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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
WA und BA gegen Finanzlandesdirektion für Tirol je vom 7. April 1989, Zl. 61.134-6/88, betreffend Grunderwerbsteuer
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in nachstehend jeweils angeführter Höhe binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen, und zwar der Erstbeschwerdeführer S 2.760,-- und die Zweitbeschwerdeführerin S 2.300,-- (insgesamt daher S 5.060,--).
Begründung
In den vorliegenden - wegen ihres engen persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges vom Verwaltungsgerichtshof zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob (im Sinne der angefochtenen Berufungsentscheidungen) die beschwerdeführenden Ehegatten in bezug auf ihren auf Grund des Kaufvertrages vom 7. (, 9. und 14.) Juli 1982 je zur Hälfte erworbenen Anspruch auf Übereignung des (ursprünglich zur EZ. 42 I des Grundbuches der KG. M. gehörenden) Grundstückes 1194/1 die Absicht hatten, darauf ein Einfamilienhaus mit einer Wohnnutzfläche von mehr als 130 m2 zu errichten, oder (im Sinne des Vorbringens der Beschwerdeführer) ein Zweifamilienhaus mit je einer Arbeiterwohnstätte gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 im Erd- und Obergeschoß.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Absicht, auf dem Grundstück eine oder mehrere Arbeiterwohnstätten zu errichten, ist ein Willensentschluß, der unter Umständen ein Motiv für den Grundstückserwerb überhaupt bildet. Willensentschlüsse sind zunächst keine beweisbaren Tatsachen, sondern nur das Ergebnis eines Denkvorganges. Sie werden erst dann zu einer - auch steuerlich erheblichen - Tatsache, wenn der Willensentschluß durch eine Willenserklärung, also die Manifestation des Willens, in die Außenwelt tritt (siehe z.B. die in gleicher Weise wie die in der Folge zitierten Erkenntnisse unter Berufung auf § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführten Erkenntnisse vom 21. Februar 1985, Zl. 83/16/0049, Slg. Nr. 5969/F, und vom 28. Juni 1989, Zlen. 89/16/0095, 0096, je mit weiteren Hinweisen).
Nach dieser ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die besondere Ausnahme von der Besteuerung nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 dann nicht mehr anwendbar, wenn z.B. durch die Einreichung der Baupläne manifestiert wird, keine Arbeiterwohnstätten zu errichten. Daran vermag auch eine eventuelle Aufgabe des befreiungsschädlichen Bauvorhabens nichts zu ändern.
Entgegen der von den Beschwerdeführern vertretenen Auffassung wurde ihnen bei der Erlassung der angefochtenen Berufungsentscheidungen keineswegs die Beweislast für das Vorhandensein ihrer Absicht, zwei Arbeiterwohnstätten zu schaffen, aufgebürdet, sondern es wurde im Sinne des bereits angeführten Erkenntnisses vom 21. Februar 1985 in diesen Berufungsentscheidungen das Fehlen dieses Willens - mit anderen Worten: der Wille der Beschwerdeführer, ein Einfamilienhaus mit einer Wohnnutzfläche von mehr als 130 m2 zu errichten, - festgestellt.
Die Beschwerdeführer, die daher in Wahrheit in erster Linie die Beweiswürdigung durch die belangte Behörde bekämpfen, scheinen sowohl ihre Mitwirkungspflicht im Abgabenverfahren als auch die Grenzen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in bezug auf die Überprüfung der behördlichen Beweiswürdigung zu übersehen.
Der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens befreit nämlich die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Daher ist die Verfahrensrüge einer Partei abzulehnen, die im Verwaltungsverfahren untätig blieb, um erst vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitwirkte (siehe z. B. die von Dolp-Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 555 letzter Abs. und S. 556 Abs. 1, zitierte Rechtsprechung).
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle eines angefochtenen Bescheides beinhaltet zwar u.a. die Aufgabe, zu überprüfen, ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Überlegungen der belangten Behörde schlüssig sind oder nicht, d.h., ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Die Richtigkeit eines Aktes der Beweiswürdigung aber in dem Sinne, daß z.B. eine die Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht deren Vorbringen den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (siehe z.B. das Erkenntnis vom 20. April 1989, Zl. 88/16/0003, ÖStZB 22/1989, S. 413, mit weiteren Hinweisen).
