TE Vwgh Erkenntnis 1988/10/18 88/14/0092

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Veröffentlicht am 18.10.1988
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §115 Abs1;
BAO §115 Abs2;
BAO §166;
BAO §169;
BAO §183 Abs3;
BAO §183 Abs4;
BAO §184 Abs1;
BAO §90 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;

Beachte

Besprechung in:ÖSzT 1989, 143;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des N M in F, vertreten durch Dr. Matthäus Grilc, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Karfreitstraße 14/111, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 3. Februar 1988, Zl. 288/2-3/84, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1973 bis 1981 sowie Verspätungszuschläge, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid der belangten Behörde wird, soweit er nicht mangels Anfechtung unberührt bleibt (d.i. betreffend Umsatzsteuer 1973 bis 1980, Vermögensteuer ab 1. Jänner 1974, 1. Jänner 1977 und 1. Jänner 1980, sowie Vorauszahlungen an Einkommen- und Gewerbesteuer 1983), wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen im Betrag von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war im Streitzeitraum bis zum Tode seines Onkels (1976) in dessen Gastwirtschaft (in einem Ort in der Nähe der jugoslawischen Grenze) beschäftigt und darnach in derselben Gastwirtschaft bis zur Kündigung durch die Rechtsnachfolger (Töchter) des Onkels im Jahre 1979. In der Folge war der Beschwerdeführer arbeitslos. Von ihm wurden gewerbliche Einkünfte aus Geldwechselgeschäften während der Dauer seiner Beschäftigung in der Gastwirtschaft stets bestritten: er habe solche Geschäfte nur für den Onkel bzw. dessen Rechtsnachfolger im Rahmen des Gastwirtschaftsbetriebes getätigt. Der Beschwerdeführer behauptete, seine privaten Aufwendungen seien auch im Streitzeitraum durch seine Ersparnisse, seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und die von ihm behaupteten Darlehen gedeckt gewesen.

In dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid kam die belangte Behörde im Instanzenzug auf Grund der Aussage von Auskunftspersonen zur Überzeugung, dass der Beschwerdeführer (auch) während seiner Beschäftigung in der Gastwirtschaft seines Onkels selbständig gewerbliche Geldwechseltätigkeit ausgeübt habe und glaubte dem Beschwerdeführer nicht, dass er diese Tätigkeit erst nach seiner Kündigung durch die Rechtsnachfolger seines Onkels im Auftrag eines Kreditunternehmens und bloß in geringem Ausmaß (Geldwechsel monatlich ca. S 20.000,--, Provisionsverdienst hievon 5 vH) ausgeübt habe. Ebenso wenig folgte die belangte Behörde der Behauptung des Beschwerdeführers über Ersparnisse zu Beginn des Prüfungszeitraumes in der von ihm angegebenen Höhe, seinem Vorbringen über ein ihm angeblich durch einen jugoslawischen Bekannten gewährtes Darlehen, die Höhe der ihm vom Onkel bezahlten "Schwarzlöhne" sowie über den niedrigeren Aufwand für Ausbau und Einrichtung seines Hauses und die Gewährung eines Darlehens durch den Beschwerdeführer an einen Bekannten, von dem er eine Landwirtschaft gepachtet hatte. Abweichend von den Feststellungen des Finanzamtes nahm die belangte Behörde jedoch von ihr geschätzte "Schwarzlöhne", allerdings in geringerer als vom Beschwerdeführer behaupteter Höhe, sowie die vom Beschwerdeführer behaupteten Trinkgeldeinnahmen als erwiesen an. Den aus der so angestellten Vermögensdeckungsrechnung ermittelten Abgang ordnete die belangte Behörde zum überwiegenden Teil den gewerblichen Einkünften aus Geldwechseltätigkeit, im übrigen jedoch den Schwarzlöhnen und Trinkgeldern als Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu. Auf dieser Basis setzte die belangte Behörde die Einkommen- und Gewerbesteuer für die Streitjahre fest, wobei sie auch für die Jahre der Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers selbständige Geldwechseltätigkeit im bisherigen Umfang unterstellte. Da vom Beschwerdeführer Steuererklärungen nicht abgegeben worden waren, wurden von der belangten Behörde entsprechende Verspätungszuschläge festgesetzt. Die vom Beschwerdeführer angebotenen Zeugenbeweise lehnte die belangte Behörde ab. Entgegen dem Begehren des Beschwerdeführers auf Akteneinsicht wurden von der Behörde aus den Niederschriften über die Vernehmung von Auskunftspersonen und Zeugen Hinweise auf deren Identität ausgeschieden, weil den betreffenden Personen Wahrung ihrer Anonymität zugesagt worden war.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt, dass die Einkommen- und Gewerbesteuer sowie deren Bemessungsgrundlagen für den Streitzeitraum mangels Einkünften aus Gewerbebetrieb "mit Null" festgesetzt wird. Er behauptet Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb, den Bescheid der belangten Behörde im Umfang der Anfechtung aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die belangte Behörde ist "auf Grund von im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen mehrerer Auskunftspersonen und Zeugen in Niederschriften" zur Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführer die von ihm bestrittene gewerbliche Geldwechseltätigkeit im Betrieb des Onkels und seiner Rechtsnachfolger, aber auch nach der Kündigung durch diese ausgeübt habe; er habe auch während des letztgenannten Zeitraumes daraus höhere Einkünfte als von ihm zugestanden erzielt.

