TE Vwgh Erkenntnis 1987/10/2 85/18/0077

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Veröffentlicht am 02.10.1987
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

B-VG Art140 Abs5;
B-VG Art140 Abs7;
KFG 1967 §103 Abs2 Satz2 idF 1984/237;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richters im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger über die Beschwerde der SW in W, vertreten durch Dr. Klaus Braunegg, Dr. Klaus Hoffmann, Dr. Karl Preslmayr und Dr. Horst Auer, Rechtsanwälte in Wien I, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. September 1982, Zl. MA 70-X/W 95/82/Str, betreffend Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, richtete am 8. März 1982 folgende schriftliche Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers an die Beschwerdeführerin:

"Sie werden als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen W nnn.nnn gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967, BGBl. 267, in der derzeit geltenden Fassung, ersucht, der Behörde mittels des unteren Teils dieses Formulars binnen zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wem Sie am 13.1.1982 um 16.23 Uhr in Wien 15, Kreuzung Linke Wienzeile/Gaudenzdorfer Gürtel Richtung Hadikgasse (Delikt: Nichtbeachtung des Rotlichtes) das Lenken Ihres Kraftfahrzeuges (Anhängers) überlassen haben. Es wird darauf hingewiesen, dass das Nichterteilen der Auskunft oder das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar ist."

Mit Strafverfügung der genannten Behörde vom 6. Mai 1982 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe "am 13.1.1982 um 16.23 Uhr in Wien 15, Kreuzung Linke Wienzeile/Gaudenzdorfer Gürtel Richtung Hadikgasse mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw das Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet, sondern sei in die Kreuzung eingefahren". Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 38 Abs. 5 StVO 1960 begangen, weshalb gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geld- bzw. für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzarreststrafe verhängt wurde.

Gegen diese Strafverfügung erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig Einspruch und vertrat die Ansicht, der Lenker des in Rede stehenden Pkws sei nicht mehr eindeutig feststellbar, weshalb die Bestrafung des Fahrzeugbesitzers rein willkürlich sei. Zur Tatzeit sei sie, die Beschwerdeführerin, jedenfalls nicht am Tatort gewesen.

Mit Straferkenntnis der eingangs bezeichneten Behörde vom 12. Juli 1982 wurde hierauf die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe der Behörde auf deren schriftliches Verlangen vom 8. März 1982 bekannt zu geben, wem sie am 13. Jänner 1982,

16.23 Uhr, in Wien 15, Linke Wienzeile/Gaudenzdorfer Gürtel, das Kraftfahrzeug, Kennzeichen W nnn.nnn zum Lenken überlassen habe, eine ungenügende Lenkerauskunft erteilt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 134 Kraftfahrgesetz 1967 in Verbindung mit § 103 Abs. 2 leg. cit. begangen, weshalb sie gemäß § 134 KFG 1967 zu einer Geld- und für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben zu einer Ersatzarreststrafe verurteilt wurde.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig Berufung und rügte unter anderem, sie hätte bereits in ihrer Lenkerauskunft vom 4. Mai 1982 der Behörde mitgeteilt, dass zur fraglichen Zeit vermutlich ihr Stiefsohn, AW, wohnhaft in London, den Wagen gelenkt habe. Ihr Stiefsohn sei allerdings berechtigt gewesen, den Wagen an dritte Personen weiterzugeben.

Mit Bescheid vom 29. September 1982 bestätigte der Landeshauptmann von Wien das angefochtene Straferkenntnis in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG 1950 hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bzw. Ergänzung wie folgt:

"Die Beschuldigte Frau SW, hat auf das Ihr am 26.4.1982 zugestellte schriftliche Verlangen der Behörde vom 8.3.1982, wem Sie als Zulassungsbesitzerin, Ihr Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen W nnn.nnn am 13.1.1982, um 16.23 Uhr, zum Lenken überlassen hatte binnen zwei Wochen nach Zustellung, nicht die geforderte Auskunft erteilt."

