TE Vwgh Erkenntnis 1988/5/16 88/10/0076

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Veröffentlicht am 16.05.1988
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §14 Abs2;
ForstG 1975 §14 Abs3;
ForstG 1975 §172;
ForstG 1975 §85 Abs1 lita;
ForstG 1975 §88 Abs1;
ForstG 1975 §91 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Waldner und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des FH und des HH in M, beide vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, Kalchberggasse 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 19. Februar 1988, Z1. 8-30 Ho 1/12-88, betreffend Fällungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: JG, vlg. XY, P), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Auf Grund seines Fällungsantrages vom 22. September 1980 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Judenburg dem Mitbeteiligten mit Bescheid vom 8. Oktober 1980 gemäß § 88 Abs. 1 und 4 des Forstgesetzes 1975 (FG), BGBl. Nr. 440, die Bewilligung für zwei Kahlschläge auf dem Grundstück n1, KG P, im Ausmaß von ca. 0,35 und von ca. 0,40 ha. Die Beschwerdeführer waren diesem Verfahren nicht beigezogen worden. Nachdem auf dem an die Schlagflächen angrenzenden Waldgrundstück der Beschwerdeführer Windwurfschäden entstanden waren, begehrten sie die Zustellung des genannten Bescheides und brachten in der Folge gegen diesen das Rechtsmittel der Berufung ein.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. August 1985 wurde der erstinstanzliche Bescheid vom 8. Oktober 1980 gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 behoben und die Angelegenheiten zur neuerlichen Verhandlung (unter Beiziehung der Beschwerdeführer) und Entscheidung an die Forstbehörde erster Instanz verwiesen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Beschwerdeführer der Erhebung an Ort und Stelle vom 22. September 1980 nicht beigezogen und sie auch sonst nicht gehört worden seien, dass der Bescheid keine Begründung enthalte und eine genaue Abgrenzung der Schlagflächen fehle, sodass die erteilte Bewilligung nicht überprüfbar sei.

Im fortgesetzten Verfahren wurde der Fällungsantrag des Mitbeteiligten mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 12. Februar 1987 gemäß § 85 Abs. 1 FG und § 8 AVG 1950 mit der Begründung zurückgewiesen, es handle sich im vorliegenden Fall um zwei räumlich nicht zusammenhängende Hiebsflächen von jeweils weniger als 0,5 ha, die Fällung sei daher nicht bewilligungspflichtig, damit komme dem Mitbeteiligten keine Antragsberechtigung und auch keine Parteistellung zu.

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid begehrten die Beschwerdeführer dessen Aufhebung. Sie stellten weiters den Antrag, das Verfahren bei der Berufungsbehörde fortzuführen, weil die Behörde erster Instanz auf Grund der eingebrachten Amtshaftungsklage wegen der durch Windwürfe entstandenen Schäden auf ihrem angrenzenden Waldgrundstück offensichtlich nicht mehr die erforderliche Unvoreingenommenheit besitze.

Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vom 12. Februar 1987 mit der Maßgabe bestätigt, dass der Fällungsantrag des Mitbeteiligten gemäß § 85 Abs. 1 lit. a FG abgewiesen wurde. Der Antrag auf Fortführung des Verfahrens bei der Berufungsbehörde wurde zurückgewiesen. Es stehe unbestritten fest, dass die beiden nicht zusammenhängenden Hiebsflächen je für sich das in § 85 Abs. 1 lit. a FG normierte Ausmaß von 0,5 ha nicht erreichten, sodass auf Grund dieser Gesetzesstelle die Erteilung einer Bewilligung "nicht vorgesehen" sei. Mit Rücksicht auf die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Erstbehörde und die zu bejahende Antragslegitimation des Mitbeteiligten sei aber dessen Fällungsantrag nicht zurückzuweisen, sondern vielmehr, weil sich ergeben habe, dass für die beantragte Fällung eine Bewilligung nicht erforderlich sei, abzuweisen gewesen. Daran könne der Hinweis der Beschwerdeführer auf den ihnen nach § 14 Abs. 2 und 3 FG zu gewährenden Deckungsschutz nichts ändern, da dieser unabhängig von einer allfälligen Bewilligungspflicht zu gewähren sei und die Forderung der Beschwerdeführer auf Gewährung des Deckungsschutzes die an sich nicht bewilligungspflichtige Fällung nicht bewilligungspflichtig mache. Dem Antrag auf "Fortführung des Verfahrens bei der Berufungsbehörde" wegen Befangenheit der Erstbehörde habe nicht näher getreten werden können, weil zum einen eine Ablehnung von Verwaltungsorganen durch Parteien oder Beteiligte nicht vorgesehen sei und zum anderen nur eine physische Person, nicht jedoch eine Behörde als solche befangen sein könne.

