Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Salcher, Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Steiner als Richter im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde der M W in G, vertreten durch DDr. Heinz Mück, Rechtsanwalt in Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Dezember 1983, GZ. BauR-8627/2-1983 Stö/Ko, betreffend einen Auftrag zur Vorauszahlung der Vollstreckungskosten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 17. März 1982 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 60 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 65 und 66 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung aufgetragen, zur Behebung festgestellter Baugebrechen Sicherungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen an dem ihr gehörigen Haus 7a (Grundstücke Nr. n1 und n2 der EZ. 255 der KG X) bis längstens 30. November 1982 durchzuführen. Ein Abtragungsauftrag bezüglich eines weiteren Hauses der Beschwerdeführerin (Nr. 7) ist nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Am 17. Dezember 1982 drohte der Magistrat die Ersatzvornahme an, falls bis 30. Mai 1983 der Verpflichtung nicht entsprochen worden sei.
Auf Grund eines detaillierten Amtsgutachtens über die voraussichtlichen Kosten der aufgetragenen Instandsetzungsarbeiten erließ der Magistrat der Landeshauptstadt Linz auf Grund seines Bescheides vom 17. März 1982 den Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten in Höhe von S 611.599,90 binnen vier Wochen zur Durchführung der im einzelnen genannten Arbeiten, zu deren Vornahme die Beschwerdeführerin im Titelbescheid verpflichtet worden war. Die Ersatzvornahme, zu deren kostenmäßigen Bedeckung der Vorauszahlungsauftrag erging, war weder vorher noch zugleich mit diesem Kostenvorauszahlungsauftrag angeordnet worden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung mit der Begründung, dass es ihr unmöglich sei, den ihr auferlegten Kostenvorschuss zu erlegen. Sie sei Pensionistin im Alter von 70 Jahren und beziehe eine monatliche Pension von S 3.474,--. Von den Mietern ihrer Häuser würden lediglich die nach der Mietengesetznovelle 1974 (gemeint wohl § 16 Abs. 3 des Mietengesetzes in der Fassung der Novelle 1974) zulässigen Mietzinse, nämlich S 4,-- pro m2 Nutzfläche monatlich, bezahlt, wobei die Mieter auch mit diesem Hauptmietzins und den laufenden Betriebskosten teilweise im Rückstand seien. Ein Abbruch der Häuser sei nicht möglich, weil sie zum Teil noch von Mietern bewohnt seien, die Mietverhältnisse unterlägen den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 10 Abs. 2 VVG 1950 als unzulässig zurück. Nach einer Darstellung des Sachverhaltes und einer Wiedergabe des § 10 Abs. 2 VVG 1950 führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung keinen der zulässigen Berufungsgründe vorgebracht habe. Sie habe zwar auf ihre schwierige Einkommenslage hingewiesen, doch könne dies nicht als Einwand gewertet werden, der eine Gefährdung des notdürftigen Unterhaltes im Sinne des § 10 Abs. 2 lit. c in Verbindung mit § 2 Abs. 2 VVG 1950 behaupte. Eine durch das Vollstreckungsverfahren bedingte Unterhaltsgefährdung sei jedenfalls nicht ausdrücklich behauptet worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.
Mit Beschluss vom 16. Juni 1987, Zl. 84/05/0035-18, hat der Gerichtshof den Parteien des Verfahrens im Sinne des § 41 VwGG eröffnet, entgegen der zum Teil in der bisherigen Rechtsprechung (insbesondere im Erkenntnis vom 2. Mai 1956, Slg. Nr. 4057/A) vertretenen Ansicht sei der Gerichtshof vorläufig der Auffassung, dass als "Vollstreckungsverfügungen" nur Verfügungen von Vollstreckungsbehörden angesehen werden könnten, die im Zuge des Vollstreckungsverfahrens ergingen und unmittelbar die Durchführung der Vollstreckung zum Gegenstand hätten, wogegen alle anderen Bescheide, auch wenn sie im Zuge des Vollstreckungsverfahrens ergingen, nicht als derartige Vollstreckungsverfügungen angesehen werden könnten.