Nun bot sich der belangten Behörde im wesentlichen folgende Aktenlage dar:
Der Erstbeschwerdeführer ist Steuerberater. Beide Beschwerdeführer sind 1952, ihre Kinder (drei Knaben) wurden in den Jahren 1977, 1979 und 1981 geboren.
Die Beschwerdeführer beabsichtigten nach Punkt XI. des eingangs erwähnten, von ihnen persönlich unterschriebenen Kaufvertrages "eine" Arbeiterwohnstätte zu erbauen.
In der von den Beschwerdeführern persönlich unterfertigten Baubeschreibung vom 10. Mai 1983 wurde die geplante bauliche Anlage als "Wohnhaus mit angebauter Garage" bezeichnet und bei dem Vordruck "Gesamtnutzfläche aller Wohnungen" 165,11 m2 angegeben, wobei von dem anschließenden Vordruck "Wohnung 1:
.. m2 ... Wohnung 2: ... m2 ... Wohnung 3: ... m2 ... Wohnung
4: ... m2" nur bei Wohnung 1: 165,11 m2 ausgefüllt wurde.
Anschließend wurde der Vordruck "Kurze Angabe der Aufteilung und Zweckbestimmung der einzelnen Räumlichkeiten innerhalb der baulichen Anlagen" mit "Wohnhaus mit einer Wohnung Garage für 2 PKW" ausgefüllt. Als "Art der Heizung:" wurde "Zentral" angegeben.
In dem von den Beschwerdeführern persönlich unterschriebenen Baugesuch vom 25. Mai 1983 wurde das Bauvorhaben als "Wohnhaus mit angebauter Garage" bezeichnet und als Beilagen wurden auch zwei Stück Baupläne angeführt.
Nach den jedenfalls vom Erstbeschwerdeführer unterfertigten, mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde M vom 9. Juni 1983 genehmigten Bauplänen sollte das Erdgeschoß nachstehend angeführte Räume aufweisen: "WF" (offensichtlich Wohnflur), Vorraum, WC, Bad, Zimmer (12,68 m2), Wohnraum, Stube, Küche und Speis. Nach diesen Plänen sollte man vom Stiegenhaus zum Flur der Räume im Obergeschoß durch einen Eingang ohne Türe gelangen und vom Flur zum WC, Umkleideraum mit anschließendem Bad und einem mit "Eltern" bezeichneten Raum (15,30 m2). Abgesehen vom Dachraum sollte man von diesem Flur noch in zwei je mit "Kind" bezeichneten Räume (13,50 m2 und 16,05 m2) gelangen.
Auf Grund der an beide Beschwerdeführer gerichteten Anfrage des (in der Folge als FA bezeichneten) Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Innsbruck vom 8. Jänner 1987 teilte der Erstbeschwerdeführer am 26. Jänner 1987 u.a. mit, die Wohnung im Parterre habe ein Flächenausmaß von 92 m2, die im Obergeschoß 97 m2, und gab gleichzeitig mit einem gesondert unterfertigten handschriftlichen Zusatz bekannt, im Obergeschoß bestehe zwischen Stiegenhaus und Flur eine "Windfangtüre".
Gegen die darauf gegenüber den Beschwerdeführern erlassenen, gesondert ausgefertigten Grunderwerbsteuerfestsetzungsbescheide des FA vom 11. August 1987 brachten die Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung je vom 7. September 1987 ein und führten darin im wesentlichen aus:
Es lägen sehr wohl zwei voneinander getrennte Wohneinheiten vor. Dies ergebe sich daraus, daß separate Wohnungseingänge, eine für zwei Wohnungen dimensionierte Kaminanlage (eigene Kaminzüge für Küche-Parterre und Küche-Obergeschoß), zwei getrennte Heizkreise und separate Versorgungsleitungen zu Küche, Bad und WC im Erd- und Obergeschoß, getrennte Stromzähler, zwei Müllboxen etc. geplant und auch ausgeführt worden seien. Die Küche im Obergeschoß sei im Planungsbüro nur irrtümlich mit der Bezeichnung "Kind" versehen worden. Dieser Schreibfehler sei jedoch als unerheblich erschienen und daher nicht korrigiert worden.
