TE Vwgh Erkenntnis 1986/10/21 86/05/0113

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Veröffentlicht am 21.10.1986
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Wr §129 Abs1;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg;
VVG §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Mag. Gehart, über die Beschwerde des HL in W, vertreten durch Dr. Günter und Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwälte in Stockerau, Pampichlerstraße 1a, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 5. Juni 1986, Zl. MDR-B XVII-7/86, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. Februar 1986 erteilte der Wiener Magistrat dem Beschwerdeführer als Mieter des Hauses Wien, R-gasse n1 (ident G-gasse n2), den auf § 129 Abs. 1 der Bauordnung für Wien gestützten Auftrag, die bewilligungswidrige Nutzung der durch Herstellen von Wänden wesentlich abgeänderten und dadurch auch in ihrer Widmung konsenslos gewordenen Räume in sämtlichen Geschossen des Gebäudes R-gasse n1 sowie des rechten Seitentraktes G-gasse n2 unverzüglich aufzulassen. Weiters wurde ein auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien gestützter Beseitigungsauftrag erlassen. Einer Berufung gegen den Auftrag gemäß § 129 Abs. 1 der Bauordnung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. In der Begründung wurde festgehalten, dass die genannten Gebäude ursprünglich Gegenstand einer Betriebsanlage gewesen seien, die sich auf weitere Liegenschaften erstreckt habe. Die im Auftrag Punkt 1 bezeichneten Räume wiesen nach einer Baubewilligung aus dem Jahre 1952 die Widmung als Lager und Werkstätten einer gewerblichen Betriebsanlage auf. Nunmehr sei ohne Baubewilligung die Raumeinteilung dahingehend abgeändert worden, dass durch das Aufstellen von 10 cm starken Ytong-Wänden zirka 50 Räume (in der Größe von 10 bis 70 m2) geschaffen worden seien, welche über innenliegende Gänge aufgeschlossen seien, ausgenommen die im Erdgeschoß des Hintergebäudes G-gasse befindlichen Räume. Die neu geschaffenen Räume würden zum Teil als Proberaum für Musiker, Hobby- und Bastelräume, Lager und Werkstätten genutzt. Das genaue Ausmaß der bewilligungswidrigen Nutzung hätte von der Amtsabordnung nicht festgestellt werden können, da zu einigen Räumen der Zutritt nicht möglich gewesen sei. Es folgen sodann Ausführungen darüber, dass die ohne Baubewilligung hergestellten notwendigen Verbindungswege nicht gefahrlos benützbar seien. Die Baubehörde erster Instanz vertrat die Ansicht, dass durch das Aufstellen von Zwischenwänden die genehmigten Räume nicht mehr existent seien und sohin auch die konsensgemäße Widmung untergegangen sei. Die Benützung der ungenehmigten Räume sei daher bewilligungswidrig, sodass sie gemäß § 129 Abs. 1 der Bauordnung aufgelassen werden müsse. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung sei deshalb auszuschließen gewesen, weil die vorzeitige Vollstreckung nach dem Wesen der festgestellten Mängel zur Wahrung des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge dringend geboten sei.

In seiner dagegen erhobenen Berufung bemängelte der Beschwerdeführer insbesondere das durchgeführte Verfahren, verwies auf ein anhängiges Baubewilligungsverfahren und bestritt die widmungswidrige Verwendung.

Auf Grund dieser Berufung wurde die Baubehörde erster Instanz vom Sachbearbeiter der Berufungsbehörde ersucht, Art und Umfang (lokalisiert) der widmungswidrigen Benützung genau zu umschreiben. Mit Schreiben vom 27. März 1986 teilte der Wiener Magistrat mit, dass eine exakte Feststellung der Art und des Umfanges der widmungswidrigen Benützung nur sehr beschränkt möglich sei, da der Beschwerdeführer keinerlei Unterlagen über die tatsächliche Nutzung der untervermieteten Räume habe. Der Zugang zu den Räumen sei nur im sehr beschränkten Ausmaß möglich. Die Nutzung der Räume erfolge hauptsächlich in den Abend- und Nachtstunden oder an den Wochenenden. Bei einzelnen Räumen erfolge ein ständiger Wechsel der Nutzung wegen Kündigungen bezüglich Mietrückständen, Verstößen gegen die Hausordnung u. ä. Es hätten sich eine Reihe von Gruppen eingemietet und die restlichen Räume würden als Hobbyräume, Autoreparaturwerkstätten oder Garagen (im Erdgeschoß) verwendet. Zweifelsfrei hätte festgestellt werden können, dass der Raum Nr. 113 im ersten Stock des Hintergebäudes R-gasse für die Veranstaltungen eines Vereines verwendet werde (in diesem Zusammenhang wurde auf eine beigelegte polizeiliche Meldung verwiesen). Die Frauengarderobe im Hof zwischen Vorder- und Hintergebäude R-gasse werde als Proberaum für Musiker benützt. Die Räume Nr. 139 und 140 im Dachgeschoß des Vordergebäudes R-gasse würden als Proberäume für Musiker verwendet.