Weiters wurde die Frage aufgeworfen, ob entgegen der bisherigen Rechtsprechung schon vor rechtswirksamer Anordnung der Ersatzvornahme Kosten hiefür begehrt werden könnten oder ob der Kostenvorauszahlungsauftrag frühestens gleichzeitig mit der Anordnung der Ersatzvornahme ergehen könne, weil erst dann feststehe, dass, was und wie vollstreckt werden solle.
Die Beschwerdeführerin schloss sich nicht nur dem Standpunkt an, dass eine Vollstreckungsverfügung nicht vorliege, sie vertrat auch die Meinung, dass eine vorausgehende Anordnung der Ersatzvornahme Voraussetzung für einen Kostenvorauszahlungsauftrag gemäß § 4 Abs. 2 VVG 1950 sei. Damit sei der angefochtene Bescheid auch aus diesem Grunde rechtswidrig. Da eine Vollstreckungsverfügung nicht vorliege, könne auch die Rechtsmittelbeschränkung des § 10 Abs. 2 VVG 1950 nicht zur Anwendung kommen.
Die belangte Behörde verwies dagegen auf die bisherige Rechtsprechung; es sei nicht einzusehen, warum nicht auch ein letztlich der Vollstreckung eines bestimmten Titelbescheides dienender verfahrensrechtlicher Bescheid eine Vollstreckungsverfügung im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG 1950 darstellen könne bzw. warum der Begriff "Vollstreckungsverfügung" nicht auch bestimmte im VVG 1950 vorgesehene verfahrensrechtliche Bescheide umfassen solle. Der Umstand, dass das VVG 1950 im § 4 Abs. 2 die Möglichkeit der Vorschreibung einer Kostenvorauszahlung neben der Anordnung der Vollstreckung (Vollstreckung im eigentlichen Sinn) ausdrücklich vorsehe, ohne nähere Voraussetzungen zu nennen, deute darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht zwischen "Vollstreckung im eigentlichen Sinn" und anderen Vollstreckungsmaßnahmen differenzieren wollte. Insofern käme dem Auftrag zur Kostenvorauszahlung nicht ausschließlich verfahrensrechtlicher Charakter zu. Daher habe kein Anlass bestanden, daran zu zweifeln, ob die spezielle Verfahrensvorschrift des § 10 Abs. 2 VVG 1950 auch auf den Auftrag zur Kostenvorauszahlung anzuwenden wäre. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass auch die jüngere Lehre sich mit der widersprüchlichen Judikatur auseinander gesetzt habe und - gestützt auf Just, Baubehördliche Ersatzvornahmekosten, ÖJZ 1957, 315, VfSlg. Nr. 3208, und Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, II/500 - der Meinung den Vorzug gegeben habe, dass der Bescheid, mit dem eine Vorauszahlung der Kosten aufgetragen werde, als Vollstreckungsverfügung zu deuten sei (vgl. Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 4. Auflage, 1987, Seite 363).
Zur weiters aufgeworfenen Frage, ob vor rechtswirksamer Anordnung der Ersatzvornahme Kosten hiefür begehrt werden können, brachte die belangte Behörde vor: Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 2. Mai 1956, Slg. Nr. 4057/A, festgestellt, daraus, dass der Ersatzvornahme die Androhung vorauszugehen habe und darin dem Verpflichteten zwar nicht im Wortlaut, wohl aber dem Sinne des § 4 Abs. 1 VVG 1950 nach eine neuerliche Frist (Paritionsfrist) zur Nachholung der fehlenden Leistung einzuräumen sei, ergebe sich, dass der Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten weder vor der Androhung noch gleichzeitig mit dieser erlassen werden dürfe. Es könne aber nicht gefordert werden, dass der Auftrag erst nach oder zumindest gleichzeitig mit dem Bescheid über die Anordnung der Ersatzvornahme ergehen dürfe. Nach Ablauf der Paritionsfrist stehe dem Verpflichteten ein Recht zur Vornahme der Handlung nicht mehr zur Verfügung, sodass die Behörde im Sinn des § 4 VVG 1950 entweder sofort die Vollstreckung anordnen und durchführen lassen oder aber im Sinne des Abs. 2 leg. cit. die Vorauszahlung der Kosten auftragen könne. Eine Festlegung der Reihenfolge gehe nach Ansicht der belangten Behörde aus dem Gesetzestext nicht unmittelbar hervor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG verstärkten Senat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des VVG 1950 von Bedeutung:
§ 2. (1) Bei Handhabung der in diesem Gesetz geregelten Zwangsbefugnisse haben die Vollstreckungsbehörden an dem Grundsatz festzuhalten, dass jeweils das gelindeste noch zum Ziele führende Zwangsmittel anzuwenden ist.
