Gemeinde S gerichteten Schriftsatz vom 12. Mai 1982, dort eingelangt am 14. Mai 1982, führte der Beschwerdeführer aus:
"Gemäß § 152 LAO stelle ich den Antrag auf Erlassung und Zustellung des endgültigen Bescheides, wobei ich gleichzeitig Verjährung geltend mache und ersuche, über diese Frage in einem zu entscheiden."
Mit weiterem Schriftsatz vom 22. November 1982, eingelangt am 24. November 1982, stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht an den Gemeinderat als zweite Instanz, da der Bürgermeister als Abgabenbehörde erster Instanz bis dato dem Beschwerdeführer keine Erledigung habe zukommen lassen.
Mit Schreiben vom 2. Mai 1983, dem Beschwerdeführer zugestellt am 3. Mai 1983, wurde der Beschwerdeführer ersucht, am 4. Mai 1983 beim Gemeindeamt S persönlich zu erscheinen, damit das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ihm zur Kenntnis gebracht werden könne. Mit Schreiben vom 4. Mai 1983, eingelangt am 6. Mai 1983, gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er der Ladung nicht Folge leisten könne und er um einen neuen Termin bitte. Gleichfalls am 4. Mai 1983 war von einem Organ der Gemeinde S eine Niederschrift betreffend die "Erfassung der Häuser und Grundstücke zwecks Berechnung der Kanalanschlussgebühren" aufgenommen worden.
Darin heißt es unter anderem:
"Besitzer: AB (Beschwerdeführer) und C .....
a)
Bebaute Fläche:
durchschn. Stockwerke
Wohngebäude: 203 m2
unterkellert:
ja
Wirtschaftsgebäude: 140,40 m2
"
./.
b))
unverbaute Fläche: 1.098,60 m2
Lt. Kataster: 1.442 m "
Mit dem auf Grund des Beschlusses vom 6. Mai 1983 ergangenen, nur an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde S vom 10. Mai 1983 wurde die endgültige Kanalanschlussgebühr für das oben genannte Grundstück gleich lautend wie im Bescheid vom 14. November 1979 festgesetzt. Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 2 Abs. 3 letzter Satz Bgld KAGebG die bereits entrichtete Kanalanschlussgebühr im Betrage von S 12.746,16 anzurechnen sei, so daß eine Gebührenschuld von S Null verbleibe.
In der Begründung dieses Bescheides wird die dem Bescheid vom 14. November 1979 beigegebene Begründung wiederholt. Weiters wird nach teilweiser Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 156 bis 158 der Burgenländischen LAO, LGBl. Nr. 2/63, ausgeführt, der Kanalanschlussverpflichtungsbescheid für das Haus X Nr. nn sei am 20. Juni 1974 "erlassen" und am 19. August 1974 zugestellt worden. Am 7. Juli 1975 sei ein Bescheid über die Kanalanschlussgebührenvorauszahlung mit S 1.000,-- zugestellt worden. Im Jahre 1978 bzw. 1979 sei die restliche Kanalanschlussgebührenvorauszahlung von der Gemeinde S eingemahnt worden. Schließlich sei mit dem eingangs erwähnten Bescheid vom 14. November 1979 die vorläufige Kanalanschlussgebühr zur Vorschreibung gebracht worden. Es seien somit im Verjährungszeitraum von der Gemeinde S "verjährungsunterbrechende Tatbestände" gesetzt worden, sodass eine Verjährung des Abgabenanspruches nicht vorliege. Da der Beschwerdeführer der Aufforderung der Gemeinde, am 4. Mai 1983 zu erscheinen, nicht nachgekommen sei, habe ihm das Ergebnis des Beweisverfahrens nicht zur Kenntnis gebracht werden können.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.
Darin brachte er vor:
1. Der Berechnung seien zwei Geschoße zu Grunde gelegt worden. Sein Haus sei nur mit einem Geschoß angeschlossen. Der Multiplikator sei demnach 2 und nicht, wie angenommen, 3.
