TE Vwgh Erkenntnis 1987/6/4 86/02/0198

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Veröffentlicht am 04.06.1987
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
VStG §51 Abs3;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Dr. Kundegraber, über die Beschwerde des HA in W, vertreten durch Dr. Josef Olischar, Rechtsanwalt in Wien IX, Ferstelgasse 5/18a, gegen die Bescheide 1.) der Wiener Landesregierung vom 7. November 1986, Zl. MA 70-11/1452/86/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 und 2.) des Landeshauptmannes von Wien vom 7. November 1986, Zl. MA 70- 11/1764/86/Str, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihrer Inhalte aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien und der Bund haben dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 4.635,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Ottakring, vom 9. April 1986 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verstoßes einer Übertretung nach der StVO 1960 (Punkt 1) und zweier Übertretungen nach dem KFG 1967 (Punkte 2 und 3) verurteilt. Das Straferkenntnis vom 9. April 1986 wurde - wovon auch die beiden belangten Behörden ausgehen - trotz Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers am 15. April 1986 beim Postamt hinterlegt, jedoch von diesem infolge seiner Abwesenheit während der Zeit der Hinterlegung nicht behoben. Nachdem das Zustellstück bereits an die Erstbehörde rückgeleitet worden war, fand der Beschwerdeführer die Hinterlegungsanzeige vor. Am 24. Juni 1986 nahm der Vertreter des Beschwerdeführers Akteneinsicht. Nach dem Inhalt des unterfertigten Protokolles wurden ihm der Inhalt der Anzeige und die darin angeführten Verwaltungsübertretungen sowie der Inhalt der bisherigen Ermittlungsergebnisse vorgehalten. Der Vertreter des Beschwerdeführers erklärte, er werde binnen zwei Wochen schriftlich Stellung nehmen.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer eine am 1. Juli 1986 bei der Erstbehörde eingelangte schriftliche Berufung. Das Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer nunmehr am 1. September 1986 zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters zugestellt.

Die erwähnte Berufung wurde von der Wiener Landesregierung hinsichtlich des Punktes 1 des Spruches und dem Landeshauptmann von Wien hinsichtlich der Punkte 2 und 3 des Spruches, jeweils mit Bescheid vom 7. November 1986 als unzulässig zurückgewiesen. Die Behörden vertraten die Auffassung, die Zustellung des hinterlegten Straferkenntnisses sei nicht rechtsgültig erfolgt, weshalb ein dem Rechtsbestand angehörender Bescheid gar nicht vorhanden und sohin eine Berufung dagegen nicht zulässig gewesen sei.

Diese beiden Bescheide bekämpft der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Dieser hat erwogen:

Unbestritten ist, dass die ursprüngliche Zustellung durch Hinterlegung am 15. April 1986 nicht rechtswirksam war (vgl. § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustellG). Ist die Zustellung eines Bescheides nicht erfolgt - im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Einparteienverfahren -, dann liegt nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein dem Rechtsbestand angehöriger Bescheid vor (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 1986, Zl. 86/08/0016; vom 14. April 1982, Zl. 82/01/0087, 0088). Voraussetzung dafür wäre, dass dieses Straferkenntnis überhaupt erlassen, also der Partei zugestellt oder verkündet worden ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. September 1984, Zl. 84/02B/0097; vom 9. März 1982, Zl. 81/07/0212). Der Beschwerdeführer verweist allerdings u.a. auf das hg. Erkenntnis vom 15. März 1961, Zl. 2075/60, VwSlg. N.F. 5522/A. Dies führt zum Erfolg der Beschwerde:

Entgegen der Ansicht der belangten Behörden in ihren Äußerungen vom 29. Jänner 1987 geht der Gerichtshof im Sinne der Beschwerdeausführungen davon aus, dass dem Beschwerdeführer anlässlich der Akteneinsicht am 24. Juni 1986 sehr wohl auch das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach zur Kenntnis gebracht wurde, weil in der Berufung im einzelnen darauf Bezug genommen wurde. Diese am 1. Juli 1986 überreichte Berufung an die belangten Behörden erwies sich zwar zu diesem Zeitpunkt als unzulässig, weil damals weder eine mündliche Verkündung noch eine Zustellung des Straferkenntnisses erfolgt und sohin noch kein Straferkenntnis erlassen worden war. Eine Zurückweisung mangels eines bekämpfbaren Bescheides (vgl. die obzitierte Vorjudikatur) wäre nur so lange zulässig gewesen, als dessen rechtswirksame Zustellung nicht erfolgt war. Der vorliegende Fall ist allerdings jenem gleich gelagert, welcher dem hg. Erkenntnis vom 15. März 1961, Zl. 2075/60, VwSlg. 5522/A, zu Grunde lag. Auch dort ging es darum, dass dem damaligen Beschwerdeführer ein Straferkenntnis dem ganzen Inhalt nach zur Kenntnis gebracht wurde und zum Zeitpunkt der Zurückweisung seiner Berufung die Zustellung des Straferkenntnisses bereits durchgeführt war. Die von den belangten Behörden in ihren Äußerungen vom 29. Jänner 1987 gesehenen Unterschiede zum vorliegenden Fall liegen nicht vor: Auch hier war die Zustellung zum Zeitpunkt der Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers bereits bewirkt. Dass es im damaligen Fall um eine mündliche Berufung ging, macht keinen Unterschied, weil es allein um die Frage geht, ob ein zu erledigendes Rechtsmittel eingebracht wurde; auf eine allfällige Manuduktionspflicht kommt es hiebei nicht an.

Die angefochtenen Bescheide waren infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, beschränkt durch den Umfang des Antrages.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, da Barauslagen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG) nicht entstanden sind.

Wien, am 4. Juni 1987

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Voraussetzungen des Berufungsrechtes Bescheidcharakter der bekämpften Erledigung Vorhandensein eines bekämpfbaren Bescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1987:1986020198.X00

Im RIS seit

06.09.2005

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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