TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/16 88/08/0265

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Veröffentlicht am 16.01.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §12 idF 1984/502;
ApG 1907 §22 idF 1984/502;
ApG 1907 §3 idF 1984/502;
ApG 1907 §9 idF 1984/502;
ApGNov 1984 Art3 Abs1;
AVG §56;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck, Dr. Sauberer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka , über die Beschwerde 1.) A 2.) B gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 29. August 1988, Zl. VII/3-2/T-15, betreffend Genehmigung zur Leitung einer Realapotheke, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. Mai 1988 wies die Bezirkshauptmannschaft S den Antrag der beiden Beschwerdeführer auf Genehmigung der Leitung der Realapotheke "XY" in S durch den Zweitbeschwerdeführer ab. Die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, gemäß § 22 Abs. 1 des Apothekengesetzes 1906 (ApG) bedürfe der Besitzer einer Realapotheke, der diese selbst leiten wolle, einer Genehmigung der Behörde. Er habe in seiner Person die Voraussetzungen für den selbständigen Betrieb einer Apotheke nach § 3 zu erfüllen. Gemäß § 22 Abs. 5 leg. cit. seien auf Realapotheken die §§ 17b, 18, 19 Abs. 2, 19a, 20 und 20a sinngemäß anzuwenden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer ging die belangte Behörde davon aus, daß auch die Voraussetzungen des § 12 vorliegen müßten. Der Umstand, daß sowohl § 22 Abs. 1 als auch § 52 ApG lediglich die Voraussetzungen des § 3 leg. cit. ausdrücklich normiere, erkläre sich daraus, daß Realapotheken grundsätzlich denselben Vorschriften wie konzessionierte Apotheken unterlägen, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich die Unanwendbarkeit einer Bestimmung anordne bzw. sich die Unanwendbarkeit einer Bestimmung aus der Natur der Regelung ergebe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerde liegt folgender, unbestrittener Sachverhalt

zugrunde:

Die öffentliche Apotheke "XY" in S, wurde auf Grund des im Vormerkbuch über verkäufliche Gewerbe der Stadt S Fol. 24 eingetragenen verkäuflichen Realrechtes unter der im Handelsregister des Landesgerichtes St. Pölten zu GZ N eingetragenen Firma "XY, von A als Einzelunternehmen betrieben. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft S vom 21. März 1983 wurde gemäß § 17 Abs. 1 in Verbindung mit § 55 ApG in der Fassung BGBl. Nr. 195/1980 die Bestellung des Zweitbeschwerdeführers zum verantwortlichen Leiter der Apotheke "XY" genehmigt. Die Erstbeschwerdeführerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für den selbständigen Betrieb einer Apotheke nach § 3 Apothekengesetz. Sie hat deshalb mit Gesellschaftsvertrag vom 9. Dezember 1987 zum Zweck des gemeinsamen Betriebes der öffentlichen Apotheke mit dem Zweitbeschwerdeführer eine offene Handelsgesellschaft errichtet. Gemäß § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages sind am Vermögen der Gesellschaft die Erstbeschwerdeführerin mit einem Anteil von 90 % und der Zweitbeschwerdeführer mit einem Anteil von 10 % beteiligt, wobei gemäß Abs. 3 dieser Vertragsbestimmung das Vermögen der Gesellschaft aus dem Unternehmen der öffentlichen Apotheke in S, wie dieses Unternehmen liegt und steht, samt allem tatsächlichen und rechtlichen Zubehör, mit allen Sachwerten (Anlage- und Umlaufvermögen) sowie mit den immateriellen Vermögenswerten (Betriebsbestehenswert, Bestandrecht usw.) besteht.

Gemäß § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages bildet das Betriebsrecht, ohne Rücksicht, auf welchen Namen es lautet, einen Vermögensbestandteil der Gesellschaft. Im Gesellschaftsvertrag ist auch sichergestellt, daß dem Zweitbeschwerdeführer die Stellung eines allein vertretungs- und geschäftsführungsberechtigten Gesellschafters zukommt. Die Rechtswirksamkeit des Gesellschaftsvertrages ist gemäß § 17 des Vertrages bedingt durch die Bestellung des Zweitbeschwerdeführers zum Leiter des Apothekenunternehmens der OHG gemäß § 22 Abs. 1 Apothekengesetz.