1.1 Außer Streit steht, dass es die belangte Behörde dem Beschwerdeführer unmöglich gemacht hat, die Identität der Auskunftspersonen und Zeugen zu erfahren. Sie versuchte dies mit der Zusicherung der Anonymität an die Auskunftspersonen und Zeugen durch das Finanzamt und mit der von zwei Auskunftspersonen geäußerten Angst vor der Brutalität des Beschwerdeführers zu rechtfertigen.

Der Beschwerdeführer erblickt zu Recht in dieser Vorgangsweise der Behörde eine für das Verfahrensergebnis wesentliche Verletzung des Parteiengehörs:

Die Vorschriften des FinStrG über Akteneinsicht sind im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Zieht die Behörde Aussagen aus Finanzstrafverfahren in Abgabenverfahren zur Begründung von Feststellungen heran, so ändert dies nichts daran, dass das Abgabenverfahren nicht durch Vorschriften des FinStrG, sondern nur durch solche der BAO geregelt wird. Gemäß § 90 Abs. 2 BAO sind zwar Schriftstücke von der Akteneinsicht ausgenommen, deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeiführen würde. Zu solchen berechtigten Interessen dritter Personen zählen sicher auch deren körperliche Integrität. Eine Beschränkung der Akteneinsicht in diesem Interesse hätte jedoch die Glaubhaftmachung einer unmittelbaren Gefährdung dritter Personen zur Voraussetzung. Die Äußerung von Befürchtungen reicht hiezu nicht aus. Aber selbst dann, wenn die belangte Behörde zur Beschränkung der Akteneinsicht berechtigt gewesen sein sollte, folgte daraus noch keineswegs, dass sie ungeachtet der daraus folgenden Beschränkung des Parteiengehörs berechtigt wäre, Aussagen von gegenüber der Partei verdeckten Auskunftspersonen und Zeugen zum Nachweis für der betreffenden Partei nachteilige Tatsachen heranzuziehen. § 115 Abs. 2 BAO garantiert im Zusammenhang mit § 183 Abs. BAO uneingeschränktes Parteiengehör. Bei diesem handelt es sich um einen fundamentalen Grundsatz des Rechtsstaates (Verwaltungsgerichtshof 2. Juli 1987, 87/09/0046). Es darf daher nichts in die Entscheidung einfließen und damit in ihr Berücksichtigung finden, wozu Stellung zu nehmen der von der Entscheidung Betroffene keine Gelegenheit hatte. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher bereits in anderem Zusammenhang die Berücksichtigung "geheimer Beweismittel" durch die Behörde mit Entschiedenheit abgelehnt (VwSlg. 11285 A/1984). Für den Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob dieser Grundsatz in Fällen schwerster Kriminalität, die den Staat gefährdet, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen und strengen Kautelen eine Ausnahme (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1981, 2 BvR 215/81 = NJW 1981, 1719 ff) auch für die österreichische Rechtsordnung erlaubt, weil es sich hier nicht um eine derartige Angelegenheit handelt. Das Parteiengehör erstreckt sich daher auch auf die Identität von Auskunftspersonen und Zeugen, weil andernfalls den durch die Aussage Betroffenen der Nachweis von Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit aus der Person oder aus Beziehungen zur dieser unmöglich gemacht würde, worunter auch die Erfüllung der Pflicht der Behörde zur Ermittlung der materiellen Wahrheit litte.