(2) Geldleistungen dürfen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden, als dadurch der notdürftige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetze zu sorgen hat, nicht gefährdet wird.
§ 4. (1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.
(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Falle dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag auf Vorauszahlung ist vollstreckbar.
§ 10. (1) Auf das Vollstreckungsverfahren finden, soweit sich aus dem gegenwärtigen Gesetz nicht anderes ergibt, die Vorschriften des I. und IV. Teiles und hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die Vorschriften der §§ 58 Abs. 1 und 61 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes sinngemäß Anwendung.
(2) Die Berufung gegen eine nach diesem Gesetz erlassene Vollstreckungsverfügung kann nur ergriffen werden, wenn
a)
die Vollstreckung unzulässig ist oder
b)
die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder
c) die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetze nicht zugelassen sind oder mit der Vorschrift des § 2 im Widerspruche stehen.
(3) Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung. Sie geht an den Landeshauptmann, sofern es sich aber um eine Angelegenheit im selbständigen Wirkungsbereich des Landes handelt, an die Landesregierung. Die demnach zuständige Stelle entscheidet endgültig.
I.
Zur Frage, ob der Auftrag zur Kostenvorauszahlung eine "Vollstreckungsverfügung" im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG 1950 ist und die belangte Behörde daher zu Recht die darin normierte Rechtsmittelbeschränkung angewendet hat, hält der Verwaltungsgerichtshof an der vorläufig geäußerten Rechtsansicht fest. Missverständlich mag der gelegentlich in der bisherigen Rechtsprechung als Gegensatz zur "Vollstreckungsverfügung" verwendete Begriff des "verfahrensrechtlichen Bescheides" gesehen werden. Diese Unterscheidung führt jedoch nicht weiter, vielmehr kommt es darauf an, ob ein Bescheid sich notwendigerweise als "Vollstreckungsverfügung" mit den im § 10 Abs. 2 VVG 1950 vorgesehenen Einschränkungen des Rechtsschutzes darstellt oder nicht; andernfalls gelten nämlich voll die Vorschriften des AVG 1950 über den Bescheid und das Rechtsmittelverfahren. Die bisherige Lehre und Rechtsprechung treffen keine überzeugenden Aussagen, zumal sie sich auf das Problem des "verfahrensrechtlichen Bescheides" fixiert haben; insofern wird - nicht zu Unrecht - der divergierenden Beurteilung von Kostenvorauszahlungsaufträgen und Kostenabrechnungsbescheiden Mangel an Konsequenz vorgeworfen (vgl. etwa Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 4. Auflage, S. 363, Rz 1019 unter Hinweis auf Just a.a.O., ÖJZ 1957, 315).