In der Begründung führte die belangte Behörde unter anderem aus, die schriftliche Mitteilung der Beschwerdeführerin: "Es ist nach der langen Zeit leider nicht mehr genau feststellbar, wer gefahren ist, möglicherweise AW, wohnhaft in London. Erbitte Übersendung der genauen Beweismittel" entspreche nicht der geforderten Auskunft, weil darin nicht die Frage beantwortet werde, ob das Kraftfahrzeug seinerzeit einer anderen Person überlassen worden sei und zutreffendenfalls, welcher. Außerdem habe die Beschwerdeführerin lediglich Vermutungen dahingehend geäußert, wer zum Tatzeitpunkt gefahren sein könnte und habe um die Übersendung von Beweismitteln ersucht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 8. März 1985, Zl. G 149/84 u.a., den zweiten Satz im § 103 Abs. 2 KFG 1967 ("Er hat der Behörde auf Verlangen unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung, Auskunft darüber zu erteilen, wem er jeweils das Lenken seines Kraftfahrzeuges oder die Verwendung seines Anhängers überlassen hat und entsprechende Aufzeichnungen zu führen, wenn er ohne diese die verlangte Auskunft, nicht erteilen kann;") als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung trat mit Ablauf des 28. Februar 1986 in Kraft. Der aus Anlass des vorliegenden Beschwerdeverfahrens gestellte Gesetzesprüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes zu Zl. A 6/85 wurde vom Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen, weil eine Einbeziehung dieses beim Verfassungsgerichtshof am 7. März 1985 eingelangten Antrages im Hinblick auf die Anberaumung der mündlichen Verhandlung für den 8. März 1985 nicht mehr möglich war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Absatz 5 des Art. 140 B-VG gesetzt, so ist das Gesetz mit Ausnahme des Anlassfalles auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände anzuwenden. Da der vorliegende Fall infolge der zurückweisenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes kein Anlassfall im Sinne der zitierten Verfassungsbestimmung ist, war auf ihn der zweite Satz im § 103 Abs. 2 KFG 1967 anzuwenden.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, die in der schriftlichen Mitteilung vom 4. Mai 1983 enthaltenen Angaben könnten niemals als Nichterteilung der geforderten Auskunft qualifiziert werden, nicht anzuschließen. Gemäß § 103 Abs. 2 zweiter Satz des Kraftfahrgesetzes 1967 in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Kundmachung BGBl. Nr. 198/1985 hat der Zulassungsbesitzer der Behörde auf Verlangen unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung, Auskunft darüber zu erteilen, wem er jeweils das Lenken seines Kraftfahrzeuges oder die Verwendung seines Anhängers überlassen hat, und entsprechende Aufzeichnungen zu führen, wenn er ohne diese die verlangte Auskunft nicht erteilen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die pflichtgemäße Auskunft des Zulassungsbesitzers in zweifelsfreier, eindeutiger und indikativischer, mithin nicht bloß konjunktivischer Diktion jene erforderlichen Angaben (Name und genaue Anschrift) zu enthalten, auf Grund derer es der Behörde ermöglicht wird, ohne großen Aufwand, d.h. insbesondere ohne weitere Erhebungen zur Feststellung der Anschrift, den Fahrzeuglenker zu eruieren (vgl. hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1984, Zl. 83/03/0256 und Erkenntnis vom 19. September 1984, Zl. 83/03/0380). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23. März 1983, Zlen. 83/03/0049, 0050 zum Ausdruck gebracht, dass, wie im vorliegenden Beschwerdefall geschehen, die bloße Bekanntgabe des Wohnortes der Person, der das Lenken des Fahrzeuges überlassen wurde, mit einer Stadt, ohne nähere Angabe der genauen Anschrift, dem Erfordernis des § 103 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 nicht gerecht wird. Daraus erhellt, dass die von der Beschwerdeführerin an die Behörde erteilte Lenkerauskunft vom 4. Mai 1982 nicht den im § 103 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 statuierten Erfordernissen entsprach und die Bestrafung zu Recht erfolgte.

Da es somit der Beschwerde nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Hinsichtlich der zitierten nicht veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 2. Oktober 1987

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1987:1985180077.X00

Im RIS seit

31.08.2006

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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