TE Vfgh Beschluss 1987/6/12 G108/87

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Veröffentlicht am 12.06.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StVG §§119 ff

Leitsatz

Individualantrag auf Aufhebung der §§22 Abs1, 38 Abs1, 67, 91 Abs2 und 136 Abs1; Erwirkung von Bescheiden über seine in den bekämpften Vorschriften gründenden Anliegen zumutbar - Mangel der Antragslegitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit seinem nicht von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterfertigten und der Sache nach auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Schreiben vom 19. April 1987 stellte der in der Strafvollzugsanstalt Stein eine Freiheitsstrafe verbüßende Einschreiter R B den Antrag, die §§22 Abs1, 38 Abs1, 67, 91 Abs2 und 136 Abs1 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. 144/1969, (StVG) aus näher bezeichneten Gründen als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Über den Antrag wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG idF BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides (für diese Person) wirksam geworden ist.

2.1.2. Der VfGH vertritt seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen muß und daß der durch Art140 Abs1 B-VG eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, dem einzelnen Rechtsunterworfenen Rechtschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 9062/1981, 9685/1983).

2.2. Im vorliegenden Fall steht dem Antragsteller allerdings ein ihm zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit der seiner Meinung nach aufzuhebenden Bestimmungen des StVG zur Verfügung, wie folgende Erwägungen zeigen:

Der Einschreiter verbüßt eine Freiheitsstrafe in der Strafvollzugsanstalt Stein und ist daher von den bekämpften Bestimmungen des StVG, und zwar von §22 Abs1 (Behandlung der Strafgefangenen), §38 Abs1 (Verpflegung mit Anstaltskost), §67 (Unzulässigkeit ärztlicher Experimente), §91 Abs2 (Berechtigung zum Erhalt von Nahrungs- und Genußmitteln) und §136 Abs1 (Vollziehung der Freiheitsstrafen in Stufen), möglicherweise tatsächlich betroffen. Es ist ihm jedoch gemäß §§119 ff StVG gestattet und auch ohne weiteres zumutbar, im Wege geeigneter Ansuchen und Beschwerden die Erlassung von Bescheiden (über seine in den zitierten Gesetzesvorschriften gründenden Anliegen) zu erwirken (vgl. insbesondere §121 StVG), die er nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges letztendlich beim VfGH nach Art144 B-VG bekämpfen kann; in diesem Zusammenhang steht ihm auch die Möglichkeit offen, die behauptete Verfassungswidrigkeit der diesen Bescheiden zugrundeliegenden Bestimmungen des StVG geltend zu machen (VfSlg. 8063/1977, 9041/1981, 9459/1982).

2.3. Daraus folgt aber, daß dem Antragsteller die Legitimation zur Stellung eines Individualantrages fehlt. Der Antrag war daher - als unzulässig - zurückzuweisen.

3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Beschwerderecht Strafvollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G108.1987

Dokumentnummer

JFT_10129388_87G00108_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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