Zunächst ist davon auszugehen, dass das Gesetz selbst keine Definition für den Begriff der "Vollstreckungsverfügung" gibt. Entgegen der zum Teil in der bisherigen Rechtsprechung (insbesondere im hg. Erkenntnis vom 2. Mai 1956, Slg. Nr. 4057/A) vertretenen Ansicht können als "Vollstreckungsverfügungen" nur Verfügungen von Vollstreckungsbehörden angesehen werden, die im Zuge des Vollstreckungsverfahrens ergehen und unmittelbar die Durchführung der Vollstreckung zum Gegenstand haben. Ein derart eingeschränkter Begriff entspricht nämlich sowohl dem Wortsinn (eine behördliche Maßnahme, mit der "die Vollstreckung verfügt" wird) als auch dem Ergebnis einer teleologischen Auslegung des § 10 Abs. 2 und 3 VVG 1950, deren Zielrichtung (Einschränkung der Berufungsgründe, Ausschluss der aufschiebenden Wirkung udgl.) die Einschränkung des Begriffs auf jene Verfügungen erfordert, durch die eine Vollstreckungsmaßnahme im eigentlichen Sinn angeordnet wird, vor allem also auf solche, die der Exekutionsbewilligung im gerichtlichen Verfahren entsprechen (vgl. etwa schon das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1954, Slg. Nr. 3303/A). Alle anderen Bescheide, auch wenn sie im Zuge des Vollstreckungsverfahrens ergehen, können nicht als derartige Vollstreckungsverfügungen angesehen werden; der ex lege-Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung etwa lässt sich unter dem verfassungsrechtlichen Willkürverbot des Art. 7 B-VG im Vergleich zu Berufungen nach dem AVG nur insoweit rechtfertigen, als der Verschleppung der Durchsetzung eines bereits rechtskräftigen Vollstreckungstitels entgegengetreten werden muss (vgl. etwa auch die Ausführungen des Verfassungsausschusses des Nationalrates, 360 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, II. GP., zu § 10 VVG 1950). Dafür spricht aber auch die Aufzählung der zulässigen Berufungsgründe im § 10 VVG 1950, weil es sich hier typisch um Einwendungen handelt, die einen bereits bestehenden Vollstreckungstitel voraussetzen, während auf Fragen, die sich bei der Schaffung eines solchen, worunter auch der Vorauszahlungsauftrag nach § 4 Abs. 2 VVG 1950 fällt (siehe dazu unten II), mehr oder minder notwendig ergeben, überhaupt nicht Bedacht genommen wird. Bei strikter Auslegung der im § 10 Abs. 2 VVG 1950 taxativ aufgezählten Berufungsgründe könnte nicht einmal die Höhe der Vorauszahlung bekämpft werden. Soweit aber nicht unmittelbar über die Vornahme einer Vollstreckungsmaßnahme abgesprochen wird, besteht kein sachlicher Grund für Beschränkungen gegenüber den Vorschriften des AVG 1950. Entgegen der in der bisherigen Rechtsprechung (seit dem hg. Erkenntnis vom 2. Mai 1956, Slg. Nr. 4057/A) vertretenen Ansicht kommt es daher für die Frage der aufschiebenden Wirkung der Berufung und der Beschränkung der Berufungsgründe nicht darauf an, ob die Vollstreckung bereits durchgeführt ist oder nicht, sondern nur darauf, ob der Bescheid eine Vollstreckungsmaßnahme unmittelbar anordnet oder nicht.
All dies ändert nichts daran, dass nicht nur für die Vollstreckungsverfügungen, sondern auch für sonstige Bescheide im Zuge des Vollstreckungsverfahrens wegen der notwendigen Einheit dieses Verfahrens sowohl die Zuständigkeitsregelungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes gelten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1950, Slg. Nr. 1548/A, und vom 26. Juni 1950, Slg. Nr. 1569/A) als auch die Vorschriften über den zweigliedrigen Instanzenzug, zumal gerade dieser kein Spezifikum des Vollstreckungsverfahrens darstellt. Ebenso teilen die im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens ergangenen Bescheide, auch wenn sie keine Vollstreckungsverfügungen sind, wegen dieses notwendigen Zusammenhanges auch das rechtliche Schicksal der Vollstreckung, die durch die Akzessorietät gegenüber dem Titelbescheid geprägt wird (im wesentlichen im gleichen Sinne das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1956, Slg. Nr. 4048/A); siehe ausführlicher unten II.
II.
