Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Waldner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde des VN in Z, vertreten durch Dr. Hubertus Schumacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 14. Februar 1985, Zl. St-20-1/85, betreffend Wiederaufnahme eines Verwaltungsstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen im Betrage von S 2.760;-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (die belangte Behörde) hat mit "Berufungserkenntnis" vom 5. Dezember 1983 (dem Beschwerdeführer zugestellt am 16. Dezember 1983) den als Berufung gewerteten Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 20. September 1983 abgewiesen. Mit dieser Strafverfügung war der Beschwerdeführer wegen eines Vorfalles am 10. Juni 1983 einer Übertretung gemäß Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG 1950 schuldig erkannt und deswegen mit S 1.000,-- bestraft worden.
Mit der an die belangte Behörde gerichteten Eingabe vom 20. Jänner 1984 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des mit dem "Berufungserkenntnis" vom 5. Dezember 1983 rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens. Er wies dabei auf den ihm "vor einigen Tagen nachweislich zur Kenntnis gelangten" Beschluss des Bezirksgerichtes Telfs vom 17. August 1983, GZ. U 392/83, hin, mit welchem das aus Anlass des Vorfalles vom 10. Juni 1983 gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Strafverfahren (wegen Körperverletzung) gemäß § 42 StGB rechtskräftig eingestellt worden war. Diese Eingabe hat die belangte Behörde unverzüglich an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck "gemäß § 69 Abs. 2 AVG zur Entscheidung weitergeleitet". Mit Bescheid vom 12. November 1984 wies die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck den Wiederaufnahmsantrag ab. Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung bestätigte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid "mit der Maßgabe, dass der Wiederaufnahmsantrag gemäß § 69 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 69 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG als unbegründet abgewiesen wird". Die Entscheidung des Bezirksgerichtes Telfs sei weder "Tatsache" noch "Beweismittel" im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 und stelle daher keinen Wiederaufnahmsgrund dar. Überdies hätten zufolge des im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Kumulationsprinzips Gerichte und Verwaltungsbehörden ein und denselben Sachverhalt unter verschiedenen Gesichtspunkten zu beurteilen.
Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer dem gesamten Beschwerdevorbringen nach im Recht auf Wiederaufnahme des seinerzeitigen Strafverfahrens gemäß § 69 AVG 1950 verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
1. Der Gerichtshof sah sich zunächst veranlasst, die Frage zu klären, ob im Beschwerdefall auch die Erstbehörde über den Wiederaufnahmsantrag zu entscheiden hatte. In seinem gemäß § 41 Abs. 1 letzter Satz VwGG ergangenen Beschluss vom 8. Juli 1985 hat er unter Hinweis darauf, dass der vorliegende Fall eines geteilten Abschlusses des Verwaltungsstrafverfahrens im § 69 Abs. 4 AVG 1950 nicht ausdrücklich geregelt sei, den Parteien des Verfahrens eröffnet, es könnte für die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides auch folgender Grund maßgebend sein:
Vertrete man die Auffassung, dass der belangten Behörde (als der im wiederaufzunehmenden Verfahren in letzter Instanz einen Bescheid erlassenden Behörde) zufolge des § 69 Abs. 4 AVG 1950 die Entscheidung über den Wiederaufnahmsantrag in erster (und letzter Instanz), zukam, könnte der angefochtene Bescheid schon deshalb rechtswidrig sein, weil zunächst die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck in erster Instanz entschieden und die belangte Behörde über die dagegen erhobene Berufung "als Rechtsmittelbehörde" abgesprochen hat, anstatt den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben und selbst "in erster Instanz" über den Wiederaufnahmsantrag zu entscheiden.
Die belangte Behörde begründete in ihrer Stellungnahme die Weiterleitung des an sie gerichteten Wiederaufnahmsantrages zur Entscheidung an die Erstbehörde mit dem Argument, der Beschwerdeführer habe mit seinem Antrag die Wiederaufnahme des gesamten Strafverfahrens, also auch hinsichtlich der Schuldfrage angestrebt; die Bindung an die Rechtskraft der Entscheidung der Erstbehörde (Strafverfügung) in der Schuldfrage habe es ihr verwehrt, gemäß § 69 Abs. 4 AVG 1950 über den auch die erstinstanzliche Entscheidung betreffenden Wiederaufnahmsantrag abzusprechen; hätte sie letzteres dennoch getan, wäre dem Beschwerdeführer eine Instanz entzogen worden.