Anonyme Mitteilungen sowie Aussagen geheim gehaltener Personen können daher zwar für die Behörde einen Verdacht begründen, der sie zu entsprechenden Ermittlungen und Nachforschungen berechtigt. Als Beweismittel zur Begründung von Feststellungen im Bescheid dürfen sie jedoch nicht herangezogen werden. Daran kann auch der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel gemäß § 166 BAO nichts ändern, weil er keine Verkürzung des Rechtes auf Parteiengehör beinhaltet.

Da dem Beschwerdeführer durch Verletzung des Parteiengehörs die Möglichkeit seiner Verteidigung unzulässigerweise beschnitten wurde, weil ihm ein Vortrag gegen die Glaubwürdigkeit der Personen, deren Aussagen die belangte Behörde gegen ihn verwertet hatte, mangels Kenntnis ihrer Identität unmöglich war, haftet dem angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund ein wesentlicher, zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zwingender Verfahrensmangel gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG an.

1.2 Die erwähnten Aussagen waren aber auch, worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist, ihrem Inhalt nach nicht geeignet, die Überzeugung von der selbständigen Geldwechslertätigkeit des Beschwerdeführers über den von ihm zugegebenen Zeitraum (nach seiner Kündigung) und das von ihm zugegebene Ausmaß hinaus unter Beweis zu stellen. Die Aussagen stellen im wesentlichen Meinungsäußerungen, Vermutungen und die Wiedergabe von Gerüchten dar, die erst durch Aussagen der betreffenden Personen darüber, was sie wann, wo und von wem gesehen oder gehört haben, zu verwertbaren Beweisergebnissen hätten gemacht werden können. Vor einer ausführlichen ergänzenden Vernehmung in diesem Sinn durfte die belangte Behörde daher ohne Verletzung von Denkgesetzen nicht ihre den Beschwerdeführer belastenden weit reichenden Schlüsse ziehen. Dabei war insbesondere zu bedenken, dass sich aus einigen dieser Aussagen entnehmen ließ, dass der Geldwechsel vom Onkel des Beschwerdeführers und dessen Rechtsnachfolgern in der Gastwirtschaft selbst betrieben wurde und der Beschwerdeführer dabei nur als Dienstnehmer einschritt. Eine widerspruchsfreie Aussage, auf Grund welcher Beobachtungen Auskunftspersonen oder Zeugen zur Überzeugung gelangen konnten, der Beschwerdeführer habe nicht nur für seinen Onkel (dessen Rechtsnachfolger) Geldwechseltätigkeit betrieben, sondern auch auf eigene Rechnung, liegt bisher nicht vor. Die belangte Behörde hat den Einwand des Beschwerdeführers, es wäre mit der Lebenserfahrung unvereinbar, anzunehmen, der Onkel (dessen Rechtsnachfolger), der (die) selbst an den Geldwechselgeschäften interessiert gewesen sei(en), hätte(n) den Beschwerdeführer nicht sofort entlassen, sobald aufgefallen wäre, dass dieser im Gasthaus auf seine Rechnung das gleiche Geschäft betreibe, noch nicht widerlegt. Insofern erweist sich auch die Begründung des angefochtenen Bescheides als unvollständig.

1.3 Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift nicht, der Beschwerdeführer habe sich seiner Rüge der Verletzung des Parteiengehörs gleichsam verschwiegen, weil er nicht nach jedem Vorhalt bis zuletzt immer wieder die gleichen Beanstandungen, die er bereits in der Berufung und in folgenden Schriftsätzen vorgetragen hatte, erneuerte. Die belangte Behörde durfte daher nicht davon ausgehen, der Beschwerdeführer habe auf die Mitteilung der Identität von Zeugen und Auskunftspersonen verzichtet.