§ 11 Abs. 1 VVG 1950 ordnet ganz allgemein an, dass die Kosten der Vollstreckung dem Verpflichteten zur Last fallen und gemäß § 3 leg. cit. einzutreiben sind. In diesem Zusammenhang muss
§ 4 Abs. 2 VVG 1950 gelesen werden, wonach die Vollstreckungsbehörde "in einem solchen Falle" (nämlich bei Bewerkstelligung der vom Verpflichteten unterlassenen Arbeits- oder Naturalleistung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten) die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen kann. Schon dass der Gesetzgeber bei dieser Gelegenheit betonte, dass dieser Auftrag zur Vorauszahlung vollstreckbar ist, zeigt die Unselbständigkeit dieser Maßnahme, weil sonst die Betonung der an sich selbstverständlichen Vollstreckbarkeit des bescheidmäßigen Auftrages einer Leistung unverständlich wäre. In Wahrheit handelt es sich dabei letztlich nämlich ebenso um eine (wenn auch nur vorläufige) Kostenentscheidung wie beim Bescheid über die nachträgliche Festsetzung im Sinne des § 11 Abs. 1 VVG 1950 bzw. bei dem einem Vorauszahlungsauftrag notwendig nachfolgenden Abrechnungsbescheid. Die einzige Besonderheit, nämlich dass vorschussweise Kosten begehrt werden können noch ehe diese aufgelaufen sind, ändert nichts an der Akzessorietät dieser Kostenentscheidung. Entgegen der seit dem hg. Erkenntnis vom 2. Mai 1956, Slg. Nr. 4057/A, vertretenen Ansicht dient der Kostenvorauszahlungsauftrag nicht dem Zweck, den bescheidgemäßen Zustand im Wege des Verwaltungszwanges herzustellen. Kann doch einerseits die Behörde ohne weiteres die Ersatzvornahme durchführen, ohne die Kostenvorauszahlung abwarten zu müssen (vgl. hiezu etwa die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung aufschiebender Wirkung gegenüber Kostenvorauszahlungsaufträgen), andererseits wird auch durch den Erlag des Kostenvorschusses der bescheidgemäße Zustand nicht hergestellt. Vielmehr scheint es dem Verwaltungsgerichtshof vom Standpunkt des Grundsatzes der Amtswegigkeit behördlichen Handelns bei der Vollstreckung bedenklich, die tatsächliche Durchführung der Ersatzvornahme stets vom vorhergehenden Erlag eines Kostenvorschusses abhängig zu machen. Der Kostenvorauszahlungsauftrag im Sinne des § 4 Abs. 2 VVG 1950 ist daher keine Vollstreckungsverfügung.
III.
Wiewohl die belangte Behörde das Wesen des Auftrages zur Kostenvorauszahlung verkannt und sich daher im angefochtenen Bescheid zu Unrecht auf § 10 Abs. 2 VVG 1950 berufen hat, wurde die Beschwerdeführerin in ihren Rechten nicht verletzt, weil ihre Berufung aus folgenden Gründen keinen Erfolg haben konnte:
Wohl vertrat die belangte Behörde zu Unrecht den Standpunkt, das von der Beschwerdeführerin formulierte Berufungsvorbringen könne nicht als Einwendung der Gefährdung des notdürftigen Unterhalts verstanden werden; das Berufungsvorbringen der damals unvertretenen Beschwerdeführerin lässt nämlich eine Deutung nur in diesem Sinne zu. Darauf käme es allerdings nur an, wenn die Gefährdung des notdürftigen Unterhalts des Verpflichteten (§ 2 Abs. 2 VVG 1950) bereits im Verfahren zur Erlassung eines Auftrages zur Vorauszahlung der Kosten nach § 4 Abs. 2 VVG 1950 und nicht erst im Verfahren über dessen Vollstreckung geltend gemacht werden könnte. Für die erste, von der Beschwerdeführerin und letztlich auch von der belangten Behörde vertretene Auffassung lässt sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Mai 1956, Slg. Nr. 4057/A, anführen, weil hier in den Entscheidungsgründen zur Widerlegung des damaligen Beschwerdevorbringens ausgeführt worden ist, dass im konkreten Fall von einer Gefährdung des notdürftigen Unterhaltes überhaupt nicht gesprochen werden könne. Auch in seinem Erkenntnis vom 21. November 1969, Zl. 1369/68, prüfte der Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob durch einen Auftrag nach § 4 Abs. 2 VVG 1950 der notdürftige Unterhalt der Beschwerdeführerin gefährdet wäre, wenngleich er auch hier diese Frage verneinte. Dagegen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Jänner 1965, Zlen. 1648/63, 369/64, 750/64, 758/64, 1037/64 und 1543/64, ausdrücklich die Meinung vertreten, das Gesetz biete keinen Anhaltspunkt dafür, dass für die Zulässigkeit der Auftragserteilung nach § 4 Abs. 2 VVG 1950 § 2 Abs. 2 leg. cit. unmittelbar maßgebend wäre. Auch in seinem Erkenntnis vom 20. März 1972, Zlen. 1812 und 1813/71, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das zuletzt zitierte Erkenntnis ausgeführt, dass die wirtschaftliche Lage der verpflichteten Partei nicht schon bei der Erlassung des Vorauszahlungsauftrages, sondern erst bei der Einbringung der Geldleistung nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 VVG 1950 zu berücksichtigen ist.