Der Beschwerdeführer pflichtete der belangten Behörde darin bei, dass sein Antrag auf Wiederaufnahme des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens gerichtet gewesen sei. Dies erhelle insbesondere aus dem inhaltlichen Vorbringen des Wiederaufnahmsantrages, aber auch aus dem Antrag selbst ("Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens"). Da der Antrag auf die Wiederaufnahme des gesamten Verfahrens gerichtet gewesen sei, wäre die belangte Behörde jedenfalls im Hinblick auf den die Strafhöhe betreffenden Teil des Verwaltungsstrafverfahrens "letzte Instanz" im Sinne des § 69 Abs. 4 AVG 1950 gewesen. Die Entscheidung über den Wiederaufnahmsantrag wäre demnach zwischen der belangten Behörde und der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck "aufzuteilen" gewesen. Nachdem aber die belangte Behörde die gesamte Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck überlassen, und dann über die dagegen erhobene Berufung zur Gänze "als Rechtsmittelbehörde" abgesprochen habe, anstatt zumindest hinsichtlich der Frage der Wiederaufnahme gegen das Verfahren betreffend die Strafhöhe selbst in erster Instanz über den Wiederaufnahmsantrag zu entscheiden, sei der gesamte Bescheid der belangten Behörde rechtswidrig. Der nunmehr bekämpfte Berufungsbescheid lasse sich diesbezüglich nicht trennen.
Der Gerichtshof geht wie die - in dieser Frage übereinstimmenden - Parteien davon aus, dass der Wiederaufnahmsantrag, obwohl er an die belangte Behörde statt an die Erstbehörde gerichtet war (vgl. dazu die Regelung des § 69 Abs. 2 AVG 1950 über die Einbringung eines Wiederaufnahmsantrages), nach der aus der Eingabe erkennbaren Absicht des Beschwerdeführers auf die Wiederaufnahme des gesamten Strafverfahrens, also auch hinsichtlich der mit Strafverfügung der Erstbehörde vom 20. September 1983 rechtskräftig entschiedenen Schuldfrage abzielte.
Somit ist die mit dem oben genannten Beschluss vom 8. Juli 1985 aufgeworfene Frage zu klären, ob im vorliegenden Fall nicht ungeachtet des auf die Wiederaufnahme des Verfahrens auch in der Schuldfrage abzielenden Antrages, allein die belangte Behörde zur Entscheidung über den Wiederaufnahmsantrag zuständig war, weil sie im wiederaufzunehmenden Strafverfahren einen Bescheid (das "Berufungserkenntnis" vom 5. Dezember 1983) "in letzter Instanz erlassen" hat. Der Gerichtshof verneint diese Frage aus folgenden Erwägungen:
Gemäß § 69 Abs. 4 AVG 1950 steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat. Im Erkenntnis vom 3. Dezember 1953, Slg. Nr. 3225/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Entscheidung über die Wiederaufnahme eines Verfahrens dann, wenn eine in der Sache eingebrachte Berufung von der Oberbehörde aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde, nicht dieser, sondern derjenigen Behörde zusteht, die den Bescheid erlassen hat, durch den das Verfahren in meritorischer Beziehung rechtskräftig beendet wurde; die zuletzt genannte Behörde habe den Bescheid "in der Sache selbst in letzter Instanz" erlassen. Unter Hinweis darauf hat der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Jänner 1971, Zl. 1637/69, erklärt, da die eingebrachte Berufung (gegen ein Straferkenntnis als verspätet zurückgewiesen worden sei, habe die Behörde erster Instanz in der Sache selbst zugleich in letzter Instanz entschieden; für die Entscheidung über einen Wiederaufnahmsantrag in dieser Sache sei daher die Behörde erster Instanz zuständig; die Berufungsbehörde wäre zur Entscheidung über den Wiederaufnahmsantrag dann zuständig gewesen, wenn die Zurückweisung der Berufung den Gegenstand des Wiederaufnahmsantrages gebildet hätte. In Fortführung des Grundgedankens der dargestellten Rechtsprechung vertritt der Gerichtshof in dem hier vorliegenden Fall der Beendigung eines Verwaltungsstrafverfahrens durch Bescheide zweier behördlicher Instanzen die Auffassung, dass dann, wenn die Wiederaufnahme des Strafverfahrens auch in der Schuldfrage begehrt wird, zunächst die Behörde erster Instanz über den Wiederaufnahmsantrag abzusprechen hat. Sie ist allerdings zur Entscheidung über das Wiederaufnahmsbegehren nur insoweit befugt, als dieses auf die Wiederaufnahme des mit ihrem Bescheid rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens in der