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L70704 Theater Veranstaltung Oberösterreich;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein ders Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde 1) des AU und 2) der CU, beide in A, beide vertreten durch Dr. Georg Hawlik, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 17, gegen den Bescheid der OÖ Landesregierung vom 19. April 1988, 21. BauR-010029/1-1988 See/Ja„ betreffend die Zurückweisung eines Bauansuchens wegen entschiedener Sache (mitbeteiligte Partei: Gemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 9.990,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 3. September 1982 versagte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführern die Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaues zu ihrem Wohnhaus (und einer Dachstuhlerneuerung) auf den Grundstücken nnnn und nn1 KG A mit der Begründung, dass die Abstandsvorschrift des § 84 Abs. 10 der OÖ Bauverordnung durch Fenster des Bauvorhabens der Beschwerdeführer nicht eingehalten werde. Wie der diesem Bescheid zugrundeliegende Einreichplan erkennen lässt (ONr. n des Gemeindeaktes), waren bezüglich des hier allein maßgeblichen Schlafzimmers (Zubau) nach Westen zwei Fenster vorgesehen, wogegen für diesen Raum sonst kein Fenster der Grundrissdarstellung entnommen werden kann.
Der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 7. Oktober 1983 keine Folge. Mit Bescheid vom 3. Februar 1984 wies schließlich die OÖ Landesregierung die von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung als verspätet zurück.
Mit Eingabe vom 6. Juli 1984 ersuchten die Beschwerdeführer (neuerlich) um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung des Zubaues zum bestehenden Wohnhaus. Da in Ansehung der Fenster des Zubaues gegenüber dem bereits durchgeführten Baubewilligungsverfahren die Pläne nicht geändert wurden, teilte dies der Bürgermeister den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 12. Juli 1984 mit. Die nunmehr anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer äußerten sich in ihrer Stellungnahme vom 30. Juli 1984 dahingehend, dass die Baubehörde ihrer in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung eine unrichtige Rechtsansicht zugrundegelegt habe. § 84 Abs. 10 der OÖ. Bauverordnung sei nämlich eine Abstandsvorschrift, welche nur für den Errichter eines Stalles zur Anwendung komme.
Nach weiteren, hier nicht weiter wesentlichen Verfahrensschritten suchten die Beschwerdeführer mit Eingabe vom 9. Oktober 1984 um die "Wohnungsvergrößerung (und eine Dachstuhlerneuerung)" an, wobei in dem vorgelegten Bauplan bezüglich des schon erwähnten Schlafzimmers nunmehr zu den schon zwei beschriebenen Fenstern an der Nordseite ein zusätzliches (drittes) Fenster eingezeichnet ist. Über dieses Ansuchen fand am 6. März 1985 eine mündliche Verhandlung statt, bei der letztlich der Vertreter der Bauwerber den Abänderungsantrag stellte, dass auf die Errichtung der vom Sachverständigen beanstandeten Fenster verzichtet würde und die Korrektur des Planes umgehend veranlasst werde. In dem sodann geänderten Plan scheint nach wie vor eines der nach Westen gerichteten Fenster auf, die zur Versagung der Baubewilligung mit Bescheid vom 3. September 1982 führten.
Trotzdem bewilligte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 25. März 1985 nunmehr den Anbau des Schlafzimmers, wobei als Auflage Punkt 6 vorgeschrieben wurde, dass für die Anzahl und Situierung der Fenster die Grundrissdarstellung des Bauplanes maßgebend sei. Diesem Bescheid wurde der zuletzt beschriebene geänderte Bauplan zugrundegelegt.
Mit Eingabe vom 19. April 1985 ersuchten die Beschwerdeführer um die Bewilligung einer Planabweichung vom Bauplan betreffend den Schlafzimmeranbau. Gleichzeitig behaupteten die Beschwerdeführer, dass es in der OÖ Bauordnung und OÖ Bauverordnung keine gesetzlichen Bestimmungen gebe, die die Anordnung von Fenstern bei den gesetzlich eingehaltenen Abständen zur Grundstücksgrenze verbieten würden. In dem im Akt erliegenden Bauplan (Blatt-Zl. 19 des Gemeindeaktes) sind nunmehr nach Westen zwei Fenster und nach Norden ein Fenster eingezeichnet.