In ihren Anträgen je vom 23. Juni 1989 auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachten die Beschwerdeführer vor, wie aus ihren Berufungsschriften vom 7. September 1987 hervorgehe, sei der Wille, im Obergeschoß eine getrennte Wohneinheit zu errichten, von Anbeginn vorhanden gewesen und sei diese Wohnung auch durch eine eigene "Eingangstüre" getrennt, sodaß von einer Willensänderung nicht gesprochen werden könne.
In ihren gesondert ausgefertigten Vorhalten je vom 22. November 1988 wies die belangte Behörde die Beschwerdeführer u.a. noch auf folgendes hin:
Aus dem Bauakt der Gemeinde M könne lediglich ersehen werden, daß die ursprünglichen Baupläne mit Blaustift einer Korrektur unterzogen worden seien. Dabei sei u.a. im Obergeschoß eine Türe zwischen Stiegenhaus und Flur eingezeichnet worden. Es bleibe offen, wann und aus welchem Anlaß diese Korrektur vorgenommen worden sei. Selbst wenn diese Planänderung noch vor der Erlassung des Baubescheides vom 9. Juni 1983 vorgenommen worden sein sollte, wäre dies aus grunderwerbsteuerlicher Sicht bedeutungslos. Es sei nämlich auch in der korrigierten Fassung des Planes keine Küche im Obergeschoß eingezeichnet bzw. keine Umwidmung des Kinderzimmers in eine Küche vorgenommen worden.
In ihrer gemeinsamen Vorhaltbeantwortung vom 30. Dezember 1988 brachten die Beschwerdeführer im wesentlichen vor, auf Grund der Familiengröße sei beabsichtigt worden, zumindest für noch ein Kind im Bauvorhaben eine Wohngelegenheit zu schaffen. Es sei richtig, daß derzeit die zweite Wohnung im Obergeschoß nicht als eigene Wohnung benützt werde, weil dies auf Grund des Alters der Kinder noch nicht erforderlich sei. Dieser Umstand habe auch dazu geführt, daß der Planverfasser - in Kenntnis der Familienverhältnisse - davon habe ausgehen können, die Räumlichkeit, die auf Grund ihrer baulichen Ausstattung als Küche vorgesehen sei, würde derzeit als Kinderzimmer Verwendung finden, und auf Grund dessen die Bezeichnung dieses Raumes gewählt habe. Daß der Raum erst später auch tatsächlich als Küche verwendet werde, könne nach Meinung der Beschwerdeführer nicht als Aufgabe des begünstigten Zweckes im Sinne des GrEStG angesehen werden.
Wenn die Beschwerdeführer, die im Abgabenverfahren Beweisanträge nicht gestellt hatten, nun eine Feststellung der tatsächlichen Bauausführung vermissen, übersehen sie vor allem die oben angeführte Rechtsprechung, wonach es darauf ankommt, daß der befreiungsschädliche Wille nach außen in Erscheinung trat. Die Beschwerdeführer geben in der Beschwerde ausdrücklich zu, daß im Einreichplan tatsächlich im Obergeschoß eine Eingangstür nicht eingezeichnet war. Die nunmehrige erstmalige Behauptung, dies sei ein Versehen des Planzeichners gewesen, stellt eine im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung dar. Die erstmals in der Beschwerde vermißte Vernehmung des Amtssachverständigen, ob und wann er die betreffende Korrektur angebracht habe, hätte zur Frage der hier wesentlichen früheren Willensmanifestation nichts Wesentliches ergeben können. Auch die Beiziehung eines Architekten, die in der Beschwerde als zweckmäßig bezeichnet wird, hätte in gleicher Weise wie der erstmals in der Beschwerde vermißte Ortsaugenschein in dieser Richtung eine Aufklärung nicht erwarten lassen.
Da der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung der belangten Behörde eine Unschlüssigkeit nicht zu erkennen und insbesondere unter Berücksichtigung der dargestellten Familienverhältnisse der Beschwerdeführer keinen Widerspruch zu dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu finden vermag, ist die vorliegende Beschwerde durch den nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
freie BeweiswürdigungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtSachverhalt BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989160099.X00Im RIS seit
18.01.1990Zuletzt aktualisiert am
14.10.2009