Schuldfrage abzielt. Ein Abspruch über den Wiederaufnahmsantrag, soweit er die Straffrage betrifft, ist ihr deshalb verwehrt, weil insoweit die Oberbehörde den "Bescheid in letzter Instanz erlassen" hat. Gibt die Erstbehörde dem Wiederaufnahmsantrag Folge, tritt der seinerzeitige Strafausspruch der Rechtsmittelbehörde eo ipso außer Kraft, weil er nicht ohne einen Schuldausspruch bestehen kann; es bedarf daher in einem solchen Fall keiner gesonderten Aufhebung des Strafausspruches. Lehnt hingegen die Erstbehörde den Wiederaufnahmsantrag ab und wurde mit diesem - wie im Beschwerdefall - die Wiederaufnahme in der Schuld- und in der Straffrage begehrt, so hat die Behörde zweiter Instanz einerseits über die gegen den erstinstanzlichen Bescheid allenfalls erhobene Berufung und andererseits über das ihren seinerzeitigen Strafausspruch betreffende Wiederaufnahmsbegehren - spruchmäßig getrennt - abzusprechen. Der Gerichtshof hält daher die in der Stellungnahme des Beschwerdeführers geäußerte Auffassung für zutreffend, wonach im Falle eines mit Bescheiden zweier behördlicher Instanzen abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens und bei einem auf die Wiederaufnahme des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens gerichteten Begehren, beide Behörden je für sich hinsichtlich des mit ihrem Bescheid jeweils rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrensteiles über den Wiederaufnahmsantrag zu entscheiden haben. Aus dem Gesagten folgt weiters, dass die belangte Behörde zu Recht den Wiederaufnahmsantrag zunächst zur Entscheidung an die Erstbehörde weitergeleitet hat.
Wenngleich der Gerichtshof der in der Stellungnahme des Beschwerdeführers geäußerten Rechtsmeinung an sich beipflichtet, vermag er den dort gezogenen Schluss auf die Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen und des bekämpften Bescheides im Beschwerdefall nicht zu folgen. Der Beschwerdeführer wäre, was die von ihm angedeutete Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides anlangt, dann im Recht, wenn die Erstbehörde nicht nur über den Wiederaufnahmsantrag, soweit dieser ihren seinerzeitigen Schuldspruch betraf, entschieden, sondern auch über das auf Wiederaufnahme des Verfahrens in der Straffrage abzielende Begehren abgesprochen hätte. Dies ist indes nicht der Fall. Zwar hat die Erstbehörde mit ihrem Bescheid vom 12. November 1984 den Wiederaufnahmsantrag ohne nähere Differenzierung im Spruch abgelehnt. Es bedarf demnach einer Deutung dieses - insofern unklaren - Spruches aus der ihm beigegebenen Begründung heraus (vgl. zur Auslegung eines Spruches aus der Begründung die Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1984, Zl. 81/11/0119, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Gerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird). In der Bescheidbegründung hat die Erstbehörde näherhin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in seinem Einspruch gegen ihre Strafverfügung vom 20. September 1983 ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafe in Beschwerde gezogen, hingegen "die Schuldfrage nicht bekämpft" habe; eben diese Frage war aber mit der Strafverfügung durch die Erstbehörde rechtskräftig entschieden worden. Im Hinblick auf diese Begründung ist der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides vom 12. November 1984 dahin zu deuten, dass mit diesem Bescheid über das Wiederaufnahmsbegehren nur insoweit, als es die mit der Strafverfügung rechtskräftig entschiedene Schuldfrage betraf, abgesprochen wurde. Da die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid - von einer hier nicht wesentlichen Ausnahme abgesehen - bestätigt hat, wurde über den Wiederaufnahmsantrag lediglich in Bezug auf die Schuldfrage abgesprochen. Hingegen fehlt es im bekämpften Bescheid an einem von der belangten Behörde in erster Instanz zu treffenden Ausspruch über den Wiederaufnahmsantrag, soweit dieser die erst mit ihrem ("in letzter Instanz erlassenen") "Berufungserkenntnis" vom 5. Dezember 1983 rechtskräftig entschiedene Frage der Strafhöhe betraf. Die insoweit gegebene Verletzung der Entscheidungspflicht bildet indes nicht - unbeschadet der Bestimmung des Art. 132 zweiter Satz B-VG - den Gegenstand des gegenständlichen Bescheidbeschwerdeverfahrens.
