TE Vwgh Erkenntnis 1987/9/23 87/03/0091

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Veröffentlicht am 23.09.1987
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Index

L65000 Jagd Wild;
L65003 Jagd Wild Niederösterreich;

Norm

JagdG NÖ 1974 §100 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §100 Abs2;
JagdG NÖ 1974 §57 Abs2;
JagdRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Weiss, Dr. Leukauf und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Ortmayr, über die Beschwerde des RP in Wien, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Rechtsanwalt in Wien I, Opernring 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. Februar 1987, Zl.VI/4-J-334, betreffend Entfernung der Einfriedung eines Geheges, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 17. Dezember 1977 wurde für das Eigenjagdgebiet "G" des Beschwerdeführers eine Fläche von 49,35 ha als Zuchtgehege anerkannt. Mit Antrag vom 14. Juni 1983 beantragte der Beschwerdeführer - unter anderem - die Bewilligung des Zuchtgeheges für die Jagdperiode vom 1. Jänner 1984 bis 31. Dezember 1992. Bei einer am 23. Dezember 1983 durchgeführten Begehung wurde festgestellt, dass es zufolge des weit überhöhten Wildstandes im Gehege zu einer Waldverwüstung im Sinne des § 16 Abs. 2 lit. d Forstgesetz 1975 gekommen sei. Am 13. Jänner 1984 zog der Beschwerdeführer den Antrag auf Bewilligung des Zuchtgeheges zurück. Mit Bescheid vom 25. Jänner 1984 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Melk von Amts wegen gemäß §§ 98 Abs. 1 und 131 NÖ JG 1974 im Interesse der geschädigten und gefährdeten Forstwirtschaft im Bereich des Eigenjagdgebietes G im mit Bescheid vom 17. Dezember 1977 genehmigten Zuchtgehege die Verminderung des Muffelwildes innerhalb eines Jahres ab Zustellung dieses Bescheides an und sprach aus, dass gemäß § 57 Abs. 3 leg. cit. vor Entfernung der Einfriedung des Zuchtgeheges der Wildstand des Muffelwildes auf maximal 10 Stück zu reduzieren sei. Mit Schreiben vom 18. April 1986 teilte die Bezirkshauptmannschaft Melk dem Beschwerdeführer unter Androhung der Ersatzvornahme mit, dass ihm, da dem Bescheid vom 25. Jänner 1984 offensichtlich nicht zur Gänze Rechnung getragen worden sei, Gelegenheit gegeben werde, letztmalig den im Spruch des zitierten Bescheides angeordneten Maßnahmen bis 30. Mai 1986 nachzukommen. Mit Schreiben vom 20. Mai 1986 gab der Beschwerdeführer der Bezirkshauptmannschaft Melk bekannt, dass das Wild bis auf 10 Stück Mufflons abgeschossen sei, und sprach sich im Interesse des Schutzes von Aufforstungen im Gehege gegen die Entfernung der Einfriedung aus. Mit Antrag vom 12. Juni 1986 ersuchte er "um Anerkenntnis der Notwendigkeit der Beibehaltung des Schutzzaunes gemäß § 100 des Österreichischen Forstgesetzes (gemeint: des NÖ JG) für die Zeitdauer von 10 Jahren". Zur Begründung führte er aus, dass nach Auflassung des Gatterbetriebes eine intensive Begrünung und Wiederaufforstung des alten Gatterbereiches geplant sei. Um aber die Jungpflanzen vor Verbissschäden zu schützen, die unweigerlich ohne Schutzzaun zu erwarten seien, wäre die Belassung des ursprünglichen Schutzzaunes für eine bestimmte Zeitdauer notwendig. Auf Grund dieses Antrages fand am 20. August 1986 eine mündliche Verhandlung statt. In der darüber aufgenommenen Verhandlungsschrift heißt es unter anderem:

"Der Verhandlungsleiter legt den bisherigen Aktenlauf vollinhaltlich dar. Nach ausreichender Erörterung der Sach- und Rechtslage wird mit dem Rechtsvertreter des Konsenswerbers die Vereinbarung getroffen, dass binnen einer Frist von 2 Wochen ein Antrag dahingehend gestellt wird, dass der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 25.1.1984, 9-EJ-8320, dahingehend abgeändert wird, dass der Wildstand auf Null reduziert wird und auf Null gehalten wird und dass weiters die zu schaffenden forstlichen Kulturflächen eingezäunt werden müssen. Der Bezirksjagdbeirat zieht sich zur Beratung zurück und wird einstimmig nachfolgendes jagdfachliches Gutachten erstattet:

1. Der Schalenwildstand ist bis 30.9.1986 auf Null zu reduzieren.

2. Nach dem 30.9.1986 vorhandenes Schalenwild ist über Anordnung der Behörde abzuschießen. Die Kontrolle dieser oben dargelegten Vorgangsweise muss durch regelmäßige Kontrolle von Organen des Bezirksjagdbeirates gewährleistet sein.