In ihrer in einem gemeinsamen Schriftsatz erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer "in ihren Rechten als an die Schlagfläche, auf welche sich die Fällungsbewilligung bezieht, angrenzende Nachbarn beeinträchtigt, da sie dem Bewilligungsverfahren ursprünglich nicht beigezogen worden waren und nicht auf die Vermeidung von Gefährdungen ihrer Forstbestände und den gesetzlich gewährten Schutz, insbesondere Deckungsschutz, Bedacht genommen wurde". Die Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe mit dem angefochtenen Bescheid "den Antrag der Beschwerdeführer auf Gewährung des Deckungsschutzes nicht erledigt", ist von vornherein nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Damit machen die Beschwerdeführer der Sache nach die Verletzung der Entscheidungspflicht in Ansehung eines behaupteten Antrages der genannten Art geltend. Ihnen ist entgegenzuhalten, dass eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch den angefochtenen Bescheid schon begrifflich ausgeschlossen ist. Es ist daher insoweit ohne Belang, ob die Beschwerdeführer tatsächlich den hier in Rede stehenden (selbstständigen) Antrag gestellt oder ob sie nur im Rahmen des Verfahrens über den Fällungsantrag des Mitbeteiligten begehrt haben, bei der Entscheidung über diesen Antrag auf ihr Recht auf Gewährung des Deckungsschutzes für ihren angrenzenden Wald entsprechend Bedacht zu nehmen.

2. Dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - die beiden in Rede stehenden Kahlhiebe auf dem Waldgrundstück des Mitbeteiligten nicht "genehmigt" hat, liegt angesichts des insoweit unmissverständlichen Inhaltes des angefochtenen Bescheides auf der Hand und bedarf daher keiner näheren Begründung.

3. Mit dem übrigen Beschwerdevorbringen versuchen die Beschwerdeführer darzutun, dass sie in ihren Rechten durch Nichtbeachtung ihres aus § 14 Abs. 2 und 3 FG erfließenden nachbarlichen Rechtes auf Deckungsschutz für ihren angrenzenden Wald verletzt worden seien. Die besagte Rechtsverletzung resultiere - fasst man das diesbezügliche Beschwerdevorbringen auf das wesentliche zusammen - daraus, dass der Fällungsantrag des Mitbeteiligten mit der Begründung, es bedürfe im vorliegenden Fall keiner Fällungsbewilligung, und nicht richtigerweise mit der Begründung abgewiesen worden sei, die begehrte Bewilligung komme mit Rücksicht auf den gesetzlich gebotenen Deckungsschutz für den Wald der Beschwerdeführer nicht in Betracht.

Die Beschwerdeführer sind damit nicht im Recht.