Das Verfahren der belangten Behörde ist aus diesen Gründen auch mangelhaft gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und lit. c VwGG.

2. Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht auch Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der Vermögensdeckungsrechnung der belangten Behörde.

2.1 Er hatte für den Beginn des Prüfungszeitraumes (1973) Ersparnisse im Ausmaß von rund 1,2 Mio Schilling behauptet. Die belangte Behörde ist jedoch nur von Ersparnissen im Betrag von S 300.000,-- ausgegangen, ohne zu begründen, wie sie zur Höhe dieses Betrages gelangt ist. Ihre Argumentation zur Unglaubwürdigkeit höherer Ersparnisse lässt sich vereinfacht dahin zusammenfassen, dass dem Beschwerdeführer die Veranlagung des von ihm behaupteten Betrages durch Aufbewahrung im Tresor des Onkels nicht geglaubt werden könne, eine Veranlagung auf Sparbüchern habe der Beschwerdeführer jedoch selbst bestritten.

Diese Begründung ist nicht denkfolgerichtig. Es würde nämlich die gleiche Argumentation der Behörde gegen das Vorhandensein des von ihr selbst unterstellten Betrages von S 300.000,-- gelten, da nach der Lebenserfahrung auch ein Betrag in dieser Höhe nicht über längere Zeit von einem Privaten im Tresor aufbewahrt wird, wenn er, wie der Beschwerdeführer, für ein Darlehen von S 150.000,-- an einen Bekannten Zinsen vereinbart.

Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, sich mit der Begründung des Beschwerdeführers für die von ihm behaupteten Ersparnisse (langjährige Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Schwerstarbeiter im Tunnelbau, Arbeitslohn von monatlich S 12.000,-- netto während der Beschäftigung im Gasthaus des Onkels, freie Kost und Wohnung bei den Eltern, freie Kost in der Gastwirtschaft des Onkels) vollständig auseinander zu setzen, und insbesondere vorerst die vom Beschwerdeführer diesbezüglich beantragten Beweise durchzuführen.

Der Beschwerdeführer hat sich nämlich zum Nachweis seiner Einkünfte beim Tunnelbau auf die Einholung einer Auskunft von diesem ehemaligen Dienstgeber berufen, hinsichtlich freier Wohnung und Station bei seinen Eltern auf die Vernehmung seines Vaters als Zeuge (vgl. zB Seite 5 der Begründung zur Berufung). Zur Behauptung, er habe beim Onkel vereinbarungsgemäß täglich von 7.00 Uhr bis 24.00 Uhr gearbeitet, er sei die rechte Hand des Onkels gewesen, deshalb sei ihm vom Onkel ein so hohes Einkommen zugesichert und ausbezahlt worden, aus diesem Grund habe er gleich günstige oder günstigere Angebote aus der Bauwirtschaft abgelehnt, hat sich der Beschwerdeführer auf eine größere Anzahl von Zeugen berufen (vgl. zB Seite 7 der Begründung zur Berufung und Seiten 7/8 der Gegenäußerung vom 29. Oktober 1984). Die belangte Behörde hat keine dieser Beweise durchgeführt, und zwar weder hinsichtlich der im Inland ansässigen Zeugen noch hinsichtlich der im Ausland wohnhaften, zu deren Stelligmachung sich der Beschwerdeführer ausdrücklich mehrfach angeboten hatte (vgl. etwa Seite 9 der erwähnten Gegenäußerung).

Eine Ablehnung dieser Beweisanbote hätte nur erfolgen dürfen, wenn die belangte Behörde zur Überzeugung hätte gelangen dürfen, dass eine Aufklärung wesentlicher Sachverhaltselemente durch die betreffenden Ermittlungen auszuschließen ist. Dies war jedoch nicht der Fall. Der Umstand, dass die Zeugen bei der Lohnauszahlung durch den Onkel nicht anwesend waren und der Beschwerdeführer über keine schriftlichen Nachweise für seine Lohneinkünfte verfügte, machte seine Beweisanbote ebenso wenig aussichtslos wie etwa die Angaben des Onkels (seiner Rechtsnachfolger) über Lohnzahlungen gegenüber Finanzamt und Sozialversicherungsträger oder die Unterlassung von Vermögensteuererklärungen des Beschwerdeführers.