2. Der Vorauszahlungsbescheid von 1975 habe die Verjährung zwar unterbrochen. Mit Beginn 1976 habe die Frist neu zu laufen begonnen und 1978 geendet. Mahnungen seien nicht ergangen, daher sei Verjährung eingetreten,
3. Die Ladung für 4. Mai 1983 sei dem Beschwerdeführer am Vortag, dem 3. Mai 1983 zugestellt worden, worin ein wesentlicher Verfahrensmangel liege. Eine Stellungnahme sei nicht möglich gewesen, zumal der Beschwerdeführer unaufschiebbare Dinge zu erledigen gehabt habe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Bezirkshauptmannschaft Oberwart die Vorstellung des Beschwerdeführers gemäß den §§ 77 und 79 der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965 idgF, als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, der Bescheid über die Vorschreibung einer vorläufigen Kanalanschlussgebühr sei in Rechtskraft erwachsen und es sei im Hinblick auf den Zeitablauf gemäß § 156 Abs. 2 LAO Verjährung eingetreten. Die Gemeindeabgabenbehörde habe in der angefochtenen Entscheidung verkannt, dass auch das Recht, eine Abgabe endgültig festzusetzen, also einen vorläufigen Abgabenbescheid als endgültig zu erklären, der Verjährung unterliege. Die Verjährung sei die zeitliche Begrenzung für die Ersetzung des vorläufigen Bescheides durch einen endgültigen. Nur innerhalb dieser Frist vermöge der Abgabenpflichtige mit einem Antrag auf endgültige Festsetzung durchzudringen; auch eine amtswegige endgültige Festsetzung unterliege dieser Begrenzung. Nehme die Behörde innerhalb dieser Frist die endgültige Festsetzung nicht vor, so werde der bisher vorläufige Bescheid materiell endgültig, wiewohl er formell (der Bezeichnung nach) vorläufig bleibe; er sei sodann nach keiner Richtung hin abänderbar. "Weil" der Gemeinderat als Abgabenbehörde den Antrag vom 12. Mai 1982 nicht abgewiesen habe, sondern einen endgültigen Bescheid erlassen habe, seien keine Rechte des Vorstellungswerbers verletzt worden. Es habe sich daher erübrigt, auf die weiteren Ausführungen der Vorstellung einzugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 152 Abs. 1 der Burgenländischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 2/1963 (LAO), kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist.
Wenn die Ungewissheit (Abs. 1) beseitigt ist, ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen. Gibt die Beseitigung der Ungewissheit zu einer Berichtigung der vorläufigen Festsetzung keinen Anlass, so ist ein Bescheid zu erlassen, der den vorläufigen zum endgültigen Abgabenbescheid erklärt.
Gemäß § 156 Abs. 1 LAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle drei Jahre, bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre.
Nach der Vorschrift des § 157 leg. cit. beginnt die Verjährung
a) in den Fällen des § 156 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist; ...
c) in den Fällen des § 152 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.
Gemäß § 158 Abs. 1 leg. cit. wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 54) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Vorweg ist festzuhalten, dass der Bescheid vom 14. November 1979 über die Festsetzung einer vorläufigen Kanalanschlussgebühr gegenüber dem Beschwerdeführer in Rechtskraft erwachsen ist. Die Erörterungen im Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde S vom 10. Mai 1983 zur Frage, ob vor Erlassung des Bescheides vom 14. November 1979 bereits "verjährungsunterbrechende Tatbestände" gesetzt worden waren, gehen daher ins Leere.