Im Beschwerdefall hatten die Behörden des Verfahrens über den Fällungsantrag des Mitbeteiligten abzusprechen. Dabei war zunächst zu klären, ob überhaupt eine bewilligungspflichtige Fällung vorliegt. Einer Bewilligung der Behörde bedürfen nach Abs. 1 lit. a des mit "Bewilligungspflichtige Fällungen" überschriebenen § 85 FG Kahlhiebe und diesen gleichzuhaltende Einzelstammentnahmen (Abs. 2) auf einer zusammenhängenden Fläche ab einer Größe von einem halben Hektar. Da es sich im Beschwerdefall unbestritten um zwei nicht zusammenhängende Hiebsflächen von jeweils weniger als 0,5 ha handelte, hat die belangte Behörde die Bewilligungspflicht nach dieser Gesetzesstelle zu Recht verneint. Dass Bewilligungspflicht etwa nach einem anderen gesetzlichen Tatbestand zu bejahen gewesen wäre, behaupten die Beschwerdeführer selbst nicht. Das Vorliegen einer bewilligungspflichtigen Fällung war auch nicht etwa deshalb anzunehmen, weil die Forstbehörde erster Instanz zunächst offenbar von der Ansicht ausgegangen war, es liege eine solche vor, und dem Mitbeteiligten die beantragte Fällungsbewilligung erteilt hatte. Denn dieses Vorgehen vermochte mangels einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage nicht die Bewilligungspflicht für die in Rede stehenden Kahlhiebe zu bewirken. Schließlich lässt sich weder aus den Bestimmungen des § 172 FG über die Forstaufsicht noch aus der Bewilligungsfiktion des § 91 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. noch aus der in § 173 Abs. 2 leg. cit. verankerten Pflicht der Forstbehörden, auf Antrag des Waldeigentümers Gutachten zu erstellen, ableiten, dass ein Fällungsantrag, über den - wie hier - in Verkennung der Rechtslage in erster Instanz bereits einmal positiv entschieden worden ist, im weiteren Verfahren nicht mehr mit der Begründung abgewiesen werden dürfe, es bestehe keine Bewilligungspflicht. Die gegenteilige Meinung der Beschwerdeführer ist nicht begründet. Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass sich aus dem nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 ergangenen rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 21. August 1985 keine Bindung dahin ableiten lässt, dass im fortgesetzten Verfahren jedenfalls vom Bestehen der Bewilligungspflicht auszugehen gewesen wäre. Im übrigen haben selbst die Beschwerdeführer sich nicht auf eine derartige Bindungswirkung des genannten Bescheides berufen.

Da die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen einer bewilligungspflichtigen Fällung verneinte, kam die von den Beschwerdeführern vermisste "Gewährung" von Deckungsschutz gemäß § 14 Abs. 2 und 3 FG durch Abweisung des Fällungsantrages des Mitbeteiligten aus dem Grunde des gesetzlich gebotenen Deckungsschutzes von vornherein nicht in Betracht. Zwar ist gemäß § 88 Abs. 1 FG eine Fällungsbewilligung (nur) zu erteilen, wenn der beantragten Fällung Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht entgegenstehen, und daher eine Fällungsbewilligung unter anderem dann zu versagen, wenn sie mit dem gesetzlichen Gebot, Deckungsschutz zu gewähren (§ 14 Abs. 2 und 3 FG) unvereinbar ist. Notwendige Voraussetzung für die Versagung einer Fällungsbewilligung aus dem genannten Grund ist aber das Vorliegen einer bewilligungspflichtigen Fällung. Die Forstbehörden sind nämlich nach dem Forstgesetz 1975, wie sich aus der dort getroffenen Unterscheidung zwischen bewilligungspflichtigen (§ 85) und "freien" Fällungen (§ 86) ergibt, nur im Falle einer bewilligungspflichtigen Fällung dazu berufen, das für solche Fällungen vorgesehene Bewilligungsverfahren durchzuführen und in dessen Rahmen zu prüfen, ob der beantragten Fällung Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entgegenstehen oder nicht, und je nach dem Ergebnis dieser Prüfung die Fällungsbewilligung zu erteilen oder zu versagen. Es entspricht daher dem Gesetz, wenn die belangte Behörde den Fällungsantrag des Mitbeteiligten mit der Begründung, die beantragten Fällungen seien nicht bewilligungspflichtig, und nicht, wie von den Beschwerdeführern gefordert, mit der Begründung abgewiesen hat, der beantragten Fällung stehe das Erfordernis, den Beschwerdeführern den ihnen gemäß § 14 Abs. 2 und 3 FG zustehenden Deckungsschutz zu gewähren, entgegen.

Der von der belangten Behörde unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des § 14 Abs. 2 und 3 FG geäußerten Rechtsansicht, es sei bei Vorliegen der Voraussetzungen Deckungsschutz unabhängig von der allfälligen Bewilligungspflicht einer Fällung zu gewähren, sind die Beschwerdeführer - zu Recht - nicht entgegengetreten. Damit erübrigt sich im Beschwerdefall eine nähere Erörterung dieser Frage.

Die Beschwerdeführer sind nach dem Gesagten durch den angefochtenen Bescheid in ihrem geltend gemachten Recht als an die Schlagflächen angrenzende Waldnachbarn nicht verletzt worden. Da dies bereits der Inhalt ihrer Beschwerde erkennen lässt, ist diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. Mai 1988

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1988:1988100076.X00

Im RIS seit

18.12.2006

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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