§ 2 Abs. 2 VVG 1950 bestimmt ausdrücklich, dass Geldleistungen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden dürfen, als dadurch der notdürftige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, nicht gefährdet wird. Schon dieser Gesetzeswortlaut führt zu der Lösung, dass Geldleistungen zwar vorgeschrieben, nicht aber zwangsweise "eingebracht", nämlich eingehoben werden dürfen, wenn der notdürftige Unterhalt gefährdet wird. Im Beschwerdefall geht es nun aber ausschließlich um einen Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VVG 1950, also um die Schaffung eines Exekutionstitels, nicht aber um die Vollstreckung eines solchen. Hier ist daher die Frage der Gefährdung des Unterhalts (noch) nicht zu prüfen.
Diese Auffassung stimmt überein mit der in dem Bericht des Verfassungsausschusses des Nationalrates (siehe vorne S. 7), zum Ausdruck kommenden Anschauung, wonach § 2 Abs. 2 VVG 1950 dem Schutz armer Beteiligter dienen soll, indem allgemein für das Vollstreckungsverfahren ein Armenrecht festgesetzt wird. Weiters wurde in diesem Bericht ausgeführt, dass die für das gerichtliche Exekutionsrecht geltenden Vorschriften über das exekutionsfreie Existenzminimum sowie über die der Exekution entzogenen Gegenstände jedenfalls auch für die Vollstreckung im Verwaltungswege zu gelten haben. Walter-Mayer, Grundriss der österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 4. Auflage, S. 357, meinen zwar, dass die Absicht des historischen Gesetzgebers, mit dieser Regelung die im gerichtlichen Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften auch in den Bereich der Verwaltungsvollstreckung zu übernehmen, nur teilweise verwirklicht worden sei, weil das VVG 1950 nur einen Schutz des notdürftigen Unterhaltes der in der genannten Vorschrift bezeichneten Personen anordne. Aber auch diese Autoren nehmen den schon vom Verfassungsausschuss des Nationalrates vertretenen Standpunkt ein, dass § 2 Abs. 2 VVG 1950 unter anderem die Geltung der im Rahmen des gerichtlichen Exekutionsrechtes bestehenden Vorschriften über das exekutionsfreie Existenzminimum habe anordnen wollen.
Da es also bei der Vorschreibung der Vorauszahlung von Kosten nicht um deren Einbringung geht, ist die Frage der Gefährdung des notdürftigen Unterhaltes erst bei der Vollstreckung des Vorauszahlungsauftrages zu prüfen.
Im übrigen hat die Beschwerdeführerin gegen die Berechtigung des Kostenvorauszahlungsauftrages nichts Sachdienliches vorgebracht; auch der Verwaltungsgerichtshof hat nach der Aktenlage keine Bedenken.
IV.