In der Beschwerde wird nun unter Hinweis auf die zitierte Vorschrift des § 157 lit. c LAO ausgeführt, selbst wenn man unterstelle, dass die Ungewissheit schon im Jahre 1979 beseitigt worden sei, sei der Antrag des Beschwerdeführers vom 12. Mai 1982 noch innerhalb der Verjährungsfrist eingebracht und somit rechtzeitig. Die belangte Behörde habe die Frage der Beseitigung der Ungewissheit offensichtlich gar nicht geprüft, sodass es unerklärlich bleibe, auf Grund welcher Tatsachen und Umstände sie zu ihrem Ergebnis habe kommen können. Der angefochtene Bescheid lasse die Erwägungen der entscheidenden Behörde nicht erkennen, sondern stelle lediglich fest, der vorläufige Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen und es sei im Hinblick auf den Zeitablauf gemäß § 156 Abs. 2 LAO Verjährung eingetreten. Die belangte Behörde sage nicht, wann die Ungewissheit beseitigt worden sei und worin die Beseitigung bestanden habe. Die "Verjährungsfrist zur Erlassung des endgültigen Bescheides" sei noch nicht abgelaufen gewesen.
Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Richtig ist, dass auch das Recht, eine Abgabe endgültig festzusetzen, also einen vorläufigen Abgabenbescheid als endgültig zu erklären, der Verjährung unterliegt. Dies ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus der Vorschrift des § 157 lit. c LAO, die dem § 208 lit. d BAO entspricht und nur sinnvoll ist, wenn der jeweilige Gesetzgeber auch das hier in Rede stehende Recht des Abgabengläubigers der Bemessungsverjährung unterwerfen wollte.
Die belangte Behörde - die hiebei wörtlich die Ausführungen von Stoll, BAO-Handbuch, Seite 473, zum (insofern mit § 152 LAO inhaltsgleichen) § 200 BAO wiedergibt - nimmt an, die Verjährung sei unter allen Umständen die zeitliche Begrenzung für die Ersetzung des vorläufigen Bescheides durch einen endgültigen. Nur innerhalb dieser Frist vermöge der Abgabenpflichtige mit einem Antrag auf endgültige Festsetzung durchzudringen; auch eine amtswegige endgültige Festsetzung unterliege dieser Begrenzung. Nehme die Behörde innerhalb dieser Frist die endgültige Festsetzung nicht vor, so werde der bisher vorläufige Bescheid materiell endgültig, wiewohl er formell (der Bezeichnung nach) vorläufig bleibe; er sei sodann nach keiner Richtung abänderbar. Im gleichen Sinne haben sich bereits Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, Seiten 666, 668, ausgesprochen und ebenda (Seite 691) zu § 208 Abs. 1 lit. d BAO die Meinung vertreten, das ungenützte Verstreichen der Bemessungsverjährungsfrist nach Ergehen des vorläufigen Bescheides führe zur Verjährung des Rechtes der Behörde auf endgültige Abgabenfestsetzung, sei es nun zu Gunsten oder zu Ungunsten des Abgabepflichtigen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich dieser zuletzt genannten Rechtsansicht nicht anzuschließen, zumal sie zu höchst unbefriedigenden, rechtsschutzfeindlichen Ergebnissen führen müsste: Stellt sich nämlich nach Erlassung des vorläufigen Bescheides heraus, dass der Abgabenanspruch dem Grunde oder der angenommenen Höhe nach nicht zu Recht besteht, dann kann zwar der Abgabenschuldner einen unbefristeten (vgl. demgegenüber die Einjahresfrist des weiter unten wörtlich wiedergegebenen § 225 der seinerzeit in Geltung gestandenen RAO) Antrag auf Erlassung des endgültigen Bescheides stellen, ohne doch mit Sicherheit erreichen zu können, dass dieser Bescheid noch innerhalb der Bemessungsverjährungsfrist ergeht. In Wahrheit zwingt jedoch nichts zu dieser Auslegung:
