TE Vwgh Erkenntnis 1989/6/12 88/10/0159

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Veröffentlicht am 12.06.1989
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

ABGB §1319a;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z26;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z6;
VStG §32 Abs2;
VStG §6;
VStG §7;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VwGG §63 Abs1;

Beachte

Vorgeschichte:88/10/0002 E 7. Juni 1988;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Waldner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Wimmer, über die Beschwerde des JR in P, vertreten durch Dr. Anton Schiessling, Rechtsanwalt in Rattenberg, Hassauerstraße 72, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. Juli 1988, Zl. IIIa2-1181/5, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 1988, Zl. 88/10/0002, verwiesen, mit dem der damals angefochten gewesene Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol (der belangten Behörde) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden ist.

2. Im fortgesetzten Verfahren erließ die belangte Behörde den nunmehr bekämpften Bescheid vom 27. Juli 1988, dessen -

gegenüber dem erstinstanzlichen Straferkenntnis modifizierter - Schuldspruch wie folgt lautet:

"Der Obmann der Weggemeinschaft P, Herr JR, geboren ......,

hat es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Weggemeinschaft P zu verantworten, dass zwischen Oktober des Jahres 1986 und Ende November des Jahres 1986 das Wegstück der Weggemeinschaft P von der Abzweigung XY in Richtung Y-alpe auf einer Länge von ca. 1300 m und in Richtung X auf einer Länge von 600 m verbreitert wurde, wobei die Waldparzellen n1 - n10 der KG. E. berührt wurden und von Holzarbeitern der Österreichischen Bundesforste insgesamt ca. 35 fm Holz entfernt wurde, in weiterer Folge eine Aufschüttung erfolgte und der Boden dadurch verdichtet wurde. Es wurden dadurch ca. 8000 m2 Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur in Anspruch genommen, obwohl eine Rodungsbewilligung nicht vorlag.

Der Beschuldigte hat hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1950 i.d.g.F. in Verbindung mit den §§ 174 Abs. 1 lit. a Ziffer 6 und 17 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 i.d.g.F. begangen."

Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 174 Abs. 1 Z. 1 Forstgesetz 1975 i.V.m. § 9 Abs. 1 VStG 1950 eine Geldstrafe in der Höhe von S 30.000,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von 30 Tagen) verhängt. Ferner wurde der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt.

3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid dadurch in seinen Rechten verletzt, dass er als zur Vertretung der Weggemeinschaft P nach außen Berufener (§ 9 Abs. 1 VStG 1950) einer Übertretung des Forstgesetzes 1975 schuldig erkannt und deshalb bestraft wurde. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt im Hinblick darauf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Unter dem Titel einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vertritt die Beschwerde die Auffassung, die belangte Behörde habe eine Auswechslung der als erwiesen angenommenen Tat vorgenommen, da der Beschwerdeführer entgegen dem Straferkenntnis der Erstinstanz nicht mehr wegen Anstiftung, sondern als Verantwortlicher nach § 9 Abs. 1 VStG 1950 bestraft wurde. Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt.

1.2. Mit Straferkenntnis vom 15. September 1987 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe "als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Weggemeinschaft P vorsätzlich veranlasst", dass - ohne Vorliegen einer Rodungsbewilligung - ca. 8000 m2 Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur in Anspruch genommen worden seien; er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs. 1 i.V.m. § 7 VStG 1950 i. V.m. § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 und § 17 Forstgesetz 1975 begangen. Der im ersten Rechtsgang erlassene Berufungsbescheid der belangten Behörde, der das Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt hatte, wurde mit dem erwähnten hg. Erkenntnis Zl. 88/10/0002 deshalb wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil die belangte Behörde, wenn sie davon ausgegangen sei, dass die genannte Weggemeinschaft die Verpflichtung zur Einhaltung des gesetzlichen Rodungsverbotes treffe, dem Beschwerdeführer - als zur Vertretung der Weggemeinschaft nach außen berufen - die Tat nur als strafrechtlich Verantwortlichem im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950, nicht aber auch noch zusätzlich als Anstifter im Sinne des § 7 leg. cit. hätte anlasten dürfen. In Entsprechung dieser Rechtsansicht hat die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid den Vorwurf der Anstiftung fallen gelassen. Bei der solcherart vorgenommenen Modifikation des Schuldspruches kann von einem Auswechseln der Tat keine Rede sein.

1.3. Auch die im gegebenen Zusammenhang geäußerte Meinung des Beschwerdeführers, es sei in Ansehung seiner Bestrafung als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 Verantwortlicher Verfolgungsverjährung eingetreten, ist unbegründet. Dem Beschwerdeführer wurde in der ersten gegen ihn von der Erstbehörde gesetzten Verfolgungshandlung ("Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter" vom 19. Jänner 1987) zur Last gelegt, "als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Weggemeinschaft" gehandelt zu haben. Damit hat die Behörde ihrer gesetzlichen Verpflichtung mehr als Genüge getan, wäre es doch im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. Nr. 12.375/A) ausreichend gewesen, bei der Umschreibung der für die Verfolgungshandlung wesentlichen Kriterien auf eine bestimmte Person als Beschuldigten (ohne die auf § 9 Abs. 1 VStG 1950 Bezug nehmende Präzisierung) abzustellen. Verfolgungsverjährung hinsichtlich der dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid zur Last gelegten Tat ist somit nicht eingetreten.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe "nur formal seine Funktion als Obmann der Weggemeinschaft P" ausgeübt, da er mit seinem "Amt des Bürgermeisters" und als Gast- und Landwirt voll ausgelastet sei. Aus diesem Grund sei der langjährige Vizebürgermeister und Waldaufseher A K. "allein für die Anlage der Weggemeinschaft P zuständig (gewesen)". Der Beschwerdeführer habe zu Recht davon ausgehen dürfen, dass der Genannte "zumindest stillschweigend als Beauftragter als Alleinverantwortlicher für die Agenden der Wegtrasse von P nach X bzw. Y anzusehen ist". Diesem Einwand kann nicht gefolgt werden.

2.2. Gemäß § 9 Abs. 4 VStG 1950 kann eine Person verantwortlicher Beauftragter u.a. nur dann sein, wenn sie ihrer Bestellung (Abs. 2) nachweislich zugestimmt hat. Selbst unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens trifft keine der beiden Voraussetzungen zu: A K. wurde vom Beschwerdeführer nicht zum verantwortlichen Beauftragten "bestellt" und war demnach auch nicht in der Lage, einer solchen Bestellung "zuzustimmen": Ein verantwortlicher Beauftragter, der diese Funktion "stillschweigend" übernommen habe, kommt nach dem Gesetz schon im Hinblick auf die im § 9 Abs. 4 VStG 1950 vorgesehene nachweisliche Zustimmung zur Bestellung nicht in Betracht.

Da somit der Beschwerdeführer in seiner - unbestrittenen - Eigenschaft als Obmann der Weggemeinschaft P von der belangten Behörde mangels Bestellung eines verwantwortlichen Beauftragten (§ 9 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 VStG 1950) zu Recht als für die inkriminierte Tat als strafrechtlich verantwortlich angesehen wurde, durften weitere diese Verantwortlichkeit betreffende Ermittlungen, wie etwa die vom Beschwerdeführer beantragte Zeugeneinvernahme, unterbleiben.

3.1. Die Beschwerde weist darauf hin, dass anlässlich einer im Jahre 1980 durchgeführten "Grundeinlöseverhandlung" nach dem Tiroler Straßengesetz der beigezogene Sachverständige der Bezirkshauptmannschaft Schwaz "mit keinem Wort auf ein bestehendes Rodungsverbot hingewiesen (hat)".

3.2. Mit diesem Vorbringen versucht der Beschwerdeführer offenbar sein Verschulden in Abrede zu stellen. Er vermag damit schon deshalb nicht durchzudringen, weil er selbst nicht behauptet, dass er dem Sachverständigen eine Frage in Richtung Erforderlichkeit einer Rodungsbewilligung gestellt oder der Sachverständige dieses Erfordernis verneint habe. Als Verantwortlicher im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 wäre es ihm oblegen, sich zu vergewissern, welche Bewilligungen für das in Rede stehende Vorhaben erforderlich sind.

4.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, sie habe sich nicht mit der von ihm in seiner Berufung behaupteten Verfassungswidrigkeit der "Karwendelschutzverordnung" auseinander gesetzt. Seit der Aufhebung der die Genehmigung von Ausnahmen von den Verbotsvorschriften der genannten Verordnung vorsehenden Bestimmung (§ 5 Abs. 2) durch den Verfassungsgerichtshof mit Wirkung vom 30. November 1984 sei es zu keiner den Erfordernissen des Naturschutzes und der im betreffenden Naturschutzgebiet gelegenen Gemeinden Rechnung tragenden Neuregelung gekommen, sodass der unhaltbare Zustand, wonach im Naturschutzgebiet Karwendel keine wie immer gearteten Maßnahmen gesetzt werden dürften, andauere.

4.2. Wie immer man dieses Vorbringen bewerten mag - im vorliegenden Beschwerdefall kann es schon deswegen nicht zum Erfolg führen, weil es hier ausschließlich um die Frage geht, ob der Beschwerdeführer für ein dem Forstgesetz 1975 widersprechendes Verhalten verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist.

Dazu aber kann eine von der Beschwerde für verfassungswidrig gehaltene Rechtslage im Bereich naturschutzrechtlicher Normen nichts beitragen.

5.1. Der Beschwerdeführer macht schließlich Notstand bzw. eine "notstandsähnliche Situation" geltend, auf Grund deren die inkriminierte Verbreiterung der Wegtrasse dringend erforderlich gewesen sei, um Gefahren für den Straßenverkehr und auch für Wanderer und Spaziergänger hintanzuhalten. In diesem Zusammenhang sei auch auf § 1319 a ABGB zu verweisen; nach dieser Vorschrift könnte der Beschwerdeführer als Obmann der Weggemeinschaft im Falle, von Schadenersatzansprüchen Dritter - man denke nur an Unfälle von Reisebussen - unmittelbar zur Haftung herangezogen und damit unmittelbar in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht werden.

5.2. Diese Ausführungen sind nicht geeignet darzutun, dass das Merkmal des Notstandes (§ 6 VStG 1950), nämlich eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen, im Beschwerdefall tatsächlich vorgelegen wäre. Jedenfalls vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Gefahr so beschaffen gewesen wäre, dass ob ihres unmittelbar bevorstehenden Eintrittes dem Beschwerdeführer die Stellung eines Antrages auf Erteilung der erforderlichen Rodungsbewilligung (verbunden mit dem Zuwarten auf die behördliche Entscheidung) nicht mehr hätte zugemutet werden können.

6. Was die gegen die Strafbemessung gerichtete Rüge anlangt, so ist die Beschwerde jegliche Begründung dafür schuldig geblieben, weswegen die Geldstrafe im Ausmaß von S 30.000,-- weder schuld- noch tatangemessen und auch nicht in dessen (gemeint: des Beschwerdeführers) Einkommens- und Vermögensverhältnissen begründet" sein sollte. Da die belangte Behörde in der die Strafzumessung betreffenden Begründung des angefochtenen Bescheides auf alle gemäß § 19 Abs. 1 und 2 VStG 1950 maßgebenden Kriterien Bedacht genommen hat, liegt insoweit eine Rechtswidrigkeit nicht vor. Dass die belangte Behörde bei der Bemessung der Strafhöhe von dem ihr hiebei eingeräumten Ermessen entgegen dem Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hätte, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen.

7. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als zur Gänze unbegründet. Sie war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 12. Juni 1989

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1989:1988100159.X00

Im RIS seit

12.06.1989

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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