Aus all dem folgt, dass der angefochtene Bescheid nicht mit der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 8. Juli 1985 - vorläufig - als möglich angenommenen und auch nicht mit der vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 14. August 1985 behaupteten Rechtswidrigkeit behaftet ist.
2. Der Beschwerdeführer steht - sein diesbezügliches Vorbringen auf das wesentliche zusammengefasst - auf dem Standpunkt, dass auch Entscheidungen eines Gerichtes unter den Begriff "Tatsachen" oder "Beweismittel" im Sinne des § 69 Abs.1 lit. b AVG 1950 zu subsumieren seien, demnach auch die Entscheidung des Bezirksgerichtes Telfs einen Wiederaufnahmsgrund im Verwaltungsstrafverfahren darstellen könne. Unter Hinweis auf Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 3. Auflage, 194, bringt der Beschwerdeführer dazu vor, aus der Definition des Beweismittels als Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen sei nicht zu entnehmen, dass etwa ein Beschluss eines Gerichtes nicht auch für die Herbeiführung einer (inhaltlich anders lautenden) Entscheidung einer Verwaltungsbehörde mitbestimmend sein könnte. Der Sache nach macht der Beschwerdeführer damit eine andere rechtliche Beurteilung des Vorfalles vom 10. Juni 1983 durch das Strafgericht - und zwar in Ansehung des Schuldgehaltes der Tat - als Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 geltend.
Gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Beschluss des Bezirksgerichtes Telfs weder als "Tatsache" noch als "Beweismittel" im Sinne dieser Gesetzesstelle anzusehen:
"Tatsache" kann nur ein Element jenes Sachverhaltes sein, der von der Verwaltungsbehörde des wiederaufzunehmenden Verfahrens zu beurteilen war; darunter fällt nicht auch eine spätere rechtliche Beurteilung eben dieses Sachverhaltes durch ein Gericht (oder eine andere Verwaltungsbehörde). In diesem Zusammenhang verweist der Verwaltungsgerichtshof auf seine ständige Rechtsprechung, wonach das nachträgliche Erkennen, dass im abgeschlossenen Verfahren Verfahrensmängel oder gar eine unrichtige rechtliche Beurteilung seitens der Behörde vorgelegen seien, ebenso wenig einen Grund zur Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 bildet wie etwa das nachträgliche Bekanntwerden von Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes, aus denen sich ergibt, dass die von der Behörde im abgeschlossenen Verfahren vertretene Rechtsauffassung verfassungs- oder gesetzwidrig war (vgl. das Erkenntnis vom 20. März 1970, Zlen. 1609/69, 1305/69, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Der Gerichtshof sieht auch im Beschwerdefall keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Als "Beweismittel" kommt nicht schon eine gerichtliche (oder verwaltungsbehördliche) Entscheidung als solche in Frage da sie ja nur das Ergebnis eines Denkprozesses über ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis und dessen rechtliche Beurteilung darstellt. Was das erstere anlangt, so stützt sich dieser Denkvorgang seinerseits wiederum auf Beweismittel. Insofern könnte allerdings eine gerichtliche (verwaltungsbehördliche) Entscheidung als ein "neu hervorgekommenes Beweismittel" dann angesehen werden, wenn in ihr Beweismittel berücksichtigt wurden, die im wiederaufzunehmenden Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten (freilich nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Frist des § 69 Abs. 2 AVG 1950 gewahrt wird). Indes bildete auch in diesem Fall nicht eigentlich die Entscheidung selbst, sondern das darin verwertete, für den Wiederaufnahmewerber "neu hervorgekommene Beweismittel" den Wiederaufnahmsgrund gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950. Dass nun der Beschluss des Bezirksgerichtes Telfs vom 17. August 1983 unter anderem auf Grund "neu hervorgekommener Beweismittel" im besagten Sinne ergangen wäre, hat der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet; auch bieten die Akten des Verwaltungsverfahrens keinen Anhaltspunkt in dieser Richtung.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die belangte Behörde den Beschluss des Bezirksgerichtes Telfs zu Recht nicht als Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 angesehen hat.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Frage, ob das Bezirksgericht Telfs mit seinem Beschluss ein Verschulden des Beschwerdefühers in Bezug auf das von diesem Gericht zu ahndende Delikt zur Gänze verneint habe oder nicht.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 30. September 1985
Schlagworte
Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova productaInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Wiederaufnahme des VerfahrensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1985:1985100067.X00Im RIS seit
16.11.2005Zuletzt aktualisiert am
13.04.2011