Nach hier nicht weiter wesentlichen Schreiben wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 25. August 1987 das Ansuchen um Genehmigung der Ausführung, von drei Fenstern im Schlafzimmeranbau gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 wegen entschiedener Sache zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bereits mit Ansuchen vom 22. März 1982 die Ausführung von zwei Fenstern an der Westseite beantragt, diesem Ansuchen aber mit Bescheid vom 3. September 1982 die Bewilligung versagt worden sei. Mit Ansuchen vom 9. Oktober 1984 hätten die Beschwerdeführer "neuerlich die Baubewilligung hiefür unter geringfügig geänderten Projektsunterlagen beantragt", wobei bei der mündlichen Verhandlung am 6. März 1985 der Antrag in der Weise geändert worden sei, dass nur ein Fenster an der Westseite ausgeführt werden sollte. Ohne diesen Änderungsantrag wäre es neuerlich zu einer Versagung der Baubewilligung gekommen. Es sei somit die Frage der Einhaltung des gemäß § 84 Abs. 10 der OÖ Bauverordnung vorgeschriebenen Abstandes von 10 m von Stallfenstern zum nächstgelegenen Fenster dieses Schlafzimmeranbaues rechtskräftig entschieden. Der neuerliche Antrag auf Unterschreitung dieses Abstandes hätte daher bei unveränderter Rechts- und Sachlage wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 zurückgewiesen werden müssen.
Der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 29. Oktober 1987 keine Folge. Die Berufungsbehörde vertrat zusammenfassend die Auffassung, bei der beantragten Planänderung handle es sich nicht um eine Abweichung vom bewilligten Bauplan, über die noch nicht sachlich entschieden worden sei, sondern diese Frage sei bereits Kernpunkt zweier rechtskräftig abgeschlossener Bauverfahren gewesen. Die Beschwerdeführer hätten aus den vorangegangenen Verfahren genau wissen müssen, dass keine positive Erledigung einer Planabweichung erfolgen könne.
Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die OÖ Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 19. April 1988 keine Folge. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Bestimmung des § 68 Abs. 1 AVG 1950 vertrat die Gemeindeaufsichtsbehörde die Ansicht, dass Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, auch dann wegen res judicata zurückzuweisen seien, wenn das Begehren nicht auf Aufrollung laute. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehe einer neuen Sachentscheidung auch dann die Rechtskraft eines Bescheides entgegen, wenn in den für die rechtliche Beurteilung maßgebenden Umständen nur unwesentliche Modifikationen eingetreten seien. Andererseits könnte man von einer geänderten Rechtslage, die es der Behörde verwehren würde, das neue Ansuchen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, nur dann sprechen, wenn sich nach Abweisung des ersten Ansuchens die gesetzlichen Vorschriften, die tragend für die Entscheidung gewesen sind, so geändert hätten, dass sie, hätten sie bereits früher bestanden, eine anders lautende Entscheidung ermöglicht hätten. Der Begriff "Identität der Sache" müsse im übrigen in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden (in diesem Zusammenhang werden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert). Wie sich aus der Begründung des Berufungsbescheides sowie aus der Aktenlage eindeutig und letztlich auch unbestritten ergebe, hätten die Beschwerdeführer bereits mit Schriftsatz vom 22. März 1982 um die Baubewilligung für den Anbau eines Schlafzimmers unter Ausführung von drei Fenstern an der nördlichen und westlichen Außenmauer angesucht. Diesem Antrag sei mit Bescheid des Bürgermeisters vom 3. September 1982 unzweifelhaft mit der Begründung der Erfolg versagt worden, dass hinsichtlich der geplanten Fenster im Abstand von weniger als 10 m vom Rinderstallbauobjekt der Nachbarn der im § 84 Abs. 10 der OÖ Bauverordnung vorgeschriebene Abstand von 10 m nicht eingehalten werde. Aus denselben Gründen sei auch dann der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung keine Folge gegeben worden. Die gegen den Berufungsbescheid eingebrachte Vorstellung sei schließlich als verspätet eingebracht zurückgewiesen und damit diese Bauangelegenheit rechtskräftig entschieden worden. Ein neuerliches gleich lautendes Bauansuchen betreffend den Schlafzimmeranbau einschließlich der Fenster innerhalb des 10 m Abstandes zum Nachbargebäude sei dann schließlich unter Abänderung des Ansuchens mit der Einschränkung baubehördlich bewilligt worden, dass von der Errichtung dieser beantragten Fenster zur Gänze Abstand genommen worden sei. Wenngleich sohin der Schlafzimmeranbau zwischenzeitig ohne den Einbau von Fenstern baubehördlich bewilligt worden sei, liege nach Auffassung der Gemeindeaufsichtsbehörde hinsichtlich des mit Schriftsatz vom 19. April 1985 neuerlich eingereichten Bauansuchens um bloße Planänderung in der Form, dass nunmehr im Schlafzimmeranbau die sohin seinerzeit beantragten Fenster innerhalb des 10 m Abstandes zum Nachbargebäude dennoch zur Errichtung gelangen sollen, insofern kein geänderter Sachverhalt vor, als damit letztlich wiederum nur eine solche Bauausführung beim Schlafzimmeranbau erzielt werden solle, wie sie bereits mit Bescheid vom 7. Oktober 1983 (Berufungsbescheid) rechtskräftig versagt worden sei. Die gegenständlichen Fenster seien in diesem vorangegangenen Bauverfahren jedenfalls sachverhaltsmäßig mitumfasst gewesen und es habe sich auch hinsichtlich der Rechtslage betreffend die Bestimmung des § 84 Abs. 10 der OÖ Bauverordnung nichts geändert. Sohin aber liege nach Auffassung der Vorstellungsbehörde nicht nur Identität in der Sache, sondern auch in der rechtlichen Betrachtungsweise zum gegenständlichen Bauantrag vor.