Die Beweise wären von der belangten Behörde daher durchzuführen gewesen. Die Abgabenbehörde kann sich hinsichtlich des Zeugenbeweisanbotes auch grundsätzlich nicht durch Aufträge an die Parteien des Verfahrens entlasten, diese mögen sich selbst schriftliche Aussagen beschaffen und sie der Behörde vorlegen. Die Mitwirkungspflicht der Partei reicht nämlich nicht so weit, dass sie verpflichtet wäre, der Behörde ein dieser mögliches und zumutbares Ermittlungsverfahren abzunehmen. Abgesehen davon hätte die Partei gegenüber Zeugen auch keinen Anspruch darauf, ihr schriftliche Aussagen zur Verfügung zu stellen. Derartige schriftliche Aussagen könnten die Abgabenbehörde außerdem nicht ihrer Verpflichtung entheben, zur Ermittlung der Wahrheit von Amts wegen selbst die Fragen an die Zeugen zu stellen, weil sie es ist, die den Gang des Ermittlungsverfahrens auch im einzelnen zu bestimmen hat, und notwendigenfalls den im Gesetz vorgesehenen Aussagezwang gegenüber den Zeugen zu üben, der nur ihr zusteht. Auch der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel erlaubt es nicht, grundsätzlich den im Gesetz vorgesehenen Beweismitteln, wie dem Zeugenbeweis, den Nachrang gegenüber nicht im Gesetz aufgezählten Beweismitteln (z.B. von der Partei beigebrachte schriftliche Aussagen) einzuräumen.

Die belangte Behörde hätte daher jedenfalls durch die angebotenen Beweismittel zu klären gehabt, welche Arbeiten, in welchem Ausmaß und unter welcher Verantwortung der Beschwerdeführer für seinen jeweiligen Dienstgeber verrichtet hat, welche Stellung er dort genoss. Durch geeignete Ermittlungen von Amts wegen hätte die belangte Behörde sodann zu klären gehabt, welches Entgelt nach den seinerzeitigen Lohnverhältnissen unter den festgestellten Bedingungen in der Region jeweils üblich war. Sie hätte in diesem Zusammenhang auch auf das Beweisanbot des Beschwerdeführers einzugehen gehabt, er habe während seiner Tätigkeit für den Onkel vor Zeugen Dienststellenangebote bei Baufirmen zu monatlicher Entlohnung von mehr als S 12.000,-

ausgeschlagen.

Erst nach Durchführung dieser Beweise und entsprechender Ermittlungen hätte sich die belangte Behörde ein abschließendes Urteil darüber bilden können, welche Beträge der Beschwerdeführer aus seiner unselbständigen Arbeit verdient und welche Ersparnisse er daraus im Hinblick auf die festzustellenden Lebenshaltungskosten zu Beginn des Prüfungszeitraumes gebildet haben konnte.

Die Schätzung des Lohneinkommens des Beschwerdeführers während seiner Tätigkeit für den Onkel (S 5.900,-- bis S 9.900,-- monatlich) durch die belangte Behörde wurde von dieser nicht weiter als durch die Gegenüberstellung mit dem Einkommen einer Beschäftigten begründet, von der der Beschwerdeführer (mangels Namhaftmachung durch die Behörde) nur vermuten konnte, es habe sich um das Kindermädchen gehandelt. Was der Beschwerdeführer einer derart begründungslos gebliebenen Schätzung "Substantiiertes" hätte entgegenhalten sollen, ist nicht erkennbar.

