TE Vwgh Erkenntnis 1989/5/23 85/07/0161

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Veröffentlicht am 23.05.1989
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde der Dkfm. FZ in R, vertreten durch Dr. Herbert Schaller, Rechtsanwalt in Wien XV, Linke Wienzeile 236, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 6. Mai 1985, Z1. 8Wa-28/3/1985, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: Dipl.-Ing. VH), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit "Bescheid" vom 26. September 1984 erklärte die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt auf Antrag der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Partei gemäß § 15 Abs. 2 und 3 WRG 1959 den im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Griffner-See einschließlich einer diesen umgebenden Sumpfzone unter verschiedenen näheren Bestimmungen als Laichschonstätte und Winterlager für Fische.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 6. Mai 1985 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als verspätet zurückgewiesen. Begründend wurde dazu ausgeführt, der bekämpfte Bescheid habe der Beschwerdeführerin nach einem Zustellversuch am 2. Oktober 1984 an der Abgabestelle vom zuständigen Organ des Postamtes nicht zugestellt werden können, weshalb nach § 17 ZustellG das betreffende Schriftstück am selben Tag beim Zustellpostamt hinterlegt und die Verständigung über die Hinterlegung an besagtem Tag in den Briefeinwurf eingelegt worden sei. Mit Schreiben vom 11. Oktober 1984 an die Bezirkshauptmannschaft habe der Ehegatte der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass diese mit Schreiben vom 30. September und 7. Oktober 1984 und er selbst mit Schreiben vom 10. Oktober 1984 das Postamt informiert hätten, die Beschwerdeführerin habe sich infolge eines lebensbedrohenden Unfalles ihrer fast 83-jährigen Mutter ganztägig bei dieser im Unfallkrankenhaus aufhalten müssen und sei dann ab 8. Oktober 1984 selbst schwer an fiebriger Grippe erkrankt sowie bettlägerig gewesen und erst in den letzten Tagen von der Hinterlegung des betreffenden Briefes verständigt worden. Da das diesbezügliche Ersuchen beim Postamt unberücksichtigt geblieben sei, ersuche er auf diesem Weg um die Rücknahme der hinterlegten Sendung und um eine neuerliche Zustellung im Interesse der Wahrung der gesetzlichen Fristen. Von Seiten der Bezirkshauptmannschaft sei der Bescheid sodann nochmals zugestellt und von der Beschwerdeführerin persönlich am 13. November 1984 in Empfang genommen worden. Wie aus der Aktenlage und einer Stellungnahme des betreffenden Postamtes vom 18. März 1985 hervorgehe, sei die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides nach den geltenden Vorschriften durchgeführt worden. Es sei nun im Hinblick auf das erwähnte Schreiben des Vertreters der Beschwerdeführerin zu prüfen gewesen, ob der Zusteller gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG Grund zur Annahme gehabt habe, dass sich die Empfängerin regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten habe, so daß das Schriftstück beim zuständigen Postamt zu hinterlegen gewesen sei. Diese letztere Voraussetzung sei gegeben, wenn eine Zustellung nicht bewirkt werden könne und die Abwesenheit des Empfängers offenbar nur eine vorübergehende, der Empfänger also gehindert sei, Zustellvorgänge im Bereich des Zustellortes wahrzunehmen, wie bei einer Reise, einem Urlaub oder einem Aufenthalt im Krankenhaus. Eine berufliche Abwesenheit von der Wohnung während des Tages, auch wenn sie von 5 Uhr bis 24 Uhr dauere, sei keine vorübergehende Abwesenheit. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin, wie aus dem Schreiben ihres Ehegatten vom 11. Oktober 1984 geschlossen werden könne, ohnedies in offener Rechtsmittelfrist von der Hinterlegung der betreffenden Sendung gewusst habe, könnten weder die ganztägigen Besuche im Unfallkrankenhaus noch die darauf folgende Erkrankung an fiebriger Grippe als vorübergehende Abwesenheit vom Zustellort qualifiziert werden. Der erstinstanzliche Bescheid gelte somit ab dem Tag der Hinterlegung - dem 2. Oktober 1984 - als der Beschwerdeführerin zugestellt. Die laut Poststempel erst am 27. November 1984 eingebrachte Berufung sei deshalb als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Dieser Bescheid wird mit vorliegender Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführerin nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht auf Entscheidung in der Sache (in Form der Aufhebung der mit dem erstinstanzlichen Bescheid ausgesprochenen Erklärungen) verletzt erachtet.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch der Mitbeteiligte nahm in einer Gegenschrift zum Beschwerdevorbringen Stellung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat den erstinstanzlichen Bescheid am 13. November 1984 zugestellt erhalten. Sie hält diese Zustellung für die einzige, die ordnungsgemäß erfolgt ist. Die belangte Behörde geht demgegenüber davon aus, dass der erstinstanzliche Bescheid ein erstes Mal bereits vor dem angegebenen Zeitpunkt, und zwar im Weg der Hinterlegung am 2. Oktober 1984, der Beschwerdeführerin gegenüber wirksam zugestellt worden sei.