Im Sinne der Vorschriften der BAO bedeutet Bemessungsverjährung (§ 207 ff leg. cit.) das Verbot, den an sich noch bestehenden Abgabenanspruch nach Ablauf der Verjährungszeit geltend zu machen (vgl. Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, Seite 679, die hiezu auch auf die Fassung des § 209 Abs. 3 BAO verweisen, sowie Stoll, BAO-Handbuch, Seite 484). Es handelt sich also bei dieser Institution der Verjährung überwiegend um eine Einrichtung zum Schutz des Abgabenschuldners; neben das Interesse am Rechtsfrieden und an der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten tritt auch der Gedanke, dass Forderungsrechte nicht verewigt werden (Stoll, Das Steuerschuldverhältnis in seiner grundlegenden Bedeutung für die steuerliche Rechtsfindung, Seite 141) und die vermögensweiten Interessenlagen zur Ruhe kommen sollen (Stoll, BAO-Handbuch, Seite 484). Der Ausdruck "festsetzen" ist zwar neutral hinsichtlich des Ergebnisses, zu dem die Festsetzung führt. Wird dieser Begriff jedoch im Zusammenhang mit der Verjährung des Rechtes der Behörde auf Festsetzung einer Abgabe verwendet, kommt ihm nur eingeschränkte Bedeutung zu. Eine systemkonforme Auslegung der §§ 200, 207, 208 Abs. 1 lit. d BAO (§§ 152, 156, 157 lit. c LAO) verbietet es nämlich, anzunehmen, der Behörde sei nach Ablauf der Bemessungsverjährungsfrist auch eine endgültige Abgabenfestsetzung zu Gunsten des Abgabenschuldners verwehrt, zumal es sich hiebei notwendigerweise um eine Herabsetzung der Abgabenschuld handelt und damit im Umfang der Herabsetzung, materiellrechtlich gesehen, keine "Geltendmachung" derselben im Sinne obiger Definition vorliegt.
Dass dies auch der Absicht des historischen Gesetzgebers entspricht, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
§ 225 der gemäß § 320 Abs. 1 lit. a BAO aufgehobenen Reichsabgabenordnung vom 22. Mai 1931, Deutsches RGBl. I Seite 161, lautete:
"Wo das Gesetz wegen bedingter, befristeter oder sonst ungewisser Verhältnisse die Steuerfestsetzung aussetzt oder eine vorläufige vorsieht, ist die Steuerfestsetzung nachzuholen oder zu berichtigen, wenn die Ungewissheit beseitigt ist. Nach Ablauf des Jahres, das auf die Beseitigung der Ungewissheit folgt, kann der Steuerpflichtige die Berichtigung nicht mehr beantragen. Eine Berichtigung zum Nachteil des Steuerpflichtigen ist unzulässig, wenn der Anspruch auf Nachzahlung verjährt ist; im Sinn des § 145 Absatzes 1 gilt der Anspruch als mit der Beseitigung der Ungewissheit entstanden."
In dieser Gesetzesstelle war also ausdrücklich normiert, dass bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung nur eine "Berichtigung" (Neufestsetzung) zum Nachteil des Steuerpflichtigen der Verjährung unterliege. Diese Vorschrift trat ergänzend zu den Bestimmungen der §§ 143 ff RAO hinzu, die lediglich eine einheitliche Anspruchsverjährung kannten.
Die Bestimmung des § 225 RAO blieb bis zum Inkrafttreten der BAO (1. Jänner 1962) in Kraft; durch § 20 des Abgabeneinhebungsgesetzes, BGBl. Nr. 103/1949, wurden lediglich die §§ 143 bis 149 RAO, und zwar nur insoweit aufgehoben, soweit sie die Verjährung des Rechtes zur Einforderung fälliger Abgabenbeträge (sog."Einhebungsverjährung") betrafen.
Bei Schaffung der BAO ging der Gesetzgeber, wie sich aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 228 Blg. IX. Gp., Allgemeiner Teil Seite 51, ergibt, von der Absicht aus, "im allgemeinen die bewährten Bestimmungen des geltenden Rechtes" zu übernehmen. Zu den §§ 198 bis 206 wird unter anderem angemerkt, die Voraussetzungen, unter denen Abgaben vorläufig festgesetzt werden könnten, sollten im § 200 auf die Fälle eingeschränkt werden, in denen Bestand oder Umfang der Abgabepflicht ungewiss ist; die bisher ohne weitere Begründung mögliche vorläufige Abgabenfestsetzung (§ 100 Abs. 2 AO) bei Abgabepflichtigen, die der Betriebsprüfung unterliegen, solle im Interesse der Rechtssicherheit entfallen (a.a.O. Seite 64). Zu den §§ 207 bis 209 heißt es, die bisherigen Bestimmungen über die Bemessungsverjährung, die in den §§ 143 ff AO enthalten seien, sollten im wesentlichen unverändert übernommen werden. Ebenda wird auch auf die Neueinführung einer absoluten Verjährungsfrist (§ 209 Abs. 3), also gleichfalls einer Verbesserung des Rechtsschutzes, hingewiesen (S. 65).