Strittig ist, ob § 12 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 in der Fassung BGBl. Nr. 502/1984 (im folgenden: ApG) auch für den Mitbesitzer einer Realapotheke, der diese selbst leiten will und dazu die Genehmigung der Behörde beantragt hat, gilt.

§ 9 Abs. 1 und § 12 ApG lauten:

"§ 9 Abs. 1

Der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, welche nicht auf einem Realrecht beruht (radizierte, verkäufliche Apotheken), ist nur auf Grund einer besonderen behördlichen Bewilligung (Konzession) zulässig.

§ 12

(1) Die Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke ist ein persönliches Betriebsrecht und darf auf andere nicht übertragen werden. Der Apothekenbetrieb hat, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, in der Rechtsform eines Einzelunternehmens des Konzessionsinhabers zu erfolgen.

(2) Die Errichtung und der Betrieb einer öffentlichen Apotheke in der Rechtsform einer Personengesellschaft nach handels- und sonstigen zivilrechtlichen Vorschriften ist nur zulässig, wenn zur Gewährleistung ausreichender rechtlicher und wirtschaftlicher Verfügungsmacht im Apothekenunternehmen der Konzessionsinhaber

1.

Gesellschafter mit ausschließlicher Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, insbesondere allein berechtigt ist, sämtliche für die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendigen Maßnahmen durchzuführen, und

2.

über eine Beteiligung am gesamten Apothekenunternehmen von mehr als der Hälfte verfügt. Dieser Bestimmung wird auch entsprochen, wenn der Konzessionsinhaber über eine wesentliche Beteiligung am gesamten Apothekenunternehmen von mindestens einem Viertel verfügt sowie berechtigt und verpflichtet ist, seine Beteiligung entweder durch Übergang von Todes wegen oder längstens innerhalb von zehn Jahren durch Übergang unter Lebenden auf insgesamt mehr als die Hälfte des gesamten Apothekenunternehmens zu erhöhen. Die Beteiligung am gesamten Apothekenunternehmen ist nach dem Verhältnis der Ansprüche des Konzessionsinhabers im Falle seines Ausscheidens aus der Gesellschaft zu den Ansprüchen der übrigen Gesellschafter im Falle ihres Ausscheidens festzustellen.

(3) Die Errichtung und der Betrieb einer öffentlichen Apotheke in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Kommanditgesellschaft mit einer juristischen Person als persönlich haftender Gesellschafter sowie die Erteilung einer Prokura sind unzulässig, ebenso die Errichtung und der Betrieb einer öffentlichen Apotheke in der Rechtsform einer stillen Gesellschaft, wenn die im Abs. 2 geforderten Voraussetzungen nicht gegeben sind.

(4) Vereinbarungen jeder Art über Errichtung und Betrieb einer öffentlichen Apotheke gemäß Abs. 2 sowie Änderungen solcher Vereinbarungen bedürfen der Genehmigung durch den Landeshauptmann. Vor der Entscheidung ist die Österreichische Apothekerkammer zu hören. Entsprechen Vereinbarungen oder Änderungen derselben nicht den in Abs. 2 geforderten Voraussetzungen, so hat der Landeshauptmann die Genehmigung zu versagen. Den Abs. 1 bis 3 widersprechende Erklärungen, Vereinbarungen oder Beschlüsse jeder Art sowie Treuhandverträge sind für die Vertragspartner rechtsunwirksam.

(5) Bestehende Vereinbarungen gemäß Abs. 4 können vom Landeshauptmann jederzeit von Amts wegen oder auf Antrag der Österreichischen Apothekerkammer oder eines Vertragsteiles nachgeprüft werden. Liegen die Konzessionsvoraussetzungen gemäß Abs. 1 bis 3 nicht mehr vor, hat der Landeshauptmann gemäß § 19 Abs. 2 vorzugehen."