Nach Gewährung des Parteiengehörs erging sodann der in Beschwerde gezogene Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 5. Juni 1986. Mit dieser Bescheid wurde der erstinstanzliche Bauauftrag gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung gegenüber dem Beschwerdeführer aufgehoben und der Bauauftrag nach § 129 Abs. 1 der Bauordnung dahin abgeändert, dass nunmehr vorgeschrieben wurde, die bewilligungswidrige Nutzung der gewidmeten Werkstätten und Lagerräume als Garagen, Hobbyräume und Proberäume für Musiker sowie der gewidmeten Lagerräume als Werkstätten hinsichtlich der Räume in sämtlichen Geschossen des Gebäudes auf der Liegenschaft Rgasse sowie des rechten Seitentraktes auf der Liegenschaft G-gasse unverzüglich aufzulassen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass entgegen der Annahme der Baubehörde erster Instanz durch die Errichtung von Zwischenwänden die vom Konsens getragene Widmung gegebener Räume nicht untergegangen sei. Dadurch könne auch ein Auftrag zur Auflassung der Widmung als Werkstätten von gewidmeten Werkstättenräumen nach § 129 Abs. 1 der Bauordnung nicht aufrechterhalten werden. Falls durch eine an sich widmungsgemäße Benützung dieser Gebäudeteile eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen herbeigeführt werden sollte, wäre ein Eingriff in den Konsens nach § 68 Abs. 3 AVG 1950 vorzunehmen. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides könne es nichts ändern, wenn die erste Instanz hinsichtlich einer Reihe von Räumen nicht anzugeben vermag, in welcher Art sie genutzt werden, da der Bescheid ja nur auftrage, mit der Widmung nicht vereinbare Nutzungen, die im Bereich des Gebäudes erwiesenermaßen bestünden, aufzulassen. Ein Eingriff in Rechte des Beschwerdeführers sei daher durch den Auftrag nicht möglich. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei der Auftrag auch genügend konkretisiert, um vollstreckbar zu sein, da sich im Falle der Setzung von Vollstreckungshandlungen einwandfrei feststellen lasse, welche Räume widmungswidrig verwendet würden und hinsichtlich welcher Räume dies nicht der Fall sei. Eine widmungswidrige Verwendung sei aber gegeben, da das Gebäude einen Industriebau im Sinne des § 117 der Bauordnung für Wien darstelle. Dass die Verwendung als Garagen, Hobbyräume und Proberäume für Musiker und Garagen hier als völlig widmungswidrig anzusehen sei, ergebe sich schon aus den Bestimmungen der Bauordnung über Industriebauten. Die Verwendung von gewidmeten Lagerräumen als Werkstätten widerspreche gleichfalls den durch die Bauordnung geschützten öffentlichen Interessen. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung sei schließlich deshalb zu Recht erfolgt, weil eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen bei Verwendung eines Industriebaues für die im Spruch angeführten Zwecke nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne; hinzu komme noch, dass die vorhandenen Räume ohne behördliche Bewilligung in ihrer Einteilung geändert worden seien, was gleichfalls die Sicherheit der Benützer zu beeinträchtigen geeignet sei. Die Verfügung der unverzüglichen Auflassung der widmungswidrigen Verwendungen sei im Hinblick darauf erfolgt, dass jederzeit eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen durch die widmungswidrige Verwendung eintreten könne. Ihrer Art nach sei die aufgetragene Maßnahme sofort ohne wesentlichen Zeitaufwand durchführbar.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" und wegen "unrichtiger rechtlicher Beurteilung" aufzuheben. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 129 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO) ist für die bewilligungsgemäße Benützung der Räume der Eigentümer (jeder Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage verantwortlich. Im Falle der Benützung der Räume durch einen anderen geht die Haftung auf diesen über, wenn er vom Eigentümer über die bewilligte Benützungsart in Kenntnis gesetzt worden ist.

Die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Konsensakten zeigen eindeutig, welche Widmungen nach diesen Baubewilligungen aus den Jahren 1951 und 1952 gegeben waren. Dem bisher durchgeführten Ermittlungsverfahren kann jedoch nicht entnommen werden, auf welche Weise diese Räume derzeit im einzelnen verwendet werden, was der Beschwerdeführer schon in seiner Berufung auf Verwaltungsebene zu Recht gerügt hat. Vor allem wurden keine exakten Feststellungen getroffen, ob die vorgenommenen Bauführungen nicht einen Umbau darstellen. Würde aber ein Umbau vorliegen, dann wäre der Konsens untergegangen, sodass nicht mehr von einer bestimmten Raumwidmung ausgegangen werden könnte; hier käme nur ein Auftrag nach § 129 Abs. 10 BO an den Hauseigentümer in Betracht. Voraussetzung für eine Auftragserteilung nach § 129 Abs. 1 BO wäre weiters, dass eindeutig feststeht, welche Räume auf welche Weise bewilligungswidrig benützt werden. Erst dann, wenn die bewilligungswidrige Benützung überhaupt feststeht, ist die Behörde berechtigt, mit einer Auftragserteilung vorzugehen. Für diesen Fall müsste auch festgestellt werden, ob der Eigentümer die konsentierte Widmung dem Benützer mitgeteilt hat. Trifft letzteres zu, wäre der Auftrag an den tatsächlichen Benützer zu richten. Darüber hinaus muss ein baupolizeilicher Auftrag ausreichend konkretisiert sein, nicht aber reicht eine abstrakte Auftragserteilung aus, wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 19. September 1985, Zlen. 82/06/0079, 0081, BaurechtsSlg. Nr. 501, vom 2. Juli 1985, Zl. 83/05/0182, BaurechtsSlg. Nr. 476, u. a.). In Wahrheit hätte daher die belangte Behörde mit der Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages erst dann vorgehen dürfen, wenn auf Grund ausreichender Ermittlungen klargestellt ist, ob nicht überhaupt ein Umbau vorliegt, verneinendenfalls welche Räume auf welche Weise widmungswidrig verwendet werden. Diese im baupolizeilichen Auftragsverfahren erforderlichen Ermittlungen können nicht zu Recht in das Stadium des Vollstreckungsverfahrens verschoben werden, hängt doch von diesen Ermittlungen die Rechtmäßigkeit eines erlassenen Bauauftrages ab.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG sowie der Verordnung BGB1. Nr. 243/1985.

Bei dieser Situation erübrigte sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 21. Oktober 1986

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1986:1986050113.X00

Im RIS seit

09.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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