TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/17 89/03/0233

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Veröffentlicht am 17.01.1990
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Index

L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
93 Eisenbahn;

Norm

ABGB §364a;
AVG §15;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BauRallg impl;
EisenbahnG 1957 §35 Abs2;
EisenbahnG 1957 §35 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):89/03/0234

Betreff

1) N und 2) O gegen Landeshauptmann von Oberösterreich vom 18. Juli 1989, Zl. VerkR-3733/2-1989-III/Aum betreffend eisenbahnrechtliche Baugenehmigung, und P gegen Landeshauptmann von Oberösterreich (mitbeteiligte Partei in beiden Beschwerdefällen: Österreichische Bundesbahnen, Wien I, Elisabethstraße 9)

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 10.110,-- zu je gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid des vom Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr gemäß § 12 Abs. 1 des Eisenbahngesetzes, BGBl. Nr. 60/1957, ermächtigten Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 18. Juli 1989 wurde der mitbeteiligten Partei die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für die Errichtung der Unterführung im km 175,983 der ÖBB-Strecke Wien-Salzburg sowie für die Unterführung des Anschlußgleises zum dort befindlichen Unterwerk (Spruchpunkt A I), ferner für die Auflassung der Eisenbahnkreuzung in km 176,036 der ÖBB-Strecke Wien-Salzburg (Spruchpunkt A III) sowie die Ausnahmebewilligung vom Bauverbot hinsichtlich der bahnfremden Anlagen und der für die mit dem gegenständlichen Bauvorhaben verbundenen straßenbaulichen Maßnahmen (Spruchpunkt A IV) erteilt. Im Spruchpunkt A II wurde angeordnet, daß um die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Betriebsbewilligung von der mitbeteiligten Partei gesondert anzusuchen sei. Unter Spruchpunkt B wurden die Einwendungen der Beschwerdeführer hinsichtlich Gesundheitsgefährdung durch Staub, Abgase und Lärm gemäß § 35 Abs. 2 des Eisenbahngesetzes auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Zur Begründung dieses Spruchpunktes führte die Behörde aus, bei den Einwendungen, daß durch die Errichtung der Unterführungsstraße eine große Belästigung eintrete und die Gesundheit durch Staub, Abgase und Lärm eine zusätzliche Schädigung erfahre, handle es sich um rein zivilrechtliche Ansprüche, welche auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen seien.

Gegen die Spruchpunkte A und B dieses Bescheides - Spruchpunkt C hat Verfahrenskosten zum Gegenstand - erhoben N und O die zur hg. Zl. 89/03/0233 und P die zur hg.

Zl. 89/03/234 protokollierte Beschwerde. Beide Beschwerden wurden von demselben Rechtsanwalt unterfertigt und haben einen gleichen Inhalt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Sie erstattete zu beiden Beschwerden je eine inhaltlich gleiche Gegenschrift, in der sie jeweils beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und ihr den Vorlageaufwand und den Schriftsatzaufwand für die Gegenschrift zuzusprechen. Die mitbeteiligte Partei erstattete zu der zur hg. Zl. 89/03/0233 protokollierten Beschwerde eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und über sie erwogen:

Die Beschwerdeführer sind nach Lage der Akten Eigentümer von betroffenen Liegenschaften im Sinne des § 34 Abs. 4 des Eisenbahngesetzes.

Zu den Ausführungen in den Beschwerden betreffend die Parteistellung der Beschwerdeführer ist vorweg zu bemerken, daß die Beschwerdeführer zu der über das von der mitbeteiligten Partei zur Genehmigung eingereichte Projekt für den 6. Juli 1989 anberaumten mündlichen Verhandlung über Auftrag der belangten Behörde von der Marktgemeinde B geladen wurden, an dieser Verhandlung auch teilnahmen und in der Verhandlungsschrift ausdrücklich als Parteien des Verfahrens angeführt sind. Die von ihnen bei dieser Verhandlung erhobenen und in einer der Verhandlungsschrift angeschlossenen schriftlichen Stellungnahme festgehaltenen Einwendungen wurden mit dem angefochtenen Bescheid auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Schließlich wurde der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführern unbestritten zugestellt. All dies läßt keinen Zweifel, daß von der belangten Behörde den Beschwerdeführern Parteistellung in dem mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossenen Verfahren zuerkannt wurde.