3. Unter der Voraussetzung, dass die unter 1. und 2. angeführten Maßnahmen eingehalten werden, ist der Lösung, wonach der vorhandene Zaun aufrecht erhalten werden kann, dann zuzustimmen, wenn die zu schaffenden forstlichen Kulturflächen ebenfalls eingezäunt werden.

Der Vertreter des Herrn P erklärt sich mit dieser Vorgangsweise einverstanden.

Da zum Verhandlungsgegenstand nichts mehr vorgebracht wird, schließt der Verhandlungsleiter die kommissionelle Verhandlung am

15.15 Uhr."

Unter Bezugnahme auf diese Verhandlung stellte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 3. September 1986 den Antrag, "den Bescheid der BH Melk vom 25.01.1984, Zahl 9-EJ-8320, dahin abzuändern, dass die Verpflichtung zur Entfernung der Einfriedung des Zuchtgeheges entfällt, der Schalenwildstand auf Null reduziert und auf Null gehalten wird und die zu schaffenden forstlichen Kulturflächen eingezäunt werden, sodass umzäunte Flächen innerhalb des Zaunes entstehen".

Mit Bescheid vom 9. September 1986 änderte die Bezirkshauptmannschaft Melk ihren Bescheid vom 25. Jänner 1984 gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 wie folgt:

"1. Die Verpflichtung zur Entfernung der Einfriedung des vorhandenen Geheges entfällt unter der Voraussetzung, dass der Schalenwildbestand bis 30.9.1986 auf Null reduziert wird und anschließend auf Null gehalten wird. Die Möglichkeit zur Kontrolle dieser Maßnahme durch Amtsorgane muss jederzeit gewährleistet sein.

2. Die zu schaffenden forstlichen Kulturflächen müssen eingezäunt werden."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin machte er geltend, dass der angefochtene Bescheid dem Ergebnis der Verhandlung insoweit nicht Rechnung trage, als die Entfernung der Einfriedung mit der "Nullreduktion" des Schalenwildbestandes "junktimiert" worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Nach der Begründung stehe als unbestritten fest, dass "die gegenständliche Fläche" für die laufende Jagdperiode nicht als Zuchtgehege anerkannt worden sei. Der Beschwerdeführer erachte als Grundeigentümer und Jagdausübungsberechtigter die Belassung des Zaunes für notwendig, um Wild, das im Falle der Entfernung des Zaunes einwechseln und die forstlichen Kulturen schädigen würde, abhalten zu können. Er erachte es auch offenbar für erforderlich, dass innerhalb der Einzäunung kein Schalenwild vorhanden sei bzw. Vorkehrungen getroffen würden, um die Aufforstung der Waldflächen, die durch Schalenwild schwerst geschädigt worden sei, "wiederbewalden" zu können. Andernfalls wäre seine Antragstellung als unverständlich anzusehen. Die vom Beschwerdeführer zum Schutze des Waldes vorgesehenen Maßnahmen könnten im Hinblick auf das vorliegende Ermittlungsergebnis als solche im Sinne des § 100 NÖ JG angesehen werden. Wenn nun die Behörde erster Instanz auf Grund des Antrages und unter Berücksichtigung des gegenständlichen Sachverhaltes zu der Auffassung gelangt sei, dass, bei Einhaltung der vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Maßnahmen die Zaunerhaltung im Sinne des § 100 NÖ JG als zulässig erscheine und den seinerzeitigen Bescheid, womit die Entfernung des Zaunes angeordnet worden sei, abgeändert hatte, so sei festzustellen, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid eine gesetzliche Deckung in den Bestimmungen der §§ 57 Abs. 2 und 100 NÖ JG finde. Nach Ansicht der belangten Behörde sei der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Als Beschwerdepunkt wird geltend gemacht, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer zu Unrecht verpflichtet habe, die Einfriedung des vorhandenen Geheges für den Fall zu entfernen, dass der Schalenwildbestand nicht auf Null gehalten werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 57 Abs. 2 erster Satz NÖ JG sind Einfriedungen von Flächen, die im Laufe der Jagdperiode die Eigenschaft als Wildgehege verlieren oder die im Rahmen der Jagdgebietsfeststellung nicht als Wildgehege anerkannt wurden, unverzüglich zu entfernen, sofern diese Einfriedungen nicht auf Grund forst- und wasserrechtlicher Vorschriften oder im Sinne des § 100 NÖ JG zulässig sind. § 100 Abs. 1 leg. cit. sieht vor, dass sowohl der Jagdausübungsberechtigte als auch der Grundeigentümer, ersterer jedoch nur im Einvernehmen mit dem Grundeigentümer, berechtigt sind, das die Kulturen gefährdende oder schädigende Wild von diesen abzuhalten und zu diesem Zweck Zäune, Gitter, Mauer und dergleichen zu errichten (Flächenschutz) oder einen Einzelpflanzenschutz durch geeignete mechanische oder chemische Schutzmittel durchzuführen. Eine Verpflichtung zu solchen Vorkehrungen besteht für den Grundeigentümer oder für den Jagdausübungsberechtigten nur nach Maßgabe einer vertraglichen Verbindlichkeit und für den Jagdausübungsberechtigten nach Maßgabe des Abs. 2. Liegt eine Gefährdung des Waldes vor, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 100 Abs. 2 leg. cit. über Antrag des Geschädigten, der Bezirksbauernkammer oder von Amts wegen nach Anhörung des Bezirksbeirates den Jagdausübungsberechtigten zu verhalten, den Wildstand zu vermindern oder die notwendigen Schutzmaßnahmen (Abs. 1) vorzukehren.