Die weiters den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorläufig bekannt gegebene Ansicht, dass ein Kostenvorauszahlungsauftrag vor Anordnung der Ersatzvornahme nicht ergehen dürfe, hält der Gerichtshof jedoch aus folgenden Gründen nicht aufrecht:
Wie die belangte Behörde zutreffend in ihrer Äußerung ausgeführt hat, steht dem Eigentümer der Sache, an der die Ersatzvornahme vorzunehmen ist, an sich nur die in der Androhung der Ersatzvornahme gesetzte Paritionsfrist zur Vornahme der Arbeit zur Verfügung. Dies bedeutet, dass das eigentliche Vollstreckungsstadium bereits mit dem Ablauf der in der Androhung der Ersatzvornahme gesetzten Frist beginnt, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermag, dass diese Androhung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das auf den Beschluss eines verstärkten Senates zurückgehende Erkenntnis vom 11. September 1958, Slg. Nr. 4805/A) nicht als Bescheid zu werten ist. Ab diesem Zeitpunkt bis zum tatsächlichen Abschluss der Ersatzvornahme sind die Eigentümer der hievon betroffenen Liegenschaft als Verpflichtete anzusehen und zwar in dem Sinn, dass ihnen - zur gesamten Hand - die Kosten der Vollstreckung zur Last fallen. Setzt aber das Vollzugsstadium keine Vollstreckungsverfügung als Beginn voraus, so ist es auch zulässig, innerhalb dieses Vollzugsstadiums die im § 4 Abs. 2 VVG vorgesehene Vorauszahlung der Kosten aufzutragen.
Freilich müssen sich für den Fall, dass noch keine Anordnung der Ersatzvornahme ergangen ist, damit die Kostenschätzung nachprüfbar bleibt, aus der Begründung des Vorauszahlungsauftrages ganz konkret die im einzelnen vorzunehmenden Maßnahmen ergeben; nur soweit sie schon im Auftrag individualisiert worden sind, wird der Hinweis darauf ausreichen. Eine Bindung für die Anordnung der Ersatzvornahme tritt allerdings nicht ein, da erst in dieser die einzelnen, von der Behörde vorzunehmenden Arbeiten endgültig festgelegt werden.
Zur Person des Verpflichteten ist festzuhalten, dass entgegen der bisherigen Rechtsprechung (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 21. Februar 1956, Slg. Nr. 3983/A, und vom 9. Dezember 1970 , Slg.Nr. 7928/A) nicht nur derjenige als zum Kostenersatz verpflichtet anzusehen ist, der im Zeitpunkt der Vollendung der Ersatzvornahme noch Eigentümer der Liegenschaft war. Konsequenz dieser Rechtsansicht wäre nämlich, dass jeglicher Kostenvorauszahlungsauftrag dadurch zunichte gemacht werden könnte, dass der darin Verpflichtete die Liegenschaft vor der Durchführung der Ersatzvornahme veräußert. Kann jemand nämlich - mangels Stellung als Verpflichteter - nicht mehr zur Zahlung der Kosten der Ersatzvornahme verhalten werden, so wird dem gegen ihn zunächst rechtmäßig ergangenen Auftrag zur Kostenvorauszahlung die Grundlage entzogen. Dieser Auftrag müsste rückgängig gemacht werden, woran letzten Endes auch die Verbücherung des gegen eine bestimmte Person ergangenen Kostenvorauszahlungsauftrages nichts ändern könnte.
Sind hingegen die Eigentümer während des gesamten Vollstreckungsstadiums Verpflichtete und damit für die Kosten der Ersatzvornahme zahlungspflichtig, so wird der Rechtsbestand des, allerdings nur gegen eine bestimmte Person ergangenen und nur gegen diese vollstreckbaren Kostenvorauszahlungsauftrages durch den Wechsel im Eigentum nicht berührt; eingegangene Beträge sind nicht zurückzuzahlen und der Rechtsbestand eines allenfalls begründeten Zwangspfandrechtes im Grundbuch wird nicht berührt. Der Zeitpunkt des (notwendigerweise erst nach Abschluss der Ersatzvornahme ergehenden) Bescheides über die Abrechnung und die Vorschreibung der Kosten hingegen ist für die Frage, wer Zahlungspflichtiger ist, ohne Bedeutung (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 28. April 1954, Slg. Nr. 3390/A).
V.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Wien, am 6. Juni 1989
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter VerfahrensanordnungenOrganisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1989:1984050035.X00Im RIS seit
12.02.2002Zuletzt aktualisiert am
12.05.2014