In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid dadurch in ihren Rechten verletzt, dass die Verwaltungsbehörden zu Unrecht davon ausgegangen seien, es liege entschiedene Rechtssache vor. Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt entschiedene Sache dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 21. März 1985, Zl. 83/06/0023, BauSlg. Nr. 410, vom 16. April 1985, Zl. 84/05/0191, BauSlg. Nr. 423, u.a.). Wie die belangte Behörde ganz allgemein in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend ausgeführt hat, muss der Begriff der "Identität der Sache" so gesehen werden, dass das Wesen einer Sachverhaltsänderung als Kriterium der "res judicata" auch nach der Wertung zu beurteilen ist, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Juni 1971, Slg. N.F. Nr. 8035/A). Im vorliegenden Fall bestreiten auch die Beschwerdeführer nicht, dass eine Änderung der Rechtslage nicht eingetreten ist. Sie behaupten jedoch, dass der seinerzeitigen rechtskräftigen Abweisung ein anderer Sachverhalt zugrundegelegen sei, als derjenige, der nunmehr von der belangten Behörde als erwiesen angenommen worden ist. Im Ergebnis sind die Beschwerdeführer damit im Recht.
Die belangte Behörde hat zunächst aktenwidrig angenommen, dass schon dem die Baubewilligung versagenden Bescheid des Bürgermeisters vom 3. September 1982 ein Plan zugrundegelegen sei, der für das hier strittige Schlafzimmer drei Fenster vorgesehen habe. Wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt, trifft dies nicht zu, weil der damalige Bauplan zwar an der westlichen Außenmauer zwei Fenster aufgewiesen hat, jedoch keines an der nördlichen Außenmauer. Die belangte Behörde irrte weiter, wenn sie davon ausging, dass dem Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters vom 25. März 1985 ein Projekt zugrundegelegen sei, in dem die Beschwerdeführer von der Errichtung der beantragten Fenster zur Gänze Abstand genommen hätten. Tatsächlich kann dem bewilligten Bauplan entnommen werden, dass wie im Sachverhalt dargestellt wurde, an der westlichen Außenmauer ein Fenster eingezeichnet ist.
Damit hat der Bürgermeister durch den bewilligenden Bescheid vom 25. März 1985 gegen die Rechtskraft des die Baubewilligung versagenden Bescheides vom 3. September 1982 insoferne verstoßen, als damit entgegen der Begründung des Bescheides Fenster auch auf der Westseite als bewilligungsfähig angenommen wurden; dieser Bescheid ist aber ebenfalls in Rechtskraft erwachsen. Widersprechen einander zwei rechtskräftige Bescheide, so wird die Rechtskraftwirkung des ersten Bescheides, soweit jene des zweiten Bescheides reicht, beseitigt. Da aber, wie schon oben ausgeführt, die Identität der Sache hier nur an der Begründung des versagenden Bescheides gemessen werden kann (rein formal unterschiede sich ja das letzte Projekt mit 3 Fenstern ohnehin vom ersten mit nur 2 Fenstern), hinsichtlich der mangelnden Bewilligungsfähigkeit der Fenster an der Westfront jedoch eine Rechtskraftwirkung des Bescheides vom 3. September 1982 seit Rechtskraft des Bescheides vom 25. März 1985 nicht mehr besteht, hat die belangte Behörde zu Unrecht das Vorliegen einer rechtskräftig entschiedenen Sache hinsichtlich der Unzulässigkeit von Fenstern an der Westfront angenommen und schon deshalb ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 13. Dezember 1988
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1988:1988050143.X00Im RIS seit
15.01.2009Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009