Für die im Beschwerdefall zu beurteilende Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Entfernung der Einfriedung des aufgelassenen Wildgeheges unterbleiben kann, ist allein entscheidend, ob die Einfriedung als Schutzmaßnahme im Sinne des § 100 Abs. 1 NÖ JG notwendig ist oder nicht. Schutzmaßnahmen im Sinne dieser Bestimmung dienen dazu, Wild von den Kulturen auf den geschützten Flächen abzuhalten. Besteht die Notwendigkeit, die Kulturen auf diese Weise gegen von außen eindringendes Wild zu schützen, dann ist die Errichtung oder die Aufrechterhaltung einer bereits errichteten Einfriedung durch den Grundeigentümer oder durch den Jagdausübungsberechtigten im Einvernehmen mit dem Grundeigentümer zulässig. Die Notwendigkeit der Verminderung des sich innerhalb einer bereits errichteten Einfriedung befindlichen Wildes ist für die Zulässigkeit der Einfriedung als Schutzmaßnahme nach § 100 Abs. 1 NÖ JG ohne Bedeutung. Diese Bestimmung bietet entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine Grundlage dafür, den Entfall der Verpflichtung zur Entfernung der Einfriedung eines aufgelassenen Wildgeheges (§ 57 Abs. 2 NÖ JG) von der Reduktion des Schalenwildbestandes innerhalb der Einfriedung abhängig zu machen. Eine derartige Verknüpfung zwischen der Verpflichtung zur Entfernung der Einfriedung und der Verminderung des Wildstandes kann auch nicht auf § 100 Abs. 2 NÖ JG gestützt werden. Nach dieser Bestimmung hat die Behörde - bei Vorliegen der im Gesetz angeführten Voraussetzungen - den Jagdausübungsberechtigten nämlich zur Verminderung des Wildstandes oder zur Vorkehrung der notwendigen Schutzmaßnahmen im Sinne des Abs. 1 zu verhalten. Die belangte Behörde kann sich auch nicht - wie aus der Sachverhaltsdarstellung hervorgeht - darauf berufen, dass der Beschwerdeführer die von ihm nunmehr bekämpfte Anordnung etwa selbst beantragt oder einer solchen Maßnahme zugestimmt hätte. Der Beschwerdeführer hat sich wohl bei der Verhandlung am 20. August 1986 mit der vom Bezirksjagdbeirat vorgeschlagenen Vorgangsweise einverstanden erklärt; die Empfehlung des Bezirksjagdbeirates deckt sich jedoch nicht mit dem von der belangten Behörde übernommenen Spruch des erstinstanzlichen Bescheides, und zwar insbesondere deshalb nicht, weil die Belassung der Einfriedung in letzterem - unter anderem - vom Halten des Schalenwildbestandes nach dem 30. September 1986 auf Null, im "Gutachten" des Bezirksjagdbeirates hingegen vom Abschießen des nach dem 30. September 1986 vorhandenen Schalenwildes über Anordnung der Behörde abhängig gemacht wurde.

Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde und belastete damit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985. An Stempelgebühren waren S 240,-- an Eingabengebühr für die Beschwerde, S 30,-- für die beigelegte Ablichtung des angefochtenen Bescheides und S 120,-- für die Vollmacht zuzusprechen. Das darüberhinausgehende Kostenmehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am 23. September 1987

Schlagworte

Jagdschaden Wildschaden Schadensverhütung Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Wildgehege

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1987:1987030091.X00

Im RIS seit

01.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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