Die Behauptung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer könne von seinem Onkel nicht mehr als "den doppelten Betrag und darüber" erhalten haben, als dieser dem angeblichen Kindermädchen bezahlt habe, höhere Schwarzlohnzahlungen, als von der belangten Behörde unterstellt, widersprächen Prüfungserfahrungen bei anderen Gastwirtschaften, enthält keine nachvollziehbare Begründung für den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt. Ein Zusammenhang zwischen dem Lohn eines angeblichen Kindermädchens und dem Lohn für die vom Beschwerdeführer beschriebene Tätigkeit und Verantwortung ist nicht erkennbar, Erfahrungssätze über eine maximale Höhe von Schwarzlohnzahlungen an im Gastgewerbebetrieben tätige Familienangehörige mit weit überdurchschnittlicher Arbeitszeit und Ausübung einer Vertrauensstellung wurden von der belangten Behörde nicht nachgewiesen.

Die Ablehnung der Beweisanträge des Beschwerdeführers verstieß daher gegen § 183 Abs. 3 BAO. Sie stellte im Ergebnis eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung dar. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nicht aufgeklärt.

2.2 Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer beantragte Vernehmung seines Darlehensgebers und seines Darlehensnehmers.

Die belangte Behörde wurde ihrer Verpflichtung zur Vernehmung der Zeugen auch nicht durch die von ihr aufgezeigten tatsächlichen oder vermeintlichen Widersprüche in Vorhaltsbeantwortungen des Beschwerdeführers und in seinen Aussagen sowie durch Unklarheiten in der vorgelegten Bestätigung des Darlehensgebers enthoben. Vor all diesen Erwägungen hätte die belangte Behörde die Zeugen zu vernehmen, ihnen allfällige Widersprüche vorzuhalten und den Versuch zu unternehmen gehabt, Ungereimtheiten aufzuklären. Erst dann hätte sie sich ein Urteil darüber bilden dürfen, ob ihre Bedenken gegen die Darstellung des Beschwerdeführers auch nach Vorliegen der Zeugenaussagen haltbar sind.

2.3 Hinsichtlich der Auslagen des Beschwerdeführers für die Errichtung und Einrichtung seines Hauses ist im Laufe des Verfahrens die Differenz zwischen der Einschätzung durch die Abgabenbehörde und der Schätzung durch den Beschwerdeführer auf einen Betrag von S 147.000,-- geschrumpft.

2.3.1 Zum Nachweis dafür, dass dieser Betrag von der belangten Behörde zu Unrecht in der Vermögensdeckungsrechnung als Ausgabe eingesetzt wird, hat sich der Beschwerdeführer auf unentgeltliche Arbeitsleistungen von Freunden sowie Leistungen seiner Lebensgefährtin berufen und hiefür entsprechende Zeugenbeweise angeboten (vgl. etwa Seite 6/7 in der Gegenäußerung vom 25. Mai 1987).

Vor Vernehmung dieser Zeugen das Vorbringen des Beschwerdeführers als bloße Zweckbehauptung abzutun, stellt ebenfalls einen Akt unzulässiger vorgreifender Beweiswürdigung dar.

2.3.2 Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang aber auch zu Recht als Verfahrensmangel geltend, dass sich die belangte Behörde in Fachfragen betreffend Baukosten keines Sachverständigen bedient hat. Dass dies von ihr unterlassen wurde, räumt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst ein, weil sie darin zwar aufzeigt, dass im Rahmen ihrer Behördenorganisation entsprechende (Amts)Sachverständige vorhanden gewesen wären, sie aber nicht behauptet, solche befragt zu haben, geschweige denn, deren gutachtliche Meinung dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht zu haben. Auch der Akteninhalt bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die erst von der belangten Behörde vorgenommene Einschätzung ihre Grundlage in einem dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Gutachten hätte. Es bedarf keiner weiteren Erklärung, dass etwa zur Einschätzung von Materialkosten für eine "Dreikammern-Faulanlage" oder für eine Heizungsanlage mit den Kenntnissen aus dem eigenen Hausbau des Prüfers nicht das Auslangen gefunden werden kann, zumal es im Beschwerdefall auf Preise zu bestimmten Zeitpunkten ankommt. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher auch nicht erkennen, auf Grund welcher Überlegungen die belangte Behörde gerade zu den von ihr eingeschätzten Beträgen in der Summe von S 147.000,-- gelangt und ob dieser Betrag "realistisch" ist, wie die belangte Behörde meint. Somit entzieht sich die Schätzung insofern der Nachprüfung.

