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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Teissl, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in Wien gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 23. Juni 1983, Zl. 8-253 Ste 18/17-1983, betreffend Rodungsbewilligung, (mitbeteiligte Parteien: E und M S in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Begründung
Die nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Parteien stellten mit Schriftsatz vom 20. Dezember 1979 bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur den Antrag auf Rodungsbewilligung für eine planlich näher gekennzeichnete, rund 2000 m2 große Teilfläche des in ihrem Miteigentum stehenden Waldgrundstückes n1 R zum Zweck der Errichtung eines Wohngebäudes. Mit Bescheid der genannten Behörde vom 7. Juli 1980 wurde ihnen hierauf gemäß § 17 bis 19 des Forstgesetzes 1975 (FG) die begehrte Rodungsbewilligung unter Hinweis auf die durchgeführten Ermittlungen, insbesondere auch auf die im Verfahren aus Gründen der Ortsplanung und aus forstlicher Sicht gegen das Vorhaben geäußerten Bedenken "nicht erteilt". Mit Bescheid vom 23. Juni 1983 gab der Landeshauptmann von Steiermark der fristgerecht erhobenen Berufung der Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, dass "die Bewilligung zur Rodung eines im östlichen Bereich gelegenen 1000 m2 großen Teiles des Waldgrundstückes Nr. n1, KG. R - wie im beiliegenden Lageplan dargestellt -" gemäß § 17 FG unter mehreren Nebenbestimmungen "erteilt wird". Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, die auf Grund der Berufung eingeleiteten Ermittlungen hätten zunächst ergeben, dass mangels Vorliegens eines das Walderhaltungsinteresse überwiegenden öffentlichen Interesses eine Rodungsbewilligung zu versagen wäre. Die Mitbeteiligten hätten jedoch mit Eingabe vom 10. Dezember 1982 "auf die nunmehrige Ausweisung einer 1000 m2 großen Fläche des Grundstückes Nr. n1, KG R, als Bauland im Flächenwidmungsplan der Gemeinde S." verwiesen, wodurch sich - zusammen mit vorgelagerten Wiesen - ein zusammenhängendes Wohngebiet ergebe, an welches das bezeichnete Grundstück unmittelbar angrenze. Diese geänderte Sachlage und eine deshalb eingeholte neuerliche Stellungnahme aus dem Fachbereich der Landes-, Regional- und Ortsplanung habe zu einer im Ergebnis für die Rodung sprechenden Interessenabwägung geführt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene, auf § 170 Abs. 8 FG gestützte Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft. In ihr wird der belangten Behörde im wesentlichen vorgeworfen, sie habe sich mit der Frage, ob im Beschwerdefall ein im Siedlungswesen begründetes öffentliches Interesse vorliege, sowie mit den aus forstfachlicher Sicht gegen das Vorhaben erhobenen Bedenken nicht ausreichend auseinander gesetzt; der angefochtene Bescheid beruhe demgemäß nicht auf einer echten Interessenabwägung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift - die Mitbeteiligten gaben trotz gebotener Gelegenheit eine Äußerung nicht ab - erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 2 und § 19 FG ist eine Rodungsbewilligung nur auf Antrag zu erteilen und hat sich daher auch nur im Rahmen eines solchen Antrages zu bewegen; die Behörde kann zwar einem Antrag nur teilweise entsprechen, sie kann aber rechtens nicht über ihn hinausgehen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1983, Zl. 82/07/0087). Ändert der Antragsteller seinen Antrag während des Rechtsmittelverfahrens ab, hat die Rechtsmittelbehörde zunächst klarzustellen, ob danach noch Identität der Sache vorliegt (zu den Abgrenzungskriterien vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1984, Slg. 11.610/A), weil die Rechtsmittelbehörde meritorisch nur über eine Angelegenheit absprechen darf, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (§ 66 Abs. 4 AVG 1950), im Fall einer eingeschränkten Berufung (die in einer bloßen Einschränkung des Antrages gelegen wäre) nur über den vom Rechtsmittel erfassten Teil des Bescheides, wenn sich dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennen lässt (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 1985, Zl. 84/07/0079).
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 7. Juli 1980 war im Beschwerdefall über den Antrag der Mitbeteiligten vom 20. Dezember 1979 abgesprochen worden; dieser betraf den "im angeschlossenen Katasterplan des Dipl. Ing. E M vom 13.4.1977 schraffiert dargestellten Teil" des Grundstückes n1 KG R, "im Ausmaß von rund 2.000 m2". Der Abspruch des nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides betrifft einen im östlichen Bereich desselben Grundstückes gelegenen, 1.000 m2 großen Teil, "wie im beiliegenden Lageplan dargestellt".
Ein Vergleich der genannten beiden planlichen Darstellungen ergibt, dass jene Grundstücksfläche, auf die sich der Berufungsbescheid bezieht, einen Teil der durch den Antrag der Mitbeteiligten abgegrenzten Fläche und darüber hinaus einen von jenem Antrag nicht erfassten Flächenteil des bezeichneten Waldgrundstückes betrifft. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird im Zusammenhang mit der Wiedergabe des Anbringens der Mitbeteiligten vom 10. Dezember 1982 behauptet, auf Grund der geänderten Sachlage werde die Erteilung der Rodungsbewilligung für eine Teilfläche von 1.000 m2 beantragt. Die Eingabe der Mitbeteiligten vom 10. Dezember 1982 lautet jedoch folgendermaßen:
"Sehr geehrte Herren!
Seitens der Gemeinde S wurde uns mitgeteilt, dass im Entwurf des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde S, unserem Ansuchen zur Schaffung eines Bauplatzes im Gesamtausmaß von ca. 1.000 m2 auf dem Grundstück n1 der KG R, stattgegeben wurde. Weiters wurde die vorgelagerte Wiese - Grundstück Nr. n2 - ebenfalls im Flächenwidmungsplan als reines Wohngebiet ausgewiesen. Damit ergibt sich ein zusammenhängendes Wohngebiet, an das wir unmittelbar mit unserem Grundstück angrenzen. Auf Grund der geänderten Sachlage ersuchen wir Sie sehr höflich unser Rodungsansuchen zu genehmigen. Wir hoffen sehr, dass Sie unserem Wunsch entsprechen und grüßen Sie mit vorzüglicher Hochachtung"
Der Text zeigt, dass die Mitbeteiligten mit ihrem Anbringen vom 10. Dezember 1982 ihr Rodungsansuchen (und/oder die - nach ihrem Wortlaut übrigens vom Erstmitbeteiligten nur im eigenen Namen erhobene - gegenüber dem Antrag uneingeschränkte Berufung) nicht geändert haben; eine solche Änderung ist nach Lage der Akten auch sonst nicht erfolgt.
Abgesehen davon, dass im angefochtenen Bescheid auch vom Standpunkt der belangten Behörde aus hätte untersucht werden müssen - was nicht geschehen ist -, ob durch die (vermeinte) Antragsänderung noch Identität der Sache besteht, ob also bei der angenommenerweise geänderten Sachlage eine meritorische Berufungsentscheidung getroffen werden durfte, hat die belangte Behörde, wie gezeigt, vom Antrag abweichend, die Rodung einer anderen Fläche als jener bewilligt, die Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 war. Damit hat sie ihre - funktionelle - Zuständigkeit überschritten.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde - worauf gemäß § 41 Abs. 1 VwGG von Amts wegen Bedacht zu nehmen war - aufzuheben.
Wien, am 31. März 1987
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1987:1984070086.X00Im RIS seit
29.10.2004Zuletzt aktualisiert am
25.09.2008