Gemäß § 6 ZustellG ist, wenn das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt wird, die erste Zustellung maßgebend. Da die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung, bezogen auf den von der belangten Behörde angenommenen Zeitpunkt der erstmaligen zustellung jedenfalls verspätet wäre - ohne dass dies in Bezug auf den Zeitpunkt der Zustellung am 13. November 1984 der Fall ist -, kommt der Beantwortung der Frage, ob jene rechtswirksam erfolgte, rechtserhebliche Bedeutung zu.

Gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG ist, wenn eine Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, das betreffende Schriftstück im Fall der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen. Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen, wobei die Verständigung "den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen" hat. Gemäß Abs. 3 desselben Paragraphen gelten hinterlegte Sendungen, wenn nicht bestimmte, für die folgende Erörterung unmaßgebliche Voraussetzungen vorliegen, mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt.

Die Bestimmung, dass der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen ist, bedeutet, dass eine Hinterlegung ohne schriftliche Verständigung oder eine fehlerhafte derartige Verständigung - etwa eine solche, bei der der Beginn der Abholfrist nicht angegeben ist - keine Rechtswirkungen entfaltet (siehe dazu Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Wien 1983, Anm. 18 und 28 zu § 17 ZustellG).

Nach Ausweis der Verwaltungsakten fehlt in der (mit Formular 1 erfolgten) Verständigung der Beschwerdeführerin über die Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides anlässlich dessen erstmaliger Zusendung das Datum des vergeblichen Zustellversuches und (damit) jede Angabe über den Beginn der Abholfrist. Es ist dort lediglich davon die Rede, das Schriftstück sei "heute ab 14.00 Uhr" während näher angegebener allgemeiner Öffnungszeiten bei dem bezeichneten Postamt abzuholen, und das Schriftstück liege "bis zum dritten Montag, der dem Tag der Verständigung folgt, bei dem oben angegebenen Postamt", ohne dass jedoch der Tag der Verständigung selbst genannt würde.

Die "erste Zustellung" erweist sich demnach als rechtsunwirksam. die belangte Behörde durfte somit nicht davon ausgehen, dass die Berufung der Beschwerdeführerin wegen Ablaufes der ab dem angenommenen Zeitpunkt einer Zustellung mit 2. Oktober 1984 berechneten Berufungsfrist verspätet gewesen wäre. Nur dann, wenn die Berufung der Beschwerdeführerin, bezogen auch auf den Zeitpunkt der nachweislichen Zustellung vom 13. November 1984 verspätet gewesen wäre - wovon die belangte Behörde (in Übereinstimmung mit der Aktenlage) zu Recht nicht ausgegangen ist - , wäre die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung im Ergebnis zutreffend gewesen. Da die belangte Behörde der Beschwerdeführerin daher eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert hat, war der angefochtene Bescheid - ohne dass noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Zum Rechtscharakter einer Laichschonstättenerklärung sei im übrigen auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 8.

Oktober 1959, 1947/59, Slg. Nr. 5072/A, Bezug genommen.

     Von der beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2

VwGG abgesehen.

     Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG

und der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 23. mai 1989

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1989:1985070161.X00

Im RIS seit

02.09.2005

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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