Der Hinweis der belangten Behörde auf die baubehördliche Bewilligung geht deshalb an der Sache vorbei, weil es im Zusammenhang mit der Vermögensdeckungsrechnung nicht auf die Kosten des baurechtlich bewilligten Projektes, sondern auf die Kosten des tatsächlich ausgeführten Bauwerkes ankommt.

2.4 Das Verhalten des Beschwerdeführers während des Berufungsverfahrens bot der belangten Behörde keinen hinreichenden Anhaltspunkt für den Schluss, er habe seine Beweisanträge nicht bis zuletzt aufrecht erhalten.

Der angefochtene Bescheid leidet daher auch im Zusammenhang mit dieser Komponente der Vermögensdeckungsrechnung an einer wesentlichen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und lit. c VwGG.

3. Eine Rechtswidrigkeit erblickt der Beschwerdeführer auch darin, dass die belangte Behörde die Gebarung seines Onkels nicht überprüft habe.

Dieser Vorwurf trifft nicht zu, weil die belangte Behörde bisher aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Onkels nicht den Schluss gezogen hat, dem Beschwerdeführer könne der von ihm behauptete Lohn vom Onkel nicht bezahlt worden sein, es aber auch an einem schlüssigen Vorbringen des Beschwerdeführers fehlt, wonach der von ihm behauptete wirtschaftliche Aufschwung seines Onkels eine gleichzeitige selbständige Geldwechseltätigkeit des Beschwerdeführers neben der des Onkels im Hinblick auf die zu Gebote stehende Kapazität an Geldwechselgeschäften in der betreffenden Region ausgeschlossen hätte.

4. Zu Unrecht erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Verfahrensvorschriften (Verletzung des Parteiengehörs) in der Unterlassung der Verständigung von der Mitteilung der Erbengemeinschaft nach seinem Onkel über den Verbleib angeblicher Aufzeichnungen betreffend die Verwendung der im Tresor verwahrten Gelder (Ersparnisse des Beschwerdeführers). Die Erbengemeinschaft bestritt, dass sich solche Aufzeichnungen nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der Gastwirtschaft gefunden hätten.

Es fehlt an der Wesentlichkeit des Mangels, weil der Beschwerdeführer nicht darlegt, was er zu seinem Vorteil vorgetragen hätte, wäre ihm die Mitteilung zur Kenntnis gebracht worden.

5. Der Beschwerdeführer bestreitet die Schätzungsbefugnis der Behörde für den Fall des Nachweises von Einkünften aus Gewerbebetrieb zu Unrecht, weil es für diesen Fall an dem gemäß § 184 Abs. 3 BAO erforderlichen Aufzeichnungen fehlt, um aus ihnen eine Grundlage für die Bemessung der Abgaben zu gewinnen.

Dass allerdings auch zur Klärung der Frage, ob Steuerpflicht dem Grunde nach bestand, also zum Nachweis gewerblicher Einkünfte im Zusammenhang mit der Vermögensdeckungsrechnung Feststellungen auf Grund von Schätzungen erforderlich und auf Grund der Pflicht der Behörde zu amtswegiger Wahrheitsforschung gemäß § 115 Abs. 1 iVm § 166 BAO zulässig und geboten sein können, macht den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig. Allerdings sind an Schätzungen in diesem Zusammenhang hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit der Wirklichkeit strengere Maßstabe anzulegen, als an die Einschätzung der Abgabenbemessungsgrundlagen, weil durch sie erst ein ungeklärter Vermögenszuwachs nachzuweisen wäre. Eine griffweise Schätzung scheidet in diesem Zusammenhang daher aus (vgl. Verwaltungsgerichtshof 20. Jänner 1953, Zl. 2872/50.

Der Bescheid der belangten Behörde war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Umfang seiner Anfechtung aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte schon gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Die Vorlage von mehr als einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides war gemäß § 28 Abs. 5 VwGG nicht notwendig. Das betreffende Mehrgebehren für Beilagenstempel war daher abzuweisen.

Wien, am 18. Oktober 1988

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1988:1988140092.X00

Im RIS seit

18.10.1988

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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