Zusammenfassend ist hiezu zu sagen, dass aus keiner dieser (gewiss sehr kursorischen) Bemerkungen etwa die Absicht des Gesetzgebers zu entnehmen ist, den Rechtsschutz des Abgabepflichtigen in irgendeiner Weise - also auch nicht, was die Verjährung des Rechtes zur Erlassung eines endgültigen Bescheides anlangt - zu verschlechtern. Mag nun der Umstand, dass die Vorschrift des § 225 dritter Satz RAO nicht ausdrücklich in das neue Recht übernommen wurde, einem Redaktionsversehen oder der Tatsache zuzuschreiben sein, dass der Gesetzgeber der BAO dies für überflüssig hielt, so ergibt sich daraus doch, dass die hier vertretene Rechtsansicht nicht nur im Wortlaut und System des Gesetzes, sondern auch in der Absicht des historischen Gesetzgebers ihre Deckung findet.
Auf den Beschwerdefall angewendet bedeutet dies, dass der Gemeinderat der Gemeinde S durch die Vorschriften der §§ 156 Abs. 1, 157 lit. c LAO nicht gehindert gewesen wäre, den vorläufigen Bescheid vom 14. November 1979 hinsichtlich des Beschwerdeführers im Wege einer endgültigen Festsetzung zu dessen Gunsten abzuändern. Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage auf die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Richtigkeit der endgültigen Festsetzung unter Hinweis auf die dem entgegenstehende Bemessungsverjährung nicht einging, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Weiters hätte die belangte Vorstellungsbehörde von Amts wegen auch den der Gemeindebehörde unterlaufenen Verfahrensmangel aufgreifen müssen, der darin zu erblicken ist, dass letztere entgegen der Vorschrift des § 93 der Burgenländischen LAO keine Feststellungen über den Grundstückswert und den Kanalisierungsnutzen im Sinne des § 1 Abs. 1 letzter Satz Bgld KAGebG getroffen hat (vgl. hiezu das - gleichfalls einen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 14. November 1979 betreffende - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1982, Zl. 17/3791/80, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).
Schließlich hat es die belangte Behörde unterlassen, im Lichte der Bestimmung des § 157 lit. c LAO darzutun, wieso sie überhaupt von einem Ablauf der Frist zur Bemessungsverjährung ausging, insbesondere wieso sie offenbar annahm, dass die "Ungewissheit" im Sinne des § 152 LAO bereits im Jahre 1978 geendet hätte, und worin diese Ungewissheit überhaupt bestand. Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift nunmehr darauf hinweist, die mitbeteiligte Gemeinde habe mitgeteilt, dass nach Erlassung der vorläufigen Kanalanschlussgebührenbescheide im Hinblick auf die Reaktion der Bevölkerung eine Abänderung dieser Bescheide nicht mehr beabsichtigt gewesen und die Ungewissheit damit 1979 als beseitigt anzusehen sei, so vermag dies die fehlende Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu ersetzen. Abgesehen davon kann aber der Umstand, dass sich eine Behörde über die zu beobachtende weitere Vorgangsweise noch nicht schlüssig ist, nicht als "Ungewissheit" im Sinne des § 152 LAO gewertet werden.
Aus den oben genannten Gründen war jedoch der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Hinsichtlich der oben erwähnten, nicht in der Amtlichen Sammlung seiner Erkenntnisse und Beschlüsse veröffentlichten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965 erinnert.
Wien, am 16. November 1984
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1984:1983170163.X00Im RIS seit
16.11.1984Zuletzt aktualisiert am
06.11.2009