Zu der von den Beschwerdeführern bekämpften und in der Verhandlungsschrift festgehaltenen Ansicht der belangten Behörde, daß es sich bei den weiteren von ihnen bei der mündlichen Verhandlung "schriftlich zur Vorlage angebotenen (inhaltlich aber nicht protokollierten) Einwänden" - hiebei geht es um Einwände gegen das in Aussicht genommene Projekt der mitbeteiligten Partei, die von den Beschwerdeführern vor der mündlichen Verhandlung gegenüber verschiedenen Stellen, nicht jedoch gegenüber der belangten Behörde vorgebracht wurden und in einer von den Beschwerdeführern bei der mündlichen Verhandlung vorgelegten und zu den Akten genommenen Mappe enthalten sind - um keine Einwendungen handle, die gemäß den einschlägigen Bestimmungen des AVG im gegenständlichen Verfahren zu berücksichtigen seien, ist zu bemerken, daß es den Beschwerdeführern nicht verwehrt war, bei der mündlichen Verhandlung auf ein von ihnen zum beabsichtigten Projekt der mitbeteiligten Partei früher - wenn auch nicht der Behörde gegenüber - erstattetes Vorbringen zu verweisen und dieses zum Gegenstand ihrer Einwendungen vor der Behörde zu machen. Solcherart durften die bisherigen Einwendungen der Beschwerdeführer nicht, wie die belangte Behörde offenbar annahm, unbeachtlich bleiben. Vielmehr waren sie im Verfahren ebenfalls zu berücksichtigen. Denn gemäß § 35 des Eisenbahngesetzes ist in der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung - wie die Beschwerdeführer zu Recht einwenden - über alle gegen das Bauvorhaben erhobenen Einwendungen sowie über alle sonst vom Bauvorhaben berührten Interessen zu entscheiden, soweit es sich nicht um zivilrechtliche Ansprüche handelt, die auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sind (Abs. 2); Einwendungen, die eine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte zum Inhalt haben, sind als unbegründet abzuweisen, wenn der durch die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer ist als der Nachteil, der der Partei durch die Genehmigung des Bauvorhabens erwächst (Abs. 3).

Die Beschwerdeführer legten bei der mündlichen Verhandlung eine der Verhandlungsschrift angeschlossene schriftliche Stellungnahme vor, in der sie abschließend auf den "beiliegenden Schriftverkehr" verwiesen. In der schriftlichen Stellungnahme und in dem vorgelegten "Schriftverkehr" (Mappe) machten die Beschwerdeführer ausschließlich eine im Falle der Verwirklichung des Projektes zu erwartende Beeinträchtigung ihrer Lebens- und Wohnqualität, insbesondere durch Lärm, Abgase und Staub, geltend, die sich in Hinsicht auf die damit verbundene Ausgestaltung der Zufahrtsstraßen ergeben werde. Die belangte Behörde verwies mit dem angefochtenen Bescheid sämtliche in der Stellungnahme der Beschwerdeführer enthaltenen Einwendungen hinsichtlich Gesundheitsschädigung durch Staub, Abgase und Lärm auf den Zivilrechtsweg.

Daraus ergibt sich, daß die belangte Behörde ungeachtet ihrer insoweit verfehlten Rechtsansicht tatsächlich auch die im "Schriftverkehr" enthaltenen Einwendungen auf den Zivilrechtsweg verwies. Aber selbst wenn es die Behörde unterlassen hätte, die im bisherigen Schriftverkehr enthaltenen Einwendungen, die - wie gesagt - inhaltlich nicht über die Einwendungen in der bei der mündlichen Verhandlung abgegebenen schriftlichen Stellungnahme hinausgehen, bei Zutreffen ihrer Qualifikation als zivilrechtliche Einwendungen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, so wären die Beschwerdeführer dadurch in keinem Recht verletzt, weil es ihnen dessen ungeachtet freisteht, zivilrechtliche Ansprüche im Rechtsweg geltend zu machen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1986, Zl. 85/03/0154, sowie die weitere darin angeführte Vorjudikatur).

Die Einwendungen der Beschwerdeführer laufen - wie die Beschwerdeführer selbst in der Beschwerde darstellen - insgesamt darauf hinaus, "daß die Projektsausführung mit einer unzumutbaren Belästigung und überdies mit der Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung durch Immissionen in Form von Staub, Lärm und Abgasen nicht nur für die Einschreiter selbst, sondern auch für eine ganze Reihe weiterer Anrainer verbunden wäre, wobei der in dieser mehrfachen Hinsicht beanspruchte Immissionsschutz am konkreten Umfeld (Wohngebiet etc.) gemessen werden" müsse. Bei richtiger Rechtsanwendung hätten die Einwendungen der Beschwerdeführer nach ihren Ausführungen keineswegs als bloß zivilrechtliche qualifiziert werden dürfen und es wäre eine inhaltliche Auseinandersetzung erforderlich gewesen. Es hätte "die Betroffenheit der Beschwerdeführer in Form der voraussichtlichen Auswirkung des vorgelegten Projektes im Sinne der Bestimmung des § 35 EisbG zumindest insofern geprüft werden müssen, als der im Ergebnis allein angesprochene Immissionsschutz der Nachbarn bzw. Anrainer naheliegender Weise tangiert sein" könne.

Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführer mit Erfolg nur eine Verletzung ihrer Rechte, nicht aber auch eine Verletzung der Rechte "einer ganze Reihe weiterer Anrainer" geltend machen könnten, übersehen die Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen, daß Einwendungen, mit denen Immissionen, insbesondere Lärm, geltend gemacht werden, keine Verletzung der den Parteien nach dem Eisenbahngesetz gewährleisteten subjektiven öffentlichen Rechte zum Inhalt haben, weil sie nicht auf eine aus öffentliche-rechtlichen Regelungen erwachsene Rechtsstellung abgestellt sind, sondern - allenfalls - zivilrechtliche Ansprüche, etwa nach § 364a ABGB, betreffen (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 1987, Zl. 86/03/0050, und die weitere auch darin angeführte Vorjudikatur). Wenn daher die Einwendungen der Beschwerdeführer, die die Abwehr von Immissionen zum Gegenstand hatten, von der belangten Behörde als zivilrechtliche beurteilt und auf den Zivilrechtsweg verwiesen und nicht der von den Beschwerdeführern angestrebten Behandlung und Erledigung zugeführt wurden, so wurden die Beschwerdeführer durch diese Vorgangsweise in keinem Recht verletzt. Dem weiteren Vorbringen zu "Auswirkungen anderer Art, wie beispielsweise auf den Grundwasserstand durch die nicht unbeträchtlichen Niveauveränderungen u.a.m." steht das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot entgegen.

Die Beschwerdeführer werfen der belangten Behörde schließlich ein Überschreiten ihrer Entscheidungskompetenz vor. So sei die Baugenhmigung "unter Zugrundelegung der vorgelegten Entwurfsunterlagen und unter Einhaltung des Gutachtens des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen" erteilt worden. Die einen Bestandteil des Bescheides bildenden Entwurfsunterlagen und das Gutachten des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen bezögen sich aber nicht nur auf Eisenbahnanlagen im Sinne des § 10 des Eisenbahngesetzes, sondern auch auf die keine solchen Anlagen darstellenden Zufahrtsstraßen. Insoweit daher Plan und Bescheid eine ganz bestimmte Ausgestaltung auch der Zufahrtsstraße über den Bahnbereich in beide Richtungen hinaus mit Niveauverschiebungen, Straßennebenanlagen u.a.m. vorsehen, überschreite die belangte Behörde in rechtswidriger Weise ihre Zuständigkeit.

Auch diesem Einwand kann nicht gefolgt werden. Mit dem unter anderem auf § 35 und § 36 Abs. 1 und 2 des Eisenbahngesetzes gestützten Spruchpunkt A I des angefochtenen Bescheides wurde der mitbeteiligten Partei die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für die Errichtung der Unterführung in km 175,933 der ÖBB-Strecke Wien-Salzburg sowie für die Unterführung des Anschlußgleises zum dort befindlichen Unterwerk unter mehreren Vorschreibungen erteilt. Dieser Abspruch bezieht sich demnach nur auf die Eisenbahnanlage der Unterführung. Mit ihm sowie mit der erteilten Ausnahmebewilligung vom Bauverbot wurde jedoch kein über den von der Baugenehmigung erfaßten Bereich hinausgehender Abspruch gefällt. Es wurde hiedurch nur eine eisenbahnrechtliche, jedoch keine straßenverwaltungsrechtliche Entscheidung getroffen, mag auch in den Entwurfsunterlagen und im Gutachten des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen die Zufahrtsstraße dargestellt und beschrieben worden sein. Der Vorwurf der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe ihre Entscheidungskompetenz überschritten, entbehrt solcherart der Grundlage. Bei diesem Sachverhalt kann dahinstehen, ob den Beschwerdeführern gegebenenfalls in einem auf der Grundlage des § 48 des Eisenbahngesetzes durchgeführten und auch die bauliche Umgestaltung der Verkehrswege betreffenden Verfahren überhaupt Parteistellung zukäme.

Die Beschwerden erweisen sich demnach als unbegründet. Sie waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Die Beendigung der Beschwerdeverfahren machte eine Entscheidung über den in den Beschwerden gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entbehrlich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, insbesondere § 53 Abs. 1 und 2 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren der belangten Behörde war abzuweisen, weil im vorliegenden Fall mehrere Beschwerdeführer teils in getrennten, jedoch die Unterschrift desselben Rechtsanwaltes aufweisenden Beschwerden denselben Verwaltungsakt angefochten haben und beide Beschwerden abgewiesen werden. In einem solchen Falle ist gemäß § 52 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit Abs. 1 dieser Gesetzesstelle die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen, wie wenn die Beschwerden nur von den Beschwerdeführern, deren Beschwerde die niedrigste Geschäftszahl des Verwaltungsgerichtshofes trägt, eingebracht worden wäre. Demgemäß hatte die belangte Behörde nur Anspruch auf den diese Beschwerde betreffenden (daher nur einmaligen) Schriftsatzaufwand und es steht ihr der Ersatz des Vorlageaufwandes auch nur einmal zu (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1982, Zlen. 81/08/0089, 0092).

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Gewerberecht und EisenbahnrechtSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des ParteiwillensBerufungsrecht Begriff des Rechtsmittels bzw der Berufung Wertung von Eingaben als BerufungenOrganisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989030233.X00

Im RIS seit

28.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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