Gemäß § 22 Abs. 1 ApG bedarf der Besitzer einer Realapotheke, der diese selbst leiten will, einer Genehmigung der Behörde. Er hat in seiner Person die Voraussetzungen für den selbständigen Betrieb nach § 3 ApG zu erfüllen. Gemäß § 22 Abs. 5 ApG sind auf Realapotheken die §§ 17b, 18, 19 Abs. 2, 19a, 20 und 20a ApG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 52 ApG hat der Besitzer einer Realapotheke, der diese selbst leiten will, bei der Behörde unter Nachweis des Besitzes der Realgerechtsame und des Vorliegens der persönlichen Voraussetzungen (§ 3) die Genehmigung zu beantragen. Sowohl § 22 Abs. 1 als auch § 52 ApG bedingen als persönliche Voraussetzung des Besitzers einer Realapotheke, der diese selbst leiten will, das Erfordernis nach § 3 ApG; ein Hinweis auf § 12 ApG ist zwar in keiner dieser Bestimmungen enthalten, über §§ 22 Abs. 5 ApG, der § 19 Abs. 2 ApG zitiert, gilt jedoch auch § 12 Abs. 1 bis 3 ApG für Realapotheken. Liegen die im § 12 Abs. 1 bis 3 ApG bezeichneten Konzessionsvoraussetzungen nicht vor, ist nach § 19 Abs. 2 ApG die Konzession zu entziehen.

Aus den Erläuterungen zur RV betreffend die ApGNov 1984, 395 Blg.Nr. XVI GP, geht hervor, daß die Realgerechtsame im Bereich des Apothekenwesens in der weiteren Zukunft nicht mehr weiter aufrechterhalten werden sollen (die bezüglichen Bestimmungen enthalte Art. II dieser Novelle). Bei jenen Realapotheken, die nicht durch Deszendenten fortgeführt würden, könnte die Weiterführung in Form einer Offenen Handelsgesellschaft erfolgen, wobei dem Inhaber der Realapotheke die Möglichkeit offenstünde, für sich und seine Nachkommen die wirtschaftlichen Interessen durch Vertrag so zu regeln, daß kaum eine Schmälerung seines Einkommens erfolge. Die vorgeschlagene Änderung des § 22 ApG beinhalte selbst schon einen wesentlichen Schritt zur Verwirklichung des Personalitätsgrundsatzes bei Realapotheken. Darüberhinaus wäre als zweiter Schritt in der Novelle vorzusehen, daß nach etwa 10 Jahren die Realgerechtsame endgültig in das System der konzessionierten Apotheken zu überführen seien. Nach den Übergangsbestimmungen der Apothekengesetznovelle 1984, Art. II Abs. 1, dürfen Realapotheken (§ 21 des Apothekengesetzes) nach Ablauf von 10 Jahren nur mehr in der Rechtsform einer konzessionierten Apotheke betrieben werden; gemäß Art. III Abs. 1 dieser Novelle ist auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehenden Personalgesellschaften § 12 Abs. 2 Z. 2 ApG in der Fassung des Art. I Z. 12 der zitierten Novelle erst beim nächsten Wechsel des Konzessionsinhabers anzuwenden.

Die Erstbeschwerdeführerin war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Apothekengesetzes in der Fassung BGBl. Nr. 502/1984 am 1. Jänner 1985 Alleinbesitzerin der Realapotheke. Da sie nicht die Voraussetzungen nach § 3 ApG erfüllte, wäre sie gemäß § 22 Abs. 3 ApG verpflichtet gewesen, die Apotheke zu verpachten oder aber eine Offene Handelsgesellschaft zu gründen, sofern der Leiter der Apotheke Mehrheitsgesellschafter im Sinne des § 12 Abs. 2 ApG geworden wäre. Da die Gründung der Offenen Handelsgesellschaft erst nach dem 1. Jänner 1985 erfolgte, sind die Übergangsbestimmungen des Art. III Abs. 1 der Apothekengesetznovelle 1984 nicht anzuwenden.

Da die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen ist, daß auch § 12 ApG im gegenständlichen Fall zu